http://farm9.staticflickr.com/…33201756_aa27d46345_n.jpg Als es wenig später für das Heer weiterging, hatten sie noch zwei Tage Zeit sich auf die Ochsentour vorzubereiten. Von Curia ging es erst anderthalb Tagesmärsche westwärts durch das weite Tal, bis dieses sich gen Süden und Westen zweiteilte.. von dort aus würde es gen Süden weitergehen, und genau dort würde dann auch der knifflige Teil der Strecke beginnen: der Aufstieg in die Alpes.
Bis hierhin war die Straße noch weit genug gewesen um vier Mann nebeneinander über sie hermarschieren zu lassen, doch bald wurde klar, dass auch die berühmten römischen Ingenieure ihr Bauvorhaben den natürlichen Gegebenheiten anpassen mussten. Die Stellen, an denen sich die Straße derart verjüngte, dass die Männer einzeln die Stellen passieren mussten wurden immer mehr. Und das, obwohl man nicht einmal den ersten Berg in Angriff genommen hatte.. sondern das Tal einfach immer schmaler wurde.
Wenn die Gegend, die von Bächen in der Talsohle durchzogen und dichten Nadelwäldern bedeckt war, einen Blick nach oben zuließ, so offenbahrte sich den Männern die unnatürlich wirkende und vielgerühmte Baumgrenze: wie aus einem grünen Teppich ragten die felsigen Berge steil in den Himmel und engten das Sichtfeld gegen den freien Himmel in ehrfurchteinflößender Art und Weise ein.
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Obwohl dies nicht einmal das steilste Tal der Alpes war, sondern eines, das einem Straßenverlauf am günstigen entgegenkam, waren die steinernen Abhänge so steil, dass die Sonne morgens später in das Tal hineinkroch, und abends früher hinter den felsigen Zinnen.
So die dichten Wälder in der Talsohle den Soldaten einen längeren Blick auf die Baumgrenze erlaubten, konnten die Legionäre verschiedene Tiere der Alpen erkennen. Steinböcke und Gämse waren zahlenmäßig am häufigsten zu sehen und groß genug um aus der Ferne ausgemacht zu werden. Mit etwas Glück konnten sogar Luchse, oder gar ein Braunbär entdeckt werden.. obwohl diese Tiere die Straßen der Menschen möglichst mieden und nur sehr selten zu entdecken waren. Eher waren sie in der Nacht und am frühen Morgen zu hören, wenn sie sich auf die Jagd begaben. Das eine oder andere Mal konnte man am Himmel auch einen Steinadler oder einen Bartgeier ausmachen, die mit ihrer imposanten Erscheinung den Himmel beherrschten. Und auch den Schneehasen konnte man entdecken, obwohl er für die Legionäre kaum zu erkennen war, da er sich im Sommer ein braunes Fell zulegte, und nur im Winter weiß wie der Schnee war.
Das Marschtempo reduzierte sich mit jedem Tag drastisch.. kamen die Heere bei guter Marschgeschwindigkeit auf normalen Straßen noch fast dreissig moderne Kilometer weit, waren es beim Aufstieg bald nur zwanzig.. und mit jedem Tag schafften sie weniger Strecke, was vor allem der Gefährlichkeit der Wege geschuldet war: versperrte eine Felsnase den Weg, baute man (anders als auf dem modernen Bild zu sehen) einen hölzernen Steg drumherum. Auch wenn diese Stege regelmäßig gewartet wurden war es nicht ohne Risiko auf diesen herum zu laufen, denn zu einer Seite war blanker Fels und zur anderen Seite ein oft metertiefer Abgrund.. und natürlich: Holz war kein Stahl.
Es knarzte unerbittlich und wenig vertrauenserweckend wenn ein Mann den Fuß auf einen solchen Übergang setzte, und bei fast zehntausend Mann sah es nicht viel besser aus. Auf die Tiere wirkte das ganze noch viel verstörender: in nervenaufreibender Regelmäßigkeit bockte ein Maultier oder scheute ein Pferd.
All das sorgte dafür, dass der Heerzug eher mit der Geschwindigkeit einer Heerschnecke voran kam, und das obwohl man sich immernoch durch ein steiles Tal kämpfte.
http://farm5.staticflickr.com/…90465367_ef00cda088_n.jpg Das campieren in dieser Gegend war ebenso aufwendig wie nicht gerade einfach zu bewältigen: zwar hatten Generationen von Menschen in gewissen Abständen größere Lichtungen in die dichten Wälder geschlagen, aber diese waren beiweitem nicht geeignet um eine Menschenmasse dieser Größe aufzunehmen. Sie boten allerdings spektakuläre Aussicht auf das, was dem Heer noch bevor stand: eine Woche nachdem das Heer Curia verlassen hatte, war es immer noch nicht am höchsten Punkt der Via angelangt. Immer wenn das Heer schnurstracks auf die steinernen Giganten zumarschierte, hatte man das Gefühl zu schrumpfen. Und wenn man einen der kleineren Berge hochmarschierte, um auf dessen Rücken den nächsthöheren anzugreifen, wandte sich das Heer aus den zahllosen S-Kurven der Via wie ein riesiger Wurm aus Stahl und Fleisch durch die Landschaft. Abends verwandelte sich der Wurm in eine unordentliche Anzahl an notdürftig befestigten Lagern... hunderte an der Zahl, da an etwas großes zusammenhängendes kaum zu denken war. Wenn das Heer mal das Glück hatte, sich einfach auf den auf flachere Berghänge geschlagenen Lichtungen längst unterworfener Alpenstämme niederzulassen, konnte man sich darauf einstellen, dass man danach tagelang wieder am Rande des Weges übernachten durfte.
http://farm6.staticflickr.com/…85088255_9200d80589_n.jpg War das Wetter unterhalb der Baumgrenze als launisch zu betrachten, entfaltete es seine ganze Wucht sobald das Heer einmal einen Fuß abseits des Waldwuchses gesetzt hatte. Vorher war man durch die dicht wachsenden Bäume einigermaßen vor dem reißenden Wind geschützt, der durch die Täler und über die Berge peitschte, und hatte sich nur mit dem Regen und der brennenden Sonne (das schloss sich keineswegs gegenseitig aus, sondern gab sich manchmal im minutentakt die Klinke in die Hand) herum zu schlagen.
Als der letzte Baum gewichen war, hatte das Heer wieder Platz in größeren Gruppen Lager zu errichten, so es die flacheren Teile der Berge zuließen.. allerdings waren die Soldaten auch quasi ungeschützt dem Wind ausgesetzt der mit einer Härte an den Männern riss, dass sie sich immer wieder schützend gegen die Felsen drücken mussten um nicht vom Wind in den Abgrund gezerrt zu werden. Die Warnungen mancher Offiziere nutzten.. aber nicht immer. Ein Maultiertreiber war der erste, der mit gellenden Schreien vom Wind in den Abgrund gezogen wurde und sich vor den Augen aller anderen beim Absturz sämtliche Knochen brach, bis er zur Mahnung aller anderen zig Meter tiefer liegen blieb. Bis sich der Kilometerlange Heereswurm an den verschiedenen Klippen und Schluchten vorbeigedrängt hatte, würden es insgesamt fast dreissig Mann sein, die die Alpes als Opfer fordern würden. Einige vom Wind ins Nichts gezerrt.. andere hatten einen falschen Fuß aufgesetzt und wurden direkt von den unerbittlichen Bergen betraft... wiederrum anderen wurde ihr Übermut vor ihren Kameraden zum Verhängnis.. und einer erfror bei der Wache in der Nacht, weil er schlichtweg die Willkür des Alpenwetters unterschätzt hatte:
Die hässlichste Fratze des Alpenwetters blieb den Soldaten nicht erspart. Eines Morgens wachten sie auf, und traten hinaus in eine Welt die von einer hauchdünnen Schicht Schnee bedeckt war. Zwar schmolz der, sobald die Sonne erst einmal genügend Kraft entwickelt hatte.. aber es blieb nicht aus, dass die Wachen sich des Nächtens gegen enorme Kälte, Eisregen und neuen Schnee wehren mussten.
Zwei Tage nachdem sie die Baumgrenze hinter sich gelassen hatten, war die Krönung des Alpenaufstiegs in Sicht: der höchste Punkt der Via von Curia nach Comum.
Hatten die Soldaten die Aussicht UNTEN IM TAL schon als spektakulär empfunden, so tat sich ihnen mit jedem Schritt die steilen Pfade hinauf eine neue Welt auf. Die Berge waren natürlich immernoch gigantisch und ehrfurchtgebietend... und nicht zuletzt lebensgefährlich, wenn man beim Staunen nicht darauf achtete wo man hintrat. Aber man konnte förmlich sehen, wie man selber an Höhe gewann, weil gewisse Berge plötzlich auf Augenhöhe waren.. und nicht mehr über einem.
Das änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass der Ausblick auf einige der höchsten Berge nach wie vor majestätisch war. Egal wie hoch die Soldaten sich ackerten, die Bergspitzen wollten nicht weichen und blieben unverändert empor in den Himmel gereckt.
Zumindest dauerten die Tage jetzt länger, weil die Berge links und rechts und vorne und hinten nicht mehr ganz so hoch waren um die Sonne später erscheinen und früher verschwinden zu lassen. Besonders unheimlich wurde es für die Legionäre, als die ersten Wolken begannen UNTER ihnen herzuziehen und den Anblick noch unwirklicher machten als er ohnehin schon war. Es gab viel zu Staunen.. und doch hat wohl keiner der mehr als zehntausend Mann gewusst, dass dies hier noch zu den am einfachsten zu passierenden Teile der Alpes gehörte, und die RICHTIG hohen Berge sich weit hinter denen versteckten, die die Legionäre so ehrfürchtig begafften.
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Es war ein kleiner Wegstein, der den höchsten Punkt der Via markierte.. nichts besonderes, und viele Legionäre widmetem dem ganzen keine Aufmerksamkeit. Damit verpassten sie aber auch den Punkt, den sie so sehnlich herbeigewünscht hatten: ab jetzt ging es vor allem wieder abwärts.