Eine der ruhigeren Seitengassen, die an den Markt grenzten:
An eine Hauswand gelehnt, rang Neriman nach Atem. Das Herz hämmerte wild, in den zitternden Händen ein überaschendes Geschenk - ein Wink des Schicksals? Im Laufe eines handfesten Streites hatte einer der beiden Männer seinen Geldbeutel an sie verloren, nicht ganz freiwillig. Während Neriman das Gerangel beobachtete, lag das Säckchen vor ihr auf dem Pflaster, einer stummen Aufforderung gleich. Neriman konnte nicht widerstehen. Ein Griff, ein kurzer Blick. Sie wurde entdeckt, konnte entkommen. Nun stand sie hier. Tausend Gedanken in ihrem Kopf. Mit einem tiefen Atemzug lehnte sie ihn gegen die Wand, schloss für einen Moment die Augen.
Da war der Ring - und da waren die Münzen. Ihre Freiheit. Der Ring. Eine Erinnerung. Bis nach Alexandria war sie gereist, in der Hoffnung, ihn wiederzusehen. Die Hoffnung wurde erfüllt, doch er war wieder gegangen. Wie konnte sie es ihm verdenken? Ein Blick an sich hinunter, die Tunika, darunter die Hose, die Stiefel. Viel edler die Römerinnen mit ihren kunstvollen Frisuren, feinste Stoffe, teurer Schmuck. Neriman gehörte nicht hierher. Von ihm blieb alleine der Ring. Nicht mehr. Eine Erinnerung. Vergangenheit. Die Münzen könnten ihre Zukunft bedeuten. Eine Fahrkarte zurück nach Ägypten. Ihre Heimat. Ihre Familie. Neriman ballte die Faust über ihrem Herzen. Die Sehnsucht schmerzte. Mehr, als der Verlust? War dieser Ring ihr Leben wert? Der Kuss...
Eine Träne bahnte sich ihren Weg, zog eine feuchte Spur über die Wange, trocknete im feinen Windhauch, der durch die Gasse striff. Neriman wußte, sie musste es versuchen. Entschlossen stieß sie sich von der Hauswand, durchquerte erneut den Markt. Ein unscheinbares Messer ihr erster Kauf. Unbeobachtet wanderte es in ihren Stiefel. Ihr nächstes Ziel der Hafen. Nur, in welcher Richtung lag der? Und dann war da eine noch größere Gefahr. Sie durfte weder Herodorus noch Hectamus in die Arme laufen. Neriman ging weiter, lief, um die Angst loszuwerden, ihr Plan könnte schneller ein Ende finden als ihr lieb war.