Viel Raum für neue Ideen
[...]Wie ich es bereits erwartet hatte, waren die Straßen zu dieser Stunde vollgepfropft mit Menschen und so bahnten wir uns unseren Weg an vielerlei Leibern vorbei. Viel Zeit, um die Umgebung zu bewundern blieb nicht. Eigentlich handelte es sich um eine ordentliche Gegend. Eine Gegend, in der auch meine Tonstrina ansässig war. Muckel war mir dicht auf den Fersen und wie ich mich immer wieder vergewisserte auch Nelia. Viel Zeit mit Reden vertrödelten wir auf dem Weg nicht, doch während des Ganges wiegte ich die Worte in meinen Gedanken, welche überhaupt der Auslöser gewesen waren, die Sklavin zu erwerben.
“Tonstrina Hispania...Gepflegte Menschen machen die besseren Geschäfte....,“ flüsterte ich verheißungsvoll werbend und ich konnte bereits die Gravur am Ladenschild vor meinem inneren Auge lesen.
“Du kriegst nicht genug davon, oder?“, raunte Muckel vorwurfsvoll zurück, doch ich lächelte nur wissend.
Wir waren stehen geblieben, denn dies war in etwa die Adresse, die ich mir noch daheim eingeprägt hatte. Hübsche Geschäfte. Ein Stoffhändler, eine kleine Garküche, ein Bäcker und ein Kunstschmied. Gute Gesellschaft für meinen eigenen Laden. Doch wo war er? Ich schaute mich mit zusammen gekniffenen und leicht mit der Hand beschirmten Augen um. Man hatte sich viel Mühe geben, die Geschäftslokale adrett zu gestalten. Hier und da standen neben einiger gut sortierter Auslegeware sogar Pflanzen vor den Türen. Geschmiedete Schilder wiesen auf die Besitzer hin und luftige, bunte und zur Seite geraffte Vorhänge luden dazu ein einzutreten. Inmitten dieser pittoresken Verkaufsräume musste meine Tonstrina sein, doch ich entdeckte sie nicht. Nur ein verlottertes, kahles Tor, das mit einem grauen, zerschlissenen Stoff, der entfernt an Getreidesäcke erinnerte, verhängt war. Kein Schild, keine Pflanze, kein einladendes Bild. Viel eher mutete dieses Geschäft - sofern es denn eines war – an wie ein verottender Zahn, mitten in einem prächtigen Gebiss.
“Denen sollte mal einer sagen, dass die gepflegten Geschäfte hier die besseren Geschäfte machen,“ murmelte Muckel in Richtung Nelia und ich neigte mein Haupt ein wenig in die Schräge.
Mir schwante etwas Grauenhaftes, während ich leise “Iuno...,“ sagte und ein paar tapsige Schritte auf den Laden zu machte. Ich staunte noch mit offenem Mund, als der Vorhang zur Seite gerissen wurde und ein schimpfender Mann heraus stürzte, der sich unbeholfen ein Tuch gegen die Wange presste. “Ein verfluchter Gladiator!“, motzte er mich, als ersten Menschen der ihm auf der Straße begegnete, an. Zornig pfefferte er auch sogleich das Tuch auf den Boden, sodass eine unschöne Schnittwunde in seinem Gesicht sichtbar wurde. “Geh' dort nicht rein! Das sind Halsabschneider in doppelter Hinsicht!“ Er fuhr zu dem Gebäude herum und wetterte gegen das Mauerwerk weiter. “Ich werde euch verklagen! VERKLAGEN sag' ich!“ Und mit geballten Fäusten stapfte er davon.
Ich näherte mich dem kleinen, verstaubten Schildchen, welches bei noch näherer Betrachtung neben dem Eingang angebracht war und meine Augen weiteten sich. “Tonstrina Hispania...,“ las ich angestrengt und fuhr dann zu Muckel und Nelia herum. “Tonstrina Hispania!“, sagte ich nun fassungslos laut und wischte mit der Hand über die Wange.
“Bist du dir sicher?“, wollte Muckel wissen und als ich nickte, fragte mein Sklave nun Nelia. “Ist er sich sicher?“
“JA!“, entfuhr es mir und ich ging zu meinen beiden Sklaven zurück, um noch einmal mit ein wenig Abstand auf die schlimmste all meiner Befürchtungen zu blicken.