Die Nachrichtenübergabe

  • Es war kalt im Zimmer, denn es war Nacht und noch dazu Winter, was Hungi mit Bedauern bemerkte, da es ihn etwas fröstelte und er sich gerade wieder nach der Wärme seines Bettes sehnte. Sein Leibsklave war wie der Blitz vorausgeeilt und war gerade dabei, die zweite Lampe zu entzünden, als die beiden eintrafen. Der murmelte sogar noch etwas vom Kohlebecken, was er auch gleich holen wollte, doch Hungi hörte ihm nicht wirklich zu. Na wenigstens hatten sie Licht.


    Also gut, Duccius. Was ist los? Was ist passiert?

  • Witjon folgte gähnend. Er war auch nicht gerade begeistert über die Umstände dieser Nachrichtenübergabe. Jedoch genügte die aktuelle Dosis Adrenalin in seinem Körper um ihn von äußeren Einflüssen abzulenken, die nichts mit Valas Brief zu tun hatten.


    "Ich, äh... am besten lese ich dir einfach... ich übersetze dir den Brief", verkündete Witjon, sammelte sich einen Augenblick, holte Luft und begann den Inhalt des Briefes vorzutragen: "Mein Patron... ich schreibe dir mit schlimmer Kunde. Der Princeps ist heute... unerwartet gestorben und wie du weißt, hat er keinen richtigen Erben." Hier konnte Witjon nicht anders als eine Pause zu machen, bevor er weiterlas. "Ich arbeite an, äh... der Schließung Roms, so dass du der erste bist, der die, äh... üble Nachricht bekommt. Du weißt, was das heißt. Deine Familie ist sehr angesehen im Reich und in Rom und du hast, hm, tausende Bewaffnete unter dir. Das..."
    Jetzt sah Witjon den Vinicius an und sprach weiter, mit ernstem Blick und nicht ganz so drängendem Tonfall, wie die folgenden Worte es vermuten ließen.
    "Das kann deine Stunde sein! Du musst nur zugreifen! Tu es! Lass mich wissen, was du denkst. Ich kann deine Ankunft vorbereiten. Das ist DIE Möglichkeit für die Vinicii. Und für dich. Aus Rom. V..."


    Nach dieser Lektüre stand Witjon einfach nur da und sah den Statthalter erwartungsvoll an. In seinem Kopf hatte er bereits auf dem Weg hierher die Szenarien durchgespielt, die nun folgen mochten. Würde Vinicius die Initiative ergreifen? Bedeutete das einen erneuten Bürgerkrieg? Oder konnte es auch anders kommen? Witjon schlug das Herz bis zum Hals, während seine Finger vor Aufregung leicht zitterten. Beunruhigt hielt er sich an seiner Wachstafel fest.

  • "Das ist nicht sein Ernst."


    Hungi hatte nur diesen einen Gedanken, während der Duccier ihm den Brief vorlas respektive übersetzte. Doch eigentlich war dieser Gedanke nicht nur ein Gedanke, er war nur die verbalisierte Form von verschiedenen Gedanken-Schattierungen, die zu einem Satz führten: "Das ist nicht sein Ernst."


    Es konnte nicht sein Ernst sein, daß der Princeps verstorben war. Unerwartet war das richtige Wort, doch ob es in Rom ebenso unerwartet war wie hier?


    Es konnte nicht sein Ernst sein, daß tatsächlich die Tore geschlossen wurden. Obwohl, wenn Hungi nicht übernächtigt und daher bei klarem Verstand wäre, er vermutlich ähnlich gehandelt hätte.


    Und vor allem: Es konnte nicht sein Ernst sein, daß Hungi (schon wieder!) gefragt wurde, ob er Kaiser werden wolle.


    Hungi schwieg. Er schwieg lange.


    In einem solchen wichtigen Moment fragt sich ein Mann oft, was er nun tun solle. Die Gefahr dabei ist oft eine gewisse Kopflosigkeit, die gefährlich werden kann. Man könnte ja das Falsche tun oder - was oft noch schlimmer ist - man fürchtet sich davor, das Falsche zu tun und macht deswegen gar nichts. Hungi brauchte nicht lange überlegen, er würde später mit seiner Frau die Lage besprechen. Und vorher würde er seine Arbeit machen.


    Die Sonne wird erst in ein paar Stunden aufgehen. Ich schlage also vor, Duccius, daß wir versuchen, noch ein wenig zu schlafen, auch wenn ich bezweifle, daß uns das gelingen wird. Morgen früh werden wir den Tod des Kaisers bekanntgeben. Auf den Princeps Praetorii wird viel Arbeit kommen, sämtliche größere Städte und natürlich die Legati der Legionen müssen benachrichtigt werden. Ich werde mit den hiesigen Kommandanten reden, du solltest dich um die Decurionen kümmern. Und was die ... Anfrage betrifft... ich werde einen absolut vertrauenswürdigen Boten benötigen.

  • Die Reaktion des Statthalters kam für Witjon durchaus etwas überraschend. Sicherlich, womit hatte er denn gerechnet? Damit, dass der Vinicius augenblicklich sein Pferd satteln und die Legionen zum Abmarsch nach Rom vorbereiten ließ, um den Thron an sich zu reißen? Wenn er ehrlich zu sich selbst war: Ja, das war eine leise Furcht gewesen, die tief in Witjons Innern ihr Unwesen getrieben hatte. Aber nachdem Hungaricus seine Anweisungen gegeben hatte, sah das schon ganz anders aus. Sie sollten erstmal schlafen. Schlafen! Als könnte er jetzt einfach ins Bett fallen und die Augen zu tun. Auf der anderen Seite zog der Statthalter sogleich sämtliche zu treffenden Vorkehrungen in Betracht, die man angesichts der Todesnachricht des Princeps zu beachten hatte.


    "Gut", bekräftigte Witjon daher die Aufgabenverteilung. "Ich werde die Decuriones morgen sogleich zusammenrufen und informieren. Einen absolut vertrauenswürdigen Boten kann ich schnellstens auftreiben." Letzteres meinte Witjon ernst, hatte er doch sozusagen als Handelsherr der Provinz eine Vielzahl von Nachrichtenübermittlern, die er auch in delikaten oder gefährlichen Situationen sicheren Gewissens einsetzen konnte. Einen solchen würde er am nächsten Tag dem Legatus Augusti Pro Praetore zur Verfügung stellen.


    "Ähm, noch eine letzte Frage, bevor ich verschwinde", fügte Witjon an. "Soll ich die Nachricht auch dem Volk verkünden? Wenn der Ordo Decurionum bescheid weiß, wird sich die Nachricht gewiss wie ein Lauffeuer verbreiten. Oder möchtest du selbst eine Ansprache halten? Auf dem Forum beispielsweise?" Etwas unsicher und mit müdem Blinzeln legte sich Witjons Blick angesichts dieser Überlegungen auf den Vinicier.

  • Das Volk! Natürlich... daran hatte er nicht gedacht.


    Ich werde eine Rede halten. beschloss er kurzerhand. Allerdings erst, wenn ich mit den hiesigen Kommandanten gesprochen habe. Vielleicht lässt sich das am Besten mit einem öffentlichen Opfer verbinden. Informieren selber müssen wir die Leute nicht, wie du schon sagtest, das wird sich wie ein Lauffeuer verbreiten. Aber ich gehe jetzt nicht davon aus, daß die Nachricht über den Tod des Kaisers für Aufruhren sorgen wird.

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