Ein unterirdisches Gewölbe, direkt neben dem Zellentrakt. Durch zwei schmale Schlitze ganz oben unter der Decke fällt nur wenig Tageslicht. Fackeln in schweren Eisenhaltern tauchen den Raum in düsterrotes Flackern. Im vorderen Bereich befinden sich Tisch und Stühle, im hinteren eine Streckbank, ein Stuhl mit Eisenschellen, ein Kohlebecken, Haken und Ketten die von der Decke herunterhängen, und ein Arsenal von Folterwerkzeugen, eines unappetitlicher als das andere.
Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren! - Verhörraum I
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Schon bekannt, schliesslich war ich in letzter Zeit schon öfter hier, war mir der Verhörraum. Schmerzen standen mir bevor, Qualen und lange Zeit voller Fragen und lästiger Sprüche.
Aber einen alten Mann wie mich konnte nicht mehr viel wirklich zusetzen, Schmerzen war man gewohnt und schliesslich nur ein weiterer Schritt zur Erlösung. -
Als ich in den Verhörraum trat, hatten die Soldaten den Gefangen schon hergebracht. Sie drückten ihn auf einen Stuhl, einer blieb neben ihm stehen, der andere ging zu den Foltergeräten und begann das Arsenal des Schreckens fein säuberlich zu ordnen.
"Danke Milites. Ihr könnt wegtreten." sagte ich, wobei ich meine Erschütterung über den erbärmlichen Zustand des Mannes hinter einer geschäftigen Miene verbarg. Die Soldaten sahen mich erstaunt an. "Ich brauche eure Dienste vorerst nicht." erklärte ich, und nun endlich gehorchten sie, salutierten und traten ab. Ich ging zur Türe, vergewisserte mich, dass die Männer gegangen waren und verschloss sie mit klopfendem Herzen.
Dann wandte ich mich dem Gefangenen zu. Bei allen Göttern, was für einen bodenlosen Fall hatte dieser Mann getan. Wenn ich ihn anblickte, konnte ich nicht anders, als mir vorzustellen was wäre, wenn mein Vater nicht rechzeitig nach Hispania gegangen wäre.
Ob er überhaupt noch bei Sinnen war?
"Senator Vinicius? Kannst du mich hören, verstehen? Ich bin Tribun Decimus Serapio, der Sohn von Decimus Livianus." -
Nur verschwommen bekam ich das Getümmel mit... wurde gebracht, ein Mann kam, Milites gingen..... er sprach zu mir........ doch soweit war ich noch bei Sinnen, dass ich den Namen verstand, ein Name der mir sehr geläufig war..... ich blickte hoch und nickte
"Livianus, ja ich kenne Livianus...... den Göttern sei Dank, dass er das alles nicht mehr mit ansehen muss!"
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Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, als er so sprach, als wäre mein Vater tot. Ich warf einen nervösen Blick um mich, aber das Gewölbe war leer, die massive Türe verschlossen und wenn jemand oben an den Schlitzen in der Decke gelauscht hätte, dann hätte ich seinen Schatten bemerken müssen. Ausserdem waren sie zu weit entfernt. Keiner konnte mich hören, trotzdem war ich überaus angespannt.
Ich beugte mich vor, näher an Vinicius heran – und einen Moment lang verschlugen die Ausdünstungen der langen Gefangenschaft mir den Atem. Dann stählte ich meine Nase und sagte mit ganz leiser, gedämpfter Stimme: "Mein Vater hat von Anfang an gewarnt, aber ihm wollte ja keiner glauben. Senator Vinicius, ich will dir helfen.... so gut ich kann. Zur Flucht vermag ich dir nicht zu verhelfen, aber... ich kann dir helfen dies hier zu überstehen." -
Mit aller Kraft versuchte ich meinen Kopf aufrecht zu halten, den Mann anzusehen, nur mit mässigen Erfolg. Immer wieder schien es, als würde mein Kopf abfallen und sich dann doch wieder fangen. Doch die Worte des Soldaten richteten mich wieder auf, ich sah ihn an und auch wenn mein Stolz mir nicht mehr erlaubte so konnte man doch sehen, dass mein Augen sich ein wenig befeuchteten..... ich nickte....
"Danke, aber warum willst du dein Leben und das deiner Familie riskieren? Ich bin ein alter Mann, ich werde ohnehin sterben....... "
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Da war ein verräterischer Glanz in den Augen dieses alten, kraftlosen Mannes. Und mit einem Mal wurde meine Kehle ganz eng, und ich wünschte mich weit weg von all dem...
".... Aber nicht hier im Kerker." widersprach ich leise flüsternd. "Es ist......mein Vater könnte an deiner Stelle sein, wenn er nicht rechtzeitig nach Hispania gegangen wäre...... Senator Vinicius, ich achte das was ihr getan habt. Und ich glaube, dass es nicht umsonst war. Cornelius hat in Syrien den Aufstand entfacht, und er hat sich rasend schnell ausgebreitet. Die Legionen sind schon auf dem Weg hierher. Es wird bestimmt nicht mehr lange dauern, dann ist deine Gefangenschaft zu Ende." -
Ein Hauch von Leben kehrte in meinen geschundenen Körper zurück und in meinen Augen konnte man einen leisen Anflug von Genugtuung erkennen..... doch ich wollte mir auch nicht allzusehr anmerken lassen, dass mich dies überaus glücklich stimmte, denn immerhin konnte dies alles noch eine Fall sein, um mir ein Geständnis zu entlocken.....Drum beliess ich es bei einer einfachen Aussage
"Cornelius ist ein würdiger Kaiser!"
und fügte dann hinzu
"Nur zu gerne würde ich seinen Einzug in Rom noch miterleben!"
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Cornelius ist ein würdiger Kaiser.... ein würdiger Kaiser.... ein würdiger Kaiser..." Die leisen Worte dröhnten mir in den Ohren.
...ein würdiger Kaiser."
Ich hatte nichts von Cornelius Proklamation gesagt. Der Gefangene war isoliert gewesen. Doch er wußte bescheid. Wie konnte er bescheid wissen, wenn er nicht in den Plan der Verschwörer eingeweiht war?
Es war eine Art von Grauen, die mich überkam. Da saß dieser durchaus mitleiderregende, verdiente alte Senator, der mich irgendwie ein bisschen an meinen Vater erinnerte, und hatte seine Finger in der Verschwörung mit drin. Wer noch alles? Manius? Am Ende gar mein Vater?!
"Und das wirst du." antwortete ich mechanisch, tonlos. Es war mir alles zuviel. Lug, Betrug, die Unmöglichkeit das richtige zu tun. Mir war, als hätte ich keine Luft zum Atmen mehr, und die Decke des Gewölbes schien mich zu erdrücken. Von irgendwoher vermeinte ich ein leises... Schaben zu hören, wie Fingernägel auf Metall. Ich schauderte. Ich wollte hier weg.
"Aber warum." flüsterte ich, viel zu erschüttert um mich weiter zu verstellen. "Warum?! Es wäre doch genug gewesen, Vescularius zu töten!! - Aber der Kaiser, er war doch kein schlechter Mann, und seine Frau... und sein Sohn..." -
"Wenn es doch nur so einfach gewesen wäre....." sprach ich leise ".... am liebsten wäre mir gewesen, der Senat hätte die nötige Courage gehabt und sich gegen Salinator gestellt, doch es hat sich gezeigt, dass sie alle nur auf ihr Wohl bedacht sind, Speichellecker, die dem Bauern Vescularius jetzt in den Arsch kriechen!"
Die Worte hörten sich zwar hat an, klangen aus meinem Mund aber nur halb so bedrohlich, denn die Kräfte waren schon lange erschöpft
"Ich kann nur hoffen, Cornelius schafft es, sonst war alles umsonst und das Rom, so wie wir es kannten wird unter Salinators Diktatur untergehen!"
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Da war tatsächlich ein Senator, der noch viel harscher über den Senat urteilte als ich... Überhaupt geschah hier viel, das mich verwirrte... und erschütterte.
Ich hatte den Namen meines Vaters benutzt, um mir das Vertrauen des Gefangenen zu erschleichen, hatte ihm meine Hilfe versprochen, nur weil ich auf ein Geständnis aus war. Und es hatte funktioniert. Zwar hatte er es nie direkt gesagt, doch dass er zur Verschwörung gehörte war offensichtlich. Womit ich aber nicht gerechnet hatte: ich gewann den Eindruck dass Vinicius tatsächlich... in dem Glauben gehandelt hatte, für Rom einzustehen. Und das.... das brachte einfach alles durcheinander.
"Aber es hätte doch einen anderen Weg geben müssen!" erwiderte ich anklagend. "Selbst ein Seianus konnte gestürzt werden, als dem Tiberius endlich die Augen geöffnet wurden. Doch den Tiberius zu töten für die Verbrechen seines Stellvertreters... Vinicius, warum?!! - Die Macht eines Dictators verblasst gegen die eines Princeps, die er jetzt aufgrund eurer Tat hat!" -
Mein Blick wurde leer..... der Mann hatte ja Recht.... jetzt im Nachhinein konnte man das ganz leicht erkennen, aber damals?
"Du hast Recht, Tribun, aber ob du es damals auch so gesehen hättest? Nachher ist man immer weiser! Doch was geschehen ist, ist geschehen, man kann es nicht mehr ändern. Für mich gibt es auch keine Hoffnung mehr, aber für Rom..... Cornelius! Mögen die Götter ihm beistehen!"
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Niemals hätte ich auch nur im Entferntesten in Betracht gezogen, den Kaiser zu morden! Man sah ja, die frevelhafte Tat hatte sich gegen die Frevler selbst gerichtet, die Götter bestraften sie. Jedenfalls diesen hier. Ich atmete tief durch, versuchte meine Gedanken und vor allem meine widerstreitenden Impulse wieder zu bändigen und zu ordnen.
Er war nicht mein Vater. Mein Vater hätte niemals einem solchen Frevel zugestimmt. Und ich war Soldat. An mir war es nicht, Urteile zu fällen, ich tat nur meine Pflicht. Trotzdem fühlte ich mich blöderweise... irgendwie an die Versprechungen gebunden, die ich ihm anfangs gemacht hatte. Mal wieder das alte Lied: ich war noch immer zu weich für diese Arbeit.
Verdammt. Ich sagte mir, dass es, vollkommen egal was ich wollte, schlecht wäre wenn er stürbe, und so öffnete ich meine Ledertasche, holte einige Lebensmittel hervor und stellte sie vor ihn auf den Tisch: leichtes Weißbrot, etwas Honig, Ziegenkäse, ein Hähnchenschenkel. Zu viel zu essen wäre nach so langem Darben ja auch gefährlich.
"Ich werde dafür sorgen, dass du in eine ordentliche Zelle verlegt wirst, mit Licht und Luft, und besseres Essen bekommst. Ich werde dir auch einen Arzt schicken." versprach ich. Das konnte ich immerhin alles damit rechtfertigen, dass der wertvolle Gefangene nicht wegsterben sollte bevor er nicht restlos gestanden hatte!
"Cornelius... Warum glaubst du dass er ein guter Kaiser sein wird? Was hat er ausser seinem alten Namen...?" Und abgesehen davon, dass er nicht Vescularius war. -
Ein dankender Blick quittierte die Lebensmittelgabe....... und ich stürzte mich auch gleich förmlich darauf, solange bis die nächste Frage kam, ich sah hoch, sah dem Mann in die Augen und sprach voller Hass "Jeder Mann ist besser als Salinator und Cornelius, obendrein, ist ein Mann der Tat und ein Mann der Ehre, letzteres kann man von Salinbator nicht behaupten! Cornelius wird Rom wieder einen und es nicht auseinandertreiben!"
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Hohle Phrasen! Ich erwiderte nichts darauf. Es wäre unsinnig sich mit ihm auf eine Diskussion einzulassen. Er hatte seine gesamte Existenz, Ansehen, Besitz und Gesundheit verloren im Glauben an diesen Mann, er mußte daran glauben, dass es einen Sinn hatte. Ich verschränkte die Arme, lehnte mich gegen die Wand, lies ihm Zeit zu essen. Und schwieg.
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Huhn, Brot, Schafkäse und Honig.... nicht unbedingt das Essen welches ein Senator gewohnt war, aber nach den vielen Tagen hier drinnen ein wahrer Gaumenschmaus.
Ich liess es mir schmecken, schlang hinunter, schnell und fast ohne zu kauen, man wußte ja nicht, wie lange dies andauern würde. -
Der Mann war zäh... Zäher als er aussah. Nachdem er gegessen hatte, beseitigte ich die Spuren, wischte Krümel und Knochen in ein Tuch und knüllte es in meine Tasche.
"Vale Senator. Wir sehen uns bald wieder. Und... ich bitte dich zu niemandem ein Wort hierüber zu verlieren."
War ja eigentlich klar, und mit wem sollte er schon plaudern in seiner Isolationshaft, trotzdem war es mir wohler dies nochmal zu betonen, bevor ich mich dann zur Tür wandte. -
Ich nickte und ein leises "Danke" konnte man vernehmen. Schliesslich hatte man eine gute Kinderstube genossen.
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Ich atmete tief ein, verbannte für den Augenblick alle Grübeleien, und vergegenwärtigte mir wieder was ich war und sein mußte, bevor ich die Wächter zu mir rief.
"Sperrt ihn wieder ein. Aber nicht in das Drecksloch, da kratzt er ja gleich ab. Bringt ihn in eine der oberen Zellen. Agite!"
Sie taten wie geheißen, und ich ging zu Optio Carceri, gab Anweisung dass der Gefangene ordentliches Essen, mehr Stroh, und Wasser auch zum Waschen bekommen sollte.
"Aber Tribun" widersprach der Mann, "der Kaiser will aber doch...-"
"Einen lebenden Gefangenen." unterbrach ich ihn barsch. "Keine Leiche. Oder hast du schon mal eine Leiche singen hören, Optio? Also sorg dafür dass der Kerl am Leben bleibt. Und verhört wird er ab jetzt von mir persönlich. Verstanden?"
Schien so. Ich wandte mich ab, grummelte ein "alles muß man selber machen" in meinen Bart (der mich etwas älter aussehen lassen sollte), und verließ die dunklen Gewölbe.
Zurück im Reich der Lebenden kehrte das Grübeln doppelt eindringlich zurück. Ich hatte was ich gewollt hatte, als ich da hinabgestiegen war – ich wußte nun: Vinicius war ein Verschwörer - und doch rasten die Gedanken wie ein Wirbelsturm in meinem Kopf. Was sollte ich nur tun, was zum Hades sollte ich nur tun.... ich mußte Seiana fragen, mußte unbedingt Seiana fragen. Sie würde Rat wissen. -
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Christianos ad leonem – Verhöre
Ein unterirdisches Gewölbe, direkt neben dem Zellentrakt. Durch zwei schmale Schlitze ganz oben unter der Decke fällt nur wenig Tageslicht. Fackeln in schweren Eisenhaltern tauchen den Raum in düsterrotes Flackern. Im vorderen Bereich befinden sich Tisch und Stühle, im hinteren eine Streckbank, ein Stuhl mit Eisenschellen, ein Kohlebecken, Haken und Ketten die von der Decke herunterhängen, und ein Arsenal von Folterwerkzeugen, eines unappetitlicher als das andere.
Wieder hier. Die klamme Kühle der Mauern, das abgestandene Licht, der muffige Geruch... Mir war als griffen kalte Geisterhände nach mir, als hörte ich die toten Seelen wispern, derer, die hier unten verreckt waren, im Laufe der fast hundert Jahre, die die Castra schon stand. Und auch die Geister meiner eigenen Vergangenheit waren hier unten bedrückend präsent.
Mühsam konzentrierte mich auf meine Aufgabe, versuchte alles vergangene auszublenden, spürte genau auf das Gewicht meines Harnisches, der mich fest umgab, schwer und ehern. Manchmal war mir, als wäre es nur diese Rüstung, die mich zusammenhielt, die mir Form gab, und wenn ich die Schnallen lockerte, wenn ich den Harnisch ablegte, dann würde ich in mich zusammenfallen, würde in alle Richtungen davongetrieben, vom Wind, so wie ein flüchtig zusammengesteckter Mann aus Stroh.
Reiß dich zusammen, Faustus.
Ein Gardetribun, dem es vor den eigenen Kerkern graute. Wie albern war denn das?!
Ich reckte das Kinn und betrat den Verhörraum, ließ einige Unterlagen auf den Tisch fallen.An der Schuld der beiden inhaftierten Kultisten bestand natürlich kein Zweifel. Und der Centurio Octavius Maro hatte, während ich in Ravenna gewesen war, den Didier bereits tüchtig verhört. Didius hatte nichts geleugnet, aber keine Mitverschwörer außer den bekannten genannt. Auch ein Urbaner hatte sich schon mit ihm unterhalten, wobei natürlich ein Mann der Garde in der Nachbarzelle gelauscht hatte und eine Zusammenfassung zu Papyrus gebracht hatte. (Der Urbaner hatte geschickt Sympathie geheuchelt und den Gefangenen mit Essen geködert. Ansonsten nichts neues.) Einige wichtige Fragen waren weiterhin offen.
An der Flavia hingegen, die behauptete, Patrizierin zu sein, da hatte sich wohl bisher noch niemand die Finger verbrennen wollen. Zeit das zu ändern. Jedoch wollte ich niemanden meiner guten, verdienten Leute damit betrauen – ich brauchte jemanden, der im Fall des Falles entbehrlich war! Darum hatte ich mir einen der Neuzugänge herrufen lassen: den Optio Seius Stilo, zuvor bei der Legio XV in Cappadocia.
Das wenige Licht, das durch die schmalen Fensterschlitze fiel, bildete zwei Balken auf dem Boden, scharf abgegrenzt.
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