Der Wahlkampf des Pacatus

  • http://imageshack.us/a/img32/1097/r3sh.jpg Eigentlich hatte Pacatus ja vorgesehen, dass sein Sklave Struthas die Wahlparolen pinseln sollte. Aber der kam wie immer hundemüde aus der Tongrube zurück und, was noch wichtiger war, seine Fertigkeiten in der Schreibkunst hatten sich nie über ein kärgliches Niveau erhoben. Also musste Pacatus selbst mit Farbeimer und Pinsel losziehen.


    Daran hatte er damals, als er sich entschlossen hatte, für das Amt des Aedils zu kandidieren, überhaupt nicht gedacht. Dass er jetzt bei Nieselregen und der in Mogontiacum früh hereinbrechenden Nacht durch die Stadt watzen würde und dabei Ausschau nach weißen Wänden halten würde. Dass er sich mit Pinsel und Farbe gegen bröckelnden Putz und abblätternde Wandfarbe abkämpfen würde. Nein, das war schon eine miese Kamelscheiße, die er sich da eingebrockt hatte. Und dann hatte er sich noch vorgenommen, nicht nur eine Wahlparole an die Wände zu schmieren, sondern diese Schriftzüge auch noch mit einem Porträt seiner selbst zu verzieren. Er hatte vorsichtshalber nochmal in einen Spiegel geguckt, bevor er loszog. Aber was er dann im letzten Dämmerlicht zustandebrachte, war nur eine jämmerliche Fratze, manchmal sogar eine Karikatur. Pacatus der Wählerschreck, schoss es ihm durch den Kopf. Als er dann wieder nach Hause ging, musste er allerdings über einige seiner Konterfeis doch ein bißchen grinsen.

  • Nicht nur der Kandidat selbst war unterwegs, um Wahlkampf zu machen. Auch der Patron des Matiniers hatte sich auf die Straße begeben, um bei leicht diesigem Wetter Werbung für seinen Klienten zu machen. Er hatte eine handvoll Männer und einen Karren voll Brot mitgebracht und sich ein Plätzchen auf dem Forum gesucht, wo er die meiste Aufmerksamkeit auf sich lenken konnte.


    Einer seiner Handlanger stellte sich nun breitbeinig auf den Karren und fing an zu brüllen:


    "LEUTE, HÖRT HER! TITUS MATINIUS PACATUS ERBITTET EURE STIMME! TITUS MATINIUS PACATUS, EIN VORTREFFLICHER GESCHÄFTSMANN UND POLITIKER AUS DEM VICUS NAVALIORUM. IHR HABT IHN ZUM MAGISTER VICI GEMACHT, NUN WÄHLT IHN ZUM AEDIL! ZUM AEDIL, HÖRT IHR?"


    Ein paar Leute hielten an und schauten neugierig. "Sind ja nicht schwerhörig", flaxte ein Mann mittleren Alters, der ziemlich weit vorne stand und von dem Ausrufer direkt angeschrien wurde.
    "Gebt Titus Matinius Pacatus eure Stimme", forderte Witjon genau diesen Mann nun auf und reichte ihm einen Laib Brot. "Er wird als Aedil dafür sorgen, dass ihr euren Geschäften ungestört nachgehen könnt. Hier, diese Brotspende lässt er euch zukommen. Titus Matinius Pacatus, Aedil. Gebt ihm eure Stimme." Dass natürlich eigentlich Witjon selbst das Brot finanziert hatte, ließ er getrost unerwähnt. Das konnten sich die meisten Leute wohl selbst denken. Interessieren würde es sie wohl ebenso weniger.


    "EINE BROTSPENDE VOM GROSSZÜGIGEN TITUS MATINIUS PACATUS! HIER! GRATIS! NUR FÜR EUCH! TITUS. MATINIUS. PACATUS. AEDIL!"


    Und so zog sich der Tag hin, während der Ausrufer sich heiser schrie und Witjon händeschüttelnd Menschen von seinem Klienten überzeugte.

  • Pacatus bog eben um die Ecke am Capitolium, als er das Geschrei auf dem Markt hörte. Erst nach einer kurzen Weile wurde ihm klar, dass es da um ihn selbst ging. Bei Plutos Hintern, was war da los? Dann kam er allmählich drauf, dass Marsus den Zirkus veranstaltet hatte, um ihm beim Wahlkampf zu helfen. Er zwängte sich durch den Klumpen Leute, die sich um einen Karren drängelten, um zum Zentrum des Geschreis zu vorzudringen. Dann sah er Marsus. "Danke für die Schützenhilfe, Duccius Marsus!" Schön, wenn man einen solchen Patron hatte.


    "BÜRGER VON MOGONTIACUM! Hier bin ich. Matinius Pacatus selber. Ja, Leute, es ist wieder Wahl. Und ich kandidiere für das Aedilat. WÄHLT MICH! IHR KÖNNT MIR NOCH HEUTE UND MORGEN EURE STIMME GEBEN. GLEICH HIER NEBENAN IN DER BASILIKA!" Er war inzwischen auf den Karren geklettert und richtete sich zu seiner vollen Größe auf, obwohl die nicht besonders beeindruckend war hier in Mogontiacum. Immerhin schaffte er es mit des Karrens Hilfe, bequem über die Köpfe des Publikums hinwegzuschauen.


    "Wirklich, Leute, Ihr tut Euch was Gutes, wenn Ihr mich wählt. Fragt mal einen aus dem Navaliorum. Der wird Euch bestätigen, dass man sich auf mich verlassen kann. Denen hab ich nämlich versprochen, dass ich die mistige Situation an der Uferstraße anpacken werde. Und: die Sache ist inzwischen im Ordo abgesegnet. Im Frühjahr wird es losgehen. Und genau so werde ich auch weitermachen, Leute!"


    "He, nimm den Hals nicht so voll, Römergockel!" schrie jemand von unten. "Komm rauf auf den Karren, wenn Du was Wichtiges zu sagen hast!" rief Pacatus zurück. Aber der traute sich nicht, obwohl ihn einige der Umstehenden nach vorne schubsten.


    "Nee, Leute, der da wird auch noch merken, dass ich kein Politiker bin, der bloß kikeriki und gackgack sagt, sondern einer der auch was tut. Und was steht an für das kommende Aedilat? Ordnung auf den Märkten Mogontiacums! Dafür werde ich sorgen. Vorbei die Zeiten, wo die Töpfer sich um Standplätze auf dem Markt die Köppe einhauen. Das werden wir alles anständig und ordentlich regeln, damit jeder zu seinem Recht kommt. Und das Gesindel, das in letzter Zeit hier in Mogontiacum eingesickert ist und klaut, was das Zeug hält, das schmeißen wir raus!" Pacatus warf einen drohenden Blick auf den Schreihals von vorhin.


    "So, und jetzt geht wählen. GLEICH, NA WIRD'S BALD. AB IN DIE BASILIKA MIT EUCH! UND VERGESST NICHT, MIR EURE STIMME ZU GEBEN!" Er kletterte wieder von dem Karren herunter.


    Dann schlenderte er hinüber zu Marsus: "Bierchen, Patron?"

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