Auf spiegelglatter See dümpelte die Triton dahin. Wir befanden uns irgendwo vor der Küste von Paestum, dem Ziel also ganz nahe – und das schon seit Tagen.
"Das tyrrhenische Meer ist eine Hure!" schimpften die Seeleute, besonders dann, wenn der Kapitän sie rudern ließ. Aber auch, wenn sie sich mit aller Macht in die Riemen stemmten, kam das schwere Schiff nur sehr behäbig von der Stelle. Die Stimmung an Bord war gereizt, alle sehnten sich nach Land. Endlich ein Bad in Süßwasser zu nehmen, mir das ganze Salz abzuwaschen, in kühlem klarem Süßwasser, das wünschte ich mir sehnlichst... Die kleinen Eigenheiten meiner Sklaven, Ravdusharas Hang zum Müßiggang, Pontias Pedanterie, gingen mir mittlerweile extrem auf den Geist, noch schlimmer war es, dass die beiden sich bei jeder Gelegenheit untereinander in die Haare bekamen.
Die Sonne brannte vom blitzblauen Himmel. Im Norden standen ein paar Schäfchenwolken, vollkommen reglos, wie mit dem Pinsel hingetupft. Das Meer umgab uns ölig glatt, das einzige, was sich bewegte waren die Quallen, die in großer Zahl am Rumpf des Schiffes vorbeizogen, kleine durchscheinende und große braune, mit bestimmt drei Handspannen Durchmesser!
Ich lungerte an Deck herum, im Schatten der Segel – sie waren alle gehißt, um auch den leisesten Windhauch aufzufangen – und versuchte mich auf meine Schriftrolle zu konzentrieren, eine Abschrift von Euripides' Ion. Aber ich hatte an dem Tag nicht den Nerv für dramatische Verwicklungen, und fand all die Verwechslungen und Mordversuche in der Familie ziemlich abgedroschen. Während ich geistesabwesend las, lauschte ich mit halbem Ohr auf die Unterhaltung zweiter Matrosen, die ein paar Schritt weiter an die Reling gelehnt standen. Sie sprachen mit starkem dorischem Akzent, und der ältere deutete immer wieder heftig gestikulierend auf eine Gruppe kleiner Inselchen, die der Küste vorgelagert zu unserer rechten lagen.
"So wahr ich hier stehe, hat es dort früher Sirenen gegeben!"
Mit zusammengekniffenen Augen spähte ich über das Wasser. Die Ufer ragten als schroffe, scharfkantige Felsen auf, in deren Umrissen man, mit etwas Phantasie, bizarre Gestalten erahnen konnte.
"Bist du sicher?" fragte der Jüngere mit dem Ausdruck des Unglaubens.
"Ganz sicher. Das waren wunderschöne Weiber, die schönsten die du die nur vorstellen kannst, mit so einem Busen, und einer Stimme wie... also, wenn du ihre Stimme hörst, dann vergisst du alles andere auf der Welt, willst nur noch zu ihnen, alles andere ist dir egal. Aber sie haben Klauen, wie Rasiermesser so scharf, damit zerfleischen sie jeden, der in ihre Nähe kommt. Und fressen sie auf. Ein Freund von mir, der kannte mal einen, der hat sie mit eigenen Ohren singen gehört, und ab da war es vorbei mit ihm, vorher war er ein vernünftiger Mann. Er hat sich das Beiboot geklaut und ist rüber zur Insel... zu der langen, die du da drüben siehst."
Der Erzähler machte eine Kunstpause. Längst hatte ich die Schriftrolle sinken gelassen, lauschte gebannt.
"Und dann?"
"Man hat ihn nie wieder gesehen. - Aber ein paar Jahre später, da landete ein Mann aus Positana auf der Insel – er war beim Fischen abgetrieben worden – und fand alles menschenleer. Verlassen. Bis auf..."
"Bis auf?"
"Zuerst dachte er, es wäre Treibholz. Von Sonne und Salz gebleicht. Aber es waren Knochen, Berge von abgenagten Knochen. Menschenknochen. Und Totenschädel. Alte, die schon zerbröselt waren, und neue, ganz frische... Und er fand auch die Kleider von dem Verschwundenen: blutgetränkt, und zerfetzt, wie von messerscharfen Klauen..."
In der folgenden Nacht schlief ich nicht sonderlich gut, ich horchte auf die Melodie des Schiffes, das Rauschen der Segel, das Klimpern der Takelage, Knarren der Planken, Rauschen des Meeres... und bildete mir ein, darin, ganz leise, von ganz weit weg, ein Singen zu hören... ein vorher nie gehörtes, lockendes Lied.
Aber wir hatten Glück, in der Nacht kam ein frischer Libeccio auf, füllte die Segel und trieb uns weiter die Küste entlang. Mittags kam Capri in Sicht, dann der Golf von Neapolis mit der kegelförmigen Silhouette des Vesuvs. Wir rauschten vorbei, passierten Misenum, dann Circeii, wenn das so weiterging, würden wir morgen schon Ostia erreichen.