Antiochia, die Stadt der Lichter. Es war zwei Stunden nach Sonnenuntergang und ich blickte von der Dachterasse des "Rosengarten" auf ein Meer funkelnder Lichtpunkte, Laternen, die entlang der Plätze und Boulevards die syrische Nacht erhellten.
"Palmwein. Mit Muskat." orderte ich bei der nymphenhaften Bedienung. Rosenduft lag schwer und süß in der Luft, Rosen wucherten allenthalben, bedeckten die Mauern und quollen aus unzähligen, mit erotischen Szenen verschnörkelten Terakotta-Vasen. Ich trug eine locker gegürtete, rubinrote Tunika, dazu eine Lacerna mit keck hervorblitzendem smaragdgrünem Seidenfutter, die von einer schweren schlangenförmigen Fibel auf meiner Schulter zusammengehalten wurde. Im Rosengarten verkehrten Antiochias Reiche und Genießer, und auch unter Offizieren war es ein angesagter Ort der Erholung. Die Kurtisanen und Gespielen waren allesamt hochklassig. Exquisite Körper räkelten sich einladend im Halblicht. Ein stadtbekannter Reeder mit prachtvoll gekräuseltem Bart machte sich gerade, ein Mädchen rechts, ein Mädchen links, auf den Weg zu den Separées. Ein anderer Gast, grauhaarig und verkniffen, musterte prüfend die Belegschaft, er schien sich noch nicht so recht entscheiden zu können. Leise Musik von Zimbeln und Flöten, Stimmengemurmel und wohlige Laute erfüllten diesen Ort.
An das Geländer gelehnt nippte ich an meinem Wein. Jenseits der Lichter der Stadt, jenseits der Mauern, da wo ich vor vielen Jahren einmal als Rekrut in der Prima gelagert hatte, dort glommen nun die Lagerfeuer der syrischen Legionen. Cornelius Palmas Streitmacht. Antiochia, die Stadt des Verrats.
Mein Auftrag, mein eigentlicher Auftrag, war von den Ereignissen überrollt worden. An der Schuld des Veturius Cicurinus bestand natürlich kein Zweifel mehr. Daran, dass der Cornelier gegen Rom ziehen wollte auch nicht. Jetzt ging es um die Stärke der Truppen, die dieser Gegenkaiser um sich gescharrt hatte, um den Schlachtplan, und um die Schwächen der beteiligten Kommandeure. Meine Speculatoren hatten gute Arbeit geleistet, und ich hatte eine ergiebige weitere Informationsquelle aufgetan, als ich die Besitzerin des Rosengarten, von den Vorteilen für mich zu arbeiten überzeugte. (Ein raffgieriges Weib!)
Darum war ich heute abend hier. Rein dienstlich. Ein letzter Austausch, eine letzte Abrechnung, und dann würde ich mich ohne Verzug auf die Rückreise nach Rom machen. Die Speculatoren würden hierbleiben und die Quellen in Zukunft weiter abschöpfen. Der Cornelier zog schon die Flotte im Hafen Seleukia zusammen, ich musste raus aus Syrien bevor er die seetüchtigen Schiffe allesamt für sich requirierte. In einer verschwiegenen Bucht wartete bereits eine flinke kleine Liburne auf mich.
Ein melodisches Klingen, und die mit Glöckchen besetzten Vorhangschnüre eines der Durchgänge schwangen zur Seite. Endymion betrat die Terasse. Nein... er schwebte hinein. "Rein dienstlich" wankte. Endymion! Wer seinen statuenschönen Leib erblickt, wer seinen brennenden Blick auf sich gespürt, wer seine honigsüßen Lippen geschmeckt hätte, der würde es mir nachsehen.
"Willkommen." Er lächelte mit dem Mund.
Ich trat an ihn heran und schlang den Arm um seine Mitte. (Den linken... der rechte war zwar mittlerweile wieder zusammengewachsen, aber steif im Ellbogen und schwach geblieben, dazu scheußlich vernarbt. Scheiß Blemmyer! Möge der heulende Sandsturm diese elenden Hunde allesamt in Fetzen reissen, möge der Treibsand ihre erbärmlichen Überreste für alle Ewigkeit verschlingen.)
"Sie erwartet dich."
An der Seite des Sklaven, die Hand auf seinem perfekt gewölbten Gesäß ruhend, verließ ich die Terasse. Mit den Gedanken halb bei dem bevorstehenden geschäftlichen Treffen, halb bei der Frage: ich könnte ihn mir doch kaufen, den Endymion. Ihn dem Rosengarten abkaufen. Ein syrisches Souvenir... Sicher wäre er sündhaft teuer, aber gewiss auch jede Sesterze wert. Dumm war nur, dass er hier als Sammler von Informationen noch viel wertvoller war, als er es in meinem Bett jemals sein könnte. Verdammtes Dilemma.