[Exedra Aedilium] Der Sprechsaal der Aedile

  • Der Miles war augenscheinlich nicht verlegen, was den Aedil erstaunte, da doch ein derartiges Missverständnis bei einem derart potenten Gegenüber nicht wenigen gestandenen Quiriten die Schamesröte ins Gesicht hätte getrieben. Indessen sprach es letztlich für die Gelassenheit sowie das Selbstbewusstsein des Purgitius, was der Flavius durchaus anzuerkennen genötigt war.

    "Nun, wie euch zweifelsohne bekannt ist, finden die Ludi alljährlich vom Tage vor den Nonen des Aprilis bis zum vierten Tag vor den Iden des Aprilis statt und folgen einem uralten Ablauf, welchen zu disturbieren ich nicht geneigt bin: Am ersten Tage werden die Galli in festlichem Umzug vom Palatin aus das Kultbild der Magna Mater auf einem Wagen in den Circus Maximus transferieren, wo ein öffentliches Opfer stattfindet. Am dritten Tage gedenke ich Theaterdarbietungen im Theatrum Pompeium abzuhalten, am letzten Tage indessen Wagenrennen unter den Augen der Kybele im Circus Maximus. Eine Besonderheit mag sein, dass ich bereits am ersten Tage die Pompa circensis in den kultischen Umzug integrieren möchte, sodass womöglich einige Rennsport-Freunde mehr als üblich den Gesängen der Priesterschaft lauschen werden."

    Diese Variante hatte er ersonnen, da er doch erfahren hatte, dass gerade die rein religiösen Umzüge sich vielfach schwindender Beliebtheit erfreute, sodass die Aurigae der Factiones hier eine zusätzliche Attraktion boten.

    "Welche weiteren Details wären für eure Präparationen erforderlich?"

  • Lurco hielt alles mit flinkem Stilus auf seiner Wachstafel fest. Ihn freute, wie engagiert sich der Aedil für die Ludi Megalenses einsetzte und welche Gedanken er sich um den Umzug der wie um die gesamte Veranstaltung gemacht hatte. Zusätzliche Anreize für weiteres Publikum für die religiöse Veranstaltung zu schaffen, war eine hervorragende Idee. Zeigte es doch davon, wie viel Wert der Mann auf Religion, Tradition und die Bevölkerung legte. Lurco dachte für einige Augenblicke versonnen an den Lauf der Luperci und was der Aedil wohl aus dem so schlichten Ereignis hätte formen können. Aber hier und heute galt es sich rein auf die Ludi Megalenses zu konzentrieren.


    "Wir werden unser Bestes geben, dass die Ludi Megalenses nicht gestört wird. Den Umzug der Galli würde ich von zwei Seiten absichern. Der Weg des Umzugs wird von den Cohortes Urbanae gesichert, ebenso wird der Umzug der Galli von den Cohortes Urbanae selbst begleitet. Zur Opferdarbietung im Circus Maximus wird um die Opferdarbietung eine Sicherheitszone gezogen, so dass selbstverständlich auch das Opfer ohne Zwischenfälle von den Galli vollzogen werden kann.


    Für die Theaterdarbietungen werden ebenfalls Urbaner vor Ort abgestellt, um die Sicherheit während der ausgelassenen Stimmung zu garantieren. Besonderes Augenmerk ist zudem auf die Wagenrennen zu legen. Auch hier gilt, dass wir Urbaner vor Ort abstellen, die während der Veranstaltung für die dazugehörige Sicherheit sorgen. In allen Fällen heißt es Präsenz zeigen, aber die Abläufe der Ludi Megalenses nicht zu stören. Störfaktoren sind rechtzeitig zu entfernen und zu beseitigen, damit diese keinen Einfluss auf das Geschehen nehmen können.


    Wenn mir eine Anmerkung erlaubt ist, die besonderen Anreize zu einem unserer religiösen Feste ist eine wunderbare Idee. Sie sollte von anderen Verantwortlichen ebenso aufgegriffen werden, um derartiges Interesse zu erhöhen. Ist Dir eine ungefähre Teilnehmerzahl der Galli wie auch der Wagen samt Rennfahrer bekannt?", hakte Lurco interessiert nach und freute sich die Absicherung der Veranstaltung zu leiten. Gerne hätte er selbst zugeschaut, vor allem wäre er gerne ins Theater gegangen und die Wagenrennen hätte er ebenso liebend gerne gesehen. Den Lauf hätte er sich so oder so angeschaut, aber diesmal tat er es aus dienstlicher Sicht.

  • Obschon das Urteil eines gemeinen Miles über seine Entscheidungen kaum maßgeblich erschien, erfreute es den Aedil, dass jener augenscheinlich etwas vorlaute junge Mann seine Eingebung, die Pompa circensis mit der Prozession zu verbinden, guthieß, sodass sich seine Lippen zu einem Lächeln kräuselten.


    Die übrigen Erklärungen erschienen hingegen wenig bemerkenswert, da sie doch das darstellten, was der Flavius schlicht von anderen derartigen Veranstaltungen kannte und erwartete.

    "Die Zahl der gemeldeten Aurigae beläuft sich auf..."
    Er blickte fragend zu seinem Accensus, der in der Schar des Consilium saß und sogleich aufmerkte:

    "Acht, Aedilis!"
    Zufrieden schmunzelte Manius Minor und konsentierte:

    "Da hast du es! Und das Collegium der Galli umfasst..."

    Wieder blickte er in die Schar seiner Berater, welche indessen betreten zu Boden blickten.

    "Nun, dies vermag ich dir nicht exakt zu sagen, doch dürfte die genaue Zahl ohnehin nicht sonderlich erheblich sein, da sie doch üblicherweise eher in einer Art losem Schwarm um die Biga mit dem Kultbild der Magna Mater gleichsam schwirren und die Länge der Prozession eher von den übrigen Partizipanten, namentlich den Aurigae, den Korybanten, dem Opferpersonal sowie meiner Person als Spielgeber definiert wird. Alles in allem werden es wohl an die zehn Gespanne und mindestens hundert Beteiligte sein, nicht wahr?"

    Ein weiteres Mal blickte er fragend zu seinem Consilium, deren Glieder nun jedoch eifrig nickten.

  • Lurco notierte alles fein säuberlich und freute sich über die gute Zusammenarbeit mit dem Aedil.


    "Wenn Du die Sicherheit rein von den abzusichernden Leuten betrachtest, mag die Anzahl der Galli nicht maßgeblich sein. Aber bitte bedenke, die von uns zu gewährende Sicherheit hat mindestens zwei Seiten. Die Seite der direkten Teilnehmer und die Seite der Zuschauer. Hinzu kommen aber unbekannte Variablen, die wir so gut es geht in bekannte verwandeln müssen. Die Galli sind eine derartige Variable.


    Sie sind Zuschauermagnet, sie sind wie alle anderen Teilnehmer selbstverständlich zu schützen, aber sie sind es auch von denen eine Gefahr für die Sicherheit ausgehen kann. Allein durch ihre sehr ausgelassene, ja extrem überschwängliche Art. Stell Sie Dir vor, wie ein großen Haufen wilder Kinder. Wir haben sie zu schützen, aber wir müssen auch andere vor ihnen schützen, falls sie es zu bunt treiben. Das heißt, je größer unser Überblick, je besser unsere Vorbereitung.


    Die Sicherheit der Prozession kann auch hiervon abhängen und ich möchte alle Eventualitäten ausschließen. Dein Erfolg als Spielgeber der Ludi Megalenses soll nichts im Wege stehen. Wenn alle dank unserer Arbeit ausgelassen feiern können, dann war die Planung der Sicherheit ein voller Erfolg", antwortete Lurco, damit Manius Flavius Gracchus Minor auch einen Einblick hinter die Planung bekam. Natürlich war der Mann mit ganz anderen Entscheidungen beschäftigt, deshalb war ihnen die Planung der Sicherheit übertragen worden.


    Lurco fand, dass es nie schaden konnte, einen Einblick in einen fremden Tätigkeitsbreich zu erhalten. Ebenso hatte er sich über die Erläuterungen und Planungen des Aedils gefreut. Das ihm die wilden Galli etwas mehr Kopfzerbrechen bereiteten, als zwei zahme Löwen, die an der Prozession teilnahmen hatte er damit zum Ausdruck gebracht. Sämtliche Teilnehmer sollten sorglos und voller Freude an dem Fest teilnehmen können. Die Galli hingegen waren zu schützen und zu behüten. Und dies würden die Cohortes gewährleisten.


    "Möchtest Du noch etwas anmerken? Hast Du persönliche Wünsche oder Vorschlage die Dir wichtig sind, damit wir diese für Dich umsetzen?", hakte Lurco nach, nachdem er alles fein säuberlich notiert hatte. Immerhin war dieser Mann der Veranstalter der Ludi Megalenses. Lurco würde seine persönlichen Wünsche ebenso umsetzen lassen, wie das bestmögliche Sicherheitskonzept zu schaffen.

  • Mit einigem Wohlwollen registrierte der Aedilis Curulis, dass die Replik des Miles überaus kundig ausfiel und Aspekte inkludierte, welche er gewiss nicht von selbst hätte erwogen. Selbst wenn es ihm ein wenig despektierlich erschien, die ehrenwerte Priesterschaft der Großen Mutter mit unmündigen Kindern zu vergleichen, so war es doch indubitabel, dass die in Trance gepeitschten Galloi nicht eben die kontrolliertesten aller Kultisten waren.

    "Mir wäre sehr daran gelegen, dass die Prozession würdevoll geschieht und dass die Sicherheitskräfte diskret Präsenz zeigen, um die Freudigkeit des Anlasses nicht durch finsteres Auftreten getrübt wird. Dennoch soll selbstredend alles unternommen werden, um die Sicherheit der Spiele zu gewährleisten."

    Was dies in concreto bedeutete, wusste jener Miles zweifelsohne besser als der Flavius, zumal jene Fragen letzteren nicht ernstlich bekümmerten, da es doch schlicht Aufgabe des Praefectus Urbi und nicht seiner Wenigkeit war, dafür Sorge zu tragen.

    "In jedem Falle können wir euch eine Liste aller Teilnehmer der Prozession und eine extensive Beschreibung des Programms der Ludi zukommen lassen, sobald sie feststehen."

  • Lurco nickte erfreut und zustimmend.

    "Selbstverständlich, sei unbesorgt unsere Arbeit dient der Sicherheit und unser Auftreten soll unter den Teilnehmern genau jenes Gefühl verbreiten - Sicherheit. Dies darf den Umzug in seiner Ausgelassenheit nicht gefährden, es muss mit größtmöglicher Sicherheit ermöglichen. Für die Liste wäre ich sehr dankbar. Falls Du keine Wünsche mehr hast, wären wir damit fertig und wir können sofort mit der Umsetzung der Sicherheitsmaßnahmen beginnen", antwortete Lurco. Er freute sich auf die Organisation, sowas erlebte man nicht alle Tage und eine derartige Verantwortung wusste er zu schätzen.

  • Der Aedil nickte saturiert, als der Miles die Prinzipien der urbanischen Sicherheitsmaßnahmen resümmierte, die augenscheinlich seinen eigenen Intentionen entsprachen. Angenehm überrascht, dass die Befragung bereits ihr Ende hatten gefunden, lächelte er schlussendlich aufs Neue.

    "Vortrefflich! Mein Mitarbeiter Seius Ravilla wird euch alle weiteren Informationen hinsichtlich der Abläufe zukommen lassen, um euer Sicherheits-Konzept entsprechend anpassen zu können!"
    Er blickte zu dem Genannten, der wie gewöhnlich auf der Bank seines Consiliums zu seiner Rechten bereitsaß, neue Obliegenheiten zugewiesen zu bekommen oder seinen Magistrat durch Bemerkungen oder Informationen zu unterstützen.

  • Lurco klappte seine Wachstafel zu und nickte erfreut. Das war eine Verhandlung nach seinem Geschmack. Sie hatten sich ohne Probleme einigen können. Zudem durften sie einen Blick hinter die Kullissen werfen. Es gehörte sehr viel Planung, Umsicht und Ideenreichtum dazu, so eine Veranstaltung auf die Beine zu stellen. Von den dazugehörigen Kontakten und den Sesterzen ganz zu schweigen. Der Mann vor ihnen besaß all dies und war zudem noch ausgesprochen höflich. Was hätte Lurco dafür gegeben, ihm einmal in privater Runde zuzuhören, um von ihm zu lernen. Scato und er mussten sich ebenfalls derartiges Verhandlungsgeschick aneigenen, wenn auch nur einen Bruchteil davon.


    "Wunderbar, auf eine gute Zusammenarbeit was Veranstaltung und Sicherheit angeht. Es hat mich sehr gefreut, Deine Bekanntschaft gemacht zu haben", antwortete Lurco gut gelaunt und wartete darauf, dass ihm der Genannte die Informationen aushändigte.

  • Ravilla ging rasch einige Wachstafeln durch, fand eine mit entsprechenden Notizen und machte sich an eine Kopie mit einigen zusätzlichen Hinweisen, die er für nützlich erachtete. Da er Lurco gut kannte, lächelte er ihm zu, als er ihm die Tabula überreichte. "Bitte sehr. Sei so gut und grüß meinen Neffen, wenn du ihn siehst", erlaubte er sich eine Bitte zu äußern. "Wir sehen uns spätestens bei den Ludi Megalensis."



    Ablauf der Megalesia


    1) festliche Prozession vom Tempel der Göttin auf dem Palatin [Link]


    Reihenfolge der Teilnehmer:

    • Korybanten (junge Tänzer -> tragen Bronze-Schilde und Schwerter)
    • Aurigae
    • junge Frauen, welche Blütenblätter streuen
    • Galloi (ekstatisch, bisweilen in Trance)
    • Wagen mit thronender Statue der Göttin, gezogen von zwei Löwen
    • Wagen des Aedilis Curulis Manius Flavius Gracchus Minor
    • Opfertiere und Begleiter
    • Nachhut Cohortes Urbanae


    2) Wagenrennen im Circus Maximus [Link]

    • Ehrenrunde der Prozession
    • Platzierung der Statue der Magna Mater
    • Wagenrennen


    3) Aufführung im Theatrum Pompeium [Link]

  • Lurco nahm mit dankbarem Nicken die Liste entgegen. Er betrachtete sie eingehend und freute sich über die detallierte Arbeit von Ravilla. Zudem liebte er Listen und Berichte, nichts entspannte ihn mehr, nun vielleicht außer Scatos Zuneigung und Liebe, als gute Berichte und Listen zu verfassen. Das ordnete seine Gedanken.


    "Eine erstklassige Liste Ravilla, vielen Dank. Dein Neffe ist gegrüßt, er steht hier neben mir", gab Lurco mit einem freundlichen Grinsen zurück.

    Den wortstillen Scato der nur beobachtet hatte, konnte man leicht übersehen, wenn man so eine Persönlichkeit wie Ravi war.

  • Der Aedil verfolgte die Interaktion Ravillas mit den beiden Milites und registrierte erstaunt, dass augenscheinlich der zweite, noch unscheinbarere der beiden in familiärer Relation zu seinem Tiro fori stand. Hatte er dafürgehalten, dass die Sprösslinge eines Tempelfürstenhauses nicht eben sich dazu herabließen, bei den Cohortes Urbanae als Milites gregarii ihren Dienst zu verrichten, stellte er sich für den Hauch eines Augenschlages die Frage, ob die Familie des Seius doch nicht ganz so aristokratisch-exklusiv war, wie er vermeinte.


    Indessen beschloss er, nicht böses zu vermuten, wo die Fakten sich seiner Kenntnis entzogen, weshalb neuerlich er ein diesmalig überraschtes Lächeln präsentierte und fragte:

    "Dies ist dein Neffe?"
    Der Miles wirkte nicht wesentlich jünger als Ravilla, obschon der Flavius selbstredend nicht mit den schärfsten Augen war gesegnet und Scato bereits in einer Distanz sich vor der Sella curulis befand, in welcher die visuellen Kapazitäten des Magistraten bereits limitiert waren.

  • Gratia gratis datur | Aedilicischer Alltag


    Wie so häufig in diesem Jahre hatte Manius Minor an diesem Morgen auf seiner Sella Curulis sich platziert, um Petenten zu hören und ihre marktlichen Anliegen zu bearbeiten. Nach einigen Monaten im Amte hatte er sich an das unbequeme Mobiliar ein wenig gewöhnt, obschon noch immer er erleichtert aufatmete, wenn am späten Vormittag die Gepflogenheiten es ihm gestatteten, sich von selbigem zu erheben, um etwas zu sich zu nehmen und den Nachmittag mit internen administrativen Belangen, Gesprächen mit den Amtskollegen und imperialen Beamten oder gar persönlichen Kontrollgängen auf den Märkten der Urbs zuzubringen. Indessen war die inkommode Position nicht die einzige Unerquicklichkeit jenes Amtes, denn gleich seinen bisherigen öffentlichen Würden implizierte das Aedilat in besonders hohem Maße eine bisweilen recht gleichförmige, wenig fordernde oder gar reizende Arbeit, wenn etwa nichtige Strittigkeiten zwischen Krämern waren zu schlichten, wenn Genehmigungen waren auszustellen, zu denen der Flavius nicht viel mehr beitrug als den Entscheid seines juristischen Consilium durch den Aufdruck seines amtlichen Siegels zu konfirmieren oder gar noch war genötigt, sämtliche Parteien zu hören, um jene komplexen Verflechtungen in das bisweilen doch erschröcklich unterkomplexe Prokrustesbett des Marktrechtes hineinzupressen. Nicht selten war er hierbei genötigt, über die Nihilitäten der gemeinen Plebs die Nase oder die Stirne zu runzeln, fühlte er sich doch bisweilen geneigt, schlicht seinen Patrokolos anzuweisen, aus seinem privaten Säckel dem klageführenden Kaufmann die strittige Summe zu schenken, um nicht wegen derartiger Summen seine kostbare Zeit vergeuden zu müssen. Doch selbstredend folgte weiterhin er dem gefassten Vorsatze, sein Bestes zu geben, um zumindest zu versuchen, sich seiner Ahnen und Götter als würdig zu erweisen, sodass tapfer er ausharrte, so aufmerksam als ihm possibel war lauschte, beständig sein Consil um Rat fragte und stets höflich, doch entschieden seine Urteile verkündete.


    Zu jenen Obliegenheiten zählte die Genehmigung von öffentlichen Spenden, die selbstredend insonderheit in der Zeit des Wahlkampfes von hoher Relevanz waren. So hatte auch Marcus Ovius Pullo, Candidatus für das Amt des Praetor Peregrinus, sich an diesem Tage dazu herabgelassen, den Aedilis Curulis aufzusuchen, um seine Getreidespenden genehmigen zu lassen, was insonderheit deshalb als heikel galt, als er bereits, um seine ökonomische Potenz zu demonstrieren, diverse Spenden hatte verteilen lassen. Für diese Genehmigung hatte Manius Minor daher den Kandidaten in persona vor seinen Stuhl zitieren lassen, da doch jene überschwänglichen Gaben den Argwohn eines traditionsbewussten Patriziers mussten erwecken.

    "Ovius, ich danke dir für dein Erscheinen. Wie du mir brieflich liesest mitteilen, gedenkst du neuerlich einige Modii Getreide unter der Plebs verteilen zu lassen."

    , eröffnete der Aedil das Gespräch mit dem formell ranghöheren, doch faktisch wohl bestenfalls ebenbürtigen Senator, dessen Stammbaum weitaus bescheidener ausfiel als jener der Flavii. Dennoch erwiderte er nicht ohne Hochmut:

    "Und was sollte dagegen sprechen? Als Senatoren ist es unsere vornehmste Pflicht, für die Belange der Plebs zu sorgen!"

    Manius Minor legte nachdenklich den Finger ans Kinn, als er jene altruistischen Motive vernahm, die einem gewesenen Tribunus plebis zweifelsohne wohlanstanden, doch letztlich nur verdeckten, dass der Eindruck mochte entstehen, Pullo wolle die Wahl durch schiere ökonomische Potenz entscheiden.

    "Nun, bereits bei den letzten Nundinae wurden von deinen Leuten 50 Modii verteilt, ebenso eine größere Weinspende. Selbstredend spricht grundlegend nichts gegen deine Freigiebigkeit, indessen bereitet es den Getreide- und Weinhändlern nicht sonderliche Freude, wenn allzu große Mengen an Waren kostenfrei abgegeben werden."

    "Ich verstehe nicht, warum Großzügigkeit so verstanden wird. Du weißt du wie ich, dass es genügend Bürger hier gibt, die sich ohnehin nicht genügend Brot leisten können. Ihre Unterstützung als Angriff auf den gerechten Lohn der Händler auszulegen, erscheint mir zynisch!"

    Der Flavius hatte weder sonderliches Mitleid für die stadtrömische Plebs, welche an den Rockschößen der Annona hing und sich die Zeit lieber mit dem Umherstreifen auf dem Forum vertrieb als mit ehrlicher Arbeit, noch hegte er größere Sympathie für die übertrieben-demonstrative Freigiebigkeit des Kandidaten, der damit ja immerhin Standards setzte, an denen früher oder später auch er als Spross einer etablierten Familie würde gemessen werden.

    "Dennoch sieht die Lex Mercatus vor, die öffentlichen Spenden zu limitieren, weshalb sie durch meine Person zu genehmigen sind, respektive in der von dir angestrebten Höhe durch beide Aedilen. Ich habe deinen Fall bereits mit Lucretius Carus erörtert und wir sind überein gekommen, dass deinerseits im vergangenen Monat hinreichend Korn gespendet wurde, da dadurch, verbunden mit den bereits stattfindenden Spenden der übrigen Kandidaten, doch ein erheblicher Eingriff in den Markt würde erfolgen."
    Ovius Pullo kniff seine buschigen Augenbrauen zusammen.

    "Ein erheblicher Eingriff in den Markt?"

    "Nun, würde jeder der Kandidaten derart verschwenderische Gaben verteilen, so würde dies die Brotpreise drücken, von denen, wie dir zweifelsohne bekannt ist, wiederum rechtschaffene Bürger leben."

    Dass die Getreidespenden auch nicht allein an die Ärmsten, sondern vielmehr an die Dreistesten gingen, welche sich bei derartigen Gelegenheiten vorzudrängen pflegten, ließ er unerwähnt.

    "Pah! Ich wette, dass keiner meiner Konkurrenten den Wohlstand und den Willen besitzt, die Plebs in ähnlicher Weise zu beschenken! Insofern ist keine Gefahr, dass die armen Bäcker ihren Schnitt nicht machen!"
    Minor seufzte, obschon er bereits hatte geargwöhnt, dass der als streitbar geltende Ovius nicht leicht würde einlenken.

    "Nun, diesbezüglich wäre ich nicht sicher, indessen ist es nicht akzeptabel, dass einer der Kandidaten das potentielle Kontingent an Getreidespenden aufbraucht, während anderen diese Möglichkeit damit entzogen wird."

    "Flavius, du weißt so gut wie ich, dass das hier ein abgekartetes Spiel ist: Mein Konkurrent Sabinius fürchtet um seinen Erfolg, weil er ein geiziger Habenichts ist und mir nicht das Wasser reichen kann! Ich bin empört, dass er offensichtlich euch auf seine Seite gezogen hat!"

    Innerlich zuckte der Aedil zusammen, als er jene spitzen Worte vernahm, da sich doch recht unverholen implizierten, er sei parteilich. Ein wenig straffte er sich auf seiner Sella Curulis und legte eine strenge Miene auf:

    "Achte auf deine Worte, Ovius. Mein Amtskollege Lucretius und ich sind ausschließlich der Res publica und den Bestimmungen der Lex Mercatus verpflichtet und es liegt uns ferne, Einfluss auf die Wahlen zu nehmen!"

    Pullo gab einen verächtlichen Laut von sich.

    "Dann genehmigt gefälligst meine Spende! Auf die paar Modii kommt es doch nun wirklich nicht an!"
    "Ich bitte um Verzeihung, Ovius, aber mir sind die Hände gebunden! In einem Monat wäre es möglicherweise wieder vertretbar, doch-"

    "In einem Monat? Dann ist die Wahl gelaufen und Sabinius poliert bereits seine Sella curulis!"

    er grinste.

    "Ich gelobe, nach der Wahl für die nächsten zwei Jahre auf sämtliche Getreidespenden zu verzichten!"

    War es bereits eine Unverfrorenheit, einem amtierenden Magistraten das Wort abzuschneiden, so missfiel dem Gracchen vor allem der spöttisch-respektlose Unterton des Petenten, sodass er noch einmal sich straffte und mit großer Bestimmtheit erwiderte:

    "Ich wiederhole mich nicht, Ovius: Deine Spende ist nicht genehmigt! Einwände sind an den Praetor Urbanus zu adressieren!"

    Pullo rollte mit den Augen und lachte freudlos auf.

    "Das ist doch auch ein Parteigänger von euch! Da kann ich mich ja auch gleich an den Großkönig in Ktesiphon wenden!"

    Erbost sprang Minor auf. Jene Provokation war zu viel!

    "Hüte deine Zunge, Ovius! Ich vertrete hier niemandes Interesse und ich kann dir versichern, dass es auch dem Princeps, dem im Übrigen die Cura Annonae obliegt, missfällt, wenn ihm jemand ungefragt seine Arbeit strittig macht!"

    Feindselig blickte Pullo hinauf zum Tribunal, von dem der dickliche Aedil drohend hinabblickte und zugleich ein wenig drollig wirkte. Dennoch winkte der Ovius nun endlich ab.

    "Schon gut, schon gut. Dann verzichte ich auf meine Spende. Das Volk wird es dir danken!"

    Mit diesen Worten und ohne einen Gruß wandte er sich um und verließ mit der Schar seiner Klienten die Basilica. Manius Minor blickte ihm nach. Ob er sich einen Gegner geschaffen hatte?

  • Obwohl es sich bei dem Anliegen des Aedilis Curulis um ein rein dienstliches handelte, freute sich Menecrates über die Zweckmäßigkeit hinaus. Er wählte die Praefectura Urbis, um keine Zeit mit Wegen zu verschwenden, denn wenn er aktuell eines nicht besaß, dann waren es freie Zeitkapazitäten. Ein Bote stellte das Antwortschreiben zu.




    Ad

    Aedilis Curulis

    M. Flavius Gracchus Minor

    Basilica Iulia

    Roma



    Ich bedanke mich für das Schreiben und sehe der Unterredung mit Freude entgegen. Person und Anliegen sind mir herzlich willkommen.

    Als Ort und Zeit käme mir die Preafectura Urbis zur Hora Octa entgegen. Der Tag wäre hingegen variabel wählbar.



    H. Claudius Menecrates  


    itcrom-praefectusurbi.png


  • @ RE: [Exedra Aedilium] Der Sprechsaal der Aedile


    "Einer meiner Neffen, Aedil", bestätigte Ravilla, dem die Verzückung aufs Gesicht geschrieben stand, wenngleich ebenfalls ein rosiger Hauch von Schamesröte, da er den Iunier übersehen hatte. "Sisenna Iunius Scato", wiederholte er noch einmal den Namen, wenngleich dessen Kollege ihn bereits verlautbart hatte. Es konnte nicht schaden, die eigene Verwandtschaft in das Gedächtnis des Magistrates zu bringen. Bekanntschaft in die höheren Kreise konnte nur von Vorteil sein.

  • "Wie amüsant! Ein Neffe väterlicher- oder mütterlicherseits?"

    , fragte der Aedil amüsiert ob jener Kuriosität nach, erschien es ihm doch höchst ungewöhnlich, dass ein Aspirant auf den Senat verwandtschaftliche Relationen jener Enge (obschon die Titulatur als Neffe einen breiten Interpretationsspielraum offerierte) zu einem gemeinen Miles hegte, da doch die erforderliche finanzielle Potenz gewöhnlich nicht derart scharf war verteilt, dass der eine den Senat, der andere dagegen lediglich den schnöden Felddienst mochte ins Auge fassen.

  • "Der Sohn meiner älteren Halbschwester Seia Sanga", erklärte Ravilla beflissentlich. "Ihr Mann war Titus Iunius Priscus, welcher bei der Legio Prima Traiana seinen Dienst versah, bevor die Götter ihn zu sich riefen. Sie folgte ihm vor wenigen Monaten."


    Ravilla tangierte dies nur peripher, da sie beide kaum ein gemeinsames Leben geteilt hatten. Etwas anderes wäre es gewesen, würde der Tod seine geliebte Fusciana getroffen haben, durch deren Adern das gleiche edle Blut strömte, Fusciana, die man ihm grausam entrissen und nach Achaia entsandt hatte zu einer Genesung, die doch nur Ravillas Präsenz ihr hätte ermöglichen können.

  • Einst waren die Iunii eine potente Gens gewesen, der Heroen der Historie wie die Iunii Bruti waren entsprungen. Dieser Tage indessen machte jene Gens kaum mehr von sich reden und da der Sohn ein gemeiner Miles war, hielt der Flavius dafür, dass auch jener Iunius Priscus mitnichten eine Persönlichkeit repräsentierte, die er kennen oder gar memorieren mochte, weshalb der Name direkt verhallte. Lieber wandte er sich daher den Informationen zu den Seii zu, welche zweifelsohne auch das Bild über den einen der beiden Milites ergänzte:

    "Halbschwester? Deine familiären Relationen erscheinen mir recht komplex!"

    Er lächelte amüsiert und blickte in die Runde, obschon selbstredend die meisten jener, die ihre Stammbäume pflegten, recht schnell auf ein kaum zu überblickendes Durcheinander von Vettern und Angeheirateten kamen, das zu durchblicken dennoch gerade in der Nobilität von größter Bedeutung war.


    Der Höflichkeit halber ergänzte er sodann an die Adresse des Miles:

    "Gefällt dir der Dienst bei den Cohortes Urbanae?"

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