"Von glorreichen Taten ich euch nun berichte! Und solch einen Anfang nahm die Geschichte..."
An einer belebten Strassenkreuzung des Argiletum, zwischen den Dampfschwaden von "Gaias Garküche" und einem Stand für gebrauchtes Pergament, hatte heute ein kleines Marionettentheater seine Premiere. Grob geschnitzt und buntbemalt waren die Figuren, die Bühne nur eine Kiste hinter der eine Decke aufgespannt war. Dahinter agierten die Künstler: ein hagerer Alter mit spitzem Bärtchen... ein gedrungener Kerl mit großen Pranken, der eher nach Rausschmeißer als nach Marionettist aussah... und eine rassige Rotblonde, deren einst sehr schickes, raffiniert gerafftes, jetzt aber abgeschabtes, vielfach geflicktes und zu einem blassen Grüngrau verblichenes Kleid lebhaft davon sprach, dass sie einmal bessere Zeiten erlebt hatte.
Puppenspiele sind jetzt ganz groß im kommen, hat er gesagt. Die Leute wollen wieder was komisches hat er gesagt..., dachte sie soeben, mit einem scheelen Blick auf den Alten, angesichts eines Publikums, das (bisher) nur aus den lokalen Pennern, Gassengören und räudigen Hunden bestand... und aus dem ein oder anderen, seinen Schritt verlangsamenden Passanten.
Die Leute wollen keine schweren Stoffe hat er gesagt, die wollen sich erholen, die wollen lachen... Tragisch richtete Felicia Scintilla ihre schönen Augen gen Himmel. Ich war Danaë und ich war Iphigenie, ich habe die Elektra gespielt und die Kassandra (und dabei stehende Ovationen bekommen!) - womit, oh ihr Götter womit habe ich es verdient hier in der Gosse spielen zu müssen?!!
Aber von irgendwas mußte Scintilla ja die Miete bezahlen. Die Zimmerwirtin – diese Blutsaugerin, die völlig überteuerte Preise für ihre stickigen kleinen Insulakämmerchen nahm - hatte heute morgen nämlich schon wieder gedroht sie rauszuwerfen wenn sie weiter den Mietzins schuldig blieb. Resolut nahm die abgebrannte Tragödin den Kopf aus den Wolken und ließ ihre Marionette eilig auf die Bühne wuseln: es war ein graues Mäuschen mit kleinen runden Öhrchen und blanken Knopfaugen: Prinz Krumendieb. Verfolgt von einer gefährlichen Wieselpuppe, in den Händen des Alten, hastete der Mäuseprinz über die Bühne.
Und schon waren die Kinder – die abgebrühten Subura-Gören vor der Bühne, denen das Leben auch noch nichts geschenkt hatte – mit Feuereifer dabei, folgten der Geschichte und fieberten mit.
"Schnell, versteck dich hinter dem Stein!" bangte ein rotznäsiger Bengel um Krumendieb. "Beiß dem Wiesel in die Naaaase!" rief ein anderer. Und schon sprang der Funke der Theaterfreude auch wieder auf Scintilla über, und schon war sie wieder versöhnt mit ihrer ärmlichen Umgebung.
"Los! Friss die Maus auf!" johlte ein kleines Mädchen dem Wiesel zu, während sie ausgiebig den grindigen Ausschlag in ihrem Gesicht aufkratzte.
Naja. Fast versöhnt.
Haarscharf nur entkam die Maus dem gefährlichen Jäger, und der Alte hub an zu erzählen:
"Entkommen war mit knapper Not,
ein Mäuslein eben noch dem Tod.
Das Wiesel war nicht schnell genug.
Als die Maus 'nen Haken schlug,
lief der Verfolger geradeaus,
was großes Glück war für die Maus.
Just entkommen der Gefahr,
sie erschöpft und ängstlich war.
Hat deshalb nach rasanter Flucht,
ein sich’res Plätzchen sich gesucht.
Im Uferschilf, am kühlen Strand,
die Maus ein solches schließlich fand."
Holprig war die Übersetzung, und die Kulissen mehr als spärlich. Ein blaues Tuch nur stellte den Teich dar, an dem das Mäuschen sich nun ausruhte.
"Lang hingestreckt, vor Schreck ganz blass,
lag zitternd und noch angstschweißnass
nun sicher, wie im Mutterschoß,
sie im weichen Ufermoos.
Allmählich wich aus ihr der Schrecken.
Wohlig begann sie sich zu strecken,
reckte den Pelz der Sonn‘ entgegen
und wollte sich grad schlafen legen.
Sie dacht‘ bei sich, jetzt froh gesonnen:"
Hier setzte Scintilla ein und ließ das Mäuschen mit spitzem Stimmchen verträumt versprechen:
"Ein neues Leben wird begonnen!
Gleich heute fang‘ ich damit an! -
Oder....morgen..... irgendwann...."