Rebellische Gastfreundschaft - die Zelle der Decima Seiana

  • Seiana wusste nicht, wie lange sie schon in dieser Zelle saß. Ein Tag? Zwei? Vier? Viele konnten es noch nicht gewesen sein, aber sie hatte schon innerhalb der ersten paar Stunden das Zeitgefühl verloren hier drin, so schnell, dass sie selbst ein bisschen erschrocken darüber war. Der einzige Anhaltspunkt, der es überhaupt möglich machte die Zeit ein wenig einzuschätzen, war die Regelmäßigkeit, mit der der Sklave kam und Essen vorbeibrachte, oder das Talglicht austauschte. Immerhin war sie auch sonst bisher in Ruhe gelassen worden... was sie als eine von vermutlich wenigen Frauen in einem Carcer nicht unbedingt als selbstverständlich hinnahm, und wofür sie entsprechend dankbar war.
    Was ihr allerdings zu schaffen machte, war die Untätigkeit. Sie sehnte sich sogar auf das Landgut in den Albaner Bergen zurück, obwohl sie damals schon geglaubt hatte den Gipfel an Untätigkeit erreicht zu haben – aber selbst da hatte es immer irgendetwas zu tun gegeben. Sie hatte sich nicht unbedingt damit beschäftigt, weil es Dinge gewesen waren die nicht ihr Interesse weckten, aber sie waren da gewesen. Jetzt hätte sie die Götter wussten was gegeben, um auch nur eines davon hier zu haben. Eine Stickerei, beispielsweise. Seiana hasste es zu sticken, aber hier... in diesem... Loch... mit nichts zu tun außer da zu sitzen, Wände anzustarren, den Schmerzen in ihrem Körper nachzuspüren und in Grübeleien zu versinken... Das Loch, in das sie nach der Geburt gefallen war, tat sich in schöner Regelmäßigkeit vor ihr auf und verschlang sie, und jedes Mal fiel es ihr schwerer, dagegen anzukämpfen, jedes Mal fiel es schwerer, wieder herauszukommen – und Seiana begann sich zu fragen, warum sie sich überhaupt die Mühe machte, wo es hier doch ohnehin nichts gab, und es auch keine Aussicht darauf zu geben schien, dass sich das in absehbarer Zeit ändern würde.


    Als sich draußen plötzlich etwas zu tun begann – zu einer unüblichen Zeit, wie sie meinte, aber nun, auf ihr Zeitgefühl war ja kein Verlass derzeit –, lag Seiana wie so häufig auf der Pritsche und starrte vor sich hin, verloren irgendwo in ihren Gedanken, die sich im Moment wenigstens nicht in einem der zahllosen Kreise drehten, die sie halb verrückt machten vor Angst oder Ungewissheit, sondern eher träge vor sich hin trieben. Sie rührte sich nicht, als sie draußen etwas hörte, und auch als die Tür sich zu öffnen begann, blieb sie noch liegen, weil sie im ersten Moment gar nicht wirklich realisierte, dass das tatsächlich geschah – und selbst wenn, war es doch nur wieder das gleiche: der Sklave, der mit irgendetwas kam. Ein Augenblick später allerdings realisierte sie, dass etwas anders war. Es war nicht der Sklave, der hereinkam, sondern ein Mann, ein Soldat, ein... Seneca. Seiana richtete sich halb auf und starrte ihn an. Einbildung, war ihr erster Gedanke. Das musste eine Einbildung sein. Sie träumte. Sie hatte zwar bisher noch nie davon geträumt, dass er kam, so gütig war Morpheus bisher nicht gewesen, ihr einen solchen Traum zu schicken, aber dann war es eben jetzt zum ersten Mal so. Vielleicht halluzinierte sie ja auch, weil die Dunkelheit der Zelle und das Eingesperrtsein sie verrückt machten. Aber er verschwand nicht... stattdessen kam er nur weiter auf sie zu, und Seiana brachte erst mal nicht mehr fertig, als ihm einfach nur sprachlos entgegen zu sehen.

  • Vorsichtig betrat Seneca die Zelle, nachdem er der Wache seine Waffe vor die Füße gelegt hatte, als hoffentlich letzten Akt der Demütigung vor eigentlich unterstellten. Anschließend blickte er wieder in die Zelle, und dort stand sie, Seiana. Immer wieder hatte er sich diesen Moment ausgemalt, ganz anders natürlich, er als der siegreiche, heldenhafte Centurio, ein Retter Roms, sie, so wunderschön wie er sie kannte, strahlend, mit einem Erben, Freude, Ruhm, auf ewig vereint, keine Schande, keine Niederlage und vor allem kein Gefängnis.
    Doch wie so oft kam alles anders, sie sah mitgenommen aus, sicher, er fand sie immer noch wunderschön, trotz allem, und er war nach der Schlacht, den Märschen, dem bescheidenen Leben im Krieg und all den Entbehrungen auch nicht mehr so frisch, aber es hätte doch alles so viel besser ausgehen sollen.


    Schweigend ging der Iunier auf seine geliebte zu, er wusste nicht was er sagen sollte, wie sollte er es erklären dass er die Kapitulation gewählt hatte, und nicht den ehrenhaften Tod? Wie würde sie reagieren? Immerhin war sie doch immer auf die Ehre bedacht gewesen, und Seneca, auch wenn die Generäle sagten sie seien im Felde ungeschlagen, so spürte er doch die Schande der Niederlage tief in sich sitzen, nagend an seinem Stolz und seinem Selbstbewusstsein.. Und so blieb er erst einmal stumm als sich seine Hand an ihre Wange legte, sanft, zurückhaltend, und doch irgendwie froh und erleichtert dass sie nun wieder bei ihm war, wenn auch nur für ein paar Augenblicke.

  • Liegend sah Seiana, wie Seneca ihre Zelle betrat, und nur langsam richtete sie sich auf, wartete... erwartete, dass er jeden Moment verschwand, wie ein Trugbild. Sie glaubte immer noch nicht, dass er wirklich da war. Sie war sogar fast schon überzeugt gewesen, dass er wohl tot sein musste, einfach weil sie es nicht ertragen hätte zu hoffen, und diese Hoffnung dann doch irgendwann zerstört zu sehen.
    Aber er kam näher, immer näher, und schließlich war er da... berührte sie. Zuerst bewegte sie sich gar nicht, dann legte sie eine Hand sachte über die seine, die ihre Wange berührte. Drückte sie ein wenig fester an sich und sog den Geruch ein, der von seiner Haut aufstieg. „Seneca“, murmelte sie. Die Berührung wirkte so real... und nach und nach begann sie langsam, vorsichtig, daran zu glauben, dass er tatsächlich hier war. Dass er lebte. Dass er überlebt hatte. „Du lebst...“

  • Seneca blickte Seiana an, ein leichtes Lächeln glitt über seine Lippen, "Ja, ich lebe.", sagte er fast schon flüsternd, so als ob er sich selbst noch einmal vor Augen führen musste, dass er die verrückte Aktion auf den Mauern Vicetias überlebt hatte.
    "Ich bin so froh dich wiederzusehen.", flüsterte er weiter, unsicher ob er ihr in dieser Umgebung einen innigen Kuss geben sollte oder nicht, immerhin waren sie im schlimmsten Carcer der Stadt..
    "Zu wissen dass du hier bist schmerzt, aber ich bin froh dass dir nichts schlimmeres passiert ist."


    Er blickte sie an, etwas unsicher näherte er sich ihr, Monate hatte er darauf gewartet sie wiederzusehen, ohne auch nur eine Idee gehabt zu haben wie es mit ihnen weitergehen sollte wenn der Krieg vorbei war, manche Dinge änderten sich nie, die fehlende Perspektive, seine Liebe zu ihr, und der Geschmack ihrer Lippen...

  • http://www.kulueke.net/pics/ir…/f-roemer-soldaten/25.jpg Nicht einmal die Wachen selbst wussten mehr, wie lange die Decima jetzt schon in ihrer Zelle vor sich hinrottete. Lediglich der nervtötende Sklave, welcher den Gefangenen die Mahlzeiten brachte schien einen Überblick darüber zu behalten wie lange wer wie in den Zellen seines Prozesses wartete. Für die Wachen selbst gab es da weniger Abwechslung, weshalb manch einer mit Würfelspielen schon den einen oder anderen Sold verzockt und wieder zurückgewonnen hatte. Dass Mal jemand hinunterkam um einen der Gefangenen abzuholen oder zu besuchen war eine absolute Seltenheit... aber es kam vor.
    Wie auch dieses Mal, als jemand aus der ersten Centuria heruntergestapft kam und den Wachen zu verstehen gab, dass man die Decima ganz oben sehen wollte.


    Knirschend gingen also die Riegel zurück und die Tür schwang quietschend auf, als sich eben jener Soldat in der Zelle der Decima zeigte und sie wenig wortreich aufforderte mitzukommen: 'Mitkommen, man will dich sehen.'

  • Seiana nahm gar nicht so wirklich wahr, was er sagte, und ein Teil von ihr glaubte auch immer noch nicht so recht, dass er da war – auch wenn sie eher bezweifelte, dass sie träumte oder sich das gar einbildete. So etwas war nicht ihre Art, und das einzige, was doch dafür sprach, war die Tatsache, dass Seneca doch eigentlich auf Seiten der Verlierer gestanden hatte... sicher konnte er überlebt haben, aber wie kam er dann hier in den Carcer?
    Aber im Grunde war das auch egal. Er war da. Seiana schloss die Augen und ließ sich ein wenig nach vorne sinken, bis ihre Stirn an seiner lag, und noch ein wenig mehr, bis sich auch ihre Lippen sacht berührten. Seneca war am Leben. Serapio auch, jedenfalls wenn der Centurio, von dem sie verhaftet worden war, die Wahrheit gesagt hatte. Wie sie war ihr Bruder im Carcer, und sie hatte keine Ahnung, was sie erwarten würde... aber dass die beiden Männer überhaupt am Leben waren, war etwas, worauf sie bis vor kurzem nicht zu hoffen gewagt hatte. „Was... machst du hier? Ich meine, wie hast du das geschafft, dass sie dich sogar in den Carcer lassen?“ murmelte sie, ihr Gesicht immer noch an seinem.

  • Eintönigkeit. Nachdem die Schmerzen in Füßen und Unterleib abgeklungen waren, die sie in den ersten Tagen hier noch geplagt hatten, war Eintönigkeit eines der vorherrschenden Merkmale ihrer Gefangenschaft. Kaum jemand schien sich für sie zu interessieren, so als ob sie schlicht vergessen worden wäre. Mit dem Sklaven war immer eine Unterhaltung möglich, wenn er kam um essen zu bringen, und obwohl er ziemlich auf die Nerven ging, war Seiana doch schon nach kurzer Zeit dankbar für jede Form der Ablenkung – auch deshalb hielt sie sich den Sklaven gewogen, zwang sich zu Freundlichkeit selbst dann, wenn sie selbst in Düsternis zu versinken drohte. Die übrige Zeit blieb einfach... leer, so leer wie es in ihr so häufig aussah zur Zeit, und je länger sie einsam in dieser kaum erhellten Zelle saß, desto schwerer fiel es ihr, dagegen anzukämpfen, und das vielleicht Schlimmste war: sie begann sich schon bald zu fragen, warum sie sich überhaupt die Mühe machen sollte. Dennoch versuchte sie es... sie bewegte sich in ihrer Zelle, machte sich mit ihr vertraut, sie rezitierte Dramen, die sie vor langer Zeit hatte auswendig lernen müssen, und sie nutzte im Rahmen der Möglichkeiten alles, was möglich war, um sauber zu bleiben – auch wenn das freilich weit entfernt war von dem, was sie hinsichtlich Körperpflege gewohnt war.


    Nach ein paar Tagen im Carcer hatte sich ihr Zeitgefühl daran gewöhnt, dass es kein hell und dunkel mehr gab, woran es sich orientieren konnte... sondern nur der Rhythmus der sich öffnenden Tür, und auf den war in der Regel Verlass. Als also wieder die Tür zu einer anderen Zeit aufging, fiel es Seiana diesmal durchaus auf... und tatsächlich steckte diesmal ein Soldat den Kopf in ihre Zelle. Wortlos stand Seiana auf und leistete der Aufforderung Folge, barfuß, wie sie immer noch war, aber auch beim Gehen inzwischen schmerzfrei, auch wenn der Schorf an manchen Stellen noch empfindlich war. Beinahe ohne darüber nachzudenken, strich sie ihre Haare zurück und drehte sie im Nacken zusammen, fuhr sich über die einfache Tunika, die immer noch dieselbe war wie am Tag, als sie hergebracht worden war – und wünschte sich, sie könnte erst mal ein Balneum aufsuchen, bevor sie irgendwem unter die Augen trat, ganz egal wem.

  • Zitat

    Original von Decima Seiana
    Seiana nahm gar nicht so wirklich wahr, was er sagte, und ein Teil von ihr glaubte auch immer noch nicht so recht, dass er da war – auch wenn sie eher bezweifelte, dass sie träumte oder sich das gar einbildete. So etwas war nicht ihre Art, und das einzige, was doch dafür sprach, war die Tatsache, dass Seneca doch eigentlich auf Seiten der Verlierer gestanden hatte... sicher konnte er überlebt haben, aber wie kam er dann hier in den Carcer?
    Aber im Grunde war das auch egal. Er war da. Seiana schloss die Augen und ließ sich ein wenig nach vorne sinken, bis ihre Stirn an seiner lag, und noch ein wenig mehr, bis sich auch ihre Lippen sacht berührten. Seneca war am Leben. Serapio auch, jedenfalls wenn der Centurio, von dem sie verhaftet worden war, die Wahrheit gesagt hatte. Wie sie war ihr Bruder im Carcer, und sie hatte keine Ahnung, was sie erwarten würde... aber dass die beiden Männer überhaupt am Leben waren, war etwas, worauf sie bis vor kurzem nicht zu hoffen gewagt hatte. „Was... machst du hier? Ich meine, wie hast du das geschafft, dass sie dich sogar in den Carcer lassen?“ murmelte sie, ihr Gesicht immer noch an seinem.


    Als sie ihn danach fragte wie er hier reingekommen war, musste Seneca sich unweigerlich eingestehen dass es purem Glück, oder auch dem Willen der Götter zu verdanken war dass er nun hier war, immerhin waren die Wachen nicht die hellsten, und auch ihre Bestechungsgelder waren moderat genug um sie zu bezahlen, deswegen antwortete Seneca auch etwas ratlos auf die Frage..
    "Ich weiß es nicht, ich hab es einfach Mal versucht, und scheinbar bewegt Geld alles heutzutage. Aber es ist egal wie, Hauptsache ich bin hier und sehe dass es dir den Umständen entsprechend gut geht."
    Sagte Seneca und dann fiel es ihm wieder ein, sie war schwanger als er sie das letzte Mal sah, ein Kind, wahrscheinlich sein Kind, wuchs in ihr heran, was war geschehen?
    Vorsichtig fuhr Seneca mit seiner Hand an ihrem Bauch vorbei, und blickte ihr in die Augen, "Und... Deine Schwangerschaft?", fragte er besorgt, während er über ihren Bauch fühlte, nicht dass er wusste was er da hätte erfühlen sollen, aber eventuell erhoffte er sich dennoch einen kleinen Hinweis auf das Schicksal des vermeintlich iunischen Nachwuchses...

  • Egal wie. Seiana wollte widersprechen, wollte sagen dass es nicht egal war, weil es ganz sicher nicht völlig ohne Risiko für ihn war, weil er... weil er doch eigentlich zu den Feinden derer gehörte, die jetzt hier das Sagen hatten. Er musste doch selbst in Gefangenschaft geraten sein, und es dann geschafft haben, die Seiten zu wechseln, sonst würde er nicht frei herumlaufen, aber trotzdem war es nicht ungefährlich für ihn hier zu sein. Aber sie sagte nichts. Der Gedanke entwischte ihr, bevor sie ihn wirklich festhalten konnte, und irgendwie wollte sie es auch gar nicht, wollte nicht über solche Dinge diskutieren. Sie wollte einfach nur seine Nähe spüren, damit war sie schon zufrieden.


    Als sie dann spürte, wie seine Hand sich sachte über ihren Bauch bewegte, wich sie unwillkürlich ein wenig zurück. Die Schmerzen waren immer noch da, dumpf zwar, aber vorhanden, und alles schien so furchtbar empfindlich zu sein... bei seiner Frage allerdings war Seiana fast ein wenig irritiert. Schwangerschaft? Sie war nicht schwanger. Nicht schon wieder. Konnte sie auch gar nicht sein, niemand hatte sie angerührt, schon seit ihrer Scheidung nicht mehr. Dann erst ging ihr auf, was er gemeint hatte – obwohl es sie immer noch ein wenig irritierte... wäre sie noch schwanger, hätte er das gar nicht übersehen können, so viel Zeit wie inzwischen vergangen war. Seiana lehnte sich leicht zurück und legte ihre Hand auf seine, verschlang ihre Finger mit seinen. „Es... die... Geburt war vor... zwei Wochen. Ungefähr. Es ist in Ordnung“, murmelte sie und fügte dann noch an: „War es, bis ich verhaftet wurde.“

  • Das Kind war wohlauf, zumindest sah es so aus, Seneca wusste nicht so genau was er empfinden sollte, immerhin war er sich nicht einmal zu 100% sicher dass es sein Kind war, er hatte die Schwangerschaft so gut wie nicht mitbekommen, und offiziell auch keine Verbindung zu diesem Kind, und dennoch, irgendetwas regte sich in ihm, verständlicherweise, aber er wusste nicht wie er es Ausdrücken sollte..
    "Und ist es.. Ich meine.. Wo...", stammelte Seneca vor sich hin, ohne zu wissen ob er diese kostbaren Momente mit Seiana nicht nur dazu nutzen sollte, sich auf sie allein zu konzentrieren...
    Ein leises Seufzen war zu vernehmen als er es irgendwie nicht übers Herz brachte sie auf das Kind anzusprechen, nicht jetzt, nicht hier, schließlich saß sie im Carcer, ihr erging es schlecht, und er war hierher gekommen um sie zu sehen.
    "Halte durch, bald ist das hier alles vorbei.", sagte Seneca leise, und tatsächlich war der Palast ja nun das letzte Bollwerk, welches leicht zu nehmen sein sollte, nun da die Armee Salinators zerschlagen war, und er küsste sie erneut, schließlich waren es die Gedanken an sie welche ihn im Krieg zumindest eine kleine Ablenkung verschafften.
    "Kann ich irgendetwas für dich tun?"

  • Seiana begriff in diesem Moment gar nicht so wirklich, warum sich Seneca überhaupt für das Kind interessierte. Nicht einmal sie interessierte sich wirklich dafür. Die Frage, was wohl mit ihm passiert war oder wie es ihm ging, berührte sie nur am Rande und bereitete ihr sicher kein Kopfzerbrechen. Wenn sie sich überhaupt erlaubte, darüber nachzudenken, war da eher eine gewisse Form der Erleichterung, dass sie es zur Welt gebracht hatte, bevor sie verhaftet worden war. „Sklaven“, murmelte sie, ein bisschen zusammenhanglos. „Bran. Oder Álvaro. Sie haben es.“ Seiana musterte Seneca, und fast schien es, als könnte sie ihn zum ersten Mal wirklich sehen. Er war tatsächlich hier... ihre Lippen verzogen sich ganz leicht zu etwas, das mit viel Fantasie als Lächeln durchgehen mochte. „Nein.“ Sie glaubte kaum, dass er irgendetwas tun konnte, und sie wollte es auch gar nicht... es reichte schon, dass er das Risiko eingegangen war sie zu besuchen, sie wollte nicht dass er noch mehr auf sich nahm, nur um ihr zu helfen. Sie legte eine Hand an seine Wange. „Du bist lebst, das ist schon genug“, wisperte sie

  • Seneca hatte auf einen kleinen Hinweis gehofft, auf ein "ihn" oder "er" oder "sie", aber nein, Seiana sagte nur "es". Auch wenn das nicht weiter schlimm war, Seneca dachte nun einmal es wäre den Umständen geschuldet, und so wollte er da auch nicht weiter nachhaken, und sich, nun ja, überraschen lassen.
    Aber er wusste nicht wie viel Zeit ihm noch blieb, weshalb er zumindest erfahren wollte, wo sich diese Sklaven aufhielten, immerhin war es vermutlich sein Fleisch um Blut um dass sie sich kümmerten, und vor ihren Sklaven hatte Seiana so oder so selten Geheimnisse bewahrt, sodass auch den Sklaven klar sein sollte, wer er ist, wenn er denn vor ihnen steht..
    "Sind sie noch in Rom?", fragte Seneca deshalb etwas besorgt, er wusste nicht ob er hoffen sollte dass sie es aufs Land geschafft haben, oder ob er glücklicher wäre, wenn das Kind irgendwo in der Nähe verweilte, aber wie auch immer, er hätte es sowieso nicht ändern können..


    Der Iunier genoss es ihre Hand auf seiner Wange zu spüren, kurz schloss er seine Augen, und für einen Bruchteil einer Sekunde hatte er vergessen, dass er sich in einem feuchten, dunklen Gefängnis befand.
    "Ich habe es den Göttern zu verdanken dass ich noch lebe Seiana. In Anbetracht der Ereignisse waren wir wohl mehr dem Tode geweiht als dem Leben. Umso glücklicher bin ich dich wiederzusehen.", sagte Seneca etwas leiser, denn rückblickend war es wohl etwas töricht und egoistisch gewesen für Ruhm und Ehre mit nur ein paar Mann eine Mauer zu erklimmen und diese auch noch erfolgreich halten zu wollen, gut, er erhielt eine Auszeichnung für seine Tat, aber eine Auszeichnung zu erhalten, obwohl man verloren hatte, hatte den bitteren Beigeschmack der Bedeutungslosigkeit..

  • http://www.kulueke.net/pics/ir/nscdb/y-diverse/15.jpg "Achso?", fragte der Sklave, wieder einmal resistent gegen jegliche Form von Ironie, "Na, ich weiß ja nicht wie oft das Wetter hier wechselt... also, bei uns in Argentorate hat jede Woche sieben verschiedene Wetterlagen! Das macht die Arbeit ganz schön schwer manchmal, besonders wenn es aus Kübeln gießt und der Wind einem den Regen direkt ins Gesicht bläst... man sieht oft nicht einmal wo man hinläuft."


    Dass die Decima schließlich doch einen Löffel zu sich nahm quittierte der Sklave mit einem glücklichen Lächeln: "Na, geht doch. Rom ist gefallen, aber das weißt du sicherlich, sonst wärst du nicht hier... die Soldaten, die aus der Stadt heimkehren sind merkwürdigerweise kaum beladen. Aber man sagt, dass dafür die Gegend um die Castra so gut wie umgegraben ist, was auch immer das zu heißen hat. Der Palast wird wohl noch belagert... aber es soll sich wohl nurnoch um kurze Zeit handeln, bis sie den Ursupator herausholen."

  • „Ja. Es ist erst zwei Wochen alt...“ Zu jung, um schon zu reisen, selbst wenn nicht gerade Bürgerkrieg geherrscht hätte. Und sie hatte die Anweisung gegeben, dass das Kind erst dann fortgebracht werden sollte, wenn es alt genug war, um eine solche Reise auch gut zu überstehen. „Meine Familie weiß nichts, ich war in einer unserer Insulae im Pomerium, am Tiberufer...“ Sie wollte nicht an das Kind denken. Sie konnte im Augenblick ohnehin nichts tun... und sie wollte so wenig an das Kind denken, wie sie es getan hatte als sie noch in der Wohnung gewesen war. Das war wohl der einzige Vorteil an ihrer momentanen Situation: sie musste sich nicht entscheiden, ob sie es sehen wollte oder nicht, weil ihr diese Entscheidung abgenommen war. Kein Raghnall, der sie damit nervte. Oder einfach mit dem Kind zu ihr kam... Seianas Brauen zogen sich schmerzlich zusammen bei der Erinnerung. Bring es weg, hatte sie gedacht. Ihre eigene Tochter. Sie suchte in sich nach einer Empfindung, aber... da war nur das vage Gefühl, dass sie doch etwas empfinden müsste. Das, und diese Leere.
    Seiana vertrieb diese Gedanken. „Ich bin so froh, dass es dir gut geht.“ Sie lehnte sich wieder nach vorn, brachte ihr Gesicht nah an seins und legte ihre Hände auf seine Brust, seine Schultern. Sie wollte nur, dass er sie hielt, so lange es möglich war.

  • 2 Wochen alt, in einer Insula am Tiberufer.. Gut, in einer solch riesigen Stadt immer noch nicht die perfekte Ortsangabe aber immerhin etwas womit man arbeiten konnte. Seneca beschlich das Gefühl dass Seiana nicht die Muttergefühle hegte, welche er bei einer frisch gebackenen Mutter ja fast schon als gegeben ansah, aber zwischenmenschlich etwas unbeholfen wie er in solchen Situationen desöfteren war, beschloss er später auf diese Frage zurückzukommen, zum Beispiel dann wenn seine geliebte nicht mehr in einem dunklen Verließ hockte..
    Bis dahin begnügte er sich damit sie festzuhalten, und ihr einfach ein gutes Gefühl zu geben, "Und ich bin froh dass ich wiedersehe.", flüsterte er ihr ins Ohr, beizeiten würde er ihr wohl von seinem Einsatz erzählen, aber nicht jetzt, nicht mit den Wachen vor der Tür und der Zeit im Nacken, es galt sich aufs wesentliche zu konzentrieren, "Ich werde sehen dass ich etwas für das Kind tun kann Seiana, es sei denn du möchtest es nicht...", sagte er leise und stockte kurz, "...oder dein Ehemann.", der Iunier ahnte ja nicht was alles geschehen war, seitdem er Rom verließ und ins Feld zog.

  • „Tatsächlich?“ murmelte Seiana zurück, als der Sklave ihre Antwort zum Anlass nahm, noch mal weit ausführlicher zum Thema Wetter Stellung zu nehmen. Für einen Moment suchte sie sogar nach Worten, nach etwas, was sie hätte erwidern können... den Sklaven sollte sie sich gewogen halten, das war ihr sogar in ihrem Zustand klar. Aber ihr wollte nichts einfallen, nichts von dem höflichen Geplänkel, das ihr sonst mittlerweile so leicht über die Lippen kam, nach jahrelanger Übung. Sie war zu müde... und sie hatte auch nicht wirklich Lust darauf, mit dem Mann jetzt über das Wetter zu reden. Also ließ sie es und griff stattdessen nach der Schüssel, und wie versprochen begann der Sklave nun davon zu reden, was sie wirklich interessierte. Sie nahm noch einen Löffel und bemühte sich, sich auf seine Worte zu konzentrieren. Rom gefallen, das war klar. Aber Soldaten, die wenig beladen waren? Dann gab es scheinbar nur wenig Plünderungen. Was das mit der Castra sollte, darauf konnte sie sich keinen Reim machen, aber das interessierte sie auch weniger, ganz im Gegensatz zum Palast. „Ist Vescularius schon gefasst? Und gibt es Nachricht aus dem Süden, von der Classis Misenensis, den Truppen Cornelius'?“ Gerade davon hatten sie herzlich wenig Nachricht erhalten, selbst vor der Belagerung, und seit die Legionen aus Germania Rom erreicht hatten, war gar nichts mehr durchgedrungen.

  • Seiana war im Moment nicht wirklich in der Lage darauf zu achten, wie Seneca wohl auf ihre Worte oder ihr Verhalten reagierte – geschweige denn sich so zu geben, wie man es wohl von ihr erwarten würde. Sie dachte noch nicht einmal daran, dass es vielleicht seltsam wirken mochte. Er kam allerdings wieder auf das Kind zu sprechen, gerade, als sie die Gedanken abgeschüttelt hatte... und sprach dann noch ein Thema an, das ihr unangenehm war. Seiana schloss die Augen und schwieg einen langen Moment, bevor sie, ohne auf die Sache mit dem Kind zu reagieren, auf letzteres antwortete: „Ich bin nicht mehr verheiratet.“

  • Als Seianas Worte nach einer gefühlten Ewigkeit ihren Mund verließen, traf es Seneca wie ein Donnerschlag, sie war nicht mehr verheiratet, nicht mehr verheiratet! Der Iunier war nun völlig perplex, auch wenn es sich irgendwie abzeichnete, so hatte er es dennoch nie wirklich in seine Gedanken aufnehmen wollen. Sollte er sich freuen? Es würde seine Chancen jemals mit Seiana vermählt zu sein wohl nicht sonderlich steigern, sie kam aus einer anderen Welt als er, verwandte eines Triumphators, Leute in durch und durch mächtigen Positionen, und er, ein Soldat, aus einer Gens welche wohl nur noch selbst zu wissen schien welche großen Taten sie verbracht hatte, während alle Anderen sie nur noch mit Brutus in Verbindung brachten..
    Er atmete tief ein und aus, ein leichtes Zittern war zu vernehmen als die Luft seinen Körper verließ..
    "Ich...", er küsste sanft ihre Stirn, "Ich bin für dich da."

  • http://www.kulueke.net/pics/ir…/f-roemer-soldaten/17.jpg "So, genug geturtelt...", bellte der Soldat, der sich die ganze Chose hinter der offenen Tür im Gang stehend angesehen hatte.. der dem ganzen aber relativ gleichgültig gegenüberstand. Wenn es nach ihm ginge, könnten die beiden in der Zelle eine halbe Ewigkeit miteinander rummachen... solange der Kerl dafür entsprechend zahlte. Dummerweise gab es hier nicht selten gewissen Durchgangsverkehr, und der Prätorianer hatte die paar Momente zur Genüge ausgereizt: "Raus mit dir."

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