Tablinum von Marcus Helvetius Commodus Raum IX, OG

  • Die Anwesenheit der beiden Frauen, die den verschütteten Wein aufgewischt hatten, hatte man kaum bemerkt, und sie wollten ebenso still wie sie gekommen waren und gearbeitet hatten, wieder verschwinden, umso mehr zuckte der Iunier deshalb erneut zusammen, als mit einem Rumpeln Sibel wieder ins Zimmer fiel. Avianus schenkte ihr unschlüssige Blicke. Wie viel sie durch die Tür hindurch wohl von seiner Unterhaltung mit dem Helvetier mitbekommen hatte? Genug um zu verstehen, dass es nicht gerade gut lief?
    Genauso gut hätte Avianus nämlich mit einem Pflasterstein verhandeln können, kam es ihm vor, denn alle Argumente und Vorschläge verpufften ohne nennenswerte Reaktion, völlig egal was er erzählte. Und was der Helvetier sich jetzt wieder zusammenreimte, nachdem Sibel sich alles andere als unauffällig benahm, mochten auch nur die Götter wissen. Avianus bemerkte wie er während ihrer Unterredung auf seinem Stuhl nach vorne gerutscht war, lehnte sich deshalb wieder zurück und seufzte kaum hörbar.
    "Die Wahrheit hast du bereits gehört, Helvetius", widerholte er erneut leise, hatte unterdessen das Gefühl, sein Gegenüber wollte sie gar nicht hören, rieb sich dabei zwischen Zeigefinger und Daumen angestrengt die Nasenwurzel und ließ die Hand schließlich wieder sinken. Zu gerne hätte er Sibel unter vier Augen gefragt, was Varus eigentlich wollte oder ob ihm zu trauen war. So blieb ihm allerdings nur übrig, das bereits gesagte erneut zu widerholen und Varus hoffentlich mit ein paar Einzelheiten mehr zufriedenzustellen, denn die genaue Geschichte von vorne bis hinten ging ihn schließlich rein gar nichts an.
    "Ich stamme aus Misenum, kenne sie von meinen Besuchen bei den Aurei, und wollte ihr, seit ich ihr in Rom wiederbegegnet bin, helfen. Als sie, wie du sagtest, kurz vor dem Hungertod stand …" Zu gut erinnerte er sich noch immer an das Unglück, welches damals über Sibel und ihn hereingebrochen war, und bescherte ihm noch immer ein bedrückendes Gefühl. "… diente ich noch als Miles bei den Cohortes Praetoriae und war wegen eines Auftrags in Germania. Wäre ich hier gewesen, wäre ich nicht untätig geblieben." Er musterte Varus, ob dieser wohl endlich verstand oder noch immer darauf beharren würde, dass man ihm die Wahrheit verschwieg. "Jetzt allerdings habe ich sowohl die Chance, als auch die Mittel mein Versprechen einzulösen", endete er, einerseits resigniert andererseits ärgerlich ob der scheinbaren Sackgasse, in welcher er sich befand, und blickte schließlich zu Sibel. "Natürlich nur wenn du das auch möchtest ... sag' was auch immer dir für angebracht erscheint", sagte er in ihre Richtung und würde es ihr überlassen zu entscheiden, ob es eine gute Idee war, ihren Herrn einzuweihen.

  • Mehr als ein Seufzen kam zunächst nichts als Antwort auf die Ausführung des Iuniers. Innerlich fragte er sich gerade ernsthaft ob er bisher eine unverständliche Sprache gesprochen hatte. Er hatte, so seine Meinung, ja deutlichst gemacht das er Sibel an niemanden verkaufen würde. Er hielt seine Versprechen im allgemeinen.
    Bevor er aber etwas sagte sah er nun zu Sibel und forderte sie mit einer kurzen Geste und mit freundlichem Blick auf etwas zu sagen. Er hoffte das nun wenigstens sie etwas Klarheit in die Dunkelheit oder wenigstens Wahrheit bringen würde.

  • Wie ein begossener Pudel trat sie näher und suchte nach einem Platz, um sich zu setzen. Es war nur noch ein kleiner Hocker übrig, der ihr allerdings nicht sehr vertrauenswürdig erschien. Sie hatte heute schon genug Chaos verursacht! Deshalb nahm sie am Boden Platz.
    Spätestens jetzt hatte Varus begriffen dass hier etwas sehr Seltsames vorging. Er verlangte, die Wahrheit zu hören. Doch zumindest das, was Beroe belauscht hatte, war doch die Wahrheit! Dennoch erklärte sich Avianus ein weiteres Mal. Und diesmal ließ er keinen Zweifel daran, dass er nur Gutes im Schilde führte. Bei seinen letzten Worten suchte er den Blickkontakt zu ihr und forderte sie förmlich dazu auf, das zu sagen, was sie zu sagen bereit war… oder was sie glaubte, sagen zu können.
    Sie nickte und erhob sich wieder. „Es stimmt was er sagt. Wir kennen uns bereits aus Misenum. Doch erst hier in Rom haben wir uns wirklich kennen und auch lieben gelernt. Er hat immer versucht, mich zu beschützen und mir zu helfen. Aber dann musste er weg und ich geriet in Schwierigkeiten. Als ich Morrigan traf, dachte ich, ich hätte ihn für immer verloren. Aber dann traf ich ihn wieder und wir waren beide so glücklich darüber.“ Eine Träne rann plötzlich an Beroes Wange herab. „Erinnerst du dich, an das was ich dir gesagt habe, Varus? Dass es jemanden gibt, den ich liebe und mit dem ich am liebsten für immer zusammenbleiben möchte?“ Ihr Blick ging kurz zu Avianus hinüber. „Ich weiß, dass ich nicht standesgemäß bin, um seine Frau zu werden. Aber ich liebe ihn trotzdem und wenn ich bei ihm sein kann, dann ist es egal, ob ich frei bin oder nicht. Ob ich mit ihm verheiratet bin, oder nicht. Er ist es, den ich liebe! Ihm gehört mein Herz und ich bitte dich inständig, lass mich mit ihm gehen. Ich weiß nicht, was ich dir dafür anbieten kann, denn ich habe nichts, außer mich…“ Beroes Stimme versagte, denn ihre Tränen übermannten sie.

  • Na endlich kam die Wahrheit oder das was sehr nah an der Wahrheit drann war. Varus kannte, im Gegensatz zum Iunier, Sibel inzwischen ja ganz gut. Anhand ihrer Worte und der Tränen war er sich ziemlich sicher das sie alles genauso gemeint hatte wie sie es ausgesprochen hatte.


    Das einzige was ihn an der Sache wunderte war wieso sie solange ein anderes Bild gespielt hatten. War er wirklich ein so grausamer Besitzer? Varus fehlte aber ganz offensichtlich einfach das grundlegende Verständnis für das was man als Sklave war und empfand.


    Varus Blick ging zum Iunius und er schaute so als ob er sagen wollte. Warum denn nicht gleich.
    "Wo liegt deine Habitatio Iunius und wo ist deine Kaserne?"

  • Sobald sie Gelegenheit erhielt, machte Sibel reinen Tisch, was dann wohl bedeutete, dass sie sicher war, dass sie von Varus nichts zu befürchten hatten. Einerseits war Avianus ein klein wenig überrascht, dass sie vor ihrem Herrn so offen sprach, andererseits stolz, wie sie sich für ihre Beziehung einsetzte. Er nickte ihr ermutigend zu, obwohl selbstverständlich noch nichts feststand. Aber zumindest seine Worte konnte der Helvetier jetzt nicht mehr anzweifeln und statt weiter in ihrer Hintergrundgeschichte nachzubohren, wechselte dieser auch endlich das Thema, was den Iunier zuversichtlicher stimmte.
    "Wie schon gesagt, ich diene bei den Cohortes Urbanae … die meiste Zeit verbringe ich also in den Castra Praetoria. Cohors XII, Centuria III", antwortete er bereitwillig, wenn auch leicht irritert, denn es war ja nur ein paar Minuten her, dass sich der Helvetier daran erinnert hatte, ohne dass er ihm auf die Sprünge geholfen hätte. Augenscheinlich war der Mann gerade etwas durch den Wind … was auch den restlichen Verlauf des Gesprächs erklären würde. Also sah er über die seltsam anmutende Frage hinweg.
    "Ich weiß nicht, was du als Gegenleistung akzeptieren würdest, Helvetius ... ich kann dich entsprechend entlohnen und ihr wird es an nichts fehlen. Und ich würde nicht zögern, dir ebenfalls den einen oder anderen Gefallen zu erweisen, solltest du es benötigen ..."

  • Ja Varus war im Moment wohl nicht wirklich auf der Höhe. Irgendwas schien ihn abzulenken.


    Das mit dem Gefallen war schon mal kein schlechter Anfang. Kurz kam der Geschäftsmann in ihm durch und Gefallen bei den Urbanern konnten da ja nie schaden.


    "Du sprachst ja aber von einer Habitatio vorhin. Die wird wohl kaum innerhalb der Castra sein oder? Ich habe nie beim Militär gedient komme aber aus einer Soldatenfamilie und bei den Adlern war es jedenfalls so das nur die Tribune aufwärts Frauen und ..Angehörige innerhalb vom Lager haben durften."

  • Der Helvetier ließ es sich nicht nehmen, noch weitere Fragen zu stellen, was aber immer noch besser war, als wenn seine Vorschläge erneut abgewiesen würden, sodass Avianus mal wieder ein Lächeln zustande brachte und zu einer Antwort ansetzte.
    "Als Sklavin wäre Sibel weder meine Frau noch eine Angehörige. Und Sklaven zu halten ist den Centurionen durchaus gestattet", erklärte er zunächst. Einerseits konnte er Varus' Bedenken verstehen, andererseits schienen sie ihm wiederum völlig unbegründet, denn bei dem Sold, den er als Centurio erhielt, sollte Sibels Unterbringung vermutlich seine kleinste Sorge sein. Aber man konnte ja überall einen Haken sehen, wenn man es darauf anlegte.
    "Dass sie eine Frau ist, wäre vielleicht ein wenig ungewöhnlich. Sollte das zu Problemen führen, blieben aber immer noch die Möglichkeiten, sie im Haus meiner Gens unterzubringen oder eigens für sie eine Insula zu mieten. Du siehst, an der Unterbringung wird es wohl kaum scheitern."

  • Schluchzend wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht. Beroe wusste, dass sie am Ende ihre Kräfte angekommen war. Noch mehr würde sie nicht ertragen können. So richtete sie an Stoßgebet an die Götter und hoffte, wenigstens einer mochte Mitleid mit ihr haben und Varus zur Vernunft bringen!


    In all der Zeit, da sie bei Varus gewesen war, hatte sie sein wahres Wesen nicht wirklich ergründen können, denn er verhielt sich ihr gegenüber zwar immer freundlich doch wahrte er stets eine Distanz ihr gegenüber. Schon damals im Lupanar hatte sie sich nicht hundertprozentig sicher sein können, ob er es nur gut mit ihr meinte oder in ihr einfach nur eine leichte Beute sah. Eine flüchtige Sklavin, die man mit einer gefälschten Urkunde zu seinem Eigentum machen konnte und die vielleicht irgendwann Geld brachte. Vielleicht war das ja auch jetzt so. Vielleicht versuchte er Avianus so viel wie möglich abzuluchsen. Aber warum das alles? Was lag ihm an ihr? Wenn er in ihr nur eine ganz normale Sklavin sah, hätte er doch jede andere haben können. Was also war es, was ihn davon abhielt, sie einfach und ohne Umschweife an den Iunier zu verkaufen? Vielleicht würde sie es noch herausfinden.
    Daher haftete sie nun gespannt ihren Blick auf Varus und wartete darauf, wie er sich nun äußern würde. Avianus gab ihm derweil die Antwort, die eigentlich klar auf der Hand gelegen hatte. Ohne eine Regung nahm sie seine Worte in sich auf. ‚Als Sklavin wäre Sibel weder meine Frau noch eine Angehörige. Und Sklaven zu halten ist den Centurionen durchaus gestattet.‘ Als Sklavin… natürlich als Sklavin. Hatte sie ihm nicht selbst gesagt, sie wünschte, sie wäre seine Sklavin? Und auch Varus gegenüber hatte sie soeben bekräftigt, dass es für sie keine Rolle spielte, frei zu sein oder nicht. Denn dann und nur dann konnte sie bei ihm sein. Jeden Tag. Jede Nacht.
    Nein, Beroe dachte keinen Moment daran, dies könnte auch nur irgendetwas an ihrer Beziehung ändern. Nur von außen betrachtet wäre sie seine Sklavin. Von innen aber würde sie seine Königin sein.

  • Varus dachte einen Moment nach. Sah kurz zur verheulten Sibel rüber, Götter was die auch immer gleich am Wasser gebaut war und losheulte und wieder zum Iunius.
    Er schüttelte leicht den Kopf machte aber gleich eine beschwichtigende Geste damit das niemand falsch verstehen konnte und das Geschrei gleich wieder losging.


    "Iunius ich weiß nicht wie weit du mit meiner Gens vertraut bist aber uns werden gewisse Eigenschaften zugesprochen. Eine davon, vielleicht mag der Widderkopf daher auch unser Wappentier sein, wird wohl die Sturheit sein. Ich werde Sibel nicht an dich verkaufen! Das ist mein Entschluss und dabei bleibt es!"
    Erneut machte Varus vorsorgliche eine Handbewegung die Protest ersticken sollte und ein aber andeutete
    "Wenn ihr euch wirklich liebt und dir egal ist was das für dich bedeutet finde ich es einfach auch nur fair das sie keine Sklavin mehr ist. Ich meine irgendwann, vielleicht in ein paar Jahren vielleicht auch nie, kann es dazu kommen das deine Gens oder du selber dich dazu bringen eine standesgemäße Ehe einzugehen und in dieser Kinder zu zeugen. Wenn es dazu käme wäre Sibel immer noch deine Sklavin und deiner Frau vielleicht sogar lästig und sie würde am Ende weiter verkauft werden. Ich weiß jetzt wo ihr beide offenbar bis über beide Ohren ineinander verliebt seit könnt ihr euch das nicht vorstellen und das ins unmögliche verweisen. Doch so ist die Realität. Ich selber habe gerade am eigenen Leib erfahren wie schnell aus tiefer Lieber zueinander Ablehnung wegen etwas besserem wurde. Wie auch immer würde das auch meinem gegebenen Wort wiedersprechen und ich habe nicht vor mein Wort zu brechen alleine weil ein Helvetier dies nicht tut!
    Ich bin wie gesagt bisher nie selber Soldat gewesen weiß aber ungefähr wie dein Alltag aussieht und weiß daher das Sibel in der Castra die meiste Zeit alleine in deiner...eurer Kammer verbringen würde. Indem Haus deiner Gens wäre sie dagegen nach deinem Plan auch nur eine Sklavin von vielen. Ich habe daher eine bessere Idee und Vorschlag.
    Ich lass Sibel frei und als Helvetiana Sibel* wäre euer Zusammenleben wesentlich unkomplizierter. Darüber hinaus kann ich so mein Versprechen halten und sie wäre halbwegs abgesichert wenn du das Interesse verlieren solltest. Jetzt fragst du dich vielleicht was will ich dafür als Gegenleistung haben. Mein Vorschlag wäre das Sibel auch nach der Freilassung hier in meinem Haushalt arbeitet. Nur halt als Freigelassene und nicht als Sklavin. Dann hätte sie tagsüber sinnvolle Beschäftigung während du deinen Dienst leistest. Was mich dann zu eurer Habitatio bringt. Sicherlich könnte sie bei dir in der Castra wohnen aber ich glaube da würde euch schnell die Decke auf den Kopf fallen. Im Erdgeschoss meines Hauses gibt es zwei Räume. Ein großer mit einer Tür nach draußen und ein kleinerer dahinter mit einer Tür ins Atrium. Was haltet ihr davon wenn ich euch diese beiden Räume für symbolische 10 Sesterzen den Monat vermiete. Dann könntest du dein Geld ausgeben Iunius um darin eine Wohnung für euch beide einzurichten. Ich hätte den Vorteil einen Urbaner direkt am Haus zu haben. Vielleicht schaffst du es ja sogar von der Castra in einer der nahgelegenen Stationes der Urbaner verlegt zu werden was den abendlichen nach Hause weg sehr verkürzen würde?"

  • Stur. Stur traf es haargenau. Jahrelang hatte Avianus damit verbracht, auf einen Tag wie diesen zu hoffen und zu warten, und ausgerechnet jetzt kam dieser Helvetius dazwischen, um sich als der große Beschützer und Helfer aufzuspielen.
    "Ich schätze deine guten Absichten, Helvetius …", begann er. Sein Lächeln war wieder verebbt, und er blickte unglücklich in den Weinbecher.
    "… aber denkst du ernsthaft, ich würde sie nicht selbst freilassen können, sollte sich einmal heiraten, oder schon in absehbarer Zeit, sollte sie in der Casa meiner Gens unterkommen? Ganz bestimmt sogar würde sie einmal frei sein. Und dann wäre sie noch dazu meine eigene Klientin und nicht die eines Fremden. Ich würde dafür sorgen, dass sie lesen und schreiben lernt und ich hätte genügend Kontakte, um ihr anschließend gute Arbeit zu verschaffen. Dann bräuchte sie nicht einmal mehr Hausarbeiten zu erledigen, und was auch immer mit mir wäre, ob ich heirate … oder ob mir im Dienst wer die Kehle durchschneidet … sie wäre versorgt. Oder denkst du ich würde die Frau, die ich liebe dazu zwingen meine Sklavin zu bleiben, oder gar an jemand anderen verkaufen?" Bei so viel Irrsinn konnte er nur den Kopf schütteln. Und es kam ihm fast so vor, als würde der Helvetier nicht recht daran glauben, dass er dieselben Gefühle hegte wie Sibel, ansonsten würde er wohl kaum auf derartige Ideen kommen. Und noch dazu fing er damit an, seine eigenen Erfahrungen auf ihn und Sibel zu projizieren, dabei konnte er doch gar nicht ahnen, was bereits hinter ihnen lag.
    "Du magst es gut meinen, aber was auch immer dir geschehen sein mag, hat nichts mit mir und Sibel zu tun. Worum geht es hier wirklich? Geht es dir hier wirklich um Sibel? Oder bloß um dein Wort?", meinte er dann resigniert, "Welches Wort auch immer du ihr gegeben hast, damit, sie heute mit mir gehen zu lassen, wirst du sie glücklicher machen, als du es irgendwie anders auch nur annähernd könntest. Ist es das also wirklich wert?"
    Er leerte den Becher, blickte zu Sibel, die mit ihren Nerven noch weitaus mehr am Ende war als er. Was hätte er erneut dafür getan, einen Augenblick mit ihr allein sein zu können. So recht konnte und wollte er den Mann, der ihm gegenüber saß, nicht verstehen, weshalb er sich derart an Sibel klammerte und vollkommen unbegründete Gegenargumente an den Haaren herbeizog.
    "Ich werde dich nicht davon abbringen können, sie bei dir zu behalten oder deinen Vorschlag umzusetzen. Doch wenn sie bei mir wäre, wäre sie mindestens so abgesichert wie bei dir, mit dem einzigen Unterschied, dass sie jeden einzelnen Tag an meiner Seite sein könnte. Ich wurde schon zweimal versetzt … was wenn ich wieder versetzt werde? Und beim nächsten Mal vielleicht nach Mantua wie einer meiner Verwandten? Oder gar in irgendeine Provinz? Die Dinge sind nur kompliziert, wenn man sie kompliziert macht, Helvetius. Und wenn man will, findet man immer genügend Gründe etwas nicht zu tun, das macht es aber nicht richtiger. Lass mich dir ein letztes Angebot machen: Wir können einen Schutzvertrag aushandeln, dass sie spätestens nach Ablauf einer bestimmten Frist, und die sollst du entscheiden, von mir die Freiheit erhält, und an keinen Dritten verkauft wird."

  • Varus seufzste. Er fand seinen Vorschlag gut und sinnvoll. Voller Vorteile für alle. Auch wenn er die Gedanken des Iuniers nicht lesen konnte aber vertrauen tat er ihm wirklich nicht. Ohne besonderen Grund es war einfach so.


    "Sowohl als auch", antworte er zunächst knapp auf seine Fragen. Auch wenn das nicht als Antwort auf alle taugte.


    "Solange du bei den Urbanern bist ist die Wahrscheinlichkeit Roma per Versetzung zu verlassen mehr als gering. Wie auch immer... wir beide haben unsere Verhandlungen abgeschlossen. Mein Vorschlag scheint dir nicht zu gefallen warum auch immer. Das sind deine Gründe. Bevor ich jetzt also eine Entscheidung treffe will ich hören was Sibel dazu sagt."


    Er sah diese nun also an


    "Was also willst du? Willst du die Sklavin von Aulus Iunius Avianus werden, dass ich dich an ihn verkaufe mit allem was das zur Folge haben kann? Oder möchtest du eher das was ich eben vorschlug. Das du frei bist und bei mir im Haushalt weiterarbeitest als frei Frau und so die Möglichkeit hast als freie Frau mit Aulus Iunius Avianus zusammen zu leben. So er das dann noch will?"

  • Offenbar hatten die Götter heute Besseres zu tun, als sich um die Belange von irgendwelchen unwichtigen Sklavinnen zu kümmern. Die erlösenden Worte kamen Varus nicht über die Lippen. Stattdessen unterbreitete er Avianus einen Vorschlag, der vielleicht für manch einen, der ihre Situation nicht kannte, sogar gut erschien. Beroe aber wusste, dass diese Lösung wieder nur eine Notlösung war, die bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit nicht mehr funktionierte und nur noch Schlimmeres mit sich nachzog. So wie etwa das Zimmer in Trans Tiberim, welches Avianus ihr gemietet hatte, bevor er nach Germanien musste. Damals schien dies auch eine gute Lösung zu sein. Doch dann kam alles anders.


    Während Avianus einen letzten Versuch startete, den Helvetius doch noch davon zu überzeugen, dass er Beroe am glücklichsten machen würde, wenn er sie nun ziehen ließ, spürte Beroe ein plötzliches Unwohlsein in sich aufkommen. Der Gedanke, wieder nur hingehalten zu werden und vielleicht eines Tages Avianus zu verlieren, war unerträglich für sie. Sie wusste nicht, was sie tun würde, oder besser gesagt, was sie sich antun würde, wenn auch dieser Versuch scheiterte.
    Doch der Helvetier konnte sich (noch) nicht umstimmen lassen. Zunächst wollte er hören, was die Lykierin wollte und wieder stellte er ihr die gleiche Frage, diesmal nur unter dem Aspekt der möglichen Freilassung, wenn sie denn bei ihm bliebe.
    Beroes Herz schlug wie wild. Für sie war die Antwort klar. Denn sie wusste, dass es nur diese eine Lösung für sie gab, die sie und ihn glücklich machte und alle Unsicherheiten mit einem Schlag aus dem Weg räumte.
    „Dein Angebot ist großzügig, Varus. Aber ich entscheide mich für den Mann, den ich liebe. Ich möchte mit Avianus gehen. Auch wenn ich dann vielleicht nicht gleich in den Genuss der Freiheit komme. Doch ich sagte ja bereits, es wäre für mich in Ordnung, nicht frei zu sein, wenn ich dafür dann bei ihm sein könnte. Bitte versteh mich. Seitdem wir uns lieben, gab es immer wieder Hürden, die sich uns in den Weg stellten und immer musste ich bangen, ihn zu verlieren. Deshalb möchte ich mit ihm gehen. Bitte Varus, lass mich gehen.“

  • Dummes Ding... so was oder so was ähnliches stand in Varus Augen als Sibel ihren Wunsch äußerte.
    Er kam zu dem Entschluss das Sklave sein doch nicht so schlimm sein konnte wenn man die Möglichkeit ausschlug frei zu sein. Auch als Freie hätte Sibel ja mit dem Mann zusammen sein können. Aber das war nun nicht mehr sein Problem.
    Ein leises ´selber Schuld` kam ihm noch über die Lippen bevor er sich wieder an den Iunier wandte.


    "Gut dann wäre das geklärt. Ich muss euch nun leider bitten zu gehen da meine anderen Geschäfte noch Aufmerksamkeit benötigen. Du kannst deine neue Sklavin gerne sofort mitnehmen. Mein Verwalter wird die entsprechenden Papiere ausfertigen und sie dir für... 500 Sesterzen aushändigen. Vale!"


    Varus stand auf und verließ den Raum. Für irgendwelche rührseligen Umarmungen und dergleichen war er momentan nicht wirklich in der Stimmung. Er ging auch nicht davon aus das der Iunier jetzt noch handeln würde und 500 Sesterzen, allgemeines Startgebot für einen Sklaven auf dem Markt, war ja auch kein hoher Preis.

  • Kaum hatte Sibel, die Möglichkeit bekommen, ihre Meinung kundzutun, ging alles andere überraschend schnell über die Bühne. " … " Avianus blickte den Helvetier erst wortlos an. Ihm blieb im ersten Moment doch tatsächlich die Stimme weg. Das war's? Für 500? Selbst das Zehnfache hätte er bezahlt. Sie würden gehen, und das war's dann? Er hatte sich hier eine gefühlte Ewigkeit um Kopf und Kragen geredet, sodass er es gar nicht recht glauben konnte.
    Er räusperte sich. "Danke", brachte er dann hervor, noch immer wie angewurzelt auf dem Stuhl sitzend, als der Helvetier bereits den Raum verließ. Erst jetzt wandte er sich zu Sibel um, ohne die es gar nicht erst soweit gekommen wäre. Bei ihrem Anblick breitete sich langsam ein Lächeln auf seinen Zügen aus, während er begriff, was das eben geschehene bedeutete: Er würde sie mit nach Hause nehmen. Sie würde bei ihm sein, heute, morgen, am Tag darauf ...
    Ja, das war's, dachte er schließlich und realisierte dabei, welch große Last gerade von ihm abgefallen war. Nun stand er endlich auf und nach ein paar Schritten vor ihr, wo er ihr Gesicht in seine Hände nahm, um sie zu küssen, solange sie noch alleine in dem Raum waren und konnte anschließend gar nicht anders, als zu lachen.

  • Nun half wirklich nur noch hoffen. Inzwischen wäre sie zu allem bereit gewesen. Selbst zu dem Schlimmsten. Unverständnis spiegelte sich in Varus Augen. Etwas kaum Hörbares formten seine Lippen. Sie verstand nicht. Sie glaubte, ein weiteres Nein hinnehmen zu müssen.


    Varus hatte sich inzwischen wieder Avianus zugewandt. Er schlug einen geschäftsmäßigen Ton an, sehr distanziert. Beroe verstand erst nicht die Bedeutung der Worte. Und als er sich plötzlich erhob und sie stehen ließ, war es immer noch schwer zu verstehen, was gerade hier vor sich gegangen war. Er hatte eine Summe genannt. 500 Sesterzen. In Beroes Gesicht lag Fassungslosigkeit. Sie begriff immer noch nicht. Irgendwann nahm sie Avianus ‚Danke‘ wahr, dem es nicht anderes in diesem Moment zu gehen schien. Nur langsam sickerte die Erkenntnis in ihren Kopf, was gerade passiert war. Fast zeitgleich trafen sich ihre Blicke. Avianus lächelte während sie noch ungläubig den Kopf schüttelte. Doch es war wahr! Varus hatte sie gehen lassen. Nun endlich realisierte sie es auch.


    Inzwischen hatte sich Avianus erhoben und trat ihr nun entgegen. Seine Hände umfassten ihr Gesicht, dann küsste er sie, während sie ihn umarmte. Nun konnte sie sich nicht länger zurückhalten. Ein riesiger Stein war von ihrem Herzen gefallen. Sie klammerte ich an ihn und ließ ihren Tränen freien Lauf. Diesmal aber waren es Freudentränen. So stand sie eine ganze Weile bei ihm und genoss die Nähe, sie so lange hatte entbehren müssen.


    Bevor sie gingen, würde sie noch ihre Habseligkeiten packen müssen. Doch zunächst entledigte sie sich dem Band mit dem Anhänger, auf dem vermerkt war, dass sie das Eigentum eines gewissen Tiberius Helvetius Varus sei und nun klirrend auf der Tischplatte landete.

  • "Sibel …", sagte er, brach jedoch ab, weil er daran scheiterte, die richtigen Worte zu finden, um zu beschreiben, was er gerade dachte oder fühlte, und brachte, wie sooft in solchen Situationen, nur ihren Namen heraus. Noch immer strahlte er aber von einem Ohr zum anderen, und drückte sie an sich, während seine Tunika ihre Tränen aufsog. Schon er konnte sein Glück kaum fassen, wie sich Sibel erst fühlen musste, konnte er nur ahnen. Für sie ging es immerhin um mehr als nur Liebe, sondern um ihre Zukunft, ihr Leben, darum, alles, was ihr in den letzten Jahren passiert war, hinter sich zu lassen, ein für alle Mal hoffentlich. Viel zu viel war schief gegangen. Es wurde wirklich Zeit, dass endlich mal wieder etwas richtig lief, und das hier war zumindest ein Anfang. Noch dazu hatten sie es von jetzt an in der Hand, keine anderen mehr, nur er und sie, so glaubte er.
    Er gab ihr ein wenig Zeit, sich zu fassen, und auch bei ihm würde es nicht schaden, wenn er sich noch den einen oder anderen Augenblick gönnte, um das geschehene sacken zu lassen.
    Und schließlich konnte sie dann auch endlich ihren Anhänger loswerden.
    "Gehen wir", sagte er leise und lächelte, als sie das unliebsame Schmuckstück auf dem Tisch zurückgelassen hatte. Er legte ihr eine Hand in den Rücken, um gemeinsam mit ihr das Tablinum zu verlassen.

  • Es würde wahrscheinlich noch Tage brauchen, bis sie sich wirklich richtig bewusst wurde, dass ihr Schicksal nun endlich eine Wendung in die richtige Richtung gemacht hatte. Nun, als der ungeliebte Anhänger vor ihr auf der Tischplatte lag, fühlte sich vieles plötzlich leichter an. Wie lange hatte sie auf diesen einen Augenblick gewartet? Nun war er endlich gekommen. So unerwartet und leise.
    Als sie ihm zunickte, wirkte sie immer noch etwas verstört. Dann schritten sie gemeinsam hinaus.
    Bevor sie allerdings endgültig die Casa Helvetia verließ, packte sie ihre Habseligkeiten in einen Stoffsack. Es war nicht wirklich viel, was sie besaß: Ein paar Tuniken, die sie sich von ihrem Lohn geleistet hatte und noch ein paar Sandalen, deren Leder kaum Gebrauchspuren aufwiesen. Und dann noch die Geschenke von Avianus, die er ihr zu den letzten Saturnalien mitgebracht hatte.
    Dann gingen sie und sie konnte diesen Teil ihres Lebens endlich hinter sich lassen.

  • Ohne zu wissen, ob ihr Dominus überhaupt im Tablinum zu finden war, klopfte Shani an der Tür. Für gewöhnlich war er zu dieser Tageszeit dort zu finden, aber dass er sich letztens etwas seltsam benahm, war auch Shani nicht entgangen. Sie hatte sich also zudem erlaubt, Varus ein wenig Arbeit abzunehmen und bereits einen Vorschlag für die Freilassungsurkunde dabei, die er, sollte er keine Nerven oder keine Zeit dafür haben, selbst eine zu schreiben, ganz einfach unterzeichnen könnte. Und dem Eindruck nach zu Urteilen, der Varus gegenwärtig auf sie machte, hatte er eher keinen Nerv dafür.
    Nur was das Angebot des Tiberiers anbelangte und ob sie Varus davon erzählen wollte, war sie noch etwas unsicher, glaubte aber nicht daran, dass ihr Herr sie einfach so an den nächstbesten verscherbeln würde, der ihm genügend Geld bot.

  • Varus wartete schon gespannt auf Shanis Rückkehr und die Ergebnisse ihrer Nachforschungen. Auch wenn Morrigan seine erste frei gelassene Sklavin werden würde, so sollte es doch nicht die letzte sein. Er war gespannt ob und wenn ja was für ein bürokratischer Aufwand das wohl sein würde.
    Auch brannte er darauf Morrigan das Lupanar endgültig zu übergeben. Bei ihr würde es besser aufgehoben sein und mehr Geld bringen. Er selber würde die frei gewordenen zeitlichen Kapazitäten schon zu nutzen wissen.


    Als es schließlich klopfte war er so in Gedanken das es einen Moment dauert bis er
    "Herein" rief und neugierig aufblickte ob es Shani war.

  • Shani schlüpfte durch die Tür und erblickte sogleich Varus hinter seinem Schreibtisch.
    "Salve Dominus", grüßte sie und musterte ihren Herrn neugierig. Sie wusste ja weder, weshalb genau er sich so seltsam benommen hatte, noch war sie sicher, ob es ihm inzwischen besser ging. Sie verzichtete aber vorerst darauf genauer nachzufragen, eventuell würde sie später darauf zu sprechen kommen, wenn er es denn wollte. Viel lieber würde sie ihm nun erklären, was sie über den Tresvir Tiberius in Erfahrung gebracht hatte.
    "Ich habe ein Gespräch mit einem Magistrat geführt. Tiberius Lepidus ist sein Name, er sagte auch, ihr kennt euch bereits, und er war bereit zu helfen", klärte Shani ihn über den Verlauf ihrer Nachforschungen auf, "Er meinte du sollst einfach eine Freilassungsurkunde aufsetzen und sie Morrigan übergeben. Den Betrieb kannst du ihr auch ganz einfach übereignen."
    Mit einem selbstzufriedenen Lächeln stand sie vor dem Schreibtisch und wartete Varus' Reaktion ab, bevor sie ihm die vorgefertigte Urkunde präsentierte, die sie bereits dabei hatte.

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