Er schien sich hier ja bestens auszukennen, wenngleich sie ihn hier noch nie gesehen hatte. Anscheinend musste es viele Jahre her sein, dass dieser Herr zum letzten Mal dieses Haus betreten hatte, dachte die Sklavin für sich, war sie doch nun selbst bereits seit mindestens vier Jahren im Besitz der Aurelier. Was mochte ihn wohl nach so langer Zeit hierher geführt haben? War es der Wunsch nach Ruhe und Heimkehr angesichts seines fortgeschrittenen Alters, das man ihm zweifellos ansah ohne ihn jedoch als Greis bezeichnen zu können.
Noch immer staunend und ganz im Gedanken hätte die Sklavin fast seinen Befehl überhört, doch dann nickte sie eifrig und erwiderte schnell: "Ja Herr. Natürlich ...sofort! Wie du wünscht", ehe sie auch schon in Richtung Küche davon eilte um den gewünschten Wein und einige Speisen für ihn zu holen.
~~~ In der Zwischenzeit hatte sich die Ankunft des Aureliers auch bei den übrigen Hausinwohner herum gesprochen (zumindest bei all jenen, die zum Zeitpunkt in der villa weilten) ~~~
Prisca ereilte die Nachricht im balneum, wo sie - ausgestreckt auf einer Liege - gerade die Massagekünste einer parthischen Sklavin genoss. Marcus Aurelius Crassus war hier?? Bei dem Namen musste Prisca erst einmal überlegen, woher sie ihn kannte und im Gedanken den Stammbaum durchgehen, ehe sie ungefähr wusste wer das war. Oder besser gesagt wusste sie nur, in welchem Verwandtschaftsverhältnis er zu ihr stand, denn begegnet war sie ihm bislang noch nie. Das muss ein Großonkel von mir sein. Ich hatte ja gar keine Ahnung, dass er überhaupt noch lebt! Was mag ihn wohl hierher führen? Waren die nächsten Gedanken, die Prisca sich stellte während sie sich eiligst von ihrer Sklavin in ihr Hausgewand helfen ließ. Nurnoch schnell die Haare gekämmt und zu einem Knoten zusammengesteckt! Denn viel Zeit blieb ihr nicht, außer, sie hätte den Besucher noch stundenlang warten lassen.
Aber das wäre unhöflich und so gab sich Prisca letztendlich damit zufrieden, dass sie zwar in dieser Aufmachung nicht offiziellen Anlässen entsprechend gekleidet wäre, sie aber für den Empfang eines Familienmitgliedes im eigenen Haus allemal gut genug aussah. Außerdem trieb die Neugier sie ohne hin zu eiligen Schritten an, mit denen sie sich nun dem tablinum näherte.
Doch anstatt mit wallenden Gewändern einfach in den Raum zu "stürmen", versteckte sich Prisca zunächst hinter einer Säule. Sie wollte den vermeintlichen Großonkel nämlich erst aus der Distanz ein wenig "mustern" und sich ein paar Worte der Begrüßung zurecht legen. Aber was tut er denn da? Verwundert beobachtete Prisca, wie er anscheinend gerade das Inventar begutachtete, was ihr wiederum die Gelegenheit gab sich unbemerkt von hinten an ihn heran zu schleichen …
"Sei gegrüßt, Marcus Aurelius Craccus … und willkommen Daheim. Ich freue mich sehr deine Bekanntschaft zu machen. Hattest du eine angenehme Reise? Und haben sich die Sklaven schon um dein leibliches Wohl gekümmert?", begrüßte Prisca schließlich ihren Großonkel und sie versuchte dabei freundlich und vertraut zu klingen, als würden sie sich schon ewig kennen, doch tatsächlich sah sie den Mann heute zum ersten Mal in ihrem Leben.