[Rhenus] Die Reise der Gesandtschaft aus Mogontiacum

  • "Ja, Startkapital kann nich' schaden. Normalerweise kommen die Magistrate auch aus den reicheren Familien von Mogontiacum. Den Ducciern zum Beispiel, oder den anderen - du siehst hier auf dem Schiff ja genügend davon herumrennen. Die bringen schon eine Menge Geld mit - da kann ich teilweise nicht mithalten."


    Und das, obwohl er vom Kaiser persönlich ein Stück Land geschenkt bekommen hatte und ein paar ganz gut florierende Betriebe sein Eigen nannte! Gegen die Großhändler und Großgrundbesitzer konnte er aber auch damit nicht anstinken...


    "Die Alternative zu viel Geld ist natürlich, dass man einfach die richtigen Leute kennt und anderweitig überzeugt. Ich hatte zum Beispiel am Anfang schon einige Kontakte zu Veteranen der Legion, die sich auch in Mogontiacum angesiedelt hatten. Oder die Dorfältesten, die haben die Stimmen ihrer Leute oft auch so in der Tasche, denen müssen sie gar nichts groß bieten - wer würde schon seinen Häuptling abwählen?"


    Da Haakon ja selbst aus einer Adelsfamilie stammte, leuchtete ihm dieser Punkt sicherlich ein.


    "Aber ein einfacher Handwerker wird es normalerweise auch dann nicht, wenn er viele Leute kennt. Man muss ja auch überlegen, dass so ein Amt 'ne Menge Zeit wegnimmt, in der man nicht in der Werkstatt arbeiten kann. Außerdem sind Leute aus reichen, schon lange einflussreichen Familien für Leitungsaufgaben natürlich besser geeignet. Die wissen, wie man gut redet, wie man mit wichtigen Leuten wie dem Statthalter oder so umzugehen hat und so weiter... Außerdem glauben einige Kelten und Germanen ja auch daran, dass manche Familien von den Göttern einfach eher zum Herrschen bestimmt sind als andere. Ich weiß nich', was ich davon halten soll - aber dass jemand wie mein Lucius gleich zum Senator wird, käme mir auch ziemlich komisch vor, muss ich sagen..."

  • "Lauter 'gewichtige' Leute an Bord, hmm ?", scherzte Haakon dann und grinste seinen Patron an. Natürlich bestand der Ordo Decurionum vollständig aus wohlhabenden Leuten, immerhin stellte dieser den Provinzadel dar und man hatte einen entsprechenden Census zu entrichten, den man sich auch erst einmal leisten können musste. Aber davon war Haakon noch weit entfernt. Er lebte zwar nicht in Armut, da er durch die Mithilfe seines Patrons weder an Hunger noch an Obdach litt, doch war er weit entfernt von Wohlhabend. Früher gehörte er zu den angesehensten und reichsten Familien des Stammes, damals gab es nichts, was er nicht besaß, doch diese Zeit war ein für alle mal vorüber.


    "Das stimmt. Da werden diese wohl schon bereits aus Gewohnheit wieder gewählt.", kommentierte Haakon die Aussage des Petronius zu den Dorfhäuptlingen.


    Bei der Aussage über die Handwerker und den enormen Zeitaufwand konnte Haakon auch nichts anderes tun als seinem Patron zuzustimmen. Die Magister Vici waren sicher ziemlich ausgelastet.
    "Ja, das seh ich ein. Man sollte schon nicht gleichzeitig auch noch für seinen Lebensunterhalt arbeiten müssen, wenn man sich der Politik widmet. Diese Tätigkeit verschlingt sicher viel Zeit. Welche Ämter hast du bisher in Mogontiacum inne gehabt? Und wie aufwendig war da deine Tätigkeit?", fragte er dann am Schluss noch. Interessiert daran auch noch mehr über seinen eigenen Patron zu erfahren.

  • "Naja, wenn man sich Tongilius Strabo anschaut, hast du wohl recht."


    sagte Crispus spöttisch und sah hinüber zu dem wirklich ziemlich korpulenten Decurio, der auch auf dem "Flaggschiff" der Gesandtschafts-Flotte untergebracht war.


    "Naja, ich war Magistratus... also Aedil genaugenommen. Ich war damals ziemlich frisch aus der Legion ausgeschieden und hatte Land verliehen bekommen. Daneben hatte ich auch 'ne Menge Entlassungsgeld, von dem ich vorerst leben konnte. Ich war ja immerhin Primus Pilus, da hat man 'ne ganze Stange Sold und bekommt entsprechend Geld beim Ausscheiden.


    Ich hab' damals schon ziemlich was geschafft für die Civitas: Hab' einen Teil der Thermae Iuliani renoviert, das Forum neu gepflastert, die Rhenus-Brücke renoviert... viel davon aus eigener Tasche. Aber gedankt wurde es mir wenig damals - eine lumpige Diploma hab' ich bekommen. Woanders hätte ich dafür wahrscheinlich eine Statue auf dem Forum bekommen... aber naja, damals war ich eben mit den Ducciern überkreuz, da war nichts zu machen..."


    Er konnte sich noch gut erinnern, wie es ständig in der Curia zu Streit zwischen ihm und den "Germanen" gekommen war - damals war er selbst aber auch wenig kompromissbereit gewesen. Hatte wahrscheinlich am Militär gelegen, wo wenig diskutiert und gefeilscht wurde. Trotzdem ärgerlich - irgendeine öffentliche Ehrung hätte ihm schon gefallen...

  • Auch Haakon sah zu dem g'wamperten Tongilier herüber und musste dann lachen, wonach er seinen Patron grinsend und nickend ansah.
    "...wahrhaft gewichtig...", grinste er weiter.


    Doch genug gescherzt, zurück zur Politik.
    "Die müssen Einen ja stattlich entlohnen, wenn du solche Projekte aus eigener Tasche stemmen konntest. Vielleicht sollte ich lieber zur Legion gehen, wa?", scherzte er dann trotzdem nochmal. "Ach genau, die Legion: Wann wird die Secunda eigentlich zurück erwartet? Hast du da vor der Abfahrt noch was genaueres zu erfahren? Du musst wissen, ich hatte einige der Milizionäre damit überreden können, dass sie ab der Rückkehr der Legion wieder arbeitslos seien." Und da würde Haakon vielleicht noch ein schlechtes Gewissen bekommen, sollte die Legion nicht demnächst zurückkommen, sonst hätten diese Armen ja glatt die strapaziöse Reise völlig umsonst mitgemacht.

  • Auch Crispus' Figur hatte ihre besten Jahre hinter sich - als Soldat war er noch geradezu athletisch gewesen und selbst als älterer Centurio ganz gut mitgehalten. Das Zivilleben hatte aber auch ihm ein kleines Wohlstandsbäuchlein wachsen lassen - andererseits war er langsam auch so alt, dass man sich das leisten konnte...


    "Soweit ich weiß, ist sie schon unterwegs. Zumindest hat mir gestern noch ein Händler aus Gallia erzählt, dass er von einem Kapitän aus Ostia gehört hat, dass die Truppen aus Rom alle abgezogen sind... oder so."


    Ganz genau hatte der Händler es auch nicht sagen können, denn scheinbar hatte er wenig Interesse an diesen Neuigkeiten gehabt - selbst drängendere Nachfragen hatten ihm nicht mehr entlocken können.


    "Aber wenn sie wieder da ist, ist sie bestimmt ein guter Arbeitgeber - aber du hast kein römisches Bürgerrecht, nicht wahr? Außerdem: sooo gut ist die Bezahlung dann auch nicht - besser als als Arbeiter, aber die Bauprojekte hab' ich nicht alle aus eigener Tasche gezahlt. Ich hab' zwar ordentlich was zugeschossen, aber die Stadtkasse musste schon auch ihren Anteil leisten. Außerdem hab' ich meine Kontakte genutzt und zum Beispiel die Legion für die Brückenrenovierung gewinnen können. Für Neubauten hat's aber nicht gereicht damals."


    ging er dann noch einmal genauer darauf ein - er spielte zwar prinzipiell schon gern den reichen Decurio, aber er wollte Haakon auch keine Illusionen machen.

  • "Dann sollten sie in einigen Wochen da sein. Hoffentlich bevor wir zurückkehren." Jetzt hatte er es aber mit seinen unnötigen Scherzen. Vielleicht waren das schon die ersten Anzeichen von der See... Flusskrankheit.


    "Die Legion nimmt nur römische Bürger?" Haakon war sich gerade nicht sicher, ob ihm das schon vorher klar war, oder ob ihm sein Patron gerade als Erster erzählte. "Mal angenommen, ich wollte wirklich zu den Adlern, wie komme ich denn an das römische Bürgerrecht? Bin ja noch nicht so lange hier, aber bisher hatte mich das Fehlen dessen, noch nicht behindert." Aber bisher hatte er ja auch noch nichts wirklich großartiges mit seinem Leben angestellt, zumindest nicht diesseits des Grenzwalls.


    "Ich merk schon, die entsprechenden Kontakte sind hier das wichtigste Glied der Kette.", bemerkte er dann noch darauf, dass der Petronier Legionäre einsetzen konnte für die Renovierung der Brücke über den Fluss, auf dem sie noch immer fuhren.

  • Natürlich nahm die Legion nur römische Bürger! Aber er antwortete gar nicht auf die Frage, weil Haakon sofort fortfuhr, sondern ging direkt auf die Möglichkeiten zum Erwerb des Bürgerrechts ein:


    "Naja, es gibt verschiedene Möglichkeiten - aber keine davon ist wohl so schnell, dass es sich für dich noch lohnt, zur Legion zu gehen."


    Er musterte Haakon kritisch - beim Nachdenken konnte man bereits deutlich Falten auf seiner Stirn erkennen, weshalb er seinen Klienten wohl etwas älter schätzte als er es wirklich war.


    "Normalerweise bekommst du das Bürgerrecht, wenn du dich für den Staat nützlich machst: Zum Beispiel, indem du zwanzig Jahre bei den Auxiliae dienst - zum Beispiel bei der numidischen Ala II oder bei der rätischen II. Kohorte. Eine andere Möglichkeit ist ein Engagement in der Kommunalpolitik, von der wir's grade hatten. Wenn alles klappt, wie wir es planen, bekommt man zukünftig in Mogontiacum auch nach zwei Magistraturen - also zum Beispiel als Magister Vici und Aedil - das römische Bürgerrecht. Aber das entscheidet der Kaiser. Der kann das Bürgerrecht auch unabhängig vergeben, genauso der Statthalter in Vertretung - wenn's denn mal wieder einen gibt."


    Dann nahm er noch auf die letzte Bemerkung Bezug:


    "Und ja, Beziehungen sind alles! Aber du hast ja schonmal einen guten Anfang gemacht mit mir!"


    Er zwinkerte dem Germanen zu. In diesem Moment passierte das Schiff eine Flussbiegung und dahinter kam auch schon Argentoratum in Sicht: Von Norden aus konnte man nur das mächtige Legionslager sehen, das auf der Rhenus-Insel stand - die man allerdings kaum als solche erkannte, denn der Nebenarm des Flusses war ziemlich klein und deshalb aus der Ferne kaum bemerkbar. Der Blick ging vielmehr auf den Wall, auf dem ein steinernes Fort mit Türmen und einem großen Tor in der Mitte errichtet war. Die Zivilsiedlung lag südlich davon, aber zumindest die Hafenanlagen am Ufer waren auch erkennbar.


    "Hm, nicht ganz so majestätisch wie der Hügel, auf dem unser Castellum liegt, aber vom Fluss aus auch nicht schlecht..."


    kommentierte der Alte den Anblick.

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    Als die Schiffe endlich Augusta Raurica erreichten, stand Lucius am Bug der Navis Actuaria und staunte nicht schlecht - die Kolonie war wohl die größte Stadt, die er jemals gesehen hatte. Vom Rhenus aus konnte man zwar nur die Stadtmauern und die darüber thronenden Tempelanlagen sehen, aber das genügte schon, um die Bedeutung der Stadt zu erahnen. Und nachdem sie von Bord gegangen waren und die kurze Strecke vom Hafenviertel in die eigentliche Stadt hinein überwunden hatten, sah der junge Petronier zum ersten Mal eine echte römische Planstadt: so etwas hatte er bisher nur im Castellum von Mogontiacum gesehen! Hier dagegen war die ganze Stadt in gleichmäßige Rechtecke aufgeteilt, alle Häuser zeigten eine verputzte Steinfassade und waren ausnahmslos nicht mit Stroh, sondern mit Ziegeln gedeckt. Alles war genau so, wie Lucius sich römische Baukunst immer vorgestellt hatte - Rom musste ganz genauso aussehen, nur... noch größer!


    Die Hauptstraße passierte direkt nach dem Stadttor das Forum - einen großen, rechteckigen Platz, der allerdings nicht ganz so viele öffentliche Gebäude um sich versammelte. Dafür war er weitaus gleichmäßiger als das Forum von Mogontiacum und dazu komplett von einer Säulenhalle umgeben - Porticus, wie er von Xanthippus gelernt hatte. So etwas gab es in Mogontiacum zwar auch ansatzweise am Augusteum, aber in dieser Größe hatte er es noch nicht gesehen. Auch wenn das Theater, das sich dahinter erhob, deutlich kleiner sein mochte - die erste römische Planstadt, die Lucius jemals sah, ließ sich mit nichts vergleichen, was er bisher gesehen hatte - dagegen waren Nida, Aquae Mattiacorum und Bingium nur Dörfer und selbst Mogontiacum wirkte dagegen wenig städtisch, wenn man einmal vom Forum und dem Statthalterpalast absah. Kein Wunder, dass es nur den Status eines Vicus hatte.


    So blieb der junge Petronier erst einmal inmitten des Forums stehen und begutachtete die nahezu perfekte Architektur, die wunderbaren rechten Winkel, das gleichmäßige Tympanon des Tempels auf der linken Seite, die mächtige Basilica auf der rechten. Wenn er Zeit gehabt hätte, hätte er vielleicht begonnen, Flächeninhalte zu berechnen - das durfte hier wohl ziemlich einfach sein...


    Sim-Off:

    Damit wir eines schönen Tages auch noch in Rom ankommen, gibt es nun einen kleinen Sprung ;)


    Bild: Prepolino.ch

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    Im Gegensatz zu Lucius hatte der alte Petronier eine Stadt wie Augusta Raurica schon gesehen - er war sogar jahrelang in so einer stationiert gewesen (nämlich Colonia Agrippinensis). Deshalb hatte er wenig Augen für die Geordnetheit und Ebenmäßigkeit der Stadt. Abgesehen davon war er natürlich nicht als Tourist hier, sondern musste sich zügig um den Weitertransport der Gesandtschaft kümmern. Am Hafen informierte er sich gemeinsam mit Haakon informiert, wo man Ochsenkarren und Reittiere mieten konnte - immerhin würde es von jetzt an zu Fuß in die Alpen gehen. Glücklicherweise gab es eine ganze Menge möglicher Anbieter, sodass die beiden sich aufteilten: Crispus ging zu einem Spediteur, der in der Nähe des Amphitheaters etwas außerhalb der Stadt sein Lager hatte, Haakon wurde in die Stadt geschickt. Die anderen Decurionen bekamen ein wenig "Freizeit" und konnten sich in eine Unterkunft in den zahlreichen Gasthäusern der Stadt suchen.


    Einige Zeit später stand der alte Petronier dann endlich vor Vindaluco, einem vielschrötigen Germanen, der ein stattliches Anwesen bewohnte, an das sich direkt ein relativ großer Stall und eine Scheune anschloss. Im Hof standen Ochsenkarren in verschiedensten Größen, teilweise mit beschlagenen Rädern, teils mit den etwas altertümlicheren Vollholzrädern. Man ließ ihn recht bald zum Hausherrn vor, der den Verwalter wegschickte, mit dem er gerade gesprochen hatte.


    "Salve, ich bin Marcus Petronius Crispus, Decurio und Gesandter der Civitas Mogontiacum. Ich bin hier-"


    "-um ein paar Karren für den Weitertransport zu mieten, nehme ich an."


    unterbrach der Spediteur ihn grinsend und legte seine Tabula beiseite.


    "Ich hab' schon gehört, dass ihr demnächst hier eintreffen würdet. Und bei mir bist du goldrichtig, sag' ich dir!"


    "Wieso? Was würde es denn so kosten, einen Karren mit Treibern und allem zu mieten. Für eine Reise bis zum Lacus Lemanus?"


    Vindaluco nannte eine Preis, der selbst Crispus als absolutem Laien viel zu hoch erschien. Deraufhin entbrannte eine kleine Diskussion: Vindaluco betonte die Schwierigkeiten, im Herbst ins Gebirge zu ziehen, die Gefahr der Straße und das kriegsbedingt verringerte Angebot an Vieh, Futter und Angestellten, Crispus hielt dem entgegen, dass es sich hier immerhin um eine offizielle Gesandtschaft und eine große Menge an Gefährten handelte. Außerdem dürfte der Krieg den Handel ja wohl eher eingeschränkt haben, sodass er froh sein konnte, so einen Auftrag zu bekommen.


    Am Ende einigte man sich auf einen Preis, der dem alten Petronier vernünftig erschien, bei dem er aber noch immer stark übers Ohr gehauen wurde. Andererseits zahlte ja die Civitas die Kosten zumindest teilweise, sodass er einigermaßen zufrieden zum Hafen zurückkehrte, wo Lucius hoffentlich eine Unterkunft klargemacht hatte. Am nächsten Tag würde es dann auf Eseln und Ochsenkarren weitergehen...


    Bild: carolemadge1 auf Flickr

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    Die Reise ab Augusta war weitaus beschwerlicher, denn während die Schifffahrt nur langweilig gewesen war, dann war die Reise auf Karren und Eseln nicht nur langweilig, sondern auch anstrengend. Lucius wurde zwar nicht mehr seekrank, aber sein störrisches Maultier ging ihm mindestens genauso auf die Nerven. Immerhin hatte er in Aventicum ein weiteres erstes Mal erlebt - die Stadt war die größte, die Lucius jemals betreten hatte und selbst wenn der Mauerring hoffnungslos überdimensioniert gewesen war, hatte die 20000-Einwohner-Stadt ihn doch ein wenig beeindruckt. Und sie hatte ihn darin bestätigt: je näher er an Rom kam, desto mehr Zivilisation fand er auch, selbst wenn die Käffer zwischen den großen Städten genauso bäuerlich aussahen wie die Vici in Mogontiacum. Und wenn sie gerade nicht in größeren Städten unterkamen, rasteten sie nachts oft an kleinen Poststationen, die gerade einmal Platz für die wichtigsten Decurionen boten, sodass Lucius mit den Dienern und Wachmännern draußen in Zelten übernachten musste.


    Als sie dann endlich Lacus Lemanus erreichten, war all der Ärger aber für einen Moment vergessen, denn selbst der junge Petronier musste sich eingestehen, dass dieser See bei schönem Wetter eine gewisse Idylle bot: Der Himmel und die Wolken spiegelten sich im Wasser und direkt dahinter ragten stumm die Berge auf. Passenderweise war der Tag, an dem sie den See erreichten, auch der erste Tag mit echtem schönen Wetter und so sah Lucius hier zum ersten Mal die Montes Alpes in ihrer ganzen Pracht. Natürlich versüßte er sich diesen Anblick auch gleich mit ein paar mathematischen Überlegungen - wie konnte man wohl die Höhe dieser Berge berechnen?


    Mit dieser Frage beschäftigte sich der junge Petronier, während die Reisegesellschaft wieder einmal auf Boote verladen wurde, um auf dem Wasser etwas zügiger vorwärts zu kommen. Und so dauerte es auch nicht sehr lange, bis man Geneva, den Vicus der Allobroger erreichte. Dort musste dann Zoll gezahlt werden, denn hier verließ die Gesandtschaft germanischen Boden und wechselte nach Gallia Narbonensis...


    Bild: Schnäggli

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    Auch der Alte genoss den Anblick des Lacus Lemanus, der sich in einem weiten Bogen rund um ein prächtiges Bergmassiv erstreckte. Zuerst galt es aber wieder zu organisieren: In Lausonna mussten die Fuhrknechte bezahlt werden, die nun wieder kehrt machten und die Karren wieder zurück nach Augusta Raurica transportieren würden. Fast war Crispus ein wenig traurig, seinen inzwischen recht zutraulichen Kameraden, einen grauen Wallach, zurücklassen zu müssen. Für Abschiedsschmerz war aber eigentlich ebensowenig Zeit wie für den Anblick der Alpen, denn kaum hatte man das eine Verkehrmittel losbekommen, mussten auch schon Flöße organisiert werden, auf denen die Gesandtschaft den Lacus Lemanus hinunterschippern konnte. Wieder wechselte eine ganze Stange von dem mitgebrachten Kronengold den Besitzer, dann war man endlich wieder unterwegs.


    Nächste Station war dann Geneva, das der alte Petronier sich irgendwie eindrucksvoller vorgestellt hatte: Zwar gab es durchaus einen recht eindrucksvollen Seehafen, aber der Ort selbst wirkte wenig romanisiert, obwohl hier direkt die nächste Verkehrsader abging. Einige Lagerhäuser gab es hier, außerdem eine römische Zollstation mit einigen Beneficarii, denn wer auf dem Rhodanus weiterreiste, musste Zoll zahlen. Und weil die Gesandtschaft genau diesen Weg plante, musste Crispus ebenfalls mit den Soldaten verhandeln. Zuerst versuchte er ihnen klar zu machen, dass er quasi in kaiserlichem Auftrag unterwegs wäre. Leider wollten die Zöllner dafür ein kaiserliches Diploma sehen, das so eine Zollfreiheit bestätigen würde - unter diesen Umständen könnten sie sogar ein paar Boote kostenlos nutzen. Aber natürlich hatten weder Crispus, noch seine Reisegefährten irgendsoetwas. Wieder musste also etwas Gold zurückgelassen werden - langsam begann der Alte sich Sorgen zu machen, dass am Ende der Reise kaum mehr etwas übrig sein würde.


    Am Abend berichtete ihm ein Händler in einer Taverne, dass der Rhodanus noch zweimal die Provinzgrenzen überschritt. Dies wiederum ließ den Alten aufstöhnen - so viel Zoll für ein Geschenk des Kaisers - es war wirklich eine Unverschämtheit! Glücklicherweise erfuhr er aber auch, dass es möglich war, auf der Straße "abzukürzen" und Lugdunum auszulassen. So hatte die Route sich ein klein wenig geändert, als sie am nächsten Morgen die Leinen losmachten und irgendwo hinter Geneva die Provinzgrenze überschritten, die auf dem Wasser überhaupt nicht erkennbar war...


    [SIZE=7]Bild: SnapDoc auf Flickr[/SIZE]

  • Nach dem sauberen und ehrlichen Marsch, mit Karren und Zugtieren, erreichten sie irgendwann auch den Bereich der Alpes Montes, für den die Karte einen See bereithielt. Ein See mit einer riesigen Ausdehnung. Die Wolken zogen gerade beiseite, so dass der Blick auf die ewig hoch schienenden Bergspitzen frei wurden. Ein wahrhaft atemberaubender Anblick, so dass es sogar den Gesprächigsten unter ihnen die Sprache verschlag. Doch jetzt musste erst einmal wieder gewechselt werden. Auf Schiffe, oder zumindest Boote, die eher wie Flöße aussahen. Hoffentlich hatte der Le Man keinen zu heftigen Wellengang, sonst könnten sie alle noch mit ihrer wertvollen und daher unverhältnismäßig schweren Fracht baden gehen. Und das Gerät, um von solch einem großen See verborgene Schätze wieder herauf zuholen, war noch nicht geschaffen.



    Irgendwann hatten sie die - den Göttern sei dank - ruhige Überfahrt, der längs nach, über den Le Man auch geschafft und fanden sich in Geneva wieder, besser gesagt an einem kleinen Häuschen in dem zwei 'römsiche Beamte' standen und Geld eintrieben, von allen Reisenden. Sein Patron hatte dies einen Zoll genannt, den ein Jeder zahlen musste, der diese Grenze überschritt. Wieder nur so ein römischer Blödsinn!
    "Eine unverschämte Dreistigkeit!!!", polterte Haakon los, der es immer noch nicht begriff, nachdem sie die Zöllner einige Schritte hinter sich gelassen hatten. Wenn er sich nicht gerade um Befehle für den Wachtrupp kümmerte, war er selbstverständlich der ständige Schatten seines Patrons, solange dieser ihn nicht irgendwo mit dabei haben wollte.


    "Wenn wir jetzt in jedem Kaff solch eine Stange Geld lassen, werden wir dem Kaiser wohl nur noch leere Truhen vorsetzen können!", machte er seinem Ärger weiter Luft. Und auch Petronius schien nicht allzu glücklich mit diesem Umstand der ständigen Zahlerei zufrieden zu sein und erzählte ihm später noch von seinen Informationen, über eine weitere Straßenpassage, anstatt der zwei Grenzen passierenden Schiffspassage. Ohja, der Fußmarsch lag dem Borchter sowieso mehr, als dieses ständige umhergeschaukel und das eingepfercht sein zwischen zwei hölzernen Zäunen auf einem hölzernen Kahn.
    Und so geschah es, dass sie endlich wieder zu Fuß unterwegs waren, zumindest Haakon, der den Sitz auf einem Pferd sowieso abgelehnt hätte, hätte man ihm einen angeboten. Auf seinen zwei Beinen, auf dem Erdboden, fühlte er sich um einiges sicherer.

  • Nachdem die Gesandtschaft ihren Auftrag erledigt hatte, hatte sie sich auf den Rückweg gemacht, der relativ ereignislos verlief: Im Sinus Ligusticus waren sie zwar wieder einmal in den Griff des eisigen Mistral geraten, der ihr Schiff ein wenig hin- und herschaukeln ließ, sonst war aber alles gut gegangen: Den Hinweg rückwärts aufrollend hatten sie in Massilia ein Boot gemietet - diesmal nur eines, da sie ja kein großes Gepäck mehr bei sich hatten - und waren den Rhodanus bis Geneva hinaufgesegelt. Von dort aus ging es dann wieder auf Maultieren nach Augusta Raurica und dort den Rhenus stromabwärts.


    Die Zeit nutzte der alte Petronier einerseits, um sich nochmals etwas mit seinen Mitgesandten über die vielen Eindrücke in Rom auszutauschen - sie alle hatten ja einiges erlebt - zum anderen, sich über seine eigene Zukunft Gedanken zu machen. Er hatte jetzt wieder einen Patron - wenn auch einen weit entfernten - und würde vielleicht ein wenig Ansehen gewonnen haben durch seine Gesandtschaftsleitung. Vielleicht reichte es sogar, um sich hier oder dort in der Stadt verewigen zu lassen... Oder doch als erster Duumvir in die Geschichte Mogontiacums einzugehen?

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