[Trans Tiberim] Der alte Tempel des Serapis - Auf der Suche nach Hilfe

  • "Aber natürlich!"
    "Folgt uns bitte."
    Die beiden Priester führten die Männer von den Stadtkohorten an der Schmalseite des Tempels vorbei, vorüber an dem Haus, welches die Tempelbibliothek beherbergte, aus dem öffentlich zugänglichen Bereich heraus. Sie kamen an einem Pavillion vorbei, wo eine Handvoll Tempelmusiker gerade am Proben war. Als die Urbaner vorübergingen, geriet der Trommler aus dem Rhythmus, worauf die Musik unharmonisch wurde und schließlich abbrach.
    In einem kunstvoll angelegten Garten, dessen Wandelgänge zur Kontemplation einluden, wenn auch die Oleanderhecken zur Zeit ohne Blüten waren und die Rosenbeete abgedeckt, trafen sie sodann auf eine Gruppe von Jüngern bei der Gartenarbeit. Benivolus rief sie zusammen.
    "Wo ist der Serapio, der vorhin Besuch bekam?" fragte der Priester streng. Die jungen Männer sahen sich gegenseitig an, einen Augenblick schien es als ob sie einen der ihren nicht verpetzen wollten, schließlich meinte einer, mit einem Seitenblick auf einen verloren an einen Baum gelehnten Rechen: "Er ist mit dem Besucher weggegangen, und seitdem nicht wiedergekommen."
    "Lasst die Arbeit liegen und geht die beiden suchen. Sagt ihnen, dass ich sie auf der Stelle hier sprechen will!" befahl Benivolus.
    "Geht immer zu zweit." fügte Perspiciens hinzu. "Und gebt acht, der Besucher kam wohl mit unlauteren Absichten hierher."
    Die Initiaten schwärmten aus und suchten. Und suchten. Doch sie fanden weder den Orientalen noch Serapio. So kehrten sie unverrichteter Dinge zurück und erstatteten Bericht.
    "Wie vom Erdboden verschluckt?!" grummelte Benivolus. "Unerhört!"

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • "Danke", kommentierte Avianus nur schlicht und winkte seine drei Begleiter hinter sich her, während er den beiden Priestern folgte.
    Sie wurden offenbar quer durch den Komplex geführt, und kaum einer der Gläubigen, an welchen sie vorübergingen, musterte sie nicht eindringlich. Denn so gelassen und schweigend der Optio auch hinter den beiden Priestern hermarschierte, in Soldatenaufmachung waren er und die drei Soldaten alles andere als unauffällig. Dennoch, wenn die Urbaner schon nicht mit offenen Armen begrüßt wurden, so erhielten sie zumindest Hilfe.
    Doch scheinbar hatte der Dieb gemeinsam mit dem Initianden bereits das Weite gesucht, und selbst das Abwarten bis die anderen jungen Initianden von ihrer Suche zurückkehrten, half nicht. Die beiden Männer waren unauffindbar und das Glück heute wohl absolut nicht auf ihrer Seite. Vielleicht sollte er die Suche einfach abblasen und in die Castra zurückkehren. Auf den Straßen Roms starben ständig irgendwelche Peregrini und Diebe trieben sich in den Gassen ebenfalls zu tausenden herum... doch das der Mord etwas mit Torquata zu tun haben könnte, ließ ihm keine Ruhe.
    "Um wen handelt es sich bei diesem Serapio?", fragte er deshalb nach dem nächstbesten Anhaltspunkt, der sich ihm bot. "Weiß jemand, wohin die beiden geflohen sein könnten?"

  • Zugegeben, kooperativ waren die Priester ja, zumindest gaben sie sich den Anschein. Trotzdem traute Antias ihnen nicht über den Weg. Die Waffen ablegen! Weil diese weißhaarigen Vögel es für angebracht hielten! Er konnte es noch immer nicht fassen. Seit wann entschieden präsenile Tempeldiener darüber, was bei Nachforschungen der Urbaniciani angebracht war? Nur äußerst widerwillig hatte er dem Beispiel des Optios folgend seine Waffen – mit Ausnahme des Pugio – in die Obhut der Milites gegeben und war Avianus misstrauisch hinterher gestapft. Die verzweigte Weitläufigkeit der Tempelanlage hatte seinen Argwohn nicht minder verstärkt als die Erkenntnis, dass die Priester ihren Laden ganz offenbar nicht im Griff hatten. Zu gerne hätte er die alten Wichtigtuer gefragt, ob sie es denn für angebracht hielten, ihre Initianden kommen und gehen zu lassen, wie es denen gerade passte. Die Befragung allerdings oblag dem Optio, und das war wohl auch ganz gut so. Ohnehin belegte bereits die Abwesenheit dieses speziellen Initianden, dass die Urbaner der richtigen Fährte gefolgt waren. Nur nütze ihnen das momentan herzlich wenig. Gesetzt den Fall, jener Serapio blieb verschollen, was hätten sie dann noch in den Händen? Keine Tabula, keinen Dieb, keinen mutmaßlichen Komplizen, nichts als eine Beschreibung und einen mehr oder minder begründeten Verdacht. Verdammt! „Vielleicht sollten wir lieber selbst nach ihm suchen.“ knurrte er Hispo leise zu, erntete jedoch nur ein unmotiviertes Achselzucken. Stattdessen nahm Sulca unerwartet den Vorschlag auf. „Wenn er nicht sogar einer von denen ist, die angeblich nach ihm suchen. Die Priester sollte man sich mal richtig vornehmen.“ Natürlich, Logik nach Art der Cluvier, dachte sich Antias missmutig, wenn das Wild nicht zu fassen war, erlegte man eben den Hofhund. Wie auch immer, letztlich hatte Avianus zu entscheiden, wie und ob sie weiter vorgehen würden, und der schien sich vorerst noch auf die Kunst der höflichen Nachfrage zu verlassen. Allerdings, sollten die Priester Avianus’ Frage nach der Person des verschwundenen Serapio nicht erschöpfend beantworten, wäre auch Antias durchaus bereit gewesen, ihnen etwas unsanfter auf die Füße zu treten. Die Waffen ablegen! Es ging ihm einfach nicht runter.

  • "Optio" widersprach der Priester Perspiciens nun nicht mehr ganz so verbindlich, und wiegte bedächtig das kahle Haupt, "unser junger Initiand" – (jeder unterhalb des vierzigsten Lebenjahres war ein "junger Mann" für den alten Priester) – "ist gerade nicht zu finden, ja, und das gibt durchaus Anlass zur Sorge, doch ich glaube kaum dass daraus zu schließen ist, er sei mit einem Leichenflederer zusammen geflohen."
    Sein Kollege schien den Gedanken weniger abwegig zu finden. "Naja..."
    "Der junge Mann ist seit dem letzten Frühjahr hier bei uns. Er war krank, und fand bei uns Heilung, durch den Segen Serapis'. Darauf entschied er sich zu bleiben. Er strebt die Einweihung in die Reihen der Mysten an, und er spielt oft die Syrinx bei den Riten zu Ehren des Ewigen." berichtete Perspiciens frei heraus. Aus dem Kreis der Umstehenden winkte den Tempelmusiker herbei, der zuvor die Trommel geschlagen hatte. "Castus, tritt näher. Du kennst Serapio doch besser, vielleicht kannst du dem Optio helfen."


    Der Musiker war ein Mann von mittleren Jahren, dessen braunes Haar geschoren war (wie bei vielen der Anwesenden) bis auf eine einzelne Locke. Er hatte ein freundliches Gesicht mit vielen Lachfältchen, und war großgewachsen, doch durch seine nachlässige Haltung fiel es kaum auf.
    Er räusperte sich. "Ja...?" Ausgesprochen unruhig wirkte er dort, angesichts all dieser vierschrötigen Ordnungshüter (von denen manche noch dazu so unheilvoll miteinander zu tuscheln begonnen hatten) und inmitten der ganzen Versammlung, deren Augen nun alle auf ihn gerichtet waren.

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Avianus entging es nicht, wie seine Leute langsam unruhig wurden, ohne einen Befehl seinerseits würde es aber bei Getuschel und gereizten Blicken bleiben. Gleichzeitig bemerkte er allerdings, wie sich auch sein Geduldsfaden langsam spannte, als der Priester ihm keine klare Antwort bot, sondern lediglich einen weiteren Kollegen zu ihnen winkte. Wenn das so weiterging, wären sie morgen noch hier. Die Priester hatten wahrscheinlich alle Zeit der Welt, die Urbaner dagegen nicht. Je länger sie hier festsaßen, desto größer wurde der Vorsprung des Diebes mit der Tabula.
    "Mir ist egal warum er bei euch ist, und mindestens so egal ist mir, welches Instrument er spielt. Ich will nur den verdammten Dieb fassen, also sagt mir, wo ich den Mann finden kann …", bemerkte er trocken, "… oder ich lasse meine Leute hier nach ihm suchen."
    Oder sie könnten ihm sagen, was er ohnehin bereits vermutete: Dass sie keine Ahnung hatten, wo dieser Serapio war oder sein könnte. Dann könnte er sich wenigstens nach anderen Lösungen umsehen oder seine eigenen Leute von der Leine lassen, dass sie sich im Tempel umsahen. Soweit würde es nämlich kommen, wenn das Gespräch mit den alten Priestern keine Früchte trug.
    Skeptisch musterte er nun also den eben zu ihnen getretenen Priester und wartete ab, was dieser dazu zu sagen hatte.

  • "Was erwartest du, Optio?" antwortete der Priester Perpiciens, mittlerweile sichtlich indigniert angesichts des schlechten Benehmens der jungen Stadtsoldaten. "Ich weiß es nicht. Wir versuchen doch, dir zu helfen. Aber willst du etwa andeuten wir würden hier einen Dieb vor euch verstecken?!"
    "Das ist doch die Höhe!" polterte der alte Benivolus, der es mittlerweile bedauerte, den Urbanern überhaupt von dem dubiosen Besucher berichtet zu haben.
    "Dass einer unserer Initianden mit dem Mann gesprochen hat, das wird dich wohl kaum dazu berechtigen deine Männer durch diesen geweihten Ort stöbern zu lassen."
    Der Tempel war sakrosankt, und was die Bereiche der Mysterienhandlungen anging so war der Zutritt den Eingeweihten vorbehalten. Doch selbst durch die gewöhnlichen Wohn- und Wirtschaftsbereiche wollten die Priester natürlich keine Horde von Urbanern trampeln lassen. Was das wieder für Unruhe hier hereinbrächte! Für Gerede schaffen würde! Ganz zu schweigen davon, dass die Stadtsoldaten den Ruf genossen, bei solchen Gelegenheiten gerne mal kostbare Dinge zu "beschlagnahmen", die dann nie wieder gesehen wurden...


    "Vielleicht ist Serapio bloß laufen gegangen, und kommt gleich wieder." warf einer der Jünger ein. "Er geht manchmal am Clivus Cinnae laufen."
    "Aber nicht während wir hier noch zu tun haben" wiedersprach ihm ein anderer.
    "Nein..." meldete sich höchst unbehaglich der Musiker Castus zu Wort, "das ist es nicht. Vorhin, ähm, da... meinte er... also, er kam zu mir und... sagte mir, er müsse für einige Tage fort."

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Antias konnte nicht umhin, die Priester insgeheim um ihre einfältige Rechtschaffenheit zu beneiden. Für sie stellten sich die Dinge angenehm simpel dar. Wer sich einmal für ein Leben in ihrem verwinkelten Sakralbau entschieden hatte – den sie obendrein als rechtsfreien Raum zu betrachten schienen – war damit automatisch über alle Anfechtungen erhaben. So einfach konnte die Welt sein, wenn man sich durch dicke Mauern vor ihren Widrigkeiten zu schützen wusste. Wie lange war jener Initiand nun schon im Tempel? Seit dem Frühjahr, ein paar Monate also. Keine all zu lange Zeit. Dennoch glaubten die Priester ihren Schützling gut genug zu kennen, um ihn von jedwedem Verdacht freisprechen zu können, gerade sie, die offenbar nicht einmal über das Kommen und Gehen der Tempelbewohner informiert wurden.


    Nicht bei den Priestern hatte sich der Verschwundene also abgemeldet, sondern bei seinem Glaubensbruder. Für Antias sagte dieser Umstand bereits alles über den tatsächlichen Wissensstand der naiven alten Faserbärte aus. Sollte der Optio ruhig versuchen, aus den Priestern oder den Umstehenden weitere Informationen heraus zu ktzeln, der war gut in sowas. Antias hätte diese Geduld kaum aufbringen können, zumal es ihm ohnehin nicht anstand, sich direkt in Avianus’ Befragung zu mischen. Aber vielleicht konnte er dem nicht unsympathisch wirkenden Kerl mit der seltsamen Frisur ein paar Angaben entlocken. Immerhin schien er den gesuchten Initianden als letzter gesprochen zu haben. Ruhig trat er ein paar Schritte näher an den sichtlich nervösen Burschen heran. “Castus, nicht wahr?“ fragte er fast beiläufig. „Wenn sich dieser Serapio dir anzuvertrauen pflegt, scheint ihr ja recht gut befreundet zu sein. Dass er sich bei dir abgemeldet hat, entlastet deinen Freund jedenfalls ungemein.“ Antias ließ seine beruhigenden Worte wirken, lächelte, nickte versonnen vor sich hin. „Sicher geht es da nur um irgendwelche Familienangelegenheiten. Welcher Familie entstammt er nochmal?“

  • Unruhig strich sich Castus seinen Leinenmantel über die Schulter zurecht. Das Dilemma, dem Freund nicht schaden zu wollen, und doch bitte schnellstmöglich diese bedrohlichen Urbaner loszuwerden, stand kaum verholen in seinen offenen Zügen.
    Auf die vertrauliche Ansprache des jungen Soldaten hin, trat eine argwöhnische kleine Falte zwischen seine Brauen. Der Myste hatte ein gutes Gespür für Menschen und Stimmungen, und in seiner rechtschaffenen Einfalt blieb ihm nicht verborgen, welch heftige Arroganz durch die in beruhigendem Tonfall gesprochenen Worte troff. Diesen Serapio solle das ungemein entlasten. Als ob es eine schwere Belastung wäre, mit dem mutmaßlichen Dieb einer Wachstafel gesprochen zu haben.
    Castus zuckte die Schultern.
    "Wir... machen zusammen Musik. Bei den Zeremonien." antwortete er, fürchtend dass diese wackeren Haudegen gleich nicht nur denjenigen, der mit dem mutmaßlichen Dieb gesprochen hatte, sondern darüber hinaus auch noch denjenigen, der mit dem, welcher mit dem mutmaßlichen Dieb gesprochen hatte, musiziert hatte, für höchst verdächtig halten würden.
    Er erwog kurz, zu erklären, dass Serapio ihn gebeten hatte, diese Nachricht an den Priester Anastasius weiterzugeben, wenn dieser zurückkam von seiner Sitzung bei den Kollegen im großen Tempel auf dem Marsfeld, doch bei dem Gedanken dass die Stadtsoldaten dann womöglich auch diesen ehrwürdigen Weisen mit impertinenten Fragen bestürmen würden, verzichtete er darauf.
    "Darüber haben wir uns nie unterhalten. Ich weiß nur, dass er, ähm, Soldat war, früher. Ich glaube nicht, dass er noch Verbindung zur Familie hat."
    Er zögerte. Natürlich war ihm nicht entgangen, wie auffallend verschlossen Serapio war. Doch der war beileibe nicht der einzige in der spirituellen Gemeinschaft, der eine verkorkste Vergangenheit hinter sich gelassen hatte, über die er nicht gerne sprach.
    "Wir in unserer Gemeinschaft streben es an, in der Gegenwärtigkeit des Existierenden bewußt zu sein." bemühte er sich ehrlich, dem Urbaner zu erklären, auch wenn das bestimmt schwer zu begreifen war, für einen Aussenstehenden, der eher mit dem Tauschgeschäft-artigen Wesen der urrömischen Kulte vertraut war.
    "Was war und was sein wird liegen darin, so wie das Samenkorn bereits den Getreidehalm enthält, der nach der Aussaat daraus sprießen wird, genauso wie die Ähre, in der es im Vorjahr geerntet wurde. Der Ewige, die Ewigkeit, offenbart sich uns im Flüchtigen, wenn wir hinzusehen verstehen, und der vergängliche Augenblick im Unendlichen."

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Aha. Die Gegenwärtigkeit des Existierenden. Der vergängliche Augenblick im Unendlichen. Antias bedachte Castus mit einem langen forschenden Blick. Der Bursche schien von alldem wirklich zutiefst durchdrungen zu sein. Was gab es darauf noch zu sagen? Die tieferen Mysterien der Spiritualität waren ihm ebenso wie einst seinem Vater stets fremd geblieben. Er suchte lediglich einen Flüchtigen, nicht die Flüchtigkeit selbst, auch wenn sich in ihr, wie Castus behauptete, die Ewigkeit offenbarte.


    Nun gut, wenigstens wussten sie nun, dass der Initiand einmal Soldat gewesen war. Wunderbar. Da kamen in Roma ja nur noch ein paar Tausend infrage. So war hier wohl kaum voranzukommen. Vielleicht sollten sie es einfach dabei belassen und ein anderes mal wiederkommen, wenn der Abgängige von seiner kurzfristig angetretenen Reise wieder zurück war. Vielleicht wussten die Priester ja tatsächlich nicht viel mehr als sie preisgaben. An Castus’ Worten zumindest zweifelte Antias nicht, denn auch bei den Cohortes zählte kaum, wer man einmal gewesen war, sondern nur, wer man bereit war zu sein. Andererseits fiel es ihm schwer, zu glauben, dass einem Tempelneuling bei seiner Aufnahme nicht wenigstens ein paar Angaben über Person und Vita abverlangt wurden. Gleichviel, sie konnten die Priester schließlich nicht zu einer Auskunft zwingen.


    Nachdenklich trat Antias noch etwas näher zu Castus und zog ihn freundlich einen Schritt beiseite, um das Gespräch ihrer Vorgesetzten nicht zu stören. Leise und ohne jede Spur von Spott oder Feindseligkeit versuchte er nun, seinerseits zu erklären, warum die Urbaniciani so lästig sein mussten. „Ich kann nicht behaupten, viel von dem verstanden zu haben, was du gesagt hast, Castus. Eines allerdings habe ich mittlerweile durchaus verstanden: Unser Auftreten hier hat offensichtlich den Eindruck erweckt als bestünde der Verdacht, dein Freund habe etwas unrechtes getan. So ist es nicht. Wir wollten ihm ein paar Fragen stellen, das ist alles. Nur ist er eben überraschend verschwunden, unmittelbar nachdem er diesen Dieb empfangen hat. Kann Zufall sein, verdächtig ist es aber allemal, das musst du doch zugeben.“ Musste Castus natürlich keineswegs. Er selbst hätte sich ebenso geweigert, das Offensichtliche zu sehen, wäre es um Hispo oder Fimbria gegangen.


    Resigniert wagte Antias einen letzten Versuch, griff nach einem Zipfel seines blutbefleckten Mantels und hielt ihn hoch. „Siehst du das? Das ist das Blut eines einfachen Händlers, der an seinem Marktstand abgestochen wurde wie eine Sau. Am helllichten Tag. Ohne ersichtlichen Grund. Dein Freund hat damit gewiss nichts zu tun. Wahrscheinlich hat auch der Dieb mit dem Mord selbst nichts zu tun, aber er hat etwas mitgenommen, was diese Tat erklären könnte. So wie ihr nach dem Ewigen im Flüchtigen sucht, suchen wir die Wahrheit. Also denk bitte noch einmal nach, ob dir zu Serapio noch irgend etwas einfällt. Wir wollen ihm nichts Böses, wir brauchen schlicht seine Hilfe.“

  • "Ich will gar nichts andeuten. Ich will nur wissen wo der Dieb ist, und wenn ihr mir nichts über ihn erzählen könnt, dann sagt mir zumindest wo ich den Mann finde, der es womöglich kann. Und wenn wir keine Hilfe erhalten, vollkommen egal weshalb, ist es wohl selbstverständlich, dass wir unsere Untersuchungen auf eigene Faust fortsetzen …", entgegnete Avianus ungerührt und nahm im Augenwinkel wahr, wie sich einer seiner Milites an den Musiker wandte. Beinahe stahl sich ein Lächeln in seine Züge. Liebend gern würde er den Germanicus machen lassen, denn die Priester schienen mehr lästig als eine Hilfe zu sein. Und solange er mit den alten Männern diskutierte, könnte Antias sich in Ruhe mit dem Musiker unterhalten. Mit skeptischem Blick konzentrierte er sich also wieder auf das Gespräch mit den Priestern, wenn er es inzwischen auch als außerordentlich zermürbend und sinnlos empfand. Sollte der Germanicus derweil etwas nützliches herausfinden, was es das wert.
    "… ich sehe nämlich keinen Grund, weshalb ich dazu nicht berechtigt sein sollte. Ein Dieb ist hierher geflohen, also werde ich hier nach ihm suchen" Mit einem Ohr lauschte er zwischenzeitlich der Unterhaltung zwischen Antias und Castus, wobei er lediglich Bruchstücke aufschnappte. Jedenfalls war der Germanicus noch am reden, weshalb auch er fortsetzte:
    "Und bestimmt wollt ihr doch auch, dass dieser Dieb gefasst wird. Oder wollt ihr etwa, dass es sich rumspricht, dass dieser Ort für Diebe und andere Kleinkriminelle perfekt geeignet ist, um unterzutauchen? Dann werden wir in Zukunft nämlich noch viel öfter vorbeikommen. Wollt ihr mir etwa sagen, dass ihr von eurem Initianden nicht mehr wisst, als seinen Namen?"

  • Zitat

    Original von Titus Germanicus Antias


    "Entschuldige bitte, aber... in einem Atemzug sagst du, es bestünde kein Verdacht gegen ihn, und im nächsten dann, er sei 'allemal verdächtig'?" erwiderte der Musiker, wenig überzeugt.
    "Dass er weg mußte, das kann tausend Gründe haben. Es gibt tausend zufällige Gründe."
    Beim Anblick des Blutes aber, und bei der drastischen Schilderung, wurde der sanftmütige Myste ganz blass. Jetzt erst verstand er, warum die Soldaten so verbissen auch die kleinste Spur verfolgten.
    "Nein, gewiss nicht." bekräftigte er erschüttert die Worte. "Und Serapio wird natürlich auch wollen dass ihr diese schlimme Tat aufklären könnt, und die Wahrheit herausfindet, da bin ich mir ganz sicher! Ich verspreche dir, sobald er zurückkommt, schnappe ich ihn mir und erkläre ihm alles, und dann kommen wir gemeinsam zu euch, damit ihr endlich mit ihm sprechen könnt. Wie heißt du, und wo finden wir dich?"
    Tatsächlich überlegte Castus, forschte in seiner Erinnerung, doch sein Mitbruder in spe hatte sich stets ausgesprochen bedeckt gehalten. Im Nachhinein, so mußte Castus sich insgeheim eingestehen, vielleicht... schon... ein bisschen sehr... auffällig... bedeckt. Und dann war da natürlich die Sache mit der Prügelei... Castus war ehrlich bestürzt gewesen über diesen plötzlichen Ausbruch roher Gewalt direkt vor dem Tempel.
    Er starrte auf den blutbefleckten Mantel.
    "Ich weiß nur von einem Bekannten von ihm. Ein Soldat, der ihn hier aufgesucht hat. Aber nicht in Rüstung, nur mit dem Mantel, und dem..." Castus deutete auf das Cingulum militare des Urbaners. "... Klimpergürtel. Sie hatten eine... ähm... Auseinandersetzung, dann haben sie lange miteinander gesprochen. Licinus war sein Name." Dass das den Urbanern nicht viel weiterhelfen würde war auch Castus klar. Hilflos zuckte er die Schultern. "Ach, und beim Pegasustheater, da kennt er, glaube ich, einen der Schauspieler. Ich weiß es aber nur aus seiner Erzählung. Er, also Serapio, meint, die Tarpeia, die sie dort proben, würde, ähm, ganz furios, und wir müssten unbedingt alle in die Premiere gehen."
    Castus jedoch fand Tragödien - mit all dem künstlichen Ach und Weh, Morden und schlechtmöglichsten Wendungen - nur schwer erträglich und hatte sich diesem Ansinnen sacht entzogen.


    Zitat

    Original von Aulus Iunius Avianus


    Dieses war der Augenblick, in dem den beiden alten Priestern, welche anfangs noch hilfsbereits gewesen waren, die Gesichter entgleisten. Sie 'machten zu'.
    "Wenn wir den Dieb hier verstecken würden, dann hätten wir euch sicher nicht auf die Nase gebunden dass er hier war!" schnaubte der alte Benivolus voll Geringschätzung. "Und wenn wir wüßten wo dieser nichtsnutzige Initiand sich herumtreibt, hätten wir es dir längst gesagt! Geh, Optio Iunius Avianus. Nimm deine Leute und geh. Solltest du wirklich deine Zeit damit vergeuden wollen, die Ruhe dieser gesegneten Stätte weiter zu stören, durch sinnloses Herumgestöber, dann geh doch zum Quindecemvir sacris faciundi und hole dir eine Genehmigung dazu – falls er dir eine ausstellt! Denn dieser Herr weiß um die segensreiche Arbeit, die wir hier verrichten!! Er kennt unsere Verdienste, und wird deinen unverschämten, deinen haltlosen Unterstellungen keinen Glauben schenken!! Und beschweren werden wir uns über dich! Eine saftige Beschwerde! Bei deinen Vorgesetzten!"
    "Wir werden dir bescheid geben, sobald unser Initiand zurückkehrt." sprach Perspiciens frostig, "Das ist alles was wir für dich tun können. Vale Optio."
    "Eine gesalzene Beschwerde gibt das. Wir, kriminell! Hat man da noch Töne?! Bodenlose Unverschämtheit! Eine mit allen Wassern gewaschene Beschwerde...."

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Schweigend hörte sich Antias Castus’ Ausführungen an. Licinius, ein Soldat in Halbzivil, der Serapio besucht und mit ihm gestritten hatte. Ein befreundeter Schauspieler vom Pegasustheater, wo Serapio offenbar einigen Proben beigewohnt hatte. Das war doch schon was. Nachdem Castus’ Redefluss verebbt war, starrte Antias einige Atemzüge lang nachdenklich in’s Leere. War es das wirklich? Oder führte sie das alles nur immer weiter fort von der mysteriösen Tabula, dem Kern ihres Interesses? Nun gut, immerhin bestand die Möglichkeit, Serapio in besagtem Theater anzutreffen. Ob die restlichen Informationen verwertbar waren? Eher unwahrscheinlich. Trotzdem hatte der kahle Myste seinen guten Willen unter Beweis gestellt und mehr konnte man wohl nicht von ihm erwarten.


    „Das hilft uns sicher weiter, Castus.“ lächelte Antias den Musiker freundlich an. „Danke.“ Es war nicht zu übersehen, dass Castus vom Anblick der getrockneten Blutflecken weit erschütterter war als Antias beabsichtig hatte. Das tat ihm zwar ein wenig leid, aber dafür würde er den sympathischen Burschen nun endgültig in Ruhe lassen. Nur eines noch: „Wenn dein Freund wiederkommt, dann sag ihm, dass wir mit ihm sprechen möchten. Mein Name ist Germanicus Antias, aber wenn er sich bei uns in der Castra Praetoria melden sollte, was nur zu seinem Vorteil wäre, soll er nach Optio Iunius Avianus fragen. Nochmals, danke.“


    Mehr hätte er ohnehin nicht mehr sagen können, weil die Priester mittlerweile lautstark zum Angriff übergegangen waren. Der Optio hatte es wirklich nicht leicht. Amüsiert lauschend trat Antias zurück in’s Glied, wo Sulca bereits unheilverkündend mit den Zähnen knirschte. „Beschwerden, Beschwerden..“ zischte der Cluvier bedrohlich leise. „Jetzt langt’s aber. Wenn die Säcke sich beschweren wollen, geb’ ich ihnen liebend gern einen Grund dafür.“

  • Der bisher recht wortkarge alte Sack war mit einem Mal zum Angriff übergegangen, dass einem fast schon die Kinnlade hätte runterklappen können. Der Iunius hingegen nahm den Schwall an Androhungen des Priesters gefasst und brütete lediglich innerlich vor sich hin. Hier wollte er es sich nicht leisten, dem alten Priester im selben Ton eine Antwort an vor den Kopf zu werfen oder gar ausfallend zu werden, nur damit es am Ende wirklich einen Grund für eine Beschwerde gäbe.
    "Ach ja? Ich bin schon gespannt, was ihr euch an haltlosen Anschuldigungen einfallen lasst", kommentierte Avianus deshalb nur trocken. Es sah ja fast so aus, als wäre es nach der Meinung des Priesters ein Verbrechen, wenn jemand versuchte seine Arbeit zu machen. Und noch dazu glaubte er offenbar, dass ein Tempel die Priester immun gegen jegliche Gesetze machte und jene, deren Aufgabe es war, diese aufrecht zu erhalten. Wenn dem so wäre bräuchte sich jede Verbrecherorganisation lediglich irgendeinen Tempel aufzustellen. Wäre ja noch schöner. Dass die Priester etwas verbrochen hatten, daran glaubte Avianus definitiv nicht, lediglich dass die Priester verdammt dreist waren, ihm Vorschriften machen zu wollen und sich damit auch noch im Recht sahen. Dabei war er es doch, der ihnen bisher entgegengekommen war. Er hatte seine Leute die Waffen ablegen lassen, bisher davon abgesehen, seine Leute ausschwärmen zu lassen und alles, was ihm dafür geboten wurde, waren ein paar vage Hinweise, ein halber Name und jede Menge Vorwürfe, die zudem noch völlig an den Haaren herbei gezogen waren. Zu befürchten hatte er zwar nichts, ärgerlich war es dennoch.
    "Ich danke. Vale", bemerkte er zum Abschluss halbherzig, an Perspiciens gewandt. Zum alten Benivolus, der da vor sich hin zeterte, hatte er nichts mehr zu sagen.
    "Milites, Tirones, Abmarsch. Wir gehen."
    Blieb nur noch zu hoffen, dass der Germanicus, der ihn bis jetzt noch nie enttäuscht hatte, etwas Nützliches in Erfahrung gebracht hatte. Ansonsten wäre der ganze Ärger auch noch vollkommen umsonst gewesen. Außer Hörweite der Priester wandte er sich deshalb gleich an Antias.
    "Was hat dir dieser Musiker erzählt, Tiro?", fragte er geradeheraus.

  • Befreit schnaufte Antias aus. Der Optio tat das einzig richtige: Er bot dem erbosten Gezeter keinerlei Angriffsfläche und ließ abrücken. Keine Minute zu früh. Diese seltsam müffelnden Nebel hier drin legten sich bereits wie ein Stahlring um seine Schläfen. Am liebsten hätte er dem exotischen Duftgemisch noch eine zünftige Brise eigener Hervorbringung hinzugefügt. Was waren das hier bloß für Gestalten? Gewiss, Castus war ein patenter Kerl, seine Oberen jedoch stellten für Antias nichts anderes dar als einen blasierten Haufen geifernder alter Stinkmorcheln. Gereizt und erleichtert zugleich marschierten die Soldaten dem Ausgang zu.


    Von Optio Avianus nach seinen Erkenntnissen befragt dachte Antias noch einmal kurz nach und fasste dann zusammen: „Also. Dieser Serapio hat kürzlich Besuch von einem Soldaten in Zivil erhalten, einem gewissen Licinus. Es gab zunächst Streit, der aber bald in ein langes Gespräch gemündet haben soll. Darüber hinaus pflegt Serapio Proben im Pegasustheater zu besuchen. Er kennt dort einen Schauspieler, der an einem Stück namens Tarpeia arbeitet. Demnächst soll da die Premiere stattfinden, von der Serapio bereits geschwärmt hat. Würde mich nicht wundern, ihn bei dieser Uraufführung anzutreffen.“ Dass Antias den Optio als Ansprechperson genannt hatte, erwähnte er nicht extra. Erstens verstand sich das von selbst und zweitens würde der Bursche sich ohnehin nicht die Mühe machen. „Ich glaube, mehr weiß der Musiker wirklich nicht, Optio.“

  • Besser als nichts, dachte Avianus. Vor allem waren die Informationen besser als alles, was ihm die beiden alten Priester geliefert hatten - eine lästige Diskussion. Zumindest hatten sie einen Hinweis, wo dieser Serapio gefunden werden könnte, wenn er auch das Gefühl hatte, der Tabula dennoch kein Stück näher zu kommen. Und selbst wenn sie diese fänden, irgendwann, wer garantierte denn, dass sie ihnen weiterhalf?
    "Gute Arbeit, Tiro Germanicus", meinte er vorerst nur, während er weiter voranging. Genauer konnten er den Germanicus zu dem Gespräch auch unterwegs ausfragen und alles weitere besprechen. Als erstes ging es zurück zu den Soldaten, die mit ihrer Ausrüstung noch am Eingang warteten, und im Anschluss am Besten zur Castra und zum Tribunus Iulius selbst. Vielleicht konnte der wenigstens etwas zu dem Gerede um Torquata sagen.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!