Aufgrund der geringen Entfernung zwischen Antium und Rom, hielten sich die Strapazen und Entbehrungen der Reise zum Glück im erträglichen Rahmen, wenngleich es die Aurelia sehr viel Überwindung gekostet hatte, in einfachen Gewändern gehüllt auf einem primitiven Ochsenkarren Platz zu nehmen. Keinerlei Zeichen ihrer Würde und ihres Standes. Was für eine Demütigung ihrer zarten Seele! Aber es half nichts. Schließlich konnte sie unmöglich in einer prunkvollen Sänfte liegend, oder im bequemen Reisewagen sitzend, vor den Toren Roms erscheinen ohne zu wissen, wie man dieser Tage dort auf einen derart pompösen Auftritt reagieren würde. Selbst der übliche Tross aus Sklaven, Leibwächtern und sonstigem Gefolge musste wohl oder übel in Etappen anreisen, um auf diese Weise nicht aufzufallen. So war die Aurelia also gezwungen den Gefahren des römischen Alltags zu strotzen, vor denen sie ansonsten zuverlässig durch einen Pulk Bewacher abgeschirmt wurde. Einzig und allein Einar und Bernulf begleiteten sie auf dem Karren und dieses eine Mal war Prisca insgeheim froh darüber, die beiden germanischen Bluthunde nah an ihrer Seite zu wissen. Das würde sie natürlich nie offen zugeben und deshalb ließ sie keine Gelegenheit aus ihren Unmut an den beiden Germanen auszulassen.
"Hoffentlich sind wir bald da. Ich werde wohl die nächsten Tage im Bad verbringen müssen und hoffen, dass ich den Gestank wieder los werde, den ihr und dieser Ochse da verströmt. Bäh!", wetterte Prisca zum x-ten Male los und erntete dafür nur stoische Blicke, worauf sie noch wütender wurde, was wiederum die beiden Germanen köstlich amüsierte …usw …usf ... "Was grinst du denn so dämlich? Hör sofort auf damit!", entdeckte Prisca prompt den Hauch einer Muskelzuckung in Bernulfs Mundwinkel, worauf dieser sich -angesichts der heiteren Stimmung - einen Seitenhieb auf seinen Kumpel nicht verkneifen konnte: "Aber Herrin, ich grinse doch nur weil in Wirklichkeit Einar es ist, der allein so stinkt wie zehn Ochsen." und erhielt dafür "Aua!" prompt eine schmerzhafte Kopfnuss von diesem. "Halt dein blödes Maul!", zischte Einar wütend. Immer musste Bernulf sticheln und das hasste er: "Du weißt genau, dass das nicht stimmt. Erst letzten Monat habe ich gebadet. Ich schwöre es Herrin!", stellte er demzufolge richtig, was Sache war und...: "Und überhaupt, wenn hier einer stinkt, dann …"
"Oh Jetzt haltet endlich euren Mund. Beide! Oder ich lasse euch von dem nächstbesten Kerl, der mir hier über den Weg läuft, öffentlich auspeitschten!", fuhr Prisca mit schneidender Stimme dazwischen da ihr langsam der Kragen platzte. "Seht lieber zu, dass wir unbehelligt an den Wachen vorbei in die Stadt kommen! Da vorne ist bereits das Tor in Sicht." Mittlerweile hatten sie den Stadtrand erreicht und von dort aus mussten sie notgedrungen zu Fuß weiter durch die Menschenmassen, die in und aus der Stadt heraus drängten. "Bravo junge Frau!", ertönte inmitten der vielen Menschen plötzlich eine zittrige Stimme, worauf Prisca und die zwei Germanen wie an einem Strang die Köpfe danach drehten. "Zeig es nur den beiden ungewaschenen Kerlen wer hier das sagen hat und lass dir nichts von denen gefallen", feuerte da tatsächlich eine kleine alte runzelige Frau die Aurelia an, die zufälligerweise in der Nähe gestanden und die Worte bitbekommen hatte. Genauso, wie Dutzende andere Menschen auch, die sich allerdings nicht weiter darum scherten. Jeder war sich augenblicklich selbst der Nächste und, nachdem die Ausgangssperre aufgehoben war, suchten viele auf ihre Weise das Heil in der Flucht, oder eben nicht, je nachdem in welche Richtung man augenblicklich strebte.
Unter normalen Bedingungen hätte Prisca dem in Lumpen gehülltem Mütterchen keinerlei Beachtung geschenkt und hätten ihre Leibwächter die alte Frau lediglich brutal zur Seite geschubst. Heute aber musste sie mit schnellen Griffen, an Einars und Bernulfs Handgelenke, diese sogar davon abhalten ihre Arbeit -wie gewohnt - tatsächlich zu tun. Wir wollen doch nicht auffallen!, warf sie den Beiden einen energischen Blick zu, ehe sie zu der Frau gewandt sprach: "Naja, eigentlich sind das ja zwei ganz liebe Kerle! Wir sind alle nur ein wenig erschöpft und gereizt von der langen Reise. " Mit guter Miene zum bösen Spiel, zwinkerte Prisca ihren beiden Sklaven lächelnd zu, obwohl sie sich am liebsten übergeben hätte inmitten des gemeinen Pöbels, von dem sie soeben im Begriff war ein Teil zu werden. "Aber nun müssen wir wirklich weiter. Vale, gute alte Frau. Mögen die Götter dich in diesen schweren Zeiten gut behüten " , oder fall meinetwegen auf der Stelle tot um, log die Aurelia der Alten deshalb auch ganz ungeniert lächelnd ins Gesicht, nur um schnell ihren Weg fort setzen zu können. Das Ziel (die villa Flavia) war schließlich nicht mehr allzu weit und dennoch schien es in unerreichbare Ferne gerückt, angesichts der vielen Patrouillen, die unablässig die Menschenmenge nach verdächtigen Personen absuchten ...
Unauffällig an den Wachen vorbei, in die Stadt hinein - heraus finden, was vorgefallen ist und - wo sich die übrigen Angehörigen gerade aufhalten und -falls nötig wieder unauffällig aus Rom verschwinden. So einfach oder kompliziert war der Plan der Aurelia und bei diesem war sie (mehr denn je) auf die Loyalität ihrer Sklaven angewiesen. Keine Frage. Am liebsten hätte Prisca im Moment ihre Leibsklavin Tilla bei sich gehabt (über deren Verbleib sie sich nach Maras Briefen unablässig Gedanken machte), aber leider musste sie im Moment wohl allein mit den zwei Germanen Vorlieb nehmen.