Der Tag, an dem der Himmel einstürzte

  • Spurius Mutius Veratius


    Der Offizier hatte die ganze Aufregung nur am Rande mitbekommen, sah jedoch wie ein Soldat sowohl den Jungen als auch seine Mutter niederstreckte. Mitleid empfand er wenig, sicher, für den Jungen schon, aber die Frau hatte ihre eigene Wahl getroffen, und war deshalb selbst schuld weshalb er das ganze auch nur beiläufig kommentierte..
    "Schade eigentlich, ich fand sie ganz ansehnlich." sprach er gleichgültig und blickte sich nach dem Asconier um, welcher sich, wie es sich wohl für einen echten Schreibtischhelden gehört, aus dem Staub gemacht hatte. Aber er kannte das Prozedere nach so vielen Jahren im Dienst ja auch gab deshalb auch nur knappe Befehle an seine Männer aus..
    "Verbrennt die Leichen, bringt die Beute zur Sammelstelle und schafft sie weg!", brüllte er während er seinen Helm absetzte, "Ihr wisst was mit denen passiert die sich wehren, und ach ja, fackelt das Dorf nieder, jede einzelne Hütte!" zufrieden griff der Mutier nach seinem Trinkschlauch und trank einen Schluck Wein, wieder ein Scharmützel gewonnen, nicht mehr lange und er würde mit allen Ehren und fetter Beute in den Ruhestand treten.
    Währenddessen begannen die Legionäre bereits die Befehle auszuführen, die in Ketten gelegten Stammesmitglieder wurden in kleine Gruppen eingeteilt und bewacht von einigen Soldaten weggeführt, die Hütten brannten aufgrund ihrer Bauweise recht schnell, auch wenn einige Soldaten wohl noch gerne mehr Zeit zum plündern gehabt hätten. Es gab auch einige die sich wehrten, sie ereilte ein grausames Schicksal, für manche schien dies aber wohl besser als das Leben als Sklave zu fristen.
    Angus wurde in einer Gruppe mit anderen verwundeten Kriegern sowie einigen Frauen auf einen Ochsenkarren gesetzt, das Ziel war natürlich die nächstgrößere Stadt wo die Sklavenhändler sich aufgrund der neuerlichen Konflikte schon die Hände rieben..

  • Mir blieb nicht viel Zeit, um zu trauern. Unsanft zog man mich wieder auf die Füße und verfrachtete mich und die anderen auf Ochsenkarren. Nur die wenigsten leisteten noch Gegenwehr. Sie wurden auf der Stelle getötet. Ich selbst hatte nicht den Mut aufbringen können, den meine Frau aufgebracht hatte. So ließ ich alles mit mir geschehen.


    Wir konnten noch beobachten, wie die Soldaten damit begannen, die toten Körper ihrer Feinde auf einem Haufen zu werfen, um sie dort dann in Brand zu stecken. Ebenso verfuhren sie mit unseren Häusern. Alles was einen gewissen Wert gehabt hatte, war vorher schon geplündert worden. So wie wir zuvor, hatten sie auch unser Vieh zusammengetrieben.


    Als der Ochsenkarren sich in Bewegung setzte und wir alle noch einen letzten Blick auf unser altes Leben werfen konnten, begannen die Frauen zu wimmern. Die Häuser brannten bereits lichterloh. Der Geruch des verbrannten Holzes mischte sich mit dem von verbranntem Fleisch. Es war ein wahres Inferno. An diesem Tag, war der Himmel über uns eingebrochen und hatte dabei alles mit sich gerissen und zerstört. Alles was uns wichtig gewesen war, verbrannte dort.


    Unser Ochsenkarren wurde von den zufriedenen Blicken der römischen Soldaten begleitet. Noch einmal erhaschte ich einen Blick auf den Verräter, der ein wenig verloren unter den Römern wirkte.
    „Cedrec, eines Tages wirst du dafür bezahlen!“, sprach ich mehr zu mir selbst. Die anderen Männer auf dem Wagen schwiegen. Vielleicht dachten sie dasselbe.
    Wir alle waren auf der Fahrt ins ungewisse. Eins wussten wir, falls es für uns noch eine Zukunft gab, dann war sie finster und unerbittlich.

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    Cedrec´s Todesangst, die er zweifelsohne empfunden haben musste, als Aislin auf ihn zugestürmt kam, hatte sich im wahrsten Sinne des Wortes in seinen Beinkleidern niedergeschlagen. Nachdem der Legionär sein Leben gerettet hatte, indem er sich der Frau entgegengestellt hatte und sie niederstreckte, war er immer noch in einer Art Starre gefangen. Seine aufgerissenen Augen hatten die letzten Sekunden von Aislins Leben mit verfolgt, wie sie, vom Gladius des Soldaten getroffen, mit ihrem Kind im Arm leblos zusammensackte. Ob er in diesem Moment Reue verspürte, für das, was er getan hatte? Vielleicht tat es ihm leid, sie sterben sehen zu müssen. Nun lag sie kaum zwanzig Schritte von ihm entfernt im Matsch und noch immer konnte er den Blick nicht von ihr wenden. Erst die Schreie der Gefangenen, sie man nun zusammentrieb, ließ sie ihn endlich los.


    Wie ein verängstigtes Kind, verließ er schnellstens diesen Ort und begab sich zu einem der Soldaten um ihn wegen Gwen, „seiner“ Frau anzusprechen. Trotz des schockierenden Erlebnisses, war er immer noch gewillt, sie zu sich holen, denn er begehrte sie schon lange. Gwen, die Frau seines Herzens, war schnell unter den Frauen gefunden und obwohl sie durch ihn von der Sklaverei verschont worden wäre, entschied sie sich lieber für die Leibeigenschaft, als an der Seite eines Verräters leben zu müssen. So blieb Cedrec nichts anderes übrig, als die anklagenden Blicke derer zu ertragen, die er verraten hatte. Zwar hatte er durch seinen Verrat seine Freiheit und seinen Besitz bewahrt, doch würde er in Zukunft ein einsames Leben fristen, denn die, die ihn einst in ihrer Mitte geschätzt hatten, wurden vor seinen Augen in die Gefangenschaft geführt.


    Inzwischen hatten die Soldaten damit begonnen, die Hütten in Brand zu stecken. Einige der Gefangenen hatte man dazu herangezogen, die Toten zusammenzutragen, um sie anschließen zu verbrennen. Cedrec konnte diesem Anblick nicht länger standhalten. Den Gestank von verbranntem Fleisch hatte er noch nie lange ertragen können. Als er im Begriff war, davonzureiten, ließ ihn ein Rufen innehalten. „Die hier ist noch am Leben!“ Diese Worte arbeiteten sich durch Cedrecs Hirnwindungen hindurch, bis er schließlich begriff, was er soeben gehört hatte. Noch einmal wandte er sich um und begab sich zu den Soldaten, die sich über einem am Boden liegenden Körper beugten.
    „Die Frau…“ begann er. „...ich will sie haben!“

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    Wie durch ein Wunder war noch nicht alles Leben aus Aislins Körper geschwunden. Schwerverletzt harrte sie darauf, auf dass der Tod auch endlich zu ihr kam. Der leblose Körper ihres Kindes lag noch in ihren Armen. Ihre Schmerzen waren so stark, so dass sie immer wieder das Bewusstsein verlor.
    Von ganz weit weg, wie durch einen dichten Vorhang, drangen Stimmenfetzen zu ihr durch. Doch wenn Aislin tatsächlich etwas wahrnahm, dann war es nur sehr schemenhaft. Erst dann, als sie spürte, wie man ihr den toten Sohn aus den Armen riss uns sie selbst von dem Platz, an dem sie lag, fortziehen wollte, begann sie leise zu stöhnen. Ganz unvermutet hielten diejenigen, die sie zu den anderen Toten bringen wollten, inne. Von da an verlor sie wieder das Bewusstsein und glaubte, schon hinüber in die andere Welt zu schweben.


    ~~~


    Ob es nun Fluch oder Segen war, als sie nach Tagen für einen kurzen Augenblick erwachte, konnte niemand sagen. Am wenigsten wohl Aislin selbst. Sie fand sich in einer ganz fremden Umgebung wieder. Ein Haus aus Stein, hell getünchte Wände, Möbel im römischen Stil, fremde Menschen, die besorgt zu ihr herabschauten. Das war nur ein Traum, glaubte sie. Das konnte nicht real sein. Doch der Schmerz, der in ihrem ganzen Körper tobte und sie wieder zu überfluten drohte, fühlte sich ganz real an.


    Die Tage vergingen und es hatte den Anschein, als hatten die Götter sich entschieden, Aislins weitergehen zu lassen. Vielleicht war es aber auch nur den Künsten des griechischen Arztes zu verdanken, der sein Menschenmöglichstes versucht hatte und am Ende damit erfolgreich gewesen das Leben war.
    Aislin erkannte die Umrisse eines Mannes als sie wieder die Augen öffnete. „Angus…“ hauchte sie. Alles war nur ein böser Traum gewesen. Er war hier bei ihr, hier in ihrer Hütte am Rande des Dorfes und kümmerte sich im sie, so wie er es immer getan hatte, wenn sie krank war. Suchend griff sie nach seiner Hand und fand sie auch. Alles schien so vertraut…
    „Wie schön, dass du wieder unter uns weilst, Aislin. Ich glaubte schon, ich hätte dich verloren.“
    Diese Stimme, sie klang so anders. Zwar nicht gänzlich fremd, doch irgendwie... ungewohnt. „Angus!“
    Aislins Ton klang nun etwas bestimmter. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die herrschenden Lichtverhältnisse und so wurde aus dem Umriss allmählich ein fassbares Gesicht. Die Stimme und dieses Gesicht… Langsam verknüpfte sie beides miteinander und dann begriff sie, wer da an der Seite ihres Bettes saß und ihre Hand hielt.
    „Angus ist tot!“, antwortete Cedrec und lächelte dabei mitleidig.
    In Aislin erwachte langsam die Erinnerung wieder und sie musste einsehen, dass es kein böser Traum gewesen war. Dies war nicht ihr geliebter Mann und sie waren auch nicht in ihrer Hütte in ihrem Dorf. Dieser Mann, der bei ihr saß, war der Verräter! Er hatte sie alle ins Unglück gestürzt. Und je mehr ihr Bewusstsein wiederkehrte umso stärker bäumte sich wieder die Ablehnung gegen ihn auf. Alles in ihr, jede einzelne Faser sträubte sich gegen ihn, gegen Cedrec, den Verräter. Dies gipfelte schließlich darin, dass sie sich mit all ihrer Kraft, die ihr zur Verfügung stand, aufstütze und ihm ins Gesicht spuckte. „Du lügst… du elender Verräter! Angus ist nicht tot… Ich weiß es!“ Erschöpft ließ sie sich in ihr Kissen zurückfallen und begann in Tränen auszubrechen. Cedrec hingegen blieb von solcherlei Gefühlsausbrüchen recht unbeeindruckt. Früher oder später würde sie es ja sowieso erfahren, wie die Dinge nun lagen und wo von nun an ihr Platz war. Also, warum dann nicht auch schon früher?
    „Nun, wenn du meinst… wenn er nicht schon tot ist, dann verrottet er langsam in einem der Bergwerke unten im Süden. Und du, liebste Aislin gehörst nun mir. Mir ganz allein!“

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    Tage, Wochen und schließlich Monate waren inzwischen vergangen. Aislins äußerliche Wunden waren verheilt. Nachdem das Fieber gewichen war und sie das Krankenbett verlassen konnte, hatte sie ihre Umgebung erkundet und sich in einem römischen Haus mitten in Lugvalium wiedergefunden. Dorthin hatte Cedrec sie gebracht und hier sollte sie nun fortan als seine Gefährtin bei ihm leben. Keine Frage, das Haus verfügte über alle Annehmlichkeiten, wie es für etwas vornehmere römische Häuser in den Provinzen üblich war. Aber ganz offenbar war dies der Lohn für seinen Verrat gewesen, den er, ohne mit der Wimper zu zucken, begangen hatte.
    Eine kleine Schar von Dienern sorgte für das leibliche Wohl ihres Herrn und auch für das seiner Beute. Genau als solches sah sich Aislin an, als eine Art Trophäe, mit der er sich fortan schmücken wollte. Nie im Leben wäre sie ihm freiwillig gefolgt! Es bereitete ihr jedes Mal Übelkeit, wenn sie gezwungen war, sich in Cedrecs Gegenwart aufzuhalten. Und auch Cedrec hatte schnell begriffen, dass sich seine „Auserwählte“ so schnell nicht fügen würde. So war schließlich recht bald aus der ersehnten „Gefährtin“ nichts anderes als eine Sklavin geworden, die sich, wie die anderen Unfreien im Haus, dem Willen ihres Herrn unterwerfen mussten.
    Aislin jedoch hatte niemals die Hoffnung aufgegeben, ihren geliebten Mann wiederzusehen. Selbst dann, wenn man ihn in eines der Zinnbergwerke im Süden der Insel verschleppt hatte, glaubte sie fest daran, dass sie sich eines Tages wiederfinden würden. Genau dieser Glaube trieb sie täglich an, allen Demütigungen zum Trotz durchzuhalten. Eines Tages würde ihr Stündchen schlagen. Sie musste nur Geduld haben und warten… auf die richtige Gelegenheit.
    Und diese Gelegenheit sollte kommen!
    Es war bereits Herbst geworden. Die Blätter der Bäume hatten sich bunt gefärbt und die ersten heftigen Stürme waren übers Land gezogen. Oben im Norden war bereits der erste Schnee gefallen, so hatten es einige Händler berichtet, die sich auf ihren Reisen bis in das Gebiet der wilden piktischen Stämme vorwagten.
    Nachdem nun Aislin einige Monate schon unter seinem Dach lebte, hatte Cedrec noch nicht vollständig die Hoffnung aufgegeben, die Frau seines ehemaligen Mitstreiters könne sich vielleicht doch mit ihrem Schicksal arrangieren. Letztendlich war sie in den letzten Wochen g ihm egenüber nicht mehr so abweisend gewesen. Diesen Sinneswandel, so hatte es Cedrec formuliert, wollte er ihr nun vergelten, indem er sie mit zum Markt nahm. Ein paar schöne Kleider wollte er ihr kaufen und vielleicht ein Geschmeide, so wie es die Frauen in Rom zu tragen pflegten.
    Vielleicht hatte Aislin bereits schon die sich bietende Gelegenheit gewittert, als sie mit ihm zum ersten Mal das Haus verließ. Falls dem so war, ließ sie sich nichts davon anmerken und mimte die dankbare Begleiterin an Cedrecs Seite. Vollkommen geblendet von diesem Wandel, der in ihr vorzugehen schien, las er ihr jeden noch so kleinen Wunsch von den Lippen ab.
    Neu ausgestattet mit Kleidern, Schmuck und einigen Leckerbissen, die fremde Händler von weit her auch in die letzte Ecke des Imperiums gekarrt hatten, war es nun Aislin, die endlich die Gelegenheit nutzen wollte. Mit ihrem Charme, ihren Augen und der süßlichen Stimme lockte sie Cedrec geradewegs in die Falle. Sie hatte ihm schöne Augen gemacht und Cedrec, der die Signale richtig zu deuten wusste, wollte sie nach einer so langen Zeit des Wartens endlich in seine Arme schließen, um sie zu küssen. Genau in diesem Moment begann sie wild um Hilfe zu schreien. In der Gasse, die zu dieser Tageszeit mehr als überfüllt war, brach ein Tumult aus. Noch bevor sich Cedrec gegenüber den Passanten rechtfertigen konnte, die den Hilfeschrei der Frau gehört hatten und nun handeln wollten, hatte sich bereits ein ziemlich düster dreinblickender Mann auf ihn gestürzt und begann, auf ihn einzuschlagen.
    Jetzt oder nie, dachte sich Aislin und nutzte diesen Augenblick. Es gelang ihr, ganz einfach zwischen der zusammenstehenden Menge zu entwischen.


    Aislin war es tatsächlich gelungen, aus Lugvalium zu fliehen. Ausgestattet mit der neuen warmen Kleidung, dem Schmuck und einigen Essensvorräten, die Cedrec gekauft hatte, begann sie ihre Suche. Von Stadt zu Stadt schlug sie sich durch, selbst als sich der Winter nun auch schon in den südlicheren Gefilden der Insel bemerkbar machte, gab sie nicht auf. Überall wohin sie auch kam, erkundigte sie sich nach den Sklavenhändlern, die vor vielen Monaten hier vorbeigekommen waren.
    Als sie aber endlich unten im Süden Britannias angekommen war, hatte sie ernüchternd einsehen müssen, dass sie Angus nicht finden würde. Doch in dem Moment, als sie enttäuscht aufgeben wollte, hatte sie von einem gewissen Mitros gehört, seines Zeichens Sklavenhändler, der vor Monaten mit einer großen Ladung Ware, die aus dem Norden stammen sollte, die Insel verlassen hatte. Daraufhin bestieg auch sie ein Schiff, um Britannia den Rücken zu kehren…

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