[Templum Apollonis Granni Mogonis] Die Ausbildung des Helvetius Curio

  • Das Kratzen des Stilus auf der Tabula verriet, dass Curio wieder viel mitschreiben musste. Besonders der Vertragscharakter war ihm mit den ausführungen des Aedituus bewusst geworden. Mann konnte nur versprechen, was man hatte, und größere Opfer forderten auch weitere größere Opfer, um einen gewissen Standard zu halten. Auch wurde ihm nochmal bewusst, dass Götter und Menschen bei ihren Opfern auf Augenhöhe standen, also ebenso, wie bei einem normalen Vertragsgeschäft.


    Bei der nächsten Frage dachte Curio nach. Er hatte es bislang noch nicht erlebt, dass es einen Fehler bei einem Opfer gegeben hatte oder ein Opfer gar von einem Gott abgelehnt worden war.


    Na ja, ich habe mal gehört, dass ein Entweder entweder wiedeholt oder ein neues Opfer durchgeführt werden muss, wenn währenddessen ein Fehler passiert.


    antwortete Curio daher recht oberflächlich.

  • Livianus Pythermon


    "Wieder richtig. Man nennt das die Instauratio. Wichtig ist hier die Fehleranalyse, denn die Götter akzeptieren in aller Regel dann ein Opfer nicht, wenn wir einen Fehler gemacht haben. Der kann beim Rahmen liegen - der falsche Ort, die falsche Zeit, die falsche angerufene Gottheit, das falsche Opfer - , am falschen Vollzug - etwa, wenn dem Opfer von den Anwesenden nicht ausreichend Respekt entgegen gebracht wird - oder daran liegen, dass die Gottheit verärgert ist. Je nachdem ist dann direkt zu überlegen, ob man das Opfer sofort wiederholt oder einen neuen Termin festlegt, um die Dinge grundsätzlich zu korrigieren."


    Wieder machte Pythermon eine kurze Pause, um Curio Gelegenheit zum Mitschreiben zu geben. Der Junge schrieb ja schneller als eine Quadriga fuhr!


    "Vielleicht noch eine Anmerkung, wie ein Opfer bei unseren germanischen und keltischen Mit-Municipes ausfällt: Auch sie opfern Gegenstände und Tiere. Ihre Kultorte sind allerdings meist unter freiem Himmel, vornehmlich an Seen, in Hainen und an Bäumen. Eine besondere Rolle für die Gallier spielen dabei Eichen, an der Misteln wachsen. Hier opfern sie ihre Tiere, die dabei ähnlich wie bei uns auch geschmückt werden. Anders als bei uns werden die Tiere dann aber häufig geköpft und ihre Köpfe am Opferplatz auf Stangen gespießt. Eine Alternative, die auch häufig gewählt wird, ist die Versenkung von Opfern in Seen oder Mooren und das Vergraben - etwa auch von Kriegsbeute und ähnlichem."


    Einen Moment schien er überlegen zu müssen, was er noch wollte. Dann fiel es ihm aber offensichtlich wieder ein:


    "Genau, die Gebete. Die Gebetshaltung der Gallier und unsere ist auch ähnlich: Der Opferherr breitet beim Gebet die Handflächen zum Himmel und schließt es mit einer Wendung nach rechts ab. Die Gallier dagegen erheben die ganzen Arme zum Himmel und wenden sich nach links. Oder rechts - da scheint es lokale Unterschiede zu geben. Kannst du übrigens sagen, wie ein Opfergebet bei uns aufgebaut ist? Oder noch besser: Kannst du ein beispielhaftes Opfergebet für Apollo entwerfen?"





    MPC

  • Der Vergleich mit der Quadriga war angemessen. Allerdings ging damit auch das Problem einher, dass Curio in unregelmäßigen Abständen leichte Krämpfe in der Hand hatte und jede Möglichkeit nutzen musste, seine Rechte regelmäßig auszuschütteln und zu lockern. Natürlich ging das nur, wenn er nichts wichtiges zu notieren hatte. So wie jetzt.


    Ich versuche es mal.


    antwortete er daher und dachte einige Augenblicke nach, wie er anfangen sollte. Dann nickte er.


    Zuerst muss ich den Gott ansprechen:
    Oh, Apollo, Gott der Städtegründer und Heilkunst, den die Kelten als Grannus verehren, und der du als Mogon der Namenspatron unserer Stadt bist.


    Curio hatte ja gelernt, dass Grannus und Mogon letztlich nur Erscheinungsformen des Apollo waren, er also letztlich für die Stadt auch am besten mit allen wichtigen Erscheinungsformen angesprochen werden konnte.


    Dann muss ich fortfahren mit den bisherigen Leistungen des jeweiligen Gottes. Bei Apollo zum Beispiel:
    Du beschützt unsere Stadt vor Unheil und Kranheiten und schenktest ihr deine heilenden Quellen, die den vielen Einwohnern zu Gute kommen.


    Kurz hielt Curio inne. Was musste jetzt folgen? Er dachte an das letzte Opfer, das er mitgemacht hatte und versuchte sich die Reihenfolge zu vergegenwärtigen.


    Dann... muss ich... betonen, dass wir die Gottheit verehren:
    Oft haben die Amtsträger, aber auch die einfachen Einwohner dieser Stadt die Opfer gebracht und so ihre Verehrung für dich und deinen Schutz für diese Stadt erklärt. Daher opfern wir dir heute diese Opfergaben dar.


    Jetzt war er wieder im Rhytmus.


    Jetzt kommt die eigentliche Bitte:
    Beschütze auch weiterhin unsere Stadt vor Verbrechern und Feinden, vor Krankheiten und Unheil, damit ihre Einwohner auch weiterhin in Frieden und Wohlstand leben können.


    Dann atmete er einmal durch und blickte nochmal zum Aedituus.


    Und zum Schluss nochmal die Versicherung weiterer Opfer:
    Wenn du dies tust, werden wir dir auch weiterhin Opfer darbringen und unsere Verehrung zeigen.
    Dann wende ich mich nach rechts ab.

  • Livianus Pythermon


    Aufmerksam lauschte der greise Aedituus dem Gebet Curios, das tatsächlich alle wesentlichen Teile enthielt. Trotzdem gab es natürlich auch hier noch Anmerkungen zu machen:


    "Prinzipiell sehr gut, ja. Je nach Anlass müsste man das Gebet aber natürlich etwas anders formulieren, vor allem die Anrede. Wenn du nämlich im Namen unseres Municipium opferst, dann wäre es wohl etwas respektlos gegenüber den gallischen Municipes, wenn du sie separat darstellst - auch die Römer hier nennen Apoll gelegentlich Grannus oder Mogon."


    Als würde er sich selbst bestätigen, nickte er.


    "Nach den Gebeten folgt dann der Vollzug des blutigen Opfers. Auch hier gibt es einiges zu beachten - für uns vor allem beim Einkauf der Opfertiere. Was weißt du dazu?"





    MPC

  • Curios Hand war wieder gelockert, also konnte er auch weiterschreiben. Die Verbesserungsvorschläge des Aedituus nahm er allerdings lediglich zu Kenntnis und notierte sich allerdings die Quintessenz, dass er seine Gebete auch an die jeweiligen Situationen anpassen musste.


    Bei der nächsten Frage musste er nicht lange nachdenken. Einerseits hatte er ja schon ein Opfe mitgemacht und andererseits hatte er den Aedituus auch bereits beim Kauf von Opfergaben und Opfertieren begleitet.


    Bei den Opfertieren ist vor allem auf das Geschlecht des Tieres zu achten. Männliche Gottheiten erhalten auch männliche Tiere, während weibliche Gottheiten auch weibliche Tiere bekommen. Auch sollten die Tiere gesund und nicht in irgendeiner Form missgestaltet sein.


    antwortete Curio auf die Frage. Schließlich hatten sie hier im Apollo-Tempel ausschließlich männliche Tiere geopfert.

  • Livianus Pythermon


    "Für den allgemeinen Gebrauch ist das genug, ja. Bei großen öffentlichen Opfern spielt aber auch die Farbe der Tiere eine wichtige Rolle - himmlische Gottheiten erhalten weiße Tiere, Götter der Unterwelt schwarze und rote für solche Götter, die mit Feuer zu tun haben.


    Weil die meisten Götter aber auf dem Olymp sitzen und nicht in der Unterwelt, gibt es vor der Stadt einen Viehzüchter, der alles in weiß züchtet - er heißt Alrik..."


    gab er noch einen Tipp - obwohl Curio wahrscheinlich sogar schon einmal dort gewesen war.


    "Dann noch zum Ende des Opfers: Was passiert da noch?"





    MPC

  • Auch die Regel zur Farbe der Opfertiere landete auf der Tabula des Discipulus. Weiße Tiere waren also von einem Stammhändler zu erwerben, dem Viehhändler Alrik, den Curio dann wohl vor seinem Einführungsopfer auch mal aufsuchen müsste. Diese Gelegenheit würde er nutzen, um sich bei ihm vorzustellen, damit Alrik das neue Gesicht im Cultus Deorum der Stadt auch zuordnen könnte.


    Nach dem Opfergebet wird das Opfertier durch Opferhelfer getötet. Danach werden ihm die Eingeweide entnommen, in einer, oder je nach größe des Tieres, in mehreren Paterae gesammelt und dann zu Eingeweideschau gebracht. Denn nur dabei erkennen wir als Priester, ob das Opfer durch den jeweiligen Gott auch angenommen wurde.


    antwortete Curio. Allerdings hatte er selbst noch keine Eingeweideschau durchgeführt und hatte sie nur einmal, nämlich bei dem Opfer des petronischen Pontifex im Tempel des Mercurius und der Rosmerta aus nächster Nähe verfolgen können.

  • Livianus Pythermon


    "Ganz genau. Die Eingeweideschau übernehmen normalerweise die Haruspices oder die Pontifices selbst - das ist also eine Sache, die wir nicht so intensiv beherrschen müssen. Trotzdem solltest du ein paar Mal bei einer Schlachtung zusehen und mit einem Metzger reden, damit du weißt, wie eine gesunde Leber aussieht - normalerweise genügt das ja."


    Differenzierte Zukunftsprognosen waren jedenfalls etwas, was für Aeditui jenseits ihrer Ausbildung lag. So erklärte Pythermon den Vormittag über noch einige Zeit weitere Dinge, die beim Opfern und diversen anderen Ritualen (vor allem zu den Feiertagen) zu beachten waren.





    MPC

  • Livianus Pythermon


    Inzwischen war mehr als ein Jahr ins Land gegangen, seit Curio sich an der Tempelpforte gemeldet hatte, um als Discipulus in den Cultus Deorum einzusteigen. Jeden zweiten Vormittag hatte Livianus Pythermon ihn im Nebenraum des Tempels Wissen vermittelt - teils durch das reine Erzählen, teils mit praktischen Übungen. Neben dem Wissen um Rituale, Zeremonien und die Götterwelt war dabei auch die praktische Verwaltungsarbeit im Zentrum gestanden: Buchführung, wo man welche Opfergaben kaufte, wie man die Kultgeräte in Schuss hielt, den Umgang mit den Opfergaben der Gläubigen und so weiter...


    Doch alles musste irgendwann ein Ende haben und so erwartete der greise Aedituus seinen Schüler heute schon am Morgen im Hof des Tempels.





    MPC

  • Curio erreicht den Tempel am Morgen. Er hatte die letzten zwei Bücher dabei, die er sich aus der Bibliothek des Tempels ausgeliehen hatte, um noch einmal den Stoff zu wiederholen, den er während der Lektionen bei Livianus gelernt hatte. Besonderes Augenmerk lag dabei auf den interkulturellen Praktiken der Kelten und Germanen, denn dabei war er sich teilweise noch unsicher. Als er schnellen Schrittes über den Tempelhof lief, fiel ihm auf, dass es mal wieder Zeit war, zu fegen, was er sich für den Vormittag vornahm. Dann sah er Livianus, der ihn offenbar schon erwartete.


    Salve, Livianus.


    grüßte Curio daher gut gelaunt und war gespannt, was der Aedituus heute für ihn vorbereitet hatte.

  • Livianus Pythermon


    Der Aedituus ging auf Curio zu, als dieser den Tempelhof betrat. Nach Erreichen seines Schülers menite er


    "Da bist du ja, Helvetius! Ich wollte ein bisschen mit dir über deine Ausbildung reden."


    Er machte eine kleine Pause und blickte sich um.


    "Du bist jetzt schon eine ganze Weile bei uns und hast viel gelernt. Du bist immer ein fleißiger Minister gewesen und hast die Dinge gut gelernt, die ich dir erzählt hatte. Und deshalb denke ich, dass es an der Zeit wäre, deine Ausbildung zu beenden. Was meinst du?"





    MPC

  • Curios Herz setzte einen Schlag aus und auf seinem Gesicht zeichnete sich ein freudiges Lächeln ab. Er hatte es jetzt tatsächlich beinahe geschafft!


    Wenn du glaubst, dass es Zeit wird, den nächsten Schritt zu tun, möchte ich nur sagen: Ja, ich bin bereit.


    Mit dem Brustton der Überzeugung hatte er die letzten Worte gesprochen. Ja, er war nach einer langen und intensiven Ausbildung, während der er viel gelernt hatte, bereit, den nächsten Schritt zu tun. Er wollte Aedituus werden und er war auf dem besten Weg, dieses erste Ziel auch zu erreichen.

  • Livianus Pythermon


    "Sehr gut! Es ist üblich, dass die Discipuli, die Aedituus werden möchten, auf eigene Kosten ein Opfer unter den Augen der Pontifices vollziehen. Du solltest also einen Termin ansetzen und sie einladen. Danach müsstest du die Duumviri bitten, dich einzustellen - aber das sollte kein Problem sein, denn dabei hören sie normalerweise auf die Pontifices und außerdem kann ich hier auch in Zukunft ein wenig Hilfe brauchen. Zumal ich ja auch nicht mehr der Jüngste bin!"


    Er lächelte verschmitzt. Nun, da er einen Nachfolger herangebildet hatte, würde er nicht mehr lange den teilweise recht beschwerlichen Job machen müssen. Und er freute sich schon, eines Tages in der Stadt bleiben zu können und von seinen Ersparnissen zu leben...





    MPC

  • Curio nickte. Das typische Einführungsopfer hatte er ja schon herbeigesehnt und jetzt würde es also soweit sein.


    In Ordnung.


    antwortete er daher erstmal, wobei ihm die Nervosität schon anzumerken war.


    Dann werde ich das Opfer für die nächsten Tage ansetzen und die Pontifices einladen. Ich habe gehört, dass kürzlich erst ein Mitglieder der Duccier neu in den Collegium aufgenommen wurde?


    Dass es ein Duccier war, hatte er gehört, wie er aber genau hieß, das war ihm bislang entgangen. Es dürfte aber sicherlich das kleinste Problem sein, das herausfinden zu können. Ansonsten würde jetzt einiges auf ihn zukommen: Er musste einkaufen, das Opfer vorbereiten, weitere Einladungen vorbereiten und so weiter...

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