[INSULA TYRRHENA DIANIUM] Die tyrrhenische Insel Dianium & die Villa Rustica Ducciana

  • "Gute Gesellschaft, die darüber hinaus auch noch als Reiseführer behilflich sein kann, könnten wir sicher gut gebrauchen", sprach der Tiberier eher wohlwollend, als wirklich ernsthaft davon überzeugt, dass es auf dieser Insel tatsächlich etwas zu entdecken gab. Aber da konnte man sich ja überraschen lassen. In jedem Fall würde es den Spaziergang wohl etwas auflockern. "Wir können hier gern kurz auf dich warten, bis du wieder in trockenen Kleidern bist." Trockene Tücher... trockene Kleider - was für ein Wahnsinnswitz. Dafür dass er mir solch einem imposanten Humor brillierte, konnte sich der Tiberier wohl nur selbst auf die Schulter klopfen.

  • Als selbstverständlich würde Lucia diese Aktion nun so überhaupt nicht bezeichnen. Wer sprang schon für ein Stück Stoff in den so unberechenbaren Ozean? Was wenn Neptun gerade in diesem Moment entschied mit seinem Dreizack in den Wellen zu rühren? Als Schwimmer in diesen riesigen Fluten war man doch noch ausgelieferter, als auf einem Schiff, welches wenigstens vor der Fahrt dem Gott ein Opfer brachte.


    Umso eindrucksvoller war die ganze Aktion. Zwar war sich Lucia noch nicht ganz im Klaren, ob sie diese nun beeindruckend oder beeindruckend dumm gewesen sein mochte, doch das sei mal als unwichtig dahingestellt.


    Da Decimus, wie Lepidus ihn nannte, schon angeboten hatte den Schal mit hineinzunehmen, blieb Lucia nicht mehr viel anderes übrig, als bestätigend zu den Worten ihres Bruders zu nicken. Der Witz an der ganzen Sache ging ihr leider gänzlich ab, da sie viel zu verwirrt von sich selbst war und ihre Gedanken lieber zuerst sortieren wollte. So fiel ihr auch erst später auf, dass sich der Decimer nicht wirklich vorgestellt hatte.

  • Es war und wird wohl immer ein Klischee sein: Als Frau kommt man grundsätzlich ein wenig zu spät. Auch wenn man von einem Sklaven zum Essen gebeten wurde, hieß das noch lange nicht, dass man sofort mitkommen konnte! Lucia hatte an sich nichts gegen dieses Gerücht einzuwenden; es war viel zu praktisch, wenn man noch ein letztes Mal Hand an Frisur oder Make-Up anlegen wollte. Von dem kompletten Wechsel der Kleidung mal ganz abgesehen, immerhin wollte sie nur den besten Eindruck machen (und möglichst kein Kleidungsstück aus der großen Truhe umsonst mitgenommen haben). Wenigstens diesmal hatte sich auch dieses weitere Klischee bewährt: Wenn Lucia nicht so viel Gepäck mitgenommen hätte, wäre sie aufgrund von dem Schmutz da draußen wohl schon in arge Bedrängnis gekommen. Aber welche Frau nahm nicht mindestens fünf verschiedene Garderoben für ein, zwei Tage mit? Heute hatte sie nun ihre dritte Aufmachung angelegt, dieses Mal die Zarteste von denen die sie mitgebracht hatte. Allein schon vom Gewicht des Stoffes machte es einen so großen Unterschied zu der vorherigen, dass Lucia glaubte in den Raum zu schweben. Das einzig schwere an der Kleidung schien der breite bestickte Gürtel zu sein, der Lucias Taille betonte und das Prunkstück des ganzen Aufzugs war.


    Um auf das erste Klischee zurückzukommen: Lucia war nicht weiter überrascht ihren Bruder schon vor Ort anzutreffen, das war sie gewohnt. Aber war sie tatsächlich die Letzte? Doch dieser Gedanke wurde gewaltsam von dem Eindruck des Zimmers verdrängt. Wer auch immer das hier eingerichtet hatte, verstand nicht allzu viel davon! Die Wandbehänge erzählten keine zusammenhängende Geschichte, waren farblich unbedacht nebeneinander platziert und wirkten alles in allem eher… unüberlegt arrangiert. Lucias Blick schweifte durch den Raum und ihr Eindruck schien sich in jedem Möbelstück zu bestätigen. Lediglich die Kohlebecken stießen bei ihr auf Wohlwollen, da ihr in ihrem dünnen Stöffchen doch etwas kühl war. Nachdem sie die erste Wirkung des Zimmers überwunden hatte, versuchte sie sich höflicherweise nichts anmerken zu lassen. Sie setzte ihr Standart-Lächeln auf und trat still an die Seite ihres Bruders.

  • Als die Dämmerung nahte, und damit die Cena, hatte der Tag den Haus- und Inselherrn bereits mit haufenweise schlechten Nachrichten bombardiert, so dass er sich in zerknirschter Stimmung daran machte die Synthesis anzulegen die ihm ein mode- und vor allem kassenstandsbewusster Sirius acquiriert hatte. Die Korrespondenz, die er soeben durchgearbeitet hatte, während seine Gäste sich erholten und auf der Insel flanierten, hatte wenig gutes hervorgebracht. Ein Schiff mit einer für ihn nicht unbeträchtlichen Handelsbeteiligung war untergegangen (dieses verdammte Meer!), ein Ludus in Rom hatte ihm einen schwindelerregend hohen Kostenvoranschlag zugeschickt (diese verdammten Spiele!) und die Tochter eines reichen Senators hatte ihn mit sehr damenhaft-blumigen Worten wissen lassen, dass sie zwar gewillt sei mit ihm ins Bett zu steigen... aber noch lange nicht, ihn zu heiraten (diese verdammten Weiber!).
    So zogen die Mundwinkel sich auch stark nach unten als er in einen der mittlerweile trotz Kerzenschein recht dunklen Gänge der Villa trat, und gerade noch mitbekam wie die Tiberia das Triclinium betrat. Dass es die Tiberia war, und nicht etwa der -us, fiel Vala dadurch auf, dass sein Blick automatisch nach unten wanderte und in ihm ein gewisser Primat mit nachdenklich hervorstehender Zunge an seinen bepelzten Fingern die von der Tiberia erfüllten Voraussetzungen zur erfolgreichen Paarung abzählte: jung, gut gebaut, gesund, fruchtbar.
    Der Politiker in Vala, der sich ob seines doch viel zu oft vorherrschenden Zimmernachbarn immer etwas pikiert abwandte, konnte in diesem Fall wenigstens noch ein erleichtertes 'UND sie hat Geld und Stand!' hinzufügen. Mehr wagte er nicht, denn als er zuletzt die Heirats mit einer Consularstochter angeregt hatte die zwar reich an Geld und Einfluss war, dafür aber hässlicher als ein Hund nach drei Nächten in der Bärengrube, also der Primat hatte.. nun... nicht gerade erbaut reagiert. Auch wenn der Politiker in Vala nur eine metaphorische Figur war: sein Gesicht tat nach einem Jahr immernoch weh.


    Dass das natürlich gewisse Probleme aufwarf, welchen Vala schon oft in der Vergangenheit unterlegen war, war dem Politiker dabei bewusst (dem Primaten nicht, der hatte relativ einfache Pläne zur Umsetzung).. und so war es dann auch ein recht nachdenkliches Gesicht, mit dem Vala in das Triclinium zu seinen Gästen trat.


    "Tiberia. Tiberius.", grüßte er seine Gäste erneut, sich mit etwas Mühe in ein offenes Lächeln zwingend und deutete einladend auf zwei der Klinen, " setzen wir uns doch. Ich hoffe ihr konntet euch von der Reise etwas erholen und die Insel genießen?"

  • "Senator Duccius", begrüßte auch Lepidus den Gastgeber und blickte in dessen nachdenkliches Gesicht, der aber nichts Besonderes daran erkennen konnte, so dass er sich sogleich den angebotenen Klinen zuwandte. Auf so einer einsamen Insel rechnete er nicht unbedingt damit, stets und ständig auf fröhliche Mienen zu stoßen, wie es seine eigene vortrefflich bewies. Dabei war der Tiberier inzwischen deutlich besser anzusehen. Die bleiche Gesichtsfarbe, die ihm noch direkt nach der Ankunft anhaftete war inzwischen verschwunden. "Ich hatte das Vergnügen mir ein bisschen Schlaf zu gönnen. Dies und der nette Spaziergang mit meiner Schwester, bei der wir auf deinen überaus tüchtigen Tiro Decimus trafen, haben mir die Erholung sehr leicht gemacht."

  • Dem Duccius fast auf dem Fuße folgte auch Aquila und betrat als Letzter das Triclinium – was ihn nur mäßig, sprich: gar nicht verlegen machte. Immerhin kam er ja direkt nach dem Hausherrn, also in einer völlig akzeptablen Zeitspanne, zumal sich noch nicht einmal wer gesetzt oder hingelegt hatte. Und: nach dem Spaziergang am Nachmittag hatte er sich nicht auf die faule Haut gelegt, sondern weiter gearbeitet... er meinte den Duccius gut genug zu kennen um zu wissen, dass der genau das von ihm erwartete. „Das freut mich zu hören, Tiberius“, grinste er verschmitzt, als er beim Hereinkommen die letzten Worte aufschnappte, spielte kurz mit dem Gedanken das überaus tüchtig als wenigstens etwas übertrieben zu bezeichnen und entschied sich dann doch dagegen, und linste kurz unauffällig nach Wein, auf den er gerade ziemlich große Lust hatte. Hoffentlich bot bald wer was zu trinken an. Nachdem sie dieses Mal nicht zusammen essen würden, hatten die Bediensteten ja immerhin Zeit genug dafür. „Tiberia, du siehst fantastisch aus“, wandte er sich lieber mit einem Lächeln an die Frau, und fragte sich gleichzeitig, wie viel Klamotten die mitgebracht hatte... beim Spaziergang jedenfalls hatte sie ganz eindeutig was anderes getragen.

  • Aquila grinste jungenhaft und nickte. „In Ordnung, dann bis gleich.“ Mit diesen Worten verabschiedete er sich und lief leichtfüßig zur Villa rustica, die nicht allzu weit entfernt war – nichts war auf dieser Insel wirklich weit entfernt –, drückte den Schal einer Magd in die Hand mit der Bitte – Bitte, wohlweislich, nicht Befehl, der Duccius war da ein bisschen sonderbar, was Sklaven betraf – in die Hand, ihn zu reinigen, und machte sich dann daran sich etwas Trockenes anzuziehen. Es dauerte nicht lang, bis er wieder zu den beiden Tiberiern stieß. „So, da bin ich wieder. Tiberia, dein Schal ist in den besten Händen. Mir wurde versichert, er würde das Abenteuer gut überstehen... morgen dürfte er trocken sein.“ Er lächelte ihr flüchtig zu und wandte sich dann wieder an beide gleichermaßen. „Wonach steht euch der Sinn?“

  • Sie war doch tatsächlich als Zweite hier eingetroffen! Erstaunt, aber vor allem erleichtert nahm Lucia diese Überraschung zur Kenntnis. So hatte der Duccius wenigstens ihren Blick wegen der Gestaltung des Zimmers nicht gesehen. Dieses Zimmer…
    Wenn man wenigstens den Teppich dort drüben mit dem hier tauschen könnte. Das würde von der Farbe… Lucia, lass das! Versuch es einfach zu ignorieren! Mach was anderes! Hm, ja das linke Armand sitzt, die beiden klimpernden Armringe rechts waren auch noch wo sie sein sollten…


    Da öffnete sich zum Glück die Tür und Lucia schenkte dem eintretenden Duccier ihr extra für solche Abende eingeübtes, strahlendes Lächeln. Nachdem ihr Bruder die eigentliche Frage ihres Gastgebers schon beantwortete hatte, fügte sie noch schmeichelnd an: „Deine Insel ist eine raue Schönheit!“ Sie war sich aber nicht ganz sicher, ob sie verstanden worden war, sie hatte nämlich gleichzeitig mit dem eben eintretenden Decimus gesprochen. Auch ihm schenke sie das strahlende Lächeln, welches bei seinen schmeichelnden Worten um einiges breiter und ehrlicher wurde. „Danke, das muss die frische Luft hier sein.“, tat sie bescheiden, doch man konnte nur zu deutlich sehen, dass sie Komplimente sehr genoss.

  • Sobald der junge Mann verschwunden war, wandte sich Lucia an ihren Bruder und fragte ihn verwundert: „Woher kennst du denn diesen Decimus?! Ist er mit Flaminina verwandt? Warum fischt ein Decimer?“ Neugierde und Vorwurf sprachen gleichermaßen aus ihren Worten; als ob Lepidus etwas dafür könnte, dass ein ihr vollkommen Unbekannter für Lucia ins Meer gehüpft war, ihren Schal gerettet hatte und sie nicht wusste was sie von der ganzen Sache halten sollte. Sie mochte auch überhaupt nicht, wie sehr ihr das jungenhafte Grinsen des Decimers gefallen hatte. Genauso wenig behagte ihr, dass ihr immer wieder aufgefallen war wie eng der nasse Stoff am Körper des jungen Mannes klebte. Das war doch kindisch! Lucia reiß dich zusammen, der Typ war unüberlegt einem Stück Stoff nachgesprungen! Das war einfach nur dumm, so! Sie atmete tief durch und schaffte es tatsächlich das komische Gefühl größtenteils abzuschütteln.


    Viel zu früh kam Decimus wieder, hatte aber gute Nachrichten im Gepäck. „Da bin ich erleichtert, nicht dass du vollkommen umsonst in die Fluten gestürzt wärst!“ Ja, wonach stand ihnen der Sinn? Frühsommerliche, milde Sonne an einem weniger windigen und matschigen Ort zusammen mit ein paar leckeren Getränken und spaßigen Spielen… Das würden sie hier wohl aber größtenteils nicht bekommen können, also schlug Lucia nach kurzem Überlegen vor: „Gibt es hier irgendwelche verborgene Flecken, mit denen man hier nicht rechnen würde? Oder mit einer interessanten Geschichte?“ Vielleicht versteckte sich die gesamte Schönheit dieser Insel ja am anderen Ufer…

  • "Das trifft es wohl nur allzu passend...", antwortete Vala auf die Beschreibung seiner Insel, die er selbst nur als Mittel zum Zweck der Beeindruckung seiner Gäste ansah und für wenig mehr. Da es sich gerade anbot, schickte er gleich noch ein kleines Kompliment hinterher, das sich nahtlos an das Thema anschloss.. und das auf eine nonchalante Art und Weise, die zeigte wie sehr Vala an derartiges gewöhnt war und im Feld der Liebe nichts an Souveränität missen ließ: "...umso passender jedoch, wenn man seine raue Schönheit heuer mit der deinen sanften schmücken kann, Tiberia."
    Als sie sich setzten kam der Tiberius auf seinen Tiro zu sprechen, dem Vala nur einen knappen Blick zuschenkte, immerhin betrachtete er das, was der Decimus tat wenn Vala ihn nicht brauchte, als Selbstverständlichkeit.
    "Die körperliche Arbeit bietet einen Ausgleich zu dem, was einem aus Rom kommen nur allzu gerne Kopfschmerzen bereitet.", erklärte er daraufhin, "Und es verweist an die Wurzeln Roms, welches aus nichts weniger als einigen Gehöften der Altvorderen entstanden ist. Leider bleibt mir selbst ob des Wahlkampfs nicht allzu viel Zeit mich selbst dort draußen zu betätigen, Rom hält mich auch nach dem Ende des Bürgerkriegs in stetem Atem. Das schließt den Decimus aber nicht ein... und bevor er sich langweilt, nun...", zuckte er abschließend mit einem verschmitzten Lächeln mit den Schultern. Natürlich war das mit den römischen Wurzeln freilich der Grund, der selbst gestandene Senatoren und auch Patrizier auf die Felder ihrer Latifundien trieb (einer der Gründe, warum Abkömmlinge des Hellenismus Römer immernoch belächelten), für ihn selbst war es eine Erinnerung an eine ziemlich unrömische Vergangenheit.

  • "Keine Ahnung, vielleicht hat er einfach Spaß daran oder schätzt die einfache Arbeit des einfache Mannes", antwortete Lepidus nachdem Aquila entschwunden war auf die Frage nach der Ertüchtigung des Decimers. "Ich kenne ihn vom Forum Romanum. Ich erzählte dir ja, dass ich dort den Duccier bei seiner Wahlkampfveranstaltung traf. Er hat dann den Decimus zu mir geschickt, um dieses Treffen vorzubereiten. Ob er mit Flaminia verwandt ist? Vielleicht sollten wir ihn das gleich einmal fragen." Da kam Aquila auch schon zurückstolziert mit den guten Botschaften, dass der Schal gerettet war. Den Göttern sei Dank. Wo es hingehen sollte? Mit den von Lucia vorgeschlagenen unbekannten Flecken und interessanten Geschichten konnte sich der Tiberier durchaus anfreunden, wobei er aber noch hinzufügte: "Als jemand, der dem Cultus sehr nahe ist, würde ich mich natürlich sehr dafür interessieren, ob es hier irgendwelche Heiligtümer zu bewundern gibt? Seien es Schreine oder vielleicht ein kleines Templum." Vielleicht blieb ja dann sogar noch Zeit für ein kleines Gebet oder eine kleine Opferung. "Sag Decimus, wir haben uns gefragt, ob du näher mit einer Decima Flaminia oder Decima Calena verwandt bist?", rollte er dann gleich einmal das von seiner Schwester angebrachte Thema auf. "Beide haben vor kurzem noch in Achaia gelebt und sind gemeinsam mit unserem entfernten Verwandten Aulus Tiberius Verus nach Rom zurückgekehrt, welcher der Ehemann jener Calena ist."

  • Seine Schwester sah also fantastisch aus? Sie war eine sanfte Schönheit? Zum Glück waren die Blickte wohl gerade nicht auf den Tiberier gerichtet, sonst wäre sein spöttischer Gesichtsausdruck, trotz leicht vorgehaltener Hand, sicher deutlich zu registrieren gewesen. Doch wer konnte ihnen die Blicke verübeln? Sicher haben diese Plebejer noch nie eine so anmutige Patrizierin wie Lucia gesehen. "Schön dich erneut zu sehen", richtete er erst einmal nur Begrüßung an den frisch eingetretenen Decimer, ehe der Senator von den Wurzeln Roms zu sprechen begann. War es nicht eine vorzügliche Eigenschaft von homo novi ganz besonders dies immer wieder zu betonen, als wenn sie dadurch versuchen müssten, etwas auszugleichen, was ihnen an guter Herkunft fehlte? "Sicher, langweilen sollte man sich doch nun wirklich nicht", sprach er einfach relativ nichtssagend. "In jedem Fall ist es aber eine großartige Chance, die du Decimus gibst." Und diesem wandte er sich nun sogleich zu. "Du kannst dich wahrlich glücklich schätzen ein tirocinium fori bei einem Senator zu absolvieren. Manche mögen es als selbstverständlich ansehen, doch musste ich selbst leider schmerzlich erfahren, dass die großen Hindernisse im Wege stehen können." Nun wechselte er allgemein den Blick mal auf den Duccier, mal auf den Decimer, ganz selten zu seiner Schwester. "Während des Bürgerkrieges war ich in Rom und wie ihr euch vorstellen könnt, war es nicht einfach dort zu leben unter den stetigen Schmähungen, die gegenüber die Patrizier allgemein und gegenüber meiner Verwandtschaft im Speziellen stattgefunden haben. Wie gern wäre ich auch ein Tiro gewesen, doch ich wollte mich nicht zu einem Komplizen der Unrechtsherrschaft machen lassen und wem konnte man schon vertrauen? Gleichsam konnte ich in dieser Zeit kaum Kontakte aufbauen, die mir in der direkten Nachkriegszeit ein tirocinium fori ermöglich hätten. Von daher möchte ich nur zum Ausdruck bringen, dass euer Tiro-Senator-Verhältnis wahrlich ein Geschenk ist, welches man besonders in diesen Zeiten sehr wertschätzen muss." Damit war die 'armer geschundener Patrizier'-Geschichte auch gleich wieder unter die nächsten Leute gebracht. Man sollte schließlich nicht so schnell vergessen und wenn man auch noch halbwegs in Erinnerung behielt, was Lepidus doch für ach so schreckliche Opfer gebracht hatte, dann war ihm das natürlich mehr als recht.

  • "Wenn man es genau betrachtet...", sprach Vala während die Sklaven die ersten Antipasti auftischten und sicherstellten, dass jeder Gast das bekam was er sich zur Befeuchtung der eigenen Kehle einverleiben wollte, "...oh, wenn ich den Met empfehlen darf, der kommt aus meiner Heimat. Ebenso das Bier, falls euch danach sein sollte. Italia hat ja einiges hervorgebracht, allerdings gehören guter Met und gutes Bier nicht dazu... also, wo war ich?", hielt Vala inne und warf sich mit nachdenklichem Blick eine Olive ein, die er mit einem Schluck Bier runterspülte, "...achja. Wenn man es genau betrachtet, kannst du froh sein als Abkömmling der Tiberii Ahalae die Herrschaft des Vescularius in dessen direkter Nähe überhaupt überlebt zu haben, Tiberius."


    Dass der junge Mann sich dann offensichtlich in Sorgen erging, die vor allem aus einem fehlenden Tirocinium nährten ließ Vala beschwichtigend die Hände heben: "Tiberius, ist es nicht ein wenig zu früh um dir Sorgen über deinen Werdegang zu machen? Die Wahlen, zu denen ich angetreten bin, stehen ja quasi gerade erst vor der Haustür.. und soweit ich weiß bist du selbst noch nicht angetreten, oder? Bis dahin wäre doch zumindest ein halbwegs ordentliches Tirocinium durchaus drin.. im Zweifelsfall einfach bei deinem Patron?"

  • Erst ein Kompliment von Decimus, dann eins von Duccius, Lucia strahlte. Dieser Abend fing wunderbar an! Da machte es ihr auch überhaupt nichts aus, dass sie Lepidus schon zum x-ten Mal seine traurige kleine Geschichte der letzten Jahre zum Besten gab. Sie fühlte sich wie eine Pflanze, die nach längerem mal wieder gegossen wurde. Von ihrem Bruder bekam sie natürlich auch hin und wieder das eine oder andere Kompliment, aber das zählte doch nicht, er war immerhin ihr Bruder! Und ansonsten hatte sie in letzter Zeit fast nur mit anderen Frauen zu tun gehabt und auf die Komplimente konnte man nun wirklich nichts geben. Wenn eine Frau einer anderen sagte, sie habe eine erstaunliche Frisur, dann sollte die andere lieber ihre Tonstrix wechseln!


    Die Sklaven unterbrachen ihre Gedanken und Lucias Magen verlangte krampfhaft nach etwas zu tun. Das war wohl die Meeresluft hier gepaart mit diesem besonderen Zeitraum im Monat. Lucia versuchte möglichst unauffällig möglichst viel von den Antipasti möglichst elegant in ihrem Mund verschwinden zu lassen. Ein Sklave bot ihr an diesen Met, den Duccius ihnen empfohlen hatte, einzuschenken und um höflich zu sein nickte sie das ab. Sie knabberte noch ein wenig an den Antipasti um den gröbsten Hunger zu stillen, ehe sie einen Schluck von diesem erstaunlich süßen Getränk nahm. „Das ist ja reiner Honig!“, platzte es aus ihr heraus. Im nächsten Moment sah sie schon entschuldigend zu den redenden Männern, hatte sie diese doch keinesfalls unterbrechen wollen.

  • Met also. Nagut, wenn es denn schon einmal empfohlen wurde, wäre alles andere als ein Probieren wohl nicht gerade höfflich. Nach einem kleinen Nipper konnte er seiner Schwester allerdings durchaus zustimmen, zumindest deutete er ihren Ausruf als Zeichen, dass es ihr wohl schmecken musste. "Ja, der ist tatsächlich sehr schmackhaft." Für einen Moment überlegte der Tiberier, ob er seine Schwester nicht etwas mehr ins Gespräch einbinden konnte. Schließlich konnte ihre charmante Art das Terrain vielleicht noch gut vorbereiten, wenn es womöglich noch zu handfesteren Gesprächen kommen würde. Doch im Moment fiel ihm keine Möglichkeit ein. Aber der Abend war ja noch lang und Lepidus dachte sich gleichsam, dass die Frauen es auch einmal ertragen mussten, leise zu sein, wenn sich "große" Männer unterhielten. Lepidus versuchte derweil nun seinen Appetit mit den kleineren Leckereien ein wenig anzuregen, bevor er wieder auf den Duccier eingehen konnte. "In meiner Position muss man stetig besorgt sein. Wie du schon sagtest, mein Überleben war nicht selbstverständlich. Diese Zeit hat mich sehr geprägt. Auch einen Patron habe ich erst vor kurzem gefunden." Für Lepidus selbst stand fest, dass es nur ein Patrizier seien konnte, unter dessen Obhut er sich begeben würde. Während des Bürgerkrieges gab es dafür so gut wie keine Anknüpfungspunkte und umso erleichterter war Lepidus, als die wichtigen Patrizier endlich zurückkehrten. "Die Sache ist also etwas komplizierter. Zwar bin ich jetzt endlich Klient eines sehr aufstrebenden Senators, doch er ist derzeit sehr stark eingebunden und auch meine eigenen kultischen Verpflichtungen werden mich wohl in dieser jetzigen unmittelbaren Nachkriegszeit noch sehr stark binden. Ob dennoch ein Tirocinium möglich sein wird, muss sich zeigen." Lepidus trank erneut von seinem Met. So langsam zog hier doch eine recht vertraute Atmosphäre ein, zumindest schien das Gespräch bisher sehr angenehm. "Der Name meines Patrons ist übrigens Sextus Aurelius Lupus. Ich hörte bereits, dass ihr beiden euch kennt", ließ er dann noch fast nebenbei verlauten und bereits in dem Bewusstsein dem Duccier freilich niemals offenzulegen, was Lupus gegenüber Lepidus zur Vorbereitung auf dieses Treffen gesagt hatte, was ihn im Nachhinein immer noch ein wenig zum Schmunzeln brachte. "Nur aus reinem Interesse: Wer ist eigentlich dein Patron und darf man erfahren, bei wem du einst dein Tirocinium fori absolviert hast?" Die Biografie eines homo novus pflegte ja allgemein etwas exotischer zu sein und darüber hinaus war es nicht schlecht zu wissen, was der Duccier vielleicht noch so für Verbindungen aufzuweisen hatte, so dachte sich der Tiberier.

  • "Dementsprechend wirst zumindest du dir deine Gedanken machen müssen, deine nicht gerade traditionelle Vorbereitung auf den Cursus Honorum vor dem Senat rechtfertigen zu müssen.", gab Vala zu verstehen, dass er in Anbetracht der Umstände durchaus gewillt war, heuer eine Ausnahme von seinem Beharren auf die Traditionen zu machen, "Deinen Nachfolgern, die nach dir in den Cursus Honorum streben wird es nicht so ergehen. Die Ordnung will gewahrt sein, und das ist etwas, wovon Rom im Moment wieder einiges gebrauchen könnte... der Vescularier hat die Zügel wohl etwas fahren lassen, was sich nicht nur auf seine Personalpolitik niedergeschlagen hat."


    Als der Tiberier bekannt gab, dass er den Aurelier zum Patron gewählt hatte verzog Vala keine Miene, sondern gönnte sich einen Schluck des doch ziemlich starken Mets. Wann war das letzte zünftige Besäufnis gewesen? In Aegyptus, mit Sermo. Und davor? Ewigkeiten... in Rom gab es überall Augen, und ein Moment in dem man betrunken durch Rom torkelte war nicht gerade karriereförderlich. Sowieso: betrinken konnte man sich nur, wenn man sich sicher fühlte. Und das war für Vala in dem ihm auch nach all den Jahren immernoch fremden Rom eben nicht der Fall. Gleichwohl... er fragte sich, wie es um seine Kondition beim Saufen bestellt war... und wie lange der Met brauchen würde, um anzuschlagen.

    "Mein Patron ist der Consular Marcus Vinicius Hungaricus. Ich konnte ihn dank Fürsprache in Germania während seiner Zeit als Legat des Kaisers davon überzeugen, mich als Klient anzunehmen. Ich lehne mich nicht allzu weit aus dem Fenster wenn ich behaupte, dass unser Verhältnis entspannt ist."
    , erzählte Vala von seinem Patron, und meinte letztlich: er hatte sich so ziemlich alles selbst organisieren müssen, von einem Grundstück und der Starthilfe mal abgesehen. Die Frage nach seinem Tirocinium hingegen entlockte Vala ein schmales Lächeln: "Ich habe gleich zwei Tirocinii absolviert, als ich nach Rom kam. Das erste beim damaligen Praefectus Praetorio Tiberius Prudentius Balbus. Das zweite in etwa so wie der Decimus neben mir nun bei mir: als Tiro eines Aedils, Marcus Aurelius Corvinus. Beide weilen bekanntermaßen mittlerweile nicht mehr unter uns... aber ich hab einiges in der Zeit gelernt."
    Beim Aurelius, so wie der Decimus nun bei ihm, hatte er das politische Tagewerk kennengelernt und mitgeholfen die Spiele zu organisieren... die dank geldschwerem Hintergrund weitaus opulenter ausgefallen waren als die seinigen heuer es würden. Beim Prudentius bekam er Einsicht in die Verwaltung der Cohortes Praetoriae, was schon früh zu seiner Bildung auf dem Gebiet des Militärs beigetragen hatte. Und nicht zuletzt hatte er lernen können, wie man die Frau seines Oheims ins Bett bekam, ohne dass dieser etwas davon mitkriegte.

  • Aquila war stark in Versuchung, eine Grimasse zu schneiden bei der Erklärung des Duccius, warum das nun so selbstverständlich war, dass er hier schuften musste... aber er ließ es. Er hatte ja noch nicht mal so wirklich was dagegen, draußen zu sein, etwas tun zu können, was ihn nicht in irgendeinem Officium versauern ließ – er hätte nur, zugegeben, lieber andere Sachen gemacht. Aber seit er sich einfach zu den Fischern gesellt hatte, war auch das eigentlich in Ordnung für ihn. Das war etwas, was er durchaus gern machte... und es waren ja auch nur ein paar Tage, bei weitem nicht lang genug, dass ihm der Spaß dann irgendwann doch vergangen wäre, weil es trotz allem harte Arbeit war.


    Als der Tiberier dann über die großartige Chance sprach, die er durch das Tirocinium erhalten hatte, und darüber wie schwer er es selbst gehabt hatte in Rom die letzte Zeit... da musste Aquila sich schon wieder zusammenreißen, um eine unberührte Miene zu machen. Worauf der Tiberius anspielte, betraf ja immerhin ganz direkt einen Teil seiner Familie, und Aquila war sich immer noch nicht so ganz sicher, wie er damit nun eigentlich umgehen sollte. Da war es dann doch am besten, einfach still zu sein und sich wenig bis gar nicht zu rühren, wenn die Sprache auf das Thema kam, fand er... da klammerte er sich lieber an den Met – ein Getränk, das ihm jetzt nicht ganz so sehr zusagte, aber nachdem alle den genommen hatten auf die Empfehlung des Duccius hin, hatte er das am Ende auch getan. Und immerhin: das Thema wechselte zum Glück bald wieder. Und wo es gerade so schön um den Einstieg in die Politik ging, hakte Aquila nach: „Hast du vor, bei den nächsten Wahlen dann anzutreten?“

  • „Es gibt tatsächlich ein paar Flecken hier, die es wirklich wert sind“, grinste Aquila. „Und Geschichten gibt es zuhauf. Ich bin erst ein paar Tage hier, aber ich hab von den Fischern schon einiges zu hören bekommen.“ Was nicht ganz der Wahrheit entsprach... oder, doch, schon irgendwie, aber DAS waren keine Geschichten, die er den beiden erzählen würde. Naja, dem Tiberius vielleicht, aber dafür müsste der erst mal sein steifes Patriziergehabe ablegen, abends irgendwann bei einer guten Amphore Wein... aber der Tiberia ganz sicher nicht. Allerdings: Aquila war durchaus fantasiebegabt. Eine Geschichte konnte er sich auch so aus den Fingern saugen. Irgendwas Abenteuerliches, vielleicht mit Piraten oder so.


    „Ich habe noch nichts dergleichen entdeckt, Tiberius, allerdings waren meine Streifzüge über die Insel dann doch etwas beschränkt, weil ich häufig mitgeholfen habe“, erwiderte er auf die Frage des Tiberius nach einem Schrein oder ähnlichem. Da musste Aquila einfach passen. Er interessierte sich kaum für den Götterkult, nicht mehr als eben notwendig war, um die üblichen Opfer zu bringen für die Ahnen und die Götter, damit diese besänftigt waren und einen unterstützten. Dafür reichte häufig aber schon der Hausaltar aus.
    Viel interessanter war das Thema, dass der Tiberius als nächstes anschnitt... ein Thema, bei dem Aquila seine Überraschung nicht verbergen konnte. „Calena und Flaminina? Sicher bin ich das. Calena ist eine Nichte meines Großvaters Maximus Meridius, Flaminina eine Großnichte. Die beiden sind in Rom?“ Wäre vielleicht klüger gewesen so zu tun, als ob er das schon wüsste... mit Sicherheit hätte es wohl souveräner gewirkt. Aber das waren alles Dinge, die Aquila noch lernen musste.

  • Das klang doch vielversprechend! Decimus behauptete ein paar interessante Flecken und Geschichten von den Fischern zu kennen. Die mussten es ja wissen, wenn sie ihr gesamtes Leben an den Ufern dieser Insel verbrachten! So oder ähnlich stellte sich Lucia das zumindest vor. Sie fragte sich aber dennoch, wie so eine kleine Insel relativ viele einigermaßen interessante Geschichten hervorgebracht haben soll. „Du musst aber beschäftigt gewesen sein!“, sprach Lucia vor Verblüffung ohne Nachzudenken. Sie hatte selbst so viel freie Zeit, dass sie sich einen komplett ausgefüllten Tag kaum vorstellen konnte. „So groß ist die Insel ja auch nicht, vom Boot aus konnte man ohne Probleme ihre Enden überblicken!“ Während sie sprach hörte sie selbst was sie sagte und lächelte sogleich entschuldigend. „Ich meine nicht dass die Insel zu klein wäre, also… ja, du bist wohl sehr fleißig… und das ist löblich! Nicht wahr?“ Sie warf ihrem Bruder einen bittenden Blick zu, der konnte doch so gut mit Worten umgehen, da konnte er ihre unbedacht abfällige Aussage über die Insel doch sicher graderücken!


    Das Thema Verwandtschaft behagte ihr dann schon um einiges besser! „Ach, wie herrlich! Dann könnte man ja fast sagen, dass wir über einige Ecken und durch eine Heirat miteinander verwandt seien! Du wärst dann so etwas wie unser Schwippschwager!“ Sie lächelte Decimus offen und amüsiert an, immerhin war er ja jetzt Familie, oder zumindest fast.

  • Was sollte Lucia groß zu diesem Gespräch beitragen? Zwar war sie vor wenigen Tagen bei der Vollversammlung der Factio Veneta Vinicius Hungaricus vorgestellt worden, aber sie hatte ja kaum fünf Worte mit ihm gewechselt. Da wäre es vermessen zu behaupten sie würden diesen Mann kennen. Sie hätte vielleicht einwerfen können, dass Vinicius mal mit einer Tiberia verheiratet gewesen war, doch das war so lange her und sie war sich nicht mehr sicher wann und mit welcher, also behielt sie auch das lieber für sich. Sie griff wieder nach den Antipasti, ihr Magen dankte es ihr und nippte immer mal wieder an dem herrlich süßen Met, während ihr Bruder seine Leidensgeschichte weiter ausbreitete und Duccius mit seinem politischen Werdegang antwortete.


    Ihr war es grade in den Sinn gekommen sich doch an Decimus zu wenden und mit ihm ein Gespräch zu beginnen, da schaltete sich dieser auch in die Unterhaltung der ‚Erwachsenen‘ ein. Sich leicht außen vor fühlend trank Lucia erneut und bekam so langsam Appetit auf in Honig gewälzte Grieskugeln, oder auf sonst etwas Süßes. Immer das gleiche, aber daheim könnte sie wenigstens den Sklaven befehlen ihr hier und jetzt und sofort eine Nascherei zuzubereiten. Dabei musste sie das meist garnicht tun, dieser Hunger kam schließlich so regelmäßig, dass Sekunda meist schon Vorkehrungen getroffen hatte, ohne dass Lucia einen Ton sagen musste. Warum hatte die alte Sklavin nicht bei dieser Reise vorgeplant? Lucia spürte unbegründeten Ärger auf ihre Leibsklavin in sich aufsteigen und spülte den lieber rasch mit einem weiteren Schluck des süßen Getränks herunter. Immerhin das hatte sie, war besser als nichts.

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