Gedenkfeier zu Ehren des Drusus - Supplicatio

  • Das Theatrum Germanica venustris artis Mogontiaci war zum festlichen Anlass der Gedenkfeier zu Ehren des Drusus prächtig geschmückt worden. Überall wehten bunte Tücher und Wimpel von Balkons oder Mauervorsprüngen herab, Blumenkränze zierten Ballustraden der Zuschauerränge und die Szene. Ein beeindruckender Altar stellte den Mittelpunkt der Bühne dar, der nicht minder prachtvoll geschmückt war. Das ganze Theater quoll beinahe über vor Blütenpracht und bestach gleichzeitig mit farbenfroher Leichtigkeit.
    Hier würde in Kürze die Supplicatio stattfinden, das Opfer des Flamen Divi Augusti im Namen sämtlicher versammelter Civitates - durch ihre Vertreter repräsentiert - und aller anwesenden Bewohner von Mogontiacum zu Ehren des Drusus.


    Es war früh am Morgen, doch hatten sich bereits tausende Menschen einen Platz gesichert. Im Theater fanden gut zehntausend Zuschauer Platz und so wunderte es nicht, dass immer mehr Menschen den Weg hierher fanden. Alle waren festlich gekleidet, hatten sich öffentlichkeitswirksam herausgeputzt. Gerade die wohlhabende Bevölkerung der Gemeinde zeigte heute sämtlichen Reichtum, den sie aufbringen konnte, um ihresgleich und freilich auch den Pöbel zu beeindrucken.


    Die Logenränge standen selbstverständlich zunächst dem Statthalter zu, gefolgt von sämtlichen anwesenden Equites Imperii und den Honoratioren der Civitas, um die sich schließlich alle anderen wohlhabenden Bewohner scharten. Besonders fielen auch heute die Abgesandten der gallischen Civitates auf, die wie es üblich war am großen Opfer für Nero Claudius Drusus teilnehmen wollten.


    Witjon selbst war wie am vorangegangenen Tage bereits dem Anlass entsprechend gekleidet. Er plauderte mit den bereits anwesenden Honoratioren und betrachtete zwischenzeitlich zufrieden die Szenerie. Die Aedile hatten ganze Arbeit geleistet bei der Vorbereitung der Veranstaltung, womit jetzt nur noch auf einen beeindruckenden Beitrag des Flamen Divi Augusti zu hoffen war. Allerdings war Witjon sich ziemlich sicher, dass der Priester ein pompöses Opfer hinlegen würde, war er doch gewiss solcherlei massenwirksame Schauspiele gewöhnt und in ihrer Durchführung erprobt. So erwartete er das Eintreffen des Statthalters und beobachtete genügsam die sich füllenden Zuschauerränge.

  • | Caius lulius Victor


    Nachdem am Vorabend die Decursio Militum am Kenotaph des Drusus stattgefunden hatte, vollzogen sich die heutigen Akte im riesigen Theater Mogontiacums. Nach dem Geschmack des Iuliers war dieses zwar ein wenig überdimensioniert, doch wenn man an diesem Tag sah, wie zahlreich die Gesandten aus ganz Gallia erschienen waren, konnte man verstehen, warum die Statthalter einen solchen Bau zugelassen hatten. Abgesehen davon konnte auch das riesige Theater nicht mit der großen Kultanlage von Lugdunum mithalten.


    Er betrat das Theater durch den großen Haupteingang, der direkt auf die Scena zuführte. Die Priester und ihre Opfertiere (drei weiße Stiere) waren in einer großen Opferprozession vom symbolischen Grabmal des Drusus aus durch die Stadt bis zum Theater gezogen, wo man das Opfer nun vollziehen würde.


    Dann endlich konnten die Gesandten der sechzig Civitates das kultische Personal bewundern: Allen voran gingen die Musiker, die in diesem Falle - wie es bei Begräbnissen, aber auch militärischen Unternehmungen üblich war - mit Tubae und Cornua ausgestattet waren und eingängige Marschmelodien spielten. Ihnen folgte eine Statue des Drusus, angetan mit einer Feldherrenuniform und vergoldeter Haut. Nun folgten die Priester, angeführt von Victor, der die Insignien seines Amtes trug: Die Apex auf dem Kopf, die Toga Praetexta um den Körper gelegt. Erst danach kamen die Opfertiere und weiteres Kultpersonal, das Weihrauchfässer schwenkte und auf Tafeln die Namen der sechzig Civitates mit sich führte.




  • Man hatte Scaena und Pulpitum, also die Bühne, für den heutigen Tag ebenfalls besonders herausgeputzt: Hinter dem großen Altar, auf dem die Opfergaben den Flammen und damit dem göttlichen Drusus übergeben werden sollten, hatte man auf dem Bühnehaus sechzig Statuen der sechzig gallischen Stämme aufgestellt, die sich sonst in Lugdunum versammelten. In der Mitte allerdings erhob sich ein Podest für die vergoldete Statue des göttlichen Drusus selbst, flankiert von Divus Augustus und Dea Roma, die den Galliern ihren geliebten Feldherrn überhaupt erst ermöglicht hatten.

  • Die beiden Petronii Crispi saßen nicht weit weg von Duccius Marsus, der heute den Höhepunkt seiner Amtszeit feierte. Noch immer war der alte Petronier ganz hingerissen vom Fackelzug des Vortages, der ihn wieder mit zurück in seine Militärzeit genommen hatte. Heute dagegen standen wieder kultische Dinge im Mittelpunkt - aber auch Gladiatorenkämpfe, die die Duccii aus eigener Tasche finanzierten.


    Als er dann die Marschmusik hörte, gefiel ihm die ganze Sache aber schon wieder etwas besser - es war noch immer das beste Fest, wenn man eine Gottheit ehrte, die auf Erden als erfolgreicher Feldherr gewirkt hatte!

  • Den Höhepunkt seiner Amtszeit konnte man diese Feier wohl wahrlich nennen. Hätte Witjon gewusst, dass der Petronius so dachte, ihm wäre das Herz vor Stolz vermutlich aus der Brust gesprungen. Da er es aber nicht wusste, betrachtete er einfach die Vorgänge auf der Bühne und entdeckte auch sogleich die Festprozession, die da ins Theater Einzug hielt.
    "Audaod, schau doch!" rief er seinen Sohn herbei, der ein paar Schritte abseits im Gespräch mit Landulf gestanden hatte. "So ehren die Römer die Taten eines großen Mannes," erläuterte er, den Finger auf die funkelnde Statue des Drusus gerichtet, die von einer Vielzahl an Priestern und Opferhelfern umringt war. Marschmusik begleitete das Spektakel, welches einen ebenso eindrucksvollen Anblick bot wie die gestrige Parade. "Merke dir, Audaod: Ruhm und Ehre sind dir im Imperium Romanum sicher, wenn du Berühmtheit durch deine Taten erlangst." Witjon schenkte seinem Sohn ein zuversichtliches Lächeln, das dieser unsicher erwiderte. Audoad konnte sich doch die vielen Lehren, die sein Vater ihm täglich erteilte, gar nicht allesamt merken! Der Anblick des goldenen Abbildes des Feldherrn jedoch brannte sich in sein Gedächtnis ein, so dass er sich an diesen Tag wohl immer würde erinnern können.


    Nur wenige Fuß entfernt hielt sich derweil Marcus Petronius Crispus mit seinem Sohn auf, an den Witjon nun herantrat. "Salve Petronius. Eine Schande, dass Mogontiacum ein solch prachtvolles Fest nur so selten zu Gesicht bekommt, nicht wahr?" eröffnete er eine kleine Plauderei mit dem Legionsveteranen, der im Ordo Decurionum lange Zeit sein erbitterter Widersacher gewesen war - was sich jetzt nach seiner Rückkehr vom Lande deutlich geändert hatte. Den Sohn des Petronius grüßte er schließlich auch noch mit einem freundlichen "Auch dir einen guten Tag, junger Petronius," bevor er sich der erhofften Antwort des Vaters widmete.

  • So ein verdammtes Gedränge! Wir hatten in den Menschenmassen Ateualus Capito und Togionus Eximnus verloren, weil der alte Capito auf kürzestem Wege zur Militäparade wollte und nicht erst zum Forum. Ich war dann froh, dass wir uns bis zur Festprozession im Theater durchkämpfen konnten. Ich sagte zu Arionus Bellicius: "Los, gehen wir einfach da mit. Du bist der Duumvir der Civitas Treverorum und ich bin Decurio in Mogontiacum. Wir brauchen uns nicht die Frage zu stellen, ob wir da mitgehen dürfen". Mit einem breiten Lächeln fuhr ich fort: "Nein, dieser Festzug bedarf offensichtlich der Zierde unserer Häupter, meinst du nicht auch?"


    Arionus Bellicius grinste, das sah ich, obwohl seine Mundwinkel von seinem gewaltigen Schnäuzer verborgen wurden. Aber die Fältchen in seinen Augenwinkeln verrieten es.
    [Blockierte Grafik: http://img40.imageshack.us/img40/5666/bellicius3k.jpg]
    Q. Arionus Bellicius: "Lass und würdevolle Gesichter aufsetzen und den Ruhm von Mogontiacum vermehren".


    So vervielfachten wir schreitend ein Weilchen den Ruhm von Mogontiacum, bis ich Duccius Marsus entdeckte. Er stand weiter oben mit stolzgeschwellter Brust bei Petronius Crispus. "Ach," sagte ich zu Bellicius, "da vorne ist Duccius Marsus. Lass uns feststellen, auf welcher Stufe seine Festtagsstimmung inzwischen angelangt ist".

  • Staunend sah sich Alwina um. Was für ein großes Gebäude. Ihr Vater hatte davon erzählt, vorstellen hatte sie sich es nicht können. Heute saß sie hier zwischen den vielen Menschen und verfolgte was da unten vor sich ging. Sie wusste nicht wo sie zuerst hinsehen sollte. Die weißen Stiere, die vielen Bildnisse, die Priester. Alles geschmückt, bunt, der Lärm. Es war zu viel. Sie hielt sich die Ohren zu und kniff die Augen zusammen, wünschte sich nach Hause in den kleinen Garten.

  • Zitat

    Original von Numerius Duccius Marsus
    Nur wenige Fuß entfernt hielt sich derweil Marcus Petronius Crispus mit seinem Sohn auf, an den Witjon nun herantrat. "Salve Petronius. Eine Schande, dass Mogontiacum ein solch prachtvolles Fest nur so selten zu Gesicht bekommt, nicht wahr?" eröffnete er eine kleine Plauderei mit dem Legionsveteranen, der im Ordo Decurionum lange Zeit sein erbitterter Widersacher gewesen war - was sich jetzt nach seiner Rückkehr vom Lande deutlich geändert hatte. Den Sohn des Petronius grüßte er schließlich auch noch mit einem freundlichen "Auch dir einen guten Tag, junger Petronius," bevor er sich der erhofften Antwort des Vaters widmete.


    Die Worte, die Marsus seinem Sohn mitgab, machten auch Crispus etwas stolz - so etwas hätte auch ein römischer Senator zu seinem Sprössling sagen können! Und genau dafür waren solche Feiern da, damit die Jugend sich an der Vergangenheit ein Beispiel nehmen konnte. Der göttliche Augustus war wirklich nicht dumm gewesen, als er seinen...Verwandten zum Gott befördert hatte...


    Dann aber wandte der Duccier sich sogar direkt an ihn - ebenfalls erstaunlich. Und so dachte der alte Petronier etwas ganz ähnliches wie sein Gesprächspartner... vielleicht war der Tod dieses Duccius Lando schuld, der sich immer so arrogant als Oberbeamter des Statthalters aufgespielt hatte...


    "Hm, stimmt. Vielleicht sollten wir die Feier für Germanicus auch wieder größer feiern."


    Immerhin war das auch ein Feldherr, der jede Menge Ruhm erworben hatte und damit sicherlich auch eine schöne Parade verdient hatte...


    "Salve, Duumvir!"


    grüßte unterdessen Lucius gehorsam, während er ebenfalls fasziniert der Prozession zusah.

  • Während Iulius Victor und das engere Kultpersonal die Bühne betrat und vor dem Altar zum Stehen kam, marschierten die Schildträger zu den dortigen Eingängen und verschwanden in den Bühnenaufbauten. Die Musiker hingegen hatten sich dort postiert, wo üblicherweise auch bei Theateraufführungen die Musiker und der Chor ihren Platz hatten. Die Stiere hingegen führte man direkt vor den Altar, wo man sie an Ringen im Boden (deren Befestigungen man extra für diese Feier in das Theater eingebaut hatte) festmachte.


    Da das Voropfer bereits vor dem Drusus-Kenotaph stattgefunden hatte, blieb es nun nur noch übrig, die drei Stiere zum Dank für den großartigen Feldherren darzubringen.


    Ein Herold trat vor, genau an jenen Punkt, dessen akustische Verhältnisse es ermöglichten, dass jeder der Zuschauer im Publikum ihn gut verstehen konnte.


    "Favete linguis!"


    rief er laut und das Rauschen tausender Gespräche (denn das Theater fasste tatsächlich vielen tausend Gästen Platz und war bis auf den letzten Platz besetzt) erlosch.

  • | Caius lulius Victor


    Für Iulius Victor war der Marsch durch die Stadt nicht allzu anstrengend gewesen, aber da er sehr selten in einem Theater opferte, war er doch etwas nervös - würde man sein Gebet bis in die oberen Ränge hören? Oder würde der Lärm wieder zunehmen, sobald der Herold beiseite getreten war?


    Jetzt erst bemerkte er, dass man vergessen hatte, die Lorbeerkränze für diesen Anlass an die Besucher zu verteilen - eine Supplicatio ohne lorbeerbekränztes Publikum war eigentlich undenkbar. Rasch gab er also die entsprechenden Befehle und schon machten sich die Opferdiener auf, die in kleinen Wägen die Kränze die Stufen hinauftrugen und dort verteilten. Victor selbst ließ sich ebenfalls sein Exemplar reichen, tauschte es gegen den Apex und trat ann an besagten Punkt, der auf der Bühne kaum erkennbar hervorgehoben war und von dem man ihm gesagt hatte, dass er es einem einzelnen Mann ermöglichte, Tausende zu erreichen.


    "Versammeltes Gallia! Einjeder von euch möge sich bekränzen, wie es seit jeher der Brauch ist an diesem Feste! Dann werde ich mit dem Opfer für euch beginnen, woraufhin jede Gemeinde selbst das Recht hat, ihre persönlichen Gaben darzubringen!"


    Er wartete noch einen Moment, der ihm ziemlich lang erschien (es dauerte, bis Tausende ihre Kränze aufgesetzt hatten), dann endlich wandte er sich zum Altar um und breitete die Arme aus.


    "O Dea Roma, Herrin des Erdkreises, Erste unter den Städten, Mutter und Schirmerin der Tres Galliae,


    Du brachtest hervor das edle Geschlecht der Quiriten, die bestimmt waren seit Aeneas, die Völker zu Frieden und Wohlstand zu führen. Mit festen Mauern schirmtest Du Dein Volk gegen alle Feinde und nährtest Deine Söhne, damit sie die Hochmütigen unterwarfen, die Besiegten aber schonten.
    Durch Venus schließlich brachtest Du Divus Iulius hervor, der ganz Gallia Dir darbrachte, aufdass es sich in Deinem Glanze sonnen konnte. Vor allem jedoch schenktest Du uns Nero Claudius Drusus Germanicus, jenen strahlenden Feldherrn, der die blutrünstigen Barbaren jenseits des Rhenus besiegte und unsere Grenzen befestigte, damit wir von stetiger Angst vor Raub und Plünderung befreit würden.


    Darum wollen wir Dir durch gute Opfer danken, wie wir es in jedem Jahr an dieser Stelle tun, und bringen Dir diesen prächtigen, makellosen Ochsen als unsere bescheidene Gabe. Sie möge Dir zum Dank gereichen und Deinen Schutz auf uns herabkommen lassen, wie es uns seit den Tagen des Drusus Germanicus zuteil wird. Möge unser Dank aufsteigen mit dem Rauch des Altares und mögen wir Gemeinschaft haben mit Dir, wenn wir das Fleisch dieses Tieres essen!"


    Nun sah der Flamen hinüber zu Divus Augustus, der golden glänzend neben der Statue des Drusus stand.


    "O Divus Augustus, ewiger Vater des Vaterlandes, Schirmer des Imperium Romanum und Friedensbringer der Tres Galliae,


    durch Deine Weisheit und Tugend wurden Krieg und Zwietracht beendet. Nicht nur sandtest Du mit mächtigem Arm die weisesten und klügsten Deiner Berater in unser Land und wandeltest selbst auf unseren Wegen, Deinen Willen zu vollstrecken und Frieden und Wohlstand unserem Volk der Gallier zu bringen, sondern wusstest auch, uns durch den glänzenden Feldherrn Nero Claudius Drusus Germanicus, jenes Ebenbild an Tugend und Mut, zu bewahren und unsere Feinde und Bedroher niederzuwerfen.


    Darum wollen wir Dir durch gute Opfer danken, wie wir es in jedem Jahr an dieser Stelle tun, und bringen Dir diesen prächtigen, makellosen Ochsen als unsere bescheidene Gabe. Sie möge Dir zum Dank gereichen und Deinen Schutz auf uns herabkommen lassen, wie es uns seit den Tagen des Drusus Germanicus zuteil wird. Möge unser Dank aufsteigen mit dem Rauch des Altares und mögen wir Gemeinschaft haben mit Dir, wenn wir das Fleisch dieses Tieres essen!"





  • Witjon schenkte dem kleinen Petronius noch einmal ein freundliches Lächeln, bevor er einen Gedanken an eine größere Feier zu Ehren des Germanicus verschwendete. "Durchaus, warum nicht? Man könnte beide Festtage auch zusammenfassen und drei oder vier Feiertage in Folge zelebrieren. Mit der üblichen Decuriso Militum, der Supplicatio und schließlich mit je nach Lust variierenden Unterhaltungsprogrammen wie Gladiatoren, Rennen, was auch immer. Je nachdem was die Gemeinde so hergibt." Witjon zuckte die Achseln. Immerhin hatte er bisher maximal Theatervorführungen miterlebt. Gladiatorenspiele waren die absolute Seltenheit, geschweige denn Wagenrennen. Zumindest hatten seit seinem Einzug in die Casa Duccia vor etlichen Jahren keine solchen Veranstaltungen stattgefunden.


    "Aber ich schätze, dass dies dort" - Witjon wies auf die kleine Prozession auf der Bühne - "dem Rahmen durchaus angemessen ist, was meinst du?"


    Zitat

    Original von Aedituus


    Supplicatio


    Doch eine Antwort des Petronius wurde im Keim erstickt, als der Herold die Zuschauermenge zur Ruhe aufrief. Witjon wandte seine Aufmerksamkeit der Bühne zu, von der aus jetzt Helfer Lorbeerkränze an die Menge verteilten. Auch Witjon und sein Sohn und alle anderen anwesenden Duccii sowie die beistehenden Decuriones erhielten ihre Kränze und bald waren sie zur Supplicatio bereit. Da ergriff der Flamen Divi Augusti bereits wieder das Wort. Zwar richtete er seine Rede an das "versammelte Gallien", zu dem Witjon sich zwar eigentlich nicht zählte. Aber als Bewohner Mogontiacums musste man sich diese Bezeichnung wohl einmal im Jahr gefallen lassen.


    Witjon hatte seinem Sohn zuvor bereits erklärt, wie ein römisches Opfer üblicherweise ablief und wo die Unterscheide zur germanischen Opferweise, die bisweilen gewaltig waren, lagen und worin sie sich unterschieden. Audaod betrachtete die Szenerie höchstinteressiert und lauschte auch den Worten des Goden beziehungsweise Flamen, wie die Römer ihn nannten, der wie auf wunderhafte Art und Weise laut und deutlich zu verstehen war, trotz dass er weit entfernt stand und doch die Götterstatuen adressierte statt die Zuschauermenge. Witjon bemerkte Audaods ungläubiges, von Staunen gekennzeichnetes Gesicht und konnte sich ein amüsiertes Grinsen nicht verkneifen. Es war Zeit, dass der Junge die Vorteile der römischen Zivilisation - wie die hohen römischen Herrschaften Mogontiacums es bisweilen auszudrücken mochten - endlich in ihrer Gänze kennen lernte.

  • Und wie Crispus das fand - leider kam er nicht mehr zum Antworten, denn schon wurden alle zur Ruhe gemahnt. Schließlich trat der Flamen Augusti vor, der extra aus Lugdunum angereist war. Der alte Petronier fühlte sich weder als Germane, noch als Gallier - aber zu sehen, dass diese beiden Völkerschaften hier einmütig der Roma und dem Augustus opferten, machte ihn stolz, diesem Volk anzugehören, das Frieden und Wohlstand hierher gebracht hatte. So wie einst seine Ahnen an der Seite Caesars und Drusus' über die Alpen und bis ans nördliche Meer vorgedrungen waren, hatte auch er mit der Waffe in der Hand die römische Idee vorangebracht, hatte Aufständische und Piraten gejagt und an Bauwerken mitgearbeitet, die noch Jahrtausende bestehen würden!


    Wäre es nicht verboten gewesen, während dem Opfer zu reden, hätte er Lucius, der mit dem Lorbeerkranz aussah wie ein Opferhelfer (vielleicht sollte man ihn da auch einmal hineinbringen? Die Senatoren in Rom ließen ihre Sprösslinge ja auch bei Opfern assistieren...), vielleicht den ein oder anderen Kommentar dazu gegeben.

  • | Caius lulius Victor


    Zuletzt kam der eigentlich Adressat des Opfers an die Reihe. Hier galt es allerdings eine Besonderheit zu beachten - entsprechend den Gewohnheiten der Supplicatio (die sich von allen anderen römischen Opfergewohnheiten unterschied) hatte man nun den Kopf zu neigen und damit in demütiger Haltung zu beten:


    "O Manen des ewig siegreichen Nero Claudius Drusus Germanicus,
    des Lieblings der Götter,
    des Bruders des göttlichen Tiberius, Vaters des göttlichen Claudius,
    des Bezwingers der germanischen Stämme diesseits und jenseits des Stromes Rhenus!


    Durch seine Weisheit und Kühnheit hat er uns, die gallischen Civitates, vor den wilden Barbaren jenseits des Rhenus bewahrt. Als Zeichen seiner Macht hat er den Rhenus mit dem Meer durch einen Kanal verbunden, an der Spitze seines Heeres hat er die kühnen Sugambrer und Chatten, gar die aufmüpfigen Cherusker bezwungen und den Frieden und Wohlstand des Reiches bis an diesen Ort getragen.
    Die Feinde und plündernden Horden wehrte er ab durch den Bau mächtiger Festungen vom Meer bis zu den Alpen und gewährte der Gallia damit Sicherheit und Frieden.
    Auch weihte er uns, den gallischen Stämmen, einen Altar, an dem wir gute Opfer darbringen und uns verbinden mit unserem Vater, dem Divus Augustus, der den römischen Frieden und die römische Zivilisation zu uns brachte, und Roma, die dank ihm zu unserer Mutter geworden ist.


    Wie in jedem Jahr bringen wir euch auch heute gute Gaben dar, wie wir es gemäß dem Beschluss des Concilium der Tres Galliae gelobt haben und einhalten in jedem Jahr an dem Tage, an dem Drusus Germanicus hinabstieg in die Unterwelt, um sich mit den Göttern zu vereinen.


    Nehmt an diesen prächtigen, makellosen Ochsen als unsere demütige Gabe und versöhnt Euch mit uns Lebenden, aufdass Ihr Gallia jenen Schutz gebet, den Drusus Germanicus zu Lebzeiten stets gewährte! Möge unser Dank aufsteigen mit dem Rauch aus den Vitalia dieses Tieres und mögen wir Gemeinschaft haben mit Euch, wenn wir das Fleisch dieses Tieres essen!"


    Nachdem er das Gebet zu Ende gesprochen hatte, das vermutlich diesmal nicht alle mitbekommen hatten, da er etwas in seine Toga hinein geredet hatte (damit jeder deutlich sah, dass er das Haupt neigte), verneigte er sich noch einmal mit dem ganzen Körper nach vorn - wie gut, dass man seine Toga gut festgeklammert hatte, sodass sie nur ein klein wenig in Unordnung geriet!




  • | Caius lulius Victor


    Nach den Opfergebeten erfolgte nun die eigentliche Darbringung. Die Opferhelfer zogen mit den Ketten die Häupter der Ochsen herunter, dann fragten die Opferschläger:


    "Agimusne?"


    Victor sah noch einmal die Tiere an, dann sagte er mit fester Stimme


    "Agite!"


    Fast gleichzeitig sausten die Hämmer auf die beiden Stiere und die Kuh nieder. Letztere schien die Gefahr kurz vor dem Aufschlag des Hammers zu bemerken und gab einen klagenden Laut von sich, ehe das Krachen der Schädeldecken der drei Tiere durch das Theater hallte. Der Iulier konnte dieses Geräusch nicht ausstehen, doch angesichts des Anlasses zwang er sich, das Gesicht nicht zu verziehen. Stattdessen beobachtete er schweigend, wie die Opferstecher ihr Werk taten und das Blut, aufgefangen in Schüsseln, an die drei aufgebauten Altäre des Drusus, des Augustus und der Roma gespritzt wurde. Auch die anderen Anteile der Götter kamen zum Vorschein: Die Vitalia, die ein Haruspex rasch überprüfte, dann wurde auch der Schwanz der drei Tiere abgetrennt und in das prasselnde Altarfeuer geworfen.


    Schließlich wandte sich der Flamen nach rechts und sah ins Publikum.


    "Nun stehe es jeder Civitas frei, sein eigenes Opfer darzubringen zu Ehren des Drusus Germanicus! Zuerst rufe ich unsere Gastgeber, die Civitas Mogontiaciensis auf!"


    Sein Blick blieb auf den bekränzten Duccier in der ersten Reihe hängen. Danach würden die übrigen Civitates in einer feststehenden Reihenfolge folgen, sodass sich die ganze Sache noch eine Weile hinziehen würde.




  • | Lucius Petronius Crispus


    Wie schon am Vorabend, so hatte Lucius auch heute schweigend herumzustehen. Allerdings gab es auch heute viel zu sehen - hatte man gestern die Masse der Gesandten und Funktionäre in der Dunkelheit kaum erkennen können, bekam man heute einen guten Eindruck von der Menge im vollbesetzten Theater. Und einen Lorbeerkranz trug man auch nicht alle Tage - sein Vater hatte ihm davon erzählt, wie er selbst einmal siegreich von einer Schlacht gegen Piraten in Colonia Claudia Ara Agrippinensis eingezogen war. Vielleicht würde auch er eines Tages als Triumphator hinter dem Kaiser herziehen...


    Was ihn allerdings vor allem beeindruckte, war die Ehrerbietung, mit der man Drusus Germanicus anbetete. Noch nie hatte er gesehen, wie ein Römer sich während eines Opfers verneigte - die Vorstellung, selbst Objekt solcher Verehrung zu werden, gefiel ihm. Besonders, wenn er sich vorstellte, wie seine Klassenkameraden sich vor ihm beugen mussten - vor allem dieser eingebildete Caius!


    Nach langem Geschwafel (der Alte hatte ihm die Geschichte ja schon erzählt, auch wenn es auch ihm gut gefiel, dass die Germanen der Stadt Rom opferten, aus der seine Familie kam) kam dann endlich das Opfer. Blutige Opfer übten eine faszinierende Wirkung auf Lucius aus - der Todeskampf der Tiere zog ihn stets aufs Neue in seinen Bann und er freute sich schon, wenn er eines Tages selbst das Opfermesser führen durfte. Und so war es auch heute: Das klägliche Geräusch der Kuh erzeugte ein Kribbeln in seinem Körper und als das Blut in Strömen aus den Stieren floss, konnte er seinen Blick kaum abwenden.




  • Den Anfang der persönlichen Opfer der Civitates machte traditionell der Gastgeber: Mogontiacum. So erhoben sich die beiden Duumviri der Stadt und mit ihnen die bekränzten Aeditui und Opferdiener der Tempel des Augustus und des Apollo Mogon. In Schalen trugen sie Wein aus der Region, aber auch Kupfermünzen heran, die traditionell von den umliegenden Stämmen als regionale Gabe geopfert wurden.


    Vor dem Altar angekommen, reichte man die Gaben an die Duumviri weiter, die das Gebet zu sprechen und die Gaben auf den Tisch zu legen hatten, um dann Platz für die nächsten zu machen (die Lugdunenser, die als Kultzentrum der Tres Galliae ebenfalls einen Vorrang genossen).




  • Witjon und sein Amtskollege traten würdevoll nach vorn. Der Duccius fühlte sich gut, war stolz darauf seine Civitas so repräsentieren zu können. Patulcius und er hatten sich darauf geeinigt, dass Witjon das Gebet sprechen sollte und jener die Opfergaben darlegen sollte, so dass Witjon nun mit lauter und deutlicher Stimme zu sprechen begann.


    "O Manen des ewig siegreichen Nero Claudius Drusus Germanicus,
    des Lieblings der Götter,
    des Bruders des göttlichen Tiberius, Vaters des göttlichen Claudius,
    des Begründers und Schirmers der Civitas Mogontiacum!


    Durch seine Macht hat er unser Land dem grausamen Barbaren entrissen und die Civitas Mogontiacum an diesem Orte begründet, geschirmt durch seine Legionen.
    An der Spitze seines Heeres hat er die kühnen Sugambrer und Chatten, gar die aufmüpfigen Cherusker bezwungen und den Frieden und Wohlstand des Reiches bis an diesen Ort getragen.


    Seit jenem Tag, an dem sein Leichnam die Grenzen unserer Civitas überschritt, beklagen wir seinen Tod und blicken dankbar auf sein Leben, indem wir Euch gute Gaben darbringen.


    Nehmt an diese kupfernen Münzen und diesen Wein als unsere demütige Gabe und versöhnt Euch mit uns Lebenden, aufdass Ihr Gallia und unserer Civitas jenen Schutz gebet, den Drusus Germanicus zu Lebzeiten stets gewährte! Möge unser Dank aufsteigen mit dem Rauch dieses Altares, aufdass sich unsere ganze Civitas mit Euch verbinde."


    Das war Patulcius' Zeichen, der nun die genannten Dinge entgegennahm und am Altar darbrachte. Als das Opfer abgeschlossen war, verharrten die Duumviri noch einen angemessenen Augenblick in Stille, dann traten sie beiseite und ließen den Vertretern der anderen Civitates die Möglichkeit, ihr eigenes Opfer darzubringen. Witjon nickte Patulcius zu; er war zufrieden mit dem bisherigen Ablauf der Feierlichkeiten. Dann kehrten sie zur Tribüne der Decuriones zurück und reihten sich in die Gruppe der Ehrengäste ein.

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