Vor der Curia Iulia | Das Warten vertreibt die Zeit

  • Das Beste was man tun konnte, wen man wartete ist nicht daran zu denken worauf man wartete. Die Zeit verging dann viel schneller und war auch nicht vollkommen an die alleinige Absicht des Wartens verschwendet. Das mochte an sich ganz einfach klingen, doch die eigenen Gedanken waren Verräter. Sie wanderten immer und immer wieder zu dem gleichen Thema zurück, wenn man sie nicht konstant beschäftigt hielt.


    „Der Mann dort, er hatte einen Streit mit seiner Frau, den sie ihm noch nicht vergeben hat.“ „Woran erkennst du das Domina?“ Lucia schmunzelte, das Spiel gefiel ihr. Sich Geschichten über die vorbeieilenden Menschen auszudenken war abwechslungsreich und es gab immer neuen Nachschub. „Eine liebende Frau hätte ihn sicher nicht so aus dem Haus gelassen. Sieh dir nur seine Haare an, die stehen hinten ja in alle Richtungen ab!“ „In der Tat und seine Tunika ist fleckig.“ Wenn Lucia das Spiel Freude bereitete, wer war Sekunda ihre Ablenkung zu verderben. Sie glaubte zwar eher, dass der Mann keine andere Tunika hatte und seine Haare konnten allein durch ein einmaliges durchfahren in diese Form gelangen. Aber wie gesagt… „Und der Mann dort drüben?“, fragte sie also scheinbar neugierig nach und wies möglichst unauffällig auf einen quer über den Platz hetzenden Mann. Lucia betrachtete ihn und runzelte nachdenklich die Stirn.

  • Als die Tore der Curia Iulia sich öffneten und die Senatoren, welche sich zum Wahltag versammelt hatten, auf den Vorplatz und das Forum strömten, warteten natürlich nicht wenige Boten und Lauscher auf die Ergebnisse des Wahlgangs. Nicht zuletzt natürlich auf das Ergebnis der Wahl zum Consul, die ja dieses Mal besonders viel Aufmerksamkeit genossen hatte. So verbreitete sich die Nachricht ob des Wahlsiegs des Duccius dann wie ein Lauffeuer, lange bevor dieser hinaustrat.


    Umgeben von einer Traube von Unterstützern, Anhängern (zumeist Provinzielle wie er selbst) und Glückwünschern fand sich der Consul-in-spe dann auch vor der Curia ein und zeigte sich nach wie vor noch ziemlich befangen in der für ihn surrealen Prägung des Moments. Er nahm die Glückwünsche entgegen, gab hier und dort einen nichtssagenden Kommentar zu den Details seiner Pläne ab und ließ sich ansonsten im Strom treiben.
    Erst als er seiner Frau gewahr wurde schlich sich zum ersten Mal am Tag ein echtes Lächeln, nicht das höfliche eines Politikers, sondern das echte Lächeln eines durch und durch erleichterten Menschen auf seine Lippen.
    "Die Herren." , bat er die ihn umgebenden für einen Moment der öffentlichen Zweisamkeit, bevor er sich seiner Frau zuwandte. Natürlich kam etwas derartiges wie überschwängliches umarmen nicht in Frage, immerhin war er bald Consul und kein verliebter Teenager mehr der gerade das Vigintivirat erreicht hatte... es war eine leise, zurückhaltende und doch ausdrucksvolle Geste, als Vala seiner Frau kurz über den Oberarm strich und ihr dabei in die Augen sah: "Geschafft."

  • „Der muss für seine schwangere Herrin Erdbeeren besorgen. Sie hat ihm mit der Peitsch gedroht, wenn er ohne zurückkommt.“ Sekunda schnaubte diesmal tatsächlich beinahe amüsiert. „Dann wird er seine Herrin erst nächstes Jahr wiedersehen!“ Lucia grinste breit.


    Sie hatten noch Zeit sich zu fast jedem Mitwartenden eine Geschichte auszudenken, ehe die Menge unvermittelt in Bewegung geriet. „Die Tore haben sich geöffnet.“, kommentierte Sekunda nach einigen bangen Herzschlägen für ihre Herrin. Diese hatte sich grade so davon abhalten können sich selbst nach den Geschehnissen zu recken. Und? Und?!


    Als Vala dann endlich selbst heraustrat, wartete eine strahlende Lucia auf ihn. Er hatte es tatsächlich geschafft! Trotz des ganzen Gegenwindes hatten sie es geschafft! Das erste, was Lucia empfunden hatte war unendliche Erleichterung und sie war ganz dankbar, dass Vala sie nicht mit diesem Ausdruck angetroffen hatte. Das hätte ihm doch nur zu deutlich die Zweifel gezeigt, die sie gehabt hatte. Jetzt war sie einfach nur noch froh und wartete ungeduldig, dass sich ihr Mann auch endlich mal ihr zuwandte.


    „Ja!“, bestätigte Lucia mit einem freudigen Leuchten in den Augen und musste sich ihrerseits zurückhalten Vala nicht einen Kuss auf die Wange zu drücken. „Ich gratuliere dir!“, beglückwünschte sie ihren Mann von Herzen. Ihre Finger kribbelten, sie wollte ihn so gerne ebenfalls anfassen. Sie wollte der Freude noch irgendwie anders Ausdruck verleihen, als nur durch banale Worte. Aber das ging grade nicht, Lucia reiß dich zusammen!

  • Wenn man davon ausging, dass ihm gerade der höchste Erfolg seiner politischen Karriere im Senat beschieden worden war, sah Vala so rein garnicht nach Feierlaune aus. Er fühlte sich auch nicht danach... es war die sprichwörtliche Ochsentour gewesen, vor der man Neulinge und Aspiraten immer warnte. Alleine deshalb konnte er schon verstehen, wenn sich einige Kandidaten den Wahlkampf vollständig sparten und ihre Stricke offensichtlich zur Gänze hinter den Kulissen zogen.
    Ihm allerdings war von Anfang an klargewesen, dass er sich dasselbe als Homo Novus und Streithahn a.D. nicht leisten konnte... und war dementsprechend in den Sumpf des Wahlkampfs gestiegen. Etwas, wohin ihm seine Frau ohne mit der Wimper zu zucken gefolgt war. Ohne Zweifel: auch die Tiberia profitierte vom Wahlergebnis, dies sogar ungemein. Der Makel der Ehe mit einem Homo Novus aus der Provinz wurde damit wieder wettgemacht, wenn eben dieser Homo Novus es zum höchsten politischen Amt Roms brachte, das noch erreichbar war. Und doch war das selbstverständlich mehr...
    "Danke.", raunte Vala ohne den Blick von ihren Augen zu nehmen und ließ vollkommen im Unklaren, ob er damit jetzt ihre Gratulation oder ihre nicht zu gering zu schätzende Hilfe im Wahlkampf gewesen war. Sein schmales Lächeln war in etwa die einzige Regung, die er sich im Moment zugestand... dabei zerrte alles in ihm zu Boden. Die Anspannung, der Druck, die Sorgen und Hoffnungen... all das hatte ihn gleichsam nach unten gezerrt wie auch aufrecht gehalten. Jetzt war dies weg und man könnte meinen man hätte die Fäden durchschnitten, die ihn in den letzten Wochen hatten stehen lassen.
    "Ich bin, gelinde gesagt, fix und fertig...", flüsterte Vala beinahe und gab seiner Frau damit zumindest mit Worten zu verstehen, was sich in Ausdruck und Haltung nicht zugestand, "..das, was jetzt auf uns zukommt erscheint dabei wie ein Klacks., seufzte er und rang sich schließlich zu einem etwas schelmischeren Lächeln durch, um sich bei aller Müdigkeit zum altgewohnten Schalk durchzukämpfen: "Kneif mich, ich glaub ich bin Konsul."

  • Lucia kam gar nicht auf den Gedanken, dass Vala etwas anderes als ihre Gratulation gemeint haben könnte. Schade eigentlich, sie hätte sich über die Anerkennung ihrer Hilfe ziemlich gefreut, aber vielleicht ja später in einem ruhigeren Moment. Ohnehin glaubte sie nicht grade glücklicher (und auch erleichterter) sein zu können. Ihre Gedanken folgten einem ganz ähnlichen Pfad wie Valas, jetzt schien die Heirat nicht mehr ganz so unter ihrem Stand. Jetzt würde Lepidus vielleicht wieder mit ihr reden. Aber das Beste an allem: Es war vorbei und sie hatten es tatsächlich geschafft!


    Er war fix und fertig? Er sah nicht so aus, aber wenn er es sagte… Lucia lächelte milde und hätte ihn am liebsten getätschelt. Wieso fehlten ihr in solchen Momenten so häufig die Worte? Sie sprach viel lieber mit Taten! Nein, so ging das nicht weiter! Sie hielt es nicht länger aus! Sie ergriff Valas Hand, während sie ihre andere auf seinen Unterarm legte. Wenn schon nicht umarmen, dann wenigstens das! Kneifen? Ouh, was eine Versuchung. Ein frecher Ausdruck huschte über Lucias Gesicht, aber sie entschied sich mühsam dagegen. Sie tätschelte seine Hand nur ein wenig, während sie freudig zurückflüsterte: „Ja, ich glaube auch, dass du das bist!“

  • Vala konnte nicht verhehlen, dass die plötzliche Nähe der Tiberia ihn überraschte, die ansonsten soviel Wert auf Contenance und den offensichtlich von allen Töchtern aus patrizischem Hause liebevoll gepflegten Stock im Arsch legte. Beklagen würde er sich nicht, er, der er nach weiblicher Wärme und Anerkennung lechzte wie nach kaum etwas anderem in der Welt. So war die Geste, in der ihre Hand nach der seinen Griff, in der Öffentlichkeit in der sie standen wenig mehr als ein Zeichen von dezenter Beglückwünschung, für Vala allerdings war dies weitaus mehr. Natürlich war es nicht so, als könnte man jetzt sagen, dass der designierte Konsul sich Hals über Kopf in seine Ehefrau verknallte hätte... für derlei Gefühle war in Vala derzeit kein Platz. Aber, so sehr er sie in die Ehe hatte zwingen müssen, so sehr er dabei sogar nicht vor dem Einsatz von Gewalt zurückgeschreckt war... so hatte sie sich nach der anfänglichen Eiszeit zu einer Verbündeten von für Vala unschätzbarem Wert entwickelt. Natürlich wusste er, dass er sich in nicht geringem Maße dabei von ihr abhängig machte und die Position der Tiberia in ihrem spannungsgeladenen Duett alles andere als machtlos war... aber noch hatte sie sich offensichtlich mit der Rolle der römischen Idealfrau zufrieden gegeben, die ihrem Mann bei seinem Weg an die Spitze den Rücken stärkte.
    Das Ergebnis war nun: Vala war Konsul. Er. Konsul. Natürlich nur in einer Zeit, in der das Konsul ein Schatten seiner vergangenen Macht war, aber das Prestige des Amts war noch spürbar... und über ihm war nurnoch der Kaiser.


    Das musste er sich irgendwo auf der Zunge zergehen lassen... und vor allem ihr: "Du bist nun die Ehefrau eines Konsuls. Gratuliere.", lächelte er verschmitzt. Vor allem aber ging ihm ein Gedanke durch den Kopf: es ist nicht mehr lang. Seinen Vater, den großen Schatten der Vergangenheit, hatte er schon länger hinter sich gelassen.. seit seiner Berufung zum Senator vor Jahren und dem anschließenden Aedilat. Aber noch war er nicht da, wo es ihn eigentlich hinstrebte... und so ironisch es klingen mochte: das höchste Amt unter dem Kaiser war doch nur Etappe.

  • Commodus war noch in eine Diskussion mit Anhängern von einem Gegenkandidaten von Vala verstrickt gewesen. Deshalb war er etwas spät dran und nicht mehr vor Vala´s Frau an den Consul heran gekommen.


    Er stand nun in angemessenem Abstand und wartete bis Herr und Frau Consul ihren persönlichen Moment beendet hatten um seine Glückwünsche auszusprechen.

  • „Ehefrau eines Konsuls“, wiederholte Lucia Valas Worte leise. Zwar immer noch Ehefrau eines Duccius, eines Homo Novus, eines halben Barbaren. Aber immerhin ein halber Barbar, der es bis an die Spitze der möglichen Karriereleiter gebracht hatte. Lucia sah zu ihrem Mann hoch, musterte sein Gesicht und blinzelte ihm ebenfalls mit einem verschmitzten Lächeln zu. „Das gefällt mir.“ Es war eindeutig besser sich mit „Ich bin Lucia von den Tiberia, Ehefrau des Konsuls Duccius“ vorstellen zu können. Wenn sie an ihre letzte neue Bekanntschaft zurückdachte. Wie diese Aurelia nachgebohrt hatte, nur weil ihr der Name Duccius nichts sagte! Wenn die gleiche Situation jetzt geschehen würde, Lucia glaubte dass sie nur beeindrucktes Schweigen ernten würde.


    Nach diesen kostbaren Sekunden der gemeinsamen Freude befand Lucias Erziehung, dass es genug war. Sie löste sich von Vala, jedoch nicht ohne seine Hand vorher nochmal sanft getätschelt zu haben. „Ich möchte dich nicht weiter davon abhalten deine verdienten Gratulationen entgegen zu nehmen.“, erklärte sie leise und noch immer mit einem breiten Lächeln. Immerhin hatte er sich eben extra für sie von einer Traube von Männern losgeeist.

  • "Ich würde mir Sorgen machen, wenn es das nicht täte..." , schmunzelte Vala und löste sich ebenso von seiner Frau, nicht ohne darauf zu verweisen, dass man sich in Bälde auf den Heimweg machen würde. Immerhin wartete viel Arbeit auf sie... davor aber wollte offenbar sein eigener Tiro ihm noch gratulieren: "Helvetius. Das Warten hat sich offenbar gelohnt... und all die Mühen."

  • "Das will ich meinen Consul Titus Duccius Vala", sprach Commodus es noch einmal laut aus.


    "Der Erfolg hat die Mühen gerechtfertigt will ich meinen und nun gilt es in der nächsten Zeit die Ernte einzufahren. Ich freue mich schon auf deine Amtszeit und bedanke mich jetzt schon einmal für das was ich als dein Tiro lernen durfte."

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