ZitatOriginal von Sextus Aurelius Lupus
“Peregrinus!“ Sextus spie das Wort aus wie die Beleidigung, die es in seinen Augen darstellte. “Es ist mir gleichgültig, ob dein Vater der Besitzer des größten Misthaufens jenseits des Limes ist. Du bist hier in Rom, nicht im Barbaricum! Hier bist du ein rechtloses Nichts, das nur aufgrund der Großzügigkeit unseres Imperators auch nur einen Fuß auf kultivierten Boden setzen darf! Du hast keine freie stimme, du hast kein Anrecht auf Ämter, du bist wertloser als der Dreck, der sich in der Subura sammelt, aber dennoch Bürger Roms ist. Als Friese bist du bestenfalls noch Löwenfutter, nachdem sich eine römische Standarte tief in diesen abartigen Sumpf, den ihr Heimat nennt, gebohrt hat! Und es ist mir scheißegal, ob dein Lehrer dich ein paar hübsche Worte gelehrt hat oder nicht.
Das da ist Flavia Nigrina, aus derselben Ahnenreihe wie Titus Flavius Vespasianus, Titus Flavius Vespasianus und Titus Flavius Domitianus. Kaiser Roms! Das ist meine Frau und die Schwester des verstorbenen Senator Roms, und du wirst ihr den ihr schuldigen Respekt erweisen, oder ich schwöre beim Stein des Iuppiter, ich werde mit deinem Blut mein Schlafzimmer streichen und mir aus deiner Haut einen Mantel machen, haben wir uns verstanden?“ Und er klang bei keiner einzelnen Silbe auch nur annähernd so, als würde er sie nicht vollkommen ernst meinen.
Sextus war nicht nur wütend, er hatte Mord im Blick. Er bemerkte noch nicht einmal, dass er Flavius Gracchus mit seinen Worten ins Wort gefallen war, was wohl ebenfalls eine grobe Unhöflichkeit gegen den Hausherrn war, dem es eigentlich oblag, im Sinne der Flavier zu sprechen. Doch Sextus hasste diesen peregrinen Emporkömmling im Moment zu sehr, um sich davon aufhalten zu lassen.
Prinzipiell wäre diese Beleidigung seitens des Patriziers eine Herausforderung zum Zweikampf wert gewesen. Einen kurzen Moment, weniger als einen Wimpernschlag dachte Eginhard darüber nach. Angenommen, er würde den Patrizier zum Duell fordern, dann würde dieser mit dem Finger schnippen und dessen Klienten würden Eginhard in Stücke reißen. Doch selbst, wenn sich dieser aufs Duell einlassen würde, wäre das Resultat eindeutig. Würde Eginhard verlieren, so wäre er tot. Würde er gewinnen, so wäre er ebenfalls tot, weil er Patrizier verletzt hatte. Außerdem würde es die Würde des Toten verletzen, wenn vor ihm gekämpft wurde. Also war die Forderung zum Zweikampf keine Option. Darüber hinaus, und das wog schwer für Eginhard, handelte es sich bei der Frau um die Schwester des Toten und beide waren, was besonders schwer wog, von kaiserlichem Blut. Vor einigen Generationen hatten seine Vorfahren mit Drusus ein Freundschaftsabkommen geschlossen. Dieses hatten sie bis heute gehalten. Drusus war ein Verwandter des damaligen Kaisers, also galt die Freundschaft auch für Nachfahren von römischen Kaisern.
Im Sinne des alten Abkommens wollte sich Eginhard damit in Diplomatie versuchen. Er ignorierte seinen verletzten Stolz und versuchte, die Situation irgendwie zu retten. Zunächst wandte er sich an Aurelius Lupus. "Hoher Herr, ich danke dir für deine Belehrung." In seiner Stimme und Mimik war Dankbarkeit zu erkennen. Er verstand es durchaus, Dankbarkeit überzeugend zu mimen, und hier legte er seine gesamte Überzeugungskraft hinein. Er beendete seinen Satz mit einem anerkennenden Nicken und wandte sich an Flavia Nigrina. Immerhin kannte er nun ihren Namen. "Hohe Dame, es war mir nicht bewusst, dass du von kaiserlichem Geblüt bist. Hätte ich dies auch nur geahnt, ich hätte niemals auch nur daran gedacht, dir eine wie auch immer geartete Erwiderung zu geben." Er verneigte sich. Nun war es Reue, die er zeigte, und die war sogar echt. "Ich bitte nicht um Verzeihung, denn diese kann ich nicht erlangen, doch um Nachsicht. Ich bin nur ein unwissender, ungebildeter Barbar, woher sollte ich jemals kaiserlichen Geblüts angesichtig geworden sein und solches erkennen?" Eine erneute Verneigung. "Clementia ist alles, worum ich bitten kann." Eine letzte, tiefe Verbeugung, in der er verharrte, bis ihn jemand ansprach.