[Exedra Aedilium] Der Sprechsaal der Aedile

  • Es war schon wieder ein ganzes Weilchen her, dass ich mich bei diesem Germanicus Sedulus dafür bedankt hatte, dass er sich trotz der Ereignisse auf meiner Hochzeit und diesem quintilischen Affront gegenüber mir, meinen helvetischen Verwandten und auch gegenüber diesem feigen Germanicus Aculeo.. trotzdem in keinster Weise von dieser Quintilia distanzierte. Ob er seine Lektion in der Zwischenzeit wohl gelernt hatte? (Es wäre ihn ja deutlich billiger gekommen, wäre er auf meine Forderungen eingegangen.)
    Ganz kurz auf den Punkt gebracht: Ich war mir da wirklich nicht so sicher. Immerhin hatte er seither nicht wieder von sich hören lassen. Er hatte mich nicht wissen lassen, ob er seine Entscheidung bereute, ob er die Quintilia auch weiterhin lieber um jeden Preis in Schutz nahm für das, was sie getan hatte, oder wie genau er jetzt überhaupt zu mir, zu ihr, zu meinem Mann und meinen Verwandten stand. Ja, er hatte mir noch nichtmal wieder erlaubt, dass ich ihm Briefe schreiben durfte.... Ganz notgedrungen also sah ich mich dazu gezwungen, dass ich meine Post an andere Leute schickte: zum Beispiel an die amtierenden Ädilen.


    Die amtierenden Ädilen seien gegrüßt.


    Sie werden hiermit freundlich und höflich darum gebeten, die folgenden drei Sachverhalte gemäß ihrer ädilischen Pflichten zu prüfen und im Falle von Gesetzesverstößen sanktionierend gegen den beziehungsweise die Verstoßenden vorzugehen.


    I. Das öffentliche Marktangebot des Medicus Germanicus Avarus ****NUR diese WOCHE**** SONDERRABATT für ALLE ist nun bereits weit mehr als "nur diese eine Woche" aktiv. Bei diesem Angebot handelt es sich um aktuell 1084 Einheiten Leder, die zu einem Stückpreis von je 2,50 Sz. feilgeboten werden. Es ist davon auszugehen, dass dieser Preis unter den Herstellungskosten liegt. Sollte das Angebot also seit mehr als zwei Wochen öffentlich aktiv gewesen sein, so ist ein Verstoß gegen die Lex Mercatus § 5 Absatz 3 zu vermuten.


    Sim-Off:

    Ich meine dieses Angebot schon am Sonntag vor (über) 2 Wochen entdeckt zu haben. Ganz sicher bin ich mir aber leider nicht mehr.


    II. Der Bäckerei-Betrieb Pistor Carthago Nova befindet sich seit etlichen Monaten im Besitz des Quintus Germanicus Sedulus, der als Senator dem Ordo Senatorius angehört. Nach dem Urteil vom ANTE DIEM XIII KAL NOV DCCCLVII A.U.C. im Zivilverfahren des Tiberius Caecilius Metellus gegen Medicus Germanicus Avarus wurde jedoch festgestellt, dass ein Bäckerei-Betrieb unter jene Betriebe fällt, die einem Mitglied des Ordo Senatorius verboten sind zu besitzen. Ein Verstoß gegen die Lex Mercatus § 4 Absatz 5 liegt nah.


    III. Der Fernhandel Merulas Importe befindet sich seit einem ähnlich langen Zeitraum wie der Betrieb im vorherigen Punkt im Besitz der Iunia Serrana, die als Gattin des Senators Germanicus Sedulus ein Mitglied des Ordo Senatorius ist. Es liegt auf der Hand, dass ein Fernhandel weder landwirtschaftliche Güter produziert noch weiterverarbeitet, sondern ausschließlich Waren transportiert. Ein Verstoß gegen die Lex Mercatus § 4 Absatz 5 liegt also auch hier sehr nah.


    Mit freundlichsten Grüßen.

  • Erstaunt nahm der Scriba die anonymen Anzeigen entgegen. Nach kurzem Überfliegen fragte er sich einen Moment, ob der alte Tiberius Durus von den Toten auferstanden war - da schienen die Germanici ja wieder einen neuen Erzfeind gefunden zu haben!


    Dann bearbeitete er die Fälle aber, stellte fest, dass 2,50 Sz. keineswegs unter dem Mindestpreis für Leder lagen, und gab am Ende zwei Strafbefehle an seinen Chef weiter, der diese als Edikt veröffentlichte.

  • Wie die Fliegen hatte ich die Germanicer, also die beiden Senatoren und eine der Ehegattinnen, kürzlich geschlagen, indem ich sie bei den Ädilen denunziert hatte. Als pflichtbewusste Ritterin und Bürgerin Roms war es schließlich auch meine Aufgabe, darauf zu achten, dass auch jeder hier schön die Gesetze einhielt - und ganz besonders natürlich all jene, die ich nicht leiden konnte. (Bei allen anderen war mir das, wenn ich sonst nichts davon hatte, eigentlich ziemlich egal.) Dass es da nun also einmal mehr die Germanicer erwischte, die sich der breiten Öffentlichkeit (denn nach Lex Mercatus wurden die ädilischen Edikte ja durch die Acta Diurna auch veröffentlicht, sodass man überall im Reich wissen konnte, wer hier mal wieder im Zusammenhang mit der Lex Mercatus auffällig geworden war) damit einmal mehr nur eher zweifelhaft präsentierten, erfreute mich darum ungemein.... bis ich doch wirklich feststellen musste, dass Edikte nur in zwei der drei Fälle ausgestellt worden waren. Sapperlot! Das konnte doch nicht mit rechten Dingen zugehen, oder was?!
    Ich rechnete nach und prüfte und prüfte meine Anzeige bei den Ädilen. Aber ich kam nach allem Rechnen und Kontrollieren und Prüfen doch nur immerwieder zum gleichen Ergebnis: Der Senator Germanicus Avarus hatte gegen gültiges Recht verstoßen! Und der bearbeitende Ädil deckte diese ganze Schweinerei auch noch! Da war ich natürlich sofort auf den Barrikaden:


    Den bearbeitenden Aedilis Plebis beschloss ich anzuzeigen und öffentlich für seine Rechtsbeugung zur Rechenschaft zu ziehen! Und derweil würde ich meine Erkenntnisse über den Germanicus natürlich auch gleich noch an einen hoffentlich fähigeren Aedilis Curulis herantragen. Denn bei allem Ärger und Zorn durfte man schließlich nie seine ursprüngliche Intention aus den Augen verlieren. Und ursprünglich intendiert hatte ich ja einen großen Schlag gegen beide Senatoren Germanicus! Es war also wichtig, dass mir hier keiner der beiden am Ende durch die Lappen ging, nur weil die Causa irgendwann einfach verjährt war!
    .... Ja, so sah es eigentlich aus. Uneigentlich allerdings musste ich mir eingestehen, dass es zur Zeit ein paar Probleme gab, die sich nur schwer ignorieren ließen: Erstens. Nach diesem irrwitzigen Senatsentscheid, die Wahlen auf unbestimmte Zeit zu verschieben, war klar, dass natürlich auch die Ädilen erstmal bis auf Weiteres im Amt waren und blieben. Und weil ich einen amtierenden Magistraten des Cursus Honorum schlecht vor Gericht bringen konnte, drohte ein Verfahren gegen ihn schon von vornherein relativ aussichtslos zu werden. Der Fall verjährte einfach, eh man ihn überhaupt vor einen Richter bringen konnte. Ich müsste zu den Konsuln gehen (das hieß: zum Vettius, da mich zum Haus dieses Germanen bestimmt keine zehn Ochsen brachten!), musste formell Beschwerde einlegen und und und. Der Konsul, der hoffentlich (und wider erwarten) mit der Kaiserwahl alle Hände voll zu tun hatte, müsste den Ädil informieren, zur Rede stellen und und und. Das würde alles dauern und dauern, bis der Fall der Germanicers am Ende verjährt wäre und der des Ädilen gleich mit, sodass ich schlussendlich nur mit leeren Händen zurückblieb.


    Das durfte nicht passieren! Also gab ich notgedrungen (ich hätte es ja nun eh gemusst) meine Deckung auf und stattete dem Aedilis Plebis einen kleinen persönlichen Besuch ab. (Welchem Äedilis Plebis? Natürlich dem, der die beiden Edikte gegen Senator Germanicus Sedulus und dessen Frau ausgestellt hatte. Sowas ließ sich ja herausfinden.) "Einen schönen guten Tag. Mein Name ist Sergia Fausta, Ritterin aus eigenem Recht, amtierende Postpräfektin von und in Italia, geliebte Nichte des Prätoriers Kaeso Annaeus Modestus, treue Ehefrau des amtierenden Quaestor Urbanus Marcus Iulius Dives und nicht zuletzt geschätzte Klientin des Consulars und amtierenden Stadtpräfekten Marcus Decimus Livianus.", stellte ich mich dem Schreiberling an der Anmeldung vor. Dass ich mich gerne in meinen Titeln und den Titeln mir naher anderer sonnte, war ja nicht ungewöhnlich für mich, sodass es mir schon kaum mehr auffiel. "Ich bin hier, um dringend mit dem Aedilis Plebeis.." Ich strich mir eine Strähne aus dem Gesicht, während ich den Namen des Mannes nannte. "..zu sprechen. Es geht um eine vor kurzem hier eingegangene Anzeige gegen die beiden Senatoren Germanicus Avarus und Germanicus Sedulus sowie die Ehefrau des Letzteren, Iunia Serrana." Kurze Pause, damit man mir weiter folgen konnte. "Ich habe wichtige Informationen dazu für den Ädil.. Informationen, die der Karriere des Ädils erheblich schaden könnten.. Informationen, die ihm aber natürlich nicht schaden sollen.. Informationen, die ihm nicht schaden werden, wenn er ein bisschen Zeit für mich findet, damit ich sie ihm geben kann." Ich schaute dem Schreiberling eindringlich in die Augen und hoffte, dass ich ihn hier genug beeindruckte, damit er mich ohne große Umwege zum Ädil vorließ. Ob er sich dabei von meinem Selbstbewusstsein einfangen ließ oder meinen weiblichen Reizen oder meinem Titel oder dem meines Patrons, der ja als Kaiservertreter derzeit ja quasi das Zepter in den Händen hielt, oder aber von meiner Argumentation am Ende, das war mir dabei völlig gleich....

  • Von all diesen Überlegungen ahnte der Scriba, der die Bittsteller des heutigen Tages notieren musste, natürlich nichts. Allerdings ließ er sich von der langen Liste der Referenzen Faustas durchaus beeindrucken - wann hatte man schon einmal eine weibliche Eques vor sich, die dazu Klienten des Praefectus Urbi und Ehefrau des Quaestor Urbanus war?
    Entsprechend strich der Scriba einen Bittsteller ziemlich weit oben auf der Liste rasch durch und kritzelte den Namen 'Sergia Fausta' daneben: "Der Aedil hat sicherlich in Kürze Zeit für dich. Du müsstest dich nur noch einen Augenblick gedulden."


    In der Basilica gab es lange Bänke, auf denen manche Fälle sprichwörtlich hin- und hergeschoben wurden, allerdings standen auch viele Händler, Anwälte und Herumlungerer in kleinen Grüppchen herum, bis sie vom Herold des jeweiligen Aedils aufgerufen wurden. Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis der Name "Sergia Fausta!" erklang.


    Und dann stand die Eques auch schon vor einem dicklichen jungen Mann, der einen etwas gestressten Eindruck machte (immerhin hatte er ursprünglich gehofft, nach Ablauf des Jahres den Haufen an aufgeschobenen Fällen seinem Amtsnachfolger zu überlassen - was sich jetzt aber nur weiter aufschob). Entsprechend fragte er etwas genervt: "Sergia Fausta, was kann ich für dich tun?"

  • Ich lächelte schmal aber zufrieden, als dieser Schreiberling mich hübsch doch ganz schön weit oben auf seiner kleinen Liste notierte. So musste das sein! "Nun denn." ..musste ich mich wohl einen Augenblick gedulden. Denn natürlich war auch mir klar, dass kein Ädil dieser Welt jetzt einfach so einen Antragsteller in die Wüste schickte, nur damit ich ein paar Momente früher an die Reihe kam. Ich nickte dem Schreiber zum Dank zu, bevor ich mich zu den Wartebänken begab.... die ich nach einem kritisch musternden Blick dann allerdings beschloss erstmal kategorisch zu ignorieren. - Ich hatte es ja auch gar nicht nötig, mich jetzt hier großartig breit zu machen, weil ich ja eh gleich dran war. Oder nicht?


    Doch! Denn schwupp, kaum hatte ich ein nettes Plätzchen (ohne irgendwelche Bauerntrampel und Dorfschönheiten in unmittelbarer Nähe) gefunden, da erklang auch schon mein Name. Und so folgte ich der Aufforderung dann auch und trat vor den Ädil: "Ich grüße dich, werter Aedilis Plebis. Mein Name ist Sergia Fausta, Ritterin aus eigenem Recht, amtierende Postpräfektin von und in Italia, geliebte Nichte des Prätoriers Kaeso Annaeus Modestus, treue Ehefrau des amtierenden Quaestor Urbanus Marcus Iulius Dives sowie nicht zuletzt geschätzte Klientin des Consulars und amtierenden Stadtpräfekten Marcus Decimus Livianus.." Soviel Zeit für diese kleine Vorstellung musste sein. "..und ich habe ein Problem." Ich nickte einmal bestätigend und versuchte mit einem kleinen Kunstpäuschen vor allem den letzten Teil noch etwas zu betonen.
    Und dann setzte ich an: "Du wirst dich vielleicht erinnern, dass du vor kurzer Zeit eine kleine Hilfe bei der Ausübung deiner Amtspflichten erhalten hast. Genauer gesagt hat dir jemand eine Nachricht zukommen lassen, mit der du auf drei Verstöße gegen die Lex Mercatus hingewiesen wurdest.. Verstöße des Senators Germanicus Avarus, des Senators Germanicus Sedulus sowie der Senatorengattin Iunia Serrana." Ich gab ihm einen kurzen Moment, um sich zu erinnern. (Und ausgehend davon, dass der Kerl hier nicht tagtäglich mit Angelegenheiten gegen gleich zwei doch bekanntere Persönlichkeiten auf einmal zu tun hatte, sollte sich dieser Magistrat eigentlich erinnern.) "Mittlerweile nun wurde mein.. also der freundliche Hinweis dieses jemanden offensichtlich bearbeitet, denn ich habe die veröffentlichten Edikte gegen den Senator Germanicus Sedulus und seine Frau Iunia Serrana bereits gesehen und zur Kenntnis genommen. Ein Edikt gegen den Senator Germanicus Avarus hingegen suchte ich vergeblich in der letzten Acta-Ausgabe. Und da beginnt nun der Grund meines Besuchs."


    "Denn ich habe gerechnet und addiert, kalkuliert und multipliziert.. und ich möchte betonen, dass ich als Ritterin aus eigenem Recht sowie amtierende Postpräfektin von und in Italia ganz grundsätzlich des Rechnens fähig bin." Das sagte ich lieber mal dazu. "Aber selbst mein Hausadvokat kam zu dem Ergebnis, dass ein Lederpreis von 2,50 Sesterzen je Einheit doch selbst mit der besten Rinderzucht nicht ohne Verluste hergestellt werden kann. Oder anders gesagt: Wer 1084 Einheiten Leder über die gesetzlich vorgeschriebene Höchstdauer von zwei Wochen zu 2,50 Sesterzen je Einheit und damit unter den Herstellungskosten anbietet, der sollte von den Ädilen wirklich ganz genau unter die Lupe genommen werden! Gerade wenn man als Ädil nämlich auch noch so direkt darauf gestoßen wird, dann will man sich ja später nicht irgendeine Rechtbeugung vorwerfen lassen müssen, nicht wahr?" Ich räusperte mich und lächelte dann kurz. Denn auch wenn die Verschiebung der Wahlen vielleicht eine juristische Ahndung solcheiner Rechtsbeugung unter Umständen verhinderte, wäre soeine fahrlässige Rechtsbeugung ja dennoch alles andere als gute PR und eine Empfehlung für die Prätur.
    Beschwichtigend hob ich meine Hände. "Aber, werter Ädil, der du meinen Informationen zufolge diese Sache bearbeitet" und also auch zu verantworten "hast, ich will dir hier natürlich nicht unterstellen, dass du nachlässig gewesen wärst. Nein, im Gegenteil möchte ich dir sogar helfen." Wieder mal. "Denn vielleicht erklärst du der Klientin des Stadtpräfekten Decimus Livianus" Den Teil mit der Vertretung des Kaisers sparte ich mal großzügig aus. "ganz einfach nochmal genau, wie diese Entscheidung kein Edikt gegen den Senator Germanicus Avarus auszustellen zu begründen ist." Darauf war ich aber mal gespannt! "Ich verspreche dir, sollte nach deiner Ädilität irgendjemand deine solide, aufopferungsvolle und pflichtbewusste Amtsführung infrage stellen, so werde ich mit Vergnügen meine Beziehungen und Kontakte zu deinem Vorteil und deiner Unterstützung nutzen." Allerdings: "Sollte sich hingegen andererseits herausstellen, dass hier vielleicht.. einer deiner Untergebenen" Denn wer wälzte seine Fehler nicht auf diese ab? "einen kleinen Fehler begangen hat, so gebe ich dir mein Wort, dass dies unter uns bleibt.. solange natürlich du den Fehler schleunigst korrigierst." Ich lächelte noch einmal oberflächlich, während ich hoffte, dass ich nicht wieder zu fordernd aufgetreten war. "Mit anderen Worten, werter Ädil, möchte ich dich ganz höflich um eine erneute Prüfung dieser Angelegenheit bitten."

  • Geliebte Nichte? Der Aedil schaute ein bisschen verwirrt drein, hörte sich dann aber den übrigen Sermon an. Die gute Frau war ja wirklich ziemlich selbstsicher! Stellte sich nur das Problem, dass die Dinge wohl nicht ganz so liefen, wie sie das vermutete: Denn gerade gegen Senatoren gingen regelmäßig Anzeigen ein, die überprüft werden mussten. Dazu hatte der Aedil ja meist die Entscheidungen seines Scriba abzuzeichnen, sodass ihm auch die Häufung nicht recht aufgefallen war und er zuerst einmal zusammenreimen musste, worüber die Sergierin eigentlich sprach. Dass sie ihn dann auch noch gleich mit einer Klage bedrohte, machte ihn nicht viel wohlgesonnener, sodass er am Ende fast ein bisschen beleidigt war, als Amtsträger so arrogant angemacht zu werden: "Wann soll denn dieser Verstoß gegen Senator Germanicus - äh - Avarus stattgefunden haben? Und gibt es dafür überhaupt Zeugen?"

  • Ja, die geliebte Nichte meines Onkels Kaeso, das war ich. Und ich fand sogar, dass diese Behauptung für meinen Onkel ein ziemlich geringer Preis war.. dafür, dass er noch immer nicht einen Finger für mich gerührt hatte, seit ich vor einigen Jahren den italischen Boden betreten hatte. (Ich nahm ihm das natürlich nicht übel, weil er ja wohl immernoch an seinen heroischen Kriegsverletzungen laborierte oder so. Aber ich sah eben auch nicht ein, weshalb ich hier deshalb nun unnötig tiefstapeln sollte.) "Nun, ich will meinen, dass im Grunde jeder aufmerksame Marktgänger das bezeugen können müsste, denn gerade bei irgendwelchen Sonderangeboten ist man ja fast schon genötigt, einmal etwas genauer hinzuschauen." Anders wäre ich selbst ja auch kaum darauf aufmerksam geworden.. wenn mich dieses SONDERANGEBOT nicht mit diesen durchweg kapitalen Lettern so förmlich angesprungen wäre. "So ziemlich genau an den Februarkalenden dürfte es gewesen sein, dass ich", personalisierte ich exemplarisch, "zum ersten Mal auf dieses Sonderangebot aufmerksam geworden bin. Wann der Hinweis hierzu bei deinem Beamtenstab eingegangen ist, das müsste ja sicherlich protokolliert sein." Falls nicht: "Etwa vier Tage nach den Iden sollte das ungefähr gewesen sein. Und zwei oder drei Tage danach habe ich dann zuletzt dieses Angebot von 1084 Ledereinheiten auf dem Markt gesehen.", so erklärte ich dem Ädil ruhig und sachlich. Denn erst im Anschluss an meine Worte kam mir auch die Frage in den Kopf, seit wann man als ehrenamtlich helfende Hinweisgeberin den Ädilen schon komplett fertige Fälle liefern musste.. War es nicht eigentlich eher umgekehrt, dass es die Amtspflicht der Ädilen war, etwaigen Verdachtsmomenten selbst aktiv nachzugehen, statt darauf zu warten, dass man immer nur ganz sonnenklare Fälle bekam? - Aber einmal mehr versuchte ich mein Temperament zu zügeln. Erst ein Germane an der Senatsspitze, dann der Tod des Kaisers und dann auch noch der jüngste Senatsentscheid.. da war die Situation für alle nicht einfach, redete ich mir irgendein Verständnis für diesen Ädil ein.

  • "Vier Tage nach den Iden, soso..." wiederholte der dickliche Aedil und sah erwartungsvoll zu seinem Scriba, der nun suchen durfte. In der Zwischenzeit genehmigte der Magistrat sich ein Stückchen Brot, das ein Sklave ihm reichte.


    Es dauerte aber nicht sehr lange, bis der Scriba Faustas Anzeige zutage beförderte und dem Aedil reichte. Dieser sah sie kurz durch, dann nickte er.
    "Soweit ich sehe, wurde das geprüft. Was sagtest du noch?" Er kniff die Augen zusammen und sah sich die Tabula noch einmal genauer an. "Hier steht, dass das Angebot geprüft wurde und der Preis in Ordnung ist." Natürlich hatte der Aedil nicht sämtliche Mindestpreise im Kopf!

  • Der Ädil schickte einen seiner Schreiber zum Suchen, ein gutes Zeichen. Denn das legte nahe, dass er geneigt war auf meine Bitte einzugehen. Und das wieder hieß, dass ich fordernd und penetrant genug aufgetreten war, um hier ernsthaft angehört und nicht gleich wieder weggeschickt zu werden, während ich aber nicht so aufdringlich war, dass man mir deshalb schon ganz kategorisch keine Bitten erfüllte oder Gefallen tat. Zufrieden mit mir lächelte ich also, bis der Schreiberling seine Arbeit getan und die richtige Akte gefunden hatte. Erstaunt hörte ich dann die Worte des Ädilen.. "Aber werter Ädil", hakte ich in ruhigem Tonfall sofort ein. "2,50 Sesterzen für eine Einheit Leder.. das ist exakt die Hälfte des staatlich empfohlenen Lederpreises." Und die staatliche Preisempfehlung (auch speziell die für Leder) hatte sich in der Wirklichkeit ja bestimmt nicht deshalb bewährt, weil sie so enorm an der Realität vorbeiging. "Wenn du dir deshalb vielleicht im Gegenzug einmal meine kleine Rechnung dazu anschaust?" Ich war ja vorbereitet und überreichte dem Ädil zwei Wachstafeln (auf eine hatte es leider nicht ganz gepasst). "Das ist natürlich nur eine examplarische Rechnung, die bestimmt nicht aufs As genau den Betrieb des Germanicus Avarus wiederspiegelt. Aber diese Berechnung entspricht laut meinem Hausadvokaten genau dem üblichen Verfahren der staatlichen Mindestpreisberechnung.", führte ich aus und ließ den Ädil sich dann erstmal sein eigenes Bild von der Sache machen. Der würde nämlich schon feststellen, mein Ergebnis von so 3,70 bis 3,80 Sesterzen viel zu sehr von den 2,50 Sesterzen abwich, um noch in irgendeinem Toleranzbereich zu liegen. (Mein Wert betrug etwa 150% seines Wertes! Sein Wert betrug nur etwa 2/3 meines Wertes! Und dabei waren die 2,50 Sesterzen genaugenommen ja noch nichtmal sein Wert für den angeblich noch geringeren Leder-Mindestpreis!)

  • Der Aedil beugte sich vor und nahm die Wachstafeln entgegen. Dann las er, runzelte die Stirn und las wieder. "Da hast du Recht - da muss meinem Scriba ein Fehler unterlaufen sein!" stellte er schließlich ratlos fest.


    Nach kurzem Schweigen meinte er schließlich: "Das Problem ist, dass dieses Angebot vermutlich nicht mehr existiert, sodass es auch nicht amtlich registriert werden kann. Somit dürfte es kaum justiziabel sein..." Im Grunde hatte der Aedil natürlich auch nichts gegen diesen tragischen Umstand - denn im Gegensatz zu einer Nichte eines Senators und Gattin eines Jungsenators und Klientin eines Consulars waren die Germanici direkt und zahlreich im Senat vertreten, womit sie auch ziemlich unmittelbar seiner Karriere schaden konnten...

  • Er hatte einen Fehler gemacht und ich hatte recht.. ganz genau das hatte ich hören wollen! Selbstsicher lächelte ich dem Senator entgegen, als er das feststellte und einräumte. Meine Stimmung trübte sich allerdings, nachdem er nach kurzem Schweigen fortfuhr und nun scheinbar einfach so die untätig die Hände in den Schoß zu legen gedachte. "Und nun?", fragte ich also mit einer hörbaren Erwartungshaltung nach. "Ich meine, du gibst doch nicht so frei heraus erst zu, dass deinem Beamtenstab" und damit also ihm selbst, denn als Ädil war er hier ja nun mal verantwortlich "offensichtlich ein Fehler" unzwar ein grob fahrlässiger, auf den ihn sogar eine Frau wie ich hier hinweisen konnte "unterlaufen ist, wenn.. ich meine.." Was meinte ich? "..also wenn du dann nichts dagegen unternimmst, oder?" Denn das erschien mir wirklich ziemlich irrational, sich erst eine Zielscheibe auf die Brust zu malen und dann einfach passiv abzuwarten, was wohl als nächstes passieren würde. Nein. Wer selbst einen Fehler gemacht hatte, an dem war es eigentlich auch immer aktiv zu werden und zu handeln! Das wollte ich meinen. Entweder er versuchte jetzt seinen Fehler auszumerzen und auch den zweiten Germanicus noch für dessen Missetat zu belangen. Das wäre die.. gerechte.. Variante. Oder aber er versuchte seine Rechtsbeugung zu vertuschen, Beweise zu vernichten und Mitwisser und Zeugen (sowie Mitwisserinnern und Zeuginnen) ruhig zu stellen. Das wäre die.. nicht ganz so legale.. Variante. Aber gar nichts tun? Nur abwarten...? Forschend blickte ich ihn erwartungsvoll an.

  • "Fehler passieren!" gab der Aedil zurück und zuckte mit den Schultern. Offensichtlich fehlte ihm der Perfektionismus - oder war es übertriebener Stolz? - um wegen so einer Lappalie hektisch zu werden. "Und ohne Beweise fehlt mir wohl jede Handhabe, im Nachhinein Strafen zu verhängen..." ...abgesehen davon, dass dieser Fehler wohl niemandem bekannt werden würde, während eine unbeweisbare Strafverhängung bei Widerspruch sehr unangenehm werden würde...

  • Ja, wahrscheinlich machte der Ädil einen Fehler damit, ganz egal wie er sich hier nun entschied. Aber das war ja so ganz direkt erstmal nicht mein Problem. "Da hast du natürlich recht. Fehler passieren." Wie gleichgültig er das gesagt hatte! Und dann auch noch dieses plumpe Schulterzucken! Das provozierte mich geradezu.. "Und solche Fehler machen sich auch bestimmt gut, wenn man diese in seinem Tätigkeitsbericht eingestehen muss. Und nein, sie empfehlen ja auch förmlich zu höheren Aufgaben, nicht wahr?" Denn es wählte ja jeder Senator einen Mann zum Prätor, der schon in seiner Ädilität bewiesen hatte, dass er mit dem römischen Recht scheinbar vollkommen überfordert war! "Wenn du nichts dagegen hast, dann löse ich also mit Vergnügen mein Versprechen ein und werde genau über diesen Punkt mit meinem Patron Decimus, meinem Onkel Kaeso Modestus von den Annaeern und dessen Patron Purgitius Macer ein wenig darüber plauschen. Ganz zu schweigen davon, dass ich natürlich auch vor meinem Mann ein so großes Geheimnis nicht lange hüten können werde. Und der ist Klient des Vinicius Hungaricus, kennt deshalb auch den Consul Duccius ein bisschen besser und ist mit dem Senator Tiberius so richtig gut befreundet." Das konnte man wohl objektiv annehmen, nachdem dieser Patrizier auf unserer Hochzeit mit dieser Sonderrolle geehrt worden war. "Ich bin mir sicher, die alle werden sich freuen, wenn sie später im Senat dann auch ihren Kommentar zu deinem Tätigkeitsbericht abgeben können." Ich lächelte übertrieben freundlich. "Oder etwa nicht?" Mit anderen Worten: War der Ädil hier nun bereit, seine Null-Bock-Haltung abzulegen? Oder war ihm auch weiterhin scheinbar alles so vollkommen egal?

  • Der Aedil hob eine Augenbraue - was hatte diese Frau nur für ein Problem? Warum war es ihr so unglaublich wichtig, das Avarus ein paar Sesterzen an die Staatskasse zahlte? So sehr, dass sie ihn sogar ganz offen zu erpressen versuchte?
    "Deine beeindruckende Liste von Freunden und Verwandten - und noch viele andere mehr - werden mich aber ebenfalls kaum unterstützen, wenn ich einen angesehenen Senator für ein Delikt belange, das ich nicht beweisen kann! Du behauptest, er hat dieses Angebot zu lange aufrecht erhalten - Germanicus wird das Gegenteil behaupten!" Er verschränkte die Arme vor dem beachtlichen Bauch. "Kannst du mir beweisen, dass deine Anzeige der Wahrheit entspricht?" So sehr, wie die Sergierin auf eine Strafe brannte, war sie wohl kaum als neutrale Zeugin einzuschätzen...

  • Er verstand mich nicht! Er verstand mich einfach nicht! Denn wann hatte ich nach der Übergabe meiner Rechentafeln bitte noch darauf bestanden, dass der Germanicus seiner gerechten Strafe (ich war trotzdem der Meinung, dass er die sehr wohl verdient hatte!) zugeführt werden musste?! Das hatte ich nicht. Nein. Was mich hier gerade so ärgerte und störte war die Haltung des Ädils ganz allgemein: Er machte einen Fehler, aber kümmern tat es ihn offensichtlich nicht. Ganz zu schweigen davon, dass er genau aus dieser Unbekümmertheit dann natürlich auch nicht darauf kam, dass es ja vielleicht doch einen Weg gäbe, um ein für alle Seiten zufriedenstellendes Ergebnis zu erhalten.. Denn wenn der gerechte Weg, den ich mir gewünscht hätte, nicht mehr funktionierte, weil im Officium des Ädilen niemand mit der Peitsche in der Hand für Zucht und Ordnung sorgte (mit anderen Worten also: wenn der Germanicus aufgrund des ädilischen Fehlers nicht mehr belangbar war), dann hatte ich mich an keiner Stelle (nicht einer!) dem etwas weniger legalen Weg verschlossen. Natürlich hatte ich meinen Preis, Dinge zu vergessen, mit denen ein Ädil am Ende seiner Amtszeit lieber nicht konfrontiert werden wollte - sei es durch die Senatoren, die sicherlich kaum erfreut wären über einen Fehler machenden Ädil, der sich beim Fehlermachen auch noch von einer Frau, von mir, erwischen ließ; oder sei es, sollten die Fristen dies noch hergeben, sogar mit einem Gericht, vor dem man ihn der Rechtsbeugung bezichtigte.


    Aber.. ich atmete noch einmal tief durch, setzte ein oberflächliches Lächeln auf und sagte mir, dass aller guten Dinge drei waren. Und weil ich ihm erst zwei Chancen zum Erkennen gegeben hatte, folgte hier nun also noch die finale Chance Nummer drei: "Spielt das hier noch eine Rolle?", fragte ich ohne Vorwurf, aber ganz ernst. Denn ich glaubte mittlerweile wirklich, dass es hier keine Rolle mehr spielte. "Denn für mich sieht es hier eher so aus, als wenn der Senator Germanicus Avarus nicht mehr belangt werden könnte.. was wiederum nicht unwesentlich deinem Officium zu danken ist." Ich ließ dem Mann einen Moment, damit er mir diesmal hoffentlich auch gedanklich etwas folgen konnte. "Und wenn ich sage, dass ich sehr gerne mit meinem Patron und der ganzen langen Liste einflussreicher Personen über dich ins Gespräch komme, dann wird es auch weniger.. maximal am Rande vielleicht ein bisschen um diesen Germanicus gehen. Der Fokus wird allerdings klar darauf liegen, dass es durch dein Officium - du hast den Fehler eben gerade erst zugegeben - zu dieser Situation gekommen ist, die wir jetzt hier vor uns haben und die mich alles andere als glücklich macht.", erklärte ich ruhig und ernst weiter, während ich hoffte, dass er diesmal nachvollziehen konnte, wie ich dachte und wie ich dachte, dass eine Lösung dieses Problems aussehen könnte. "Unterm Strich zusammengefasst: Ich bin mit der Arbeit deines Officiums ziemlich unzufrieden und bin erschrocken und enttäuscht davon, wie nachlässig mancher Mitarbeiter deines Stabes mit nützlichen und gerechtfertigten Hinweisen aus der Bevölkerung umgeht.", stellte ich sachlich und ernst meine Meinung dar. "Und entweder du lässt mich jetzt so unzufrieden, wie ich bin, einfach wieder gehen" Ich hatte bereits gesagt, worüber ich dann mit welchen Leuten so ins Gespräch kommen würde. "oder du schickst mich nicht einfach so wieder weg." Denn ich war rational genug, um zu sehen, dass ich von einer Bestechung mehr hatte, als von einer zerstörten Karriere und/oder irgendeinem Prozess gegen meinen Gegenüber. (Denn dieser Ädil war mir im Grunde ja eigentlich egal. Es brächte mir also kaum irgendeine Genugtuung, ihn fallen zu sehen.) "Diese beiden Lösungen dieses Problems wollen mir hierzu einfallen." Und entweder der Ädil entschied sich für die erste oder für die zweite oder brachte eine dritte ins Spiel. Ja, und apropos Spiel: Der Ball lag nun bei ihm. Seine Sache, was er daraus machte....


    Sim-Off:

    Ich habe hier einen Skriptfehler.. nach wieviel Jahren der Existenz dieses Skriptes ausfindig gemacht. Ganz direkt gefragt: Gibt es dafür auch einen "Finderlohn"? :D

  • Offensichtlich hatte diese Frau die Vorstellung, dass die Justiz dazu da war, ein Ventil für Geltungsbedürfnis oder private Konkurrenzen zu sein. Beweise waren für sie offensichtlich sekundär. Vor so viel Fehleinschätzung blieb dem Aedil nur ein Stirnrunzeln. Wenn er sich über jedes Delikt, das seinem Stab, den er an seinen Fingern und Zehen abzählen konnte, entging, so ärgern würde wie diese Sergierin, hätte er wohl bald gar keine Zeit mehr zur Strafverfolgung.
    "Ich bin ebenfalls unzufrieden über diese Angelegenheit und werde den zuständigen Scriba zur Rechenschaft ziehen." Er verzichtete darauf genauer zu erklären, ob er dabei an eine Entlassung oder ein "Du-du-du" dachte - der Scriba zu seiner Rechten zuckte allerdings kurz zusammen. "Mehr kann ich nicht für dich tun. Ich danke dir aber für deinen Eifer beim Schutz unserer Gesetze - Rom ist angewiesen auf so aufmerksame Bürger wie dich!" Ob das ein Sprüchlein war, das jeder Denunziant zu hören bekam, ließ sich ebenfalls nicht so recht erkennen...

    Sim-Off:

    Den wärmsten Dank der gesamten SL samt Supermoderatoren - der ist wertvoller als jeder Finderlohn ;)

  • Sim-Off:

    Aber natürlich ist der wertvoller als jeder Finderlohn.. genauso wie die fette Taube auf dem Dach nominell wertvoller ist als der kleine Spatz in der Hand.... you know? ;)


    Und wieder nur scheinbar ganz gelassen nahm dieser Ädil meine Worte so hin und schien nicht im Geringsten zu sehen, woher ich hier kam. Denn das mit dem Geltungsbedürfnis, das hatte ich mit der Anhörung des Germanicus Sedulus ja erst vor einer kleinen Weile durch. Wieviel Geltungsbedürfnis also war eine ursprünglich anonyme Denunziation?! Nada. Und eine private Konkurrenz hatte ich auf dem Ledermarkt bestimmt auch nicht. Denn keiner meiner Betriebe produzierte Leder und keine meiner Unternehmungen war auf den Rohstoff Leder angewiesen. Hier ging es mir nur darum, dass es ein gleiches Recht für alle geben musste! Die Lex Mercatus galt nämlich für alle Mitglieder des Ordo Senatorius gleich, egal ob sie nun Senatoren waren, Senatorengattinnen oder eine mit einem Quaestor verheiratete Ritterin wie ich. Jeder hatte sich daran zu halten, dass es bestimmte Beschränkungen für den Ordo Senatorius gab! Und nachdem ich schon so zuvorkommend gewesen war, den Germanicus Nummer eins bei seiner Anhörung vor wievielen Monaten (??) ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass eine Bäckerei nichts für einen Senator war und dass ich das natürlich im Auge behalten würde.... Tze.
    Ja, und gleiches Recht für alle, das galt nämlich auch und sogar ganz besonders hinsichtlich solcher Sonderangebote des Germanicus Nummer zwei, die den Mindestpreis unterschritten! Denn da galt der erst vor kurzem auf zwei Wochen verdoppelte Angebotszeitraum nämlich nicht nur für alle Mitglieder des Ordo Senatorius, sondern auch für alle Mitglieder des Ordo Equester, alle einfachen Bürgerinnen und Bürger und sogar die Peregrini und Libertini! Und da fand ich es natürlich ein starkes Stück, dass mein kleiner Tip hier so schändlich ohne jedes echte Argument einfach so ignoriert worden war! Ja, und sogar über die fehlenden Beweise ärgerte ich mich. Denn war das etwa mein Fehler, dass man nun hier ohne alles dastand?? Wohl kaum!


    Aber ich sollte nicht immer so böse sein mit den unfähigen Sklaven zu Hause, den unfähigen Untergebenen bei der Arbeit und den unfähigen Beamten, mit denen ich mich hier in meiner Freizeit herumschlagen musste. Zornfalten brannten sich nämlich genauso stark ins Gesicht ein wie Sorgenfalten, sagte mir neulich mein persönlicher Beautyberater. Für diesen frechen Kommentar hatte ich ihn natürlich erstmal großzügig von seinem Dienst freigestellt. Aber irgendeinen Grund musste es ja gehabt haben, dass er das erwähnte. (Ich hatte mir also vorgenommen, bei Gelegenheit ein bisschen darauf zu achten.) "Was aber nutzt die aufmerksamste Bürgerin oder der aufmerksamste Bürger, wenn an den entscheidenden Stellen ein ganzes Drittel der berechtigten Hinweise einfach so mit einem Schulterzucken und einem "naja, Fehler passieren halt" versickern?", ließ ich mich dennoch hinreißen zu einer schnippischen Reaktion. Dann winkte ich ab. "Lass nur, ich erwarte darauf jetzt keine Antwort. Du solltest vielleicht nur sehen, dass du am Tag deines Rechenschaftsberichtes vorbereitet bist auf eine solche Frage." Ich lächelte schmal, während ich mir aber noch nichtmal sicher war, ob ich mir diesen ganzen Aufwand am Ende überhaupt antun würde. (Die Frage war ja: Wofür? Was hatte ich davon?) Solange der Ädil nur damit rechnen musste, dass ich meine Drohung wahr machen könnte, reichte das für ein bisschen mehr Pflichtbewusstsein und Engagement im Amt ja vielleicht aus. "Ich wünsche noch eine angenehme Arbeit. Guten Tag." So drehte ich mich noch immer schmal lächelnd um, ließ den Ädil und seine Mitarbeiter einfach stehen und ging....

  • ..ein schönes Sprichwort, an dem sicherlich auch viel Wahres war. Umso ärgerlicher, dass die Kasse der Cura Annonae jetzt nicht ganz so prall gefüllt war, wie ich mir das vielleicht erhofft hatte. Da waren die Ädilen in diesem Jahr scheinbar nicht ganz so spandabel gewesen. (Denn: Es war ja sicherlich bekannt, dass sich gerade die Ädilen nicht nur für die Spiele, sondern auch für das günstige Brot hier in Rom einsetzten.) Und jetzt konnte ich natürlich entweder die Seite der Ädilen sehen und sie dafür bemitleiden, dass ihre Amtszeit aus gewissen unaussprechlichen Gründen so übermäßig lang (um nicht zu sagen: fast doppelt so lang wie normal!) gewesen war. Oder ich sah das aus der Position einer Procuratrix Annonae, die ja auch bloß nichts für diese bescheidene Situation (vor der ich zuvor sogar noch hinlänglich gewarnt hatte) konnte, die aber einen Job zu erfüllen hatte und dafür Geld brauchte. Es überraschte sicherlich niemanden: Ich entschied mich meinem Amt entsprechend für die Sicht als Prokuratorin.
    Die große Frage: Wie und woher trieb ich das fehlende Geld auf? Sollte ich mein eigenes Vermögen anzapfen? Nachdem ich als Postpräfektin noch 750 Sesterzen Gehalt bekommen hatte, jetzt hingegen keine eigene Abteilung mehr hatte, keine eigenen Untergebenen mehr hatte, deshalb ein öffentliches Officium sich weder lohnte, noch ein solches zu rechtfertigen wäre.. und nicht zuletzt mein Verdienst jetzt auch um satte zwanzig Prozent (in Zahlen: 20%) niedriger ausfiel und nur noch bei 600 Sesterzen lag? Klare Antwort: Ich dachte ja nichtmal daran, von meinem geringeren Einkommen jetzt auch noch ohne persönlichen Vorteil und Nutzen etwas abzugeben. Stattdessen kam mir nach einigem Überlegen eine andere Idee:


    Ich hörte mich um und informierte mich darüber, wann ich im Sprechsaal der Ädilen ganz genau den einen Ädil antreffen könnte, dem ich bei meinem letzten Besuch hier so nett versprochen hatte, dass er sich warm anziehen durfte an dem Tag seines Rechenschaftsberichts. Und anschließend lauerte ich nach seiner Arbeit hier diesem Schludrian vor der Basilica Iulia auf.. und fing ihn ab: "Hallo, werter Ädil!", grüßte ich ihn übertrieben freundlich. "Was für ein Zufall, dass wir beide uns so unverhofft hier über den Weg laufen." Wobei Zufall: Eigentlich sollte auch dem Ädil sicher klar sein, dass man sich immer zweimal sah im Leben. Und das hier war sie dann wohl, unsere Begegnung Nummer zwei. "Ich habe gehört, dass dieses ungewöhnlich lange Amtsjahr fast vorrüber sei. Deshalb lass mich dich fragen: Wie geht es dir? Siehst du deinem Rechenschaftsbericht schon vorfreudig entgegen?" Ob er diesen Wink mit dem Zaunpfahl wohl verstand?
    Ich ließ dem Ädilen ein paar Augenblicke, um auf die Begrüßung zu reagieren und den verbalen Zaunpfahl wahrzunehmen, dann fuhr ich fort: "Übrigens möchte ich dich beruhigen. Nachdem ich kürzlich mein erstes Ritteramt angenommen habe und seither als Procuratrix Annonae Rom und unserem Kaiser diene, habe ich weder Zeit noch Lust gehabt, mich über irgendwelche Versäumnisse irgendeines Ädilen bei einem meiner Freunde, Bekannten oder Verwandten zu beschweren." War ich nicht nett? "Du brauchst dir wegen deines Rechenschaftsberichtes also keine Sorgen machen." Nicht wegen mir jedenfalls. Ein vorfreudiges Lächeln huschte über meine Lippen, denn ein großes "Allerdings.." kündigte sch natürlich an. "..muss ich auch sagen, dass die Kasse der Cura Annonae vergleichsweise leer ist. Gerade die Unterstützung der sonst so spendablen Ädilen ist.. im letzten Jahr.. ziemlich stark zurückgegangen." Ich nickte bekräftigend und machte dem Ädilen damit hoffentlich deutlich genug klar, was ich von ihm wollte: Eine Spende für die Cura Annonae.


    Mit forschendem Blick sah ich den Magistrat an und erwartete seine Reaktion auf meine indirekte Bitte. Dabei machte ich ihm vorerst natürlich keinen Druck. Denn in erster Instanz konnte man es ja erstmal auch freundlich und nett versuchen. Erst wenn das nicht zum erhofften Ergebnis führen sollte, dann würde ich vermutlich Maßnahmen ergreifen müssen, die mich sicherlich nicht mehr ganz so freundlich erscheinen ließen. - Und wer mich ein bisschen kannte, der wusste: Ich hatte eigentlich immer irgendetwas in der Hinterhand.. und war mir auch nicht zu schade, es gegebenenfalls einzusetzen. Ein gewisser Germanicus hatte das spätestens am Tag seiner öffentlichen Anhörung wohl gemerkt. Ein Eingehen auf meine Forderungen wäre ihn damals deutlich billiger gekommen. Andererseits: Es gab natürlich Leute, die lernten aus den Fehlern von anderen; und es gab Leute, die lernten nur, indem sie selbst ihre eigenen Fehler begingen.. so kurz vor dem Ende ihrer magistratischen Amtszeit.

  • "Salve, Sergia Fausta", grüßte der Ädil zurück und runzelte leicht überrascht die Stirn. Er hätte damit rechnen müssen, die damalige Postpräfektin nicht zum letzten Mal gesehen zu haben. "Ausgesprochen gut, danke der Nachfrage." Auf ihren Wink ging er nicht weiter ein. Für ihn hatte sich der kleine Fehler, den ihm die Sergia bei ihrer letzten Unterredung unter die Nase gerieben hatte, eigentlich schon lange wieder erledigt. Er hatte genügend andere Dinge im Kopf, als dass er sich länger um solche Kleinigkeiten geschert hätte als nötig. Schön, dass es der Sergia da ihrer eigenen Aussage nach nicht anders ging.


    Das war anscheinend auch gar nicht der Hauptgrund, weshalb ihm die Sergia vollkommen zufällig vor der Basilica aufgelauert hatte, sondern Geldmangel der Cura Annonae.
    "Ist sie das? Nun, die Ädile hatten vermutlich ihre Gründe." Ein oder zwei Argumente mehr als nur, dass die Kasse vergleichsweise leer war, durfte die Sergia gerne vorbringen, und gerne durfte sie ihren Wunsch auch präzisieren. Diverse Anspielungen korrekt zu deuten war ihm nach seinem Arbeitstag zu anstrengend, selbst wenn er sie zu verstehen glaubte.

  • Nachdem das Gesetz beschlossen war, dass man auch ohne entsprechende Betriebe zu besitzen ererbte Waren verkaufen konnte, machte Axilla sich dieses neue Gesetz doch einfach auch einmal zu nutzen – wenngleich ihre Erbschaft schon deutlich länger zurück lag. Aber das Gesetz schwieg sich über den Zeitraum, wie nahe zum Zeitpunkt der Erbschaft man nur tätig werden konnte, aus.


    Also fand der Aedil unter den Berichten und Bittschriften, die ihn so allgemein erreichten, auch die folgende Tabula.



    Iunia Axilla Aedili Plebis P. Varisidio Nigrino s.d.


    Gemäß des neuen Paragraphen 10 der Lex Mercatus erbitte ich die Genehmigung zum Verkauf der von mir geerbten Waren, insbesondere des Vorkaufsrechtes auf 420 Teile Fleisch, 862 Stück Seide und 90 Datteln. Die Waren stammen aus einer Erbschaft um meinen ersten Ehemann Aelius Archias.


    Vale bene



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