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Wir waren durch einen Hain knorriger Ölbäume geritten, deren Blätter silbrig schimmerten, und durch einen Buchenwald, in dem das Laub lautstark um die Hufe unserer Pferde geraschelt hatte, wir hatten einen Hügelrücken erklommen, von dem wir den Lacus Albanus wie ein verschattetes Auge in seinem Krater zu uns hinaufspähen gesehen hatten, wir waren über eine Hochweide getrabt, wo die Ziegen das karge Gras rupften, und aus einem Ebereschenbusch, in dem rot die Beeren leuchteten, hatten wir einen riesigen Schwarm von Staren aufgescheucht, die sich mit lautem Rauschen in die Luft geschwungen hatten, so jäh, dass meine gute Quarta mir beinahe durchgegangen wäre.
Als wir aufgebrochen waren, von Seianas Gut, da war der Himmel noch klar und weit gewesen. Nun trieben ausgefranste graue Wolken über die Gipfel der Berge und Nebel stieg aus den Tälern zu uns auf, legte sich weich über das vergilbte Gras, hing wie feine Spinnweben zwischen den Bäumen, dämpfte jeden Laut, das Klappern der Hufe und unsere Stimmen, und legte sich als feiner klammer Film auf mein Gesicht....
Alles mögliche hatte ich meiner Schwester unterwegs erzählt und ihr ebenso aufmerksam gelauscht, denn seitdem sie sich aufs Land zurückgezogen hatte hatten wir uns nicht mehr von Angesicht zu Angesicht getroffen. Es war kostbar, dass wir uns endlich einmal wieder ungestört austauschen konnten, und ich war ungeheuer glücklich darüber, dass meine großzügige große Schwester mir nichts nachtrug.
Von meinem Leben im Tempel hatte ich erzählt, und davon wie das Leben von ausserhalb des Tempels mich dann eben doch immer wieder eingeholt hatte, von meiner "Mission" in Ostia bei der ich Massa begegnet war, von Manius' Erscheinen im Tempel und dem geheimen Treffen, das er arrangiert hatte, von meiner lyrischen Rache an Dives und dem unglaublichen Verdacht dass der Serapistempelbau in Ostia etwas mit mir zu tun haben könnte, davon wie ich meinem verräterischen Ex-Kameraden Licinus "ordentlich eins auf die Nase gegeben hatte", und auch, dass ich "jemand besonderen kennengelernt hatte...", und von der seltsamen Angelegenheit mit dem ermordeten Syrer... und davon, dass Livianus höchstpersönlich zu mir in den Tempel gekommen war (und wie froh ich darüber war!), und zuletzt erzählte ich ihr noch, dass sie mich rausgeworfen hatten.
"...Also... rausgeworfen ist vielleicht etwas hart ausgedrückt. Jedenfalls haben sie es vermieden, das Wort zu benutzen. Sie haben es mir 'nahegelegt, es noch einmal zu überdenken, ob ich bereit bin, langfristig mein Leben in der Kultgemeinschaft zu verbringen...'. Naja." Ich zuckte die Schultern. "Ich kann's schon verstehen, nach dem ganzen Trubel den ich da rein gebracht habe. Und ich bin's nicht. Nicht bereit dazu. Sie haben mir sehr viel Gutes getan, und ich bin ihnen rasend dankbar, diese Zeit hat mir sehr viel Gutes getan, und ich werde den Gott immer ehren, aber ich gehöre eben nicht hinter Tempelmauern."
Meine Talente lagen doch eher ausserhalb. Und meine Wünsche auch. Impulsiv strich ich meiner Apfelschimmelstute über das seidige grauweiß schattierte Winterfell, klopfte ihr den Hals. "Wie ich allein schon Tertia und Quarta vermisst habe!! Ganz zu schweigen von der Familie. - Die erste Initiation kann ich aber trotzdem erhalten. Auch ohne dass ich der Welt abschwören müsste, das geht auch so. Und dann... werde ich sehen."
Was die Zukunft bringen würde lag in einem Nebel, noch undurchdringlicher als der, der uns hier umgab.
"Hm... Und du? Willst du hier bleiben, mit Silana? Sie ist so großartig, du kannst so unglaublich stolz auf sie sein!"
Natürlich war ich von meiner kleinen Nichte vollkommen hingerissen, und schwor, dass sie das schönste, aufgeweckteste und verständigste Kind war welches die Welt je gesehen hatte – was sie natürlich auch war. Ich hatte ihr einen ganzen Berg von Spielsachen mitgebracht, und ausserdem noch eine tolle Überraschung für sie in Reserve, die ich ihr überreichen wollte wenn wir zurückkamen. Wobei ich mich gerade fragte, in welcher Richtung nochmal der Rückweg lag? Egal, Seiana kannte sich sicher gut aus hier...