Vita brevis, ars longa ...

  • Das Leben ist kurz, die Kunst ist lang (Hippokrates um 400 v.Chr.) ... Liegt darin also die Kunst, das Leben so lang wie möglich erscheinen zu lassen?


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    Opiumschwangere Rauchschwaden, gepaart mit süßen Düften und würzigen Aromen, durchzogen die Halle, die erhellt wurde allein vom flackernden Schein einiger Feuerbecken. Züngelnde Flammen, die ein Spiel von wabernden Nebelschwaden, von Licht und Schatten in die Luft und an die Wände malten. Von irgendwo her erklang sphärischer Gesang und Musik wie aus dem Nichts, zu der anmutig wirkende Körper, im Tanz vereint sich drehten. Alles diente dazu, den berauschten Sinnen der Zuschauerinnen zu schmeicheln, die allesamt auf weichen Kissen gebettet da lagen und das Schauspiel, sowie die süßen orientalischen Opiate ausgiebig genossen. Eine Szene, die fern jeder Realität schien. Also ob Göttinnen im Olymp, dem ewigen Zeitvertreib des süßen Nichtstun frönten. Waren es wirklich Göttinnen? Nein, im Grunde war es eine ganz reale Situation ...


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    … Prisca hatte einige Freundinnen zu einer zwanglosen Feier in die villa Aurelia eingeladen. Einen konkreten Anlass gab es nicht. Außer man bezog es auf die jüngst bekanntgegebene Wahl des neuen Kaisers. Wobei Prisca dem neuen Kaiser nur wenig Sympathie entgegen brachte, nachdem ihr "senatorisches Vögelchen" (Servius Pedanius Cato) im Vertrauen gesungen hatte, dass ihr Ehemann in spe (Manius Flavius Gracchus) ebenfalls auf der Kandidatenliste zur Wahl des Augustus gestanden hatte. Gracchus hätte zum neuen Kaiser gewählt werden können? Diese Nachricht hatte Prisca erstmal verdauen müssen und immer wieder stellte sie sich die Frage, warum es nicht dazu gekommen ist. Woran hat es gelegen? Hätte man nicht eventuell das Ergebnis manipuli … oder besser gesagt: hätte man dem Schicksal nicht ein wenig auf die Sprünge helfen können? Nun, die Wahl ist vorbei und vorbei ist vorbei. Wozu gebe ich mich eigentlich mit diesem alten Lustmolch Cato ab, wenn er nicht mal in der Lage ist mir wichtige Informationen rechtzeitig zu beschaffen!! Die Aurelia haderte immer wieder mit der vertanen Chance, die ihr Leben zweifelsohne grundlegend hätte verändern können. Ich an der Seite von Gracchus! Als erste Frau, an der Spitze des Imperiums! Diese verlockende Position hätte Prisca nur zu gerne eingenommen und sie zu erreichen, wäre ihr jeden Versuch wert gewesen - auch wenn die Aussicht auf Erfolg (realistisch betrachtet) angesichts der übrigen Kandidaten nicht sehr groß gewesen sein dürfte. Doch Prisca sah die Dinge nicht immer realistisch, eher idealistisch und emotional, wobei ihr selbst ihre unerfüllte Liebe zu Scato von heute auf morgen nichts mehr bedeutet hätte, wäre Gracchus tatsächlich zum neuen Kaiser ausgerufen worden.


    Doch leider hatte der Senat anders entschieden und wieder einmal meinte es das Schicksal nicht gut mit Prisca, weshalb sie dieses protzige Fest heute sozusagen als Trotzreaktion gegen alle Götter und die ganze Welt ausrichtete. Gemäß dem Motto: "Göttinnen des Olymps, im Rausch der weltlichen Laster". Zwar hatten einige ihrer Freundinnen leicht irritiert reagiert, als sie auf den Einladungen gelesen hatten, dass sie sich dem Anlass entsprechend wie ihre Lieblingsgöttin kleiden sollten. Aber das störte Prisca wenig. Sie wusste genau, dass die meisten ihrer Freundinnen allein schon aus reiner Neugier der Einladung gefolgt wären, selbst wenn sie zu einer plumpen Sexorgie eingeladen hätte. Allerdings sollte das Fest heute keinesfalls in einer solchen ausarten, auch wenn das Ambiente zweifelsohne wie geschaffen dafür gewesen wäre: Schummriges Licht, überall herumliegende Kissen, Rauschmittel bis zum abwinken, betörende Musik, leicht bekleidete Tänzerinnen und Tänzer …


    "Sag mal Prisca, gibt es eigentlich einen bestimmten Grund, weshalb du uns heute eingeladen hast und wir uns ausgerechnet als Göttinnen verkleiden sollten?", stellte Octavia Flaminia (eine gut situierte Plebejerin und langjährige Bekannte der Aurelia) schließlich die Frage des Tages und erntete prompt einen darauf vorbereitenden Lacher von Prisca.


    "Ach, meine liebste Octavia. Benötigst du denn immer einen Grund für das, was du tust? Und warum muss ausgerechnet ICH dir einen nennen?", fragte Prisca amüsiert und mit gleichsam provokantem Unterton nach, während sie fragend in die Runde blickte: "Benötigt ihr etwa alle einen Grund? Könnt ihr nicht einfach mal ein Fest und euer Leben genießen, ohne über den Grund nachzudenken? Nun denn, so lasst mich einen Grund nennen: ... Lasst uns den neuen Kaiser feiern! Indem wir ihm - jede in persona ihrer Lieblingsgöttin - huldigen. Passt euch das nicht? Weiß Eine von Euch gar sicher einen besseren Grund für dieses Fest? Nur zu, ich höre?! So mag sie diesen nennen und wir stimmen darüber ab. Ganz so, wie es die Männer im Senat zu tun pflegen, wenn sie einen neuen Kaiser wählen. Also?" Abwartend hob Prisca eine Schale mit glimmenden Räucherstäbchen und schwenkte dieses provokant prostend vor Octavias Nase hin und her: "Na komm schon. Octavia. Du als Juno, der höchsten aller Göttinnen verkleidet, möchtest du nicht Anfang machen? Ich bitte dich! Oder überlässt du das Denken lieber den Anderen ... " Wer auch immer das wäre.


    Die Verbitterung über den Ausgang der Wahl war ungleich schwerer in Priscas Worten zu erahnen als der Grund, weshalb sie heute NICHT in dem Kostüm ihrer Lieblingsgöttin (Fortuna) erschienen war sondern, in der Aufmachung der Göttin Diana. Der Göttin der Jagd! Denn zu jagen, danach stand ihr derzeit ganz der Sinn. Was sonst hatten reiche Römerinnen (reiferen Alters) auch zu tun, als der Erfüllung irgend welcher Träume und Wünsche nach zu jagen und sich ansonsten dem süßen Leben und dem Nichtstun hinzugeben? Das Wort Arbeit kannten sie nicht, Geldsorgen hatte Keine von ihnen und die meisten waren bereits verheiratet, hatten ihren Männer genügen Nachkommen geschenkt, sodass sie gelassen in die Zukunft blicken konnten.


    Auch Prisca konnte sich in dieser Hinsicht so einiges vorweisen. Sie gehörte noch zu den jüngsten- und demnach begehrenswerten Matronen. Sie war bereits einmal verheiratet gewesen und war nun einem der angesehensten Römer im Reich versprochen. Darüber hinaus galt sie als eine der reichsten Frauen des Imperiums, sodass sie eigentlich die besten Voraussetzungen mitbrachte, die eine Frau sich wünschen konnte ...tja, wäre da nur nicht dieser eine, aber entscheidende Makel den sie vorzuweisen hatte! Sie hatte noch immer keine Kinder zur Welt gebracht und das sorgte zweifelsohne für so manch spöttisches Getuschel. Zwar scherte sich Prisca selten um das Getuschel um ihre Person, wären da nicht die ach so lieben Freundinnen, die es beizeiten liebten sie damit aufzuziehen. Allen voran Octavia, doch die hatte gerade ein Grundsatzproblem zu klären und das wiederum bescherte Prisca etwas Zeit, sich zu entspannen und zu genießen … sei es der Triumph über ihre Freundin, oder einfach nur der Glaube daran, die Kunst des Lebens entschlüsselt zu haben, womit sie dem Schicksal zweifelsohne ein Schnippchen geschlagen hätte ...


    Sim-Off:

    Falls eine Verwandte, Freundin oder Bekannte von Prisca zufällig Zeit und Lust hat, darf gerne nach eigenem Gusto mit gepostet werden. Einfach - ohne Umwege - hier mit rein schreiben ;) ... Diana, Iuno vergeben, Venus reserviert ...


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  • Die Einladung hatte mich etwas überrascht, konnte man sagen. Und eigentlich war ich sogar fast aus allen Wolken gefallen, als ich sie zum ersten Mal las. Ich war eingeladen in die Villa Aurelia von der reizenden Aurelia Prisca, die ich doch kürzlich erst bei den Totenspielen des Cornelius Palma vermisst hatte! (Wahrscheinlich hatte Aurelius Lupus ihr das gleich brühwarm weitergetratscht und ich hatte nur deshalb eine Einladung bekommen. Aber egal. Denn Einladung war Einladung, oder nicht?)


    Ohne jeden Zweifel stand glasklar für mich fest, dass ich natürlich dem Ruf der edlen Patrizierin folgen würde! Nur ein einziges Problem bereitete mir ein wenig Sorge: Als welche Göttin sollte ich mich kleiden? Welche Göttin war meine Lieblingsgöttin? - Oder anders gefragt: Hatte ich überhaupt irgendeine Lieblingsgöttin? Eigentlich ja nicht. Denn ich nahm mein Leben in aller Regel lieber selbst in die Hand, anstatt darauf zu warten, dass vielleicht irgendeine Göttin oder irgendein Gott zum Dank für irgendein Opfer vielleicht irgendein kleines Vögelchen schickte, das mir bei meinen Problemen helfen sollte. (Selbst war die Frau!) Die Frage, die ich mir also stellen musste, lautete: Als welche Göttin könnte ich den meisten Eindruck schinden.. oder wenigstens ein bisschen Aufsehen erregen?
    Iuno? Ich war am Festtag der Iuno Regina geboren und man konnte mein Wesen gelegentlich sicher auch als ein bisschen herrisch beschreiben. Aber viel Aufsehen konnte man als Iuno sicher nicht unbedingt erregen. Dann vielleicht Minerva? Die gehörte ja auch zur kapitolinischen Trias, war Weise, ein bisschen kriegerisch.. und für meinen Geschmack damit ein bisschen zu kriegerisch. Nein, das wollte ich nicht. Fortuna? Jede Frau verkleidete sich doch als Fortuna! In der Aufmachung würde ich also kaum auffallen. Vielleicht Vesta? Hilfe, NEIN! Wenn es eine Göttin gab, die so GAR nicht zu mir passte, dann war es die keusche, artige Vesta, die sich immer schön brav um Haus und Heim kümmerte. .... Und so ging ich noch eine lange Liste an Möglichkeiten durch, bis ich mich am Ende entschieden hatte: Venus sollte es sein! Denn als Venus wäre ich zwar bestimmt auch nicht die einzige, aber ich könnte alles in die Waagschale werfen, was ich hatte!


    Der Perlenschmuck, den mir Commodus zur Hochzeit geschenkt hatte, kam zu diesem Zweck natürlich zum Einsatz: Die Kette, die Ohrringe, die Haarnadeln. Da geizte ich nicht. Denn mit Muscheln als Symbole der Venus konnte sich ja jede Dame schmücken; mit edlen Perlen aber nur die eine Venus! Im Kontrast dazu wählte ich mein übriges Ensemble eher schlicht: Ich verzichtete auf irgendwelche Farben, ließ mich stattdessen in einen weißen Fummel aus einem leichten Seidenstoff hüllen. (Wenn das nicht "In edelster Gewandung" war, dann wusste ich auch nicht!) Hier und dort zeigte ich dabei, was ich hatte (ich bildete mir ein, meine Oberweite war noch immer etwas größer als vor meiner Schwangerschaft), während ich andere Stellen ein bisschen kaschierte. (Ein Hoch auf den "Gürtel der Venus", der sich zum Kaschieren wirklich ganz ausgezeichnet machte!) Makeup zuletzt trug ich nur ganz dezent, während ein kleiner Handspiegel (im Sinne der Venus rechts und links flankiert von zwei Delfinen) mein ganzes Erscheinungsbild abrundete.
    Und so erreichte ich also die Villa Aurelia: Ich, die vor kurzem erst 22 Jahre jung gewordene, jungendliche Venus, die in der Casa Iulia nur einen treudoofen Hephaistion zu warten hatte, der es im Bett selten (und niemals freiwillig) brachte, und die sich stattdessen also andernorts ihren Mars (im irdischen Leben also: Marcus) suchen musste. Aber weder auf den feschen Decimus Aquila, noch auf meinen Vetter Commodus würde ich hier wohl heute treffen. Also lenkte ich meine Gedanken gleich wieder weiter und konzentrierte mich darauf, was wirklich zählte: Zuerst einmal die Gastgeberin finden, sie begrüßen und ihr für die liebe Einladung danken.


    Leichter gesagt als getan.. bei der Größe dieses prachtvollen Anwesens. (Ja, als Patrizierin lebte man hier bestimmt nicht schlecht.) Ich schaute mich ein bisschen um.. nur um zu sehen, dass mir kaum ein Gesicht hier großartig vertraut war. Nein, ich redete gerne mal davon, als Ritterin im Ordo Senatorius mit patrizischen Wurzeln bis zu einem Sergestus.. ein Teil der Oberschicht zu sein. Aber.. nunja. Trotzdem gewohnt selbstbewusst fing ich den einen oder anderen Blick fremder Frauen auf. Manche schauten auf mich herab. Manche wirkten neidisch. Manche sahen mich oberflächlich freundlich an. Und manche nahmen mich auch erstmal gar nicht wahr. Dann erblickte ich die gastgebende Aurelia, die offenbar gerade zu einer Art kleinen Rede angesetzt hatte. Also hielt ich mich erstmal zurück, ließ die schöne Musik auf mich wirken und nahm ein paar tiefe Atemzüge dieser angenehm befreienden und entspannenden Opiumschwaden.... nur um mich am Ende der aurelischen Worte dann doch an der Dikussion zu beteiligen: "Also wenn die geschätzte Iuno mir hier den Vortritt lassen würde?", fragte ich rhetorisch in den Raum hinein und trat noch einen Schritt auf die beiden zu. "Ich finde ja, dass unsere verehrte Gastgeberin ganz recht hat! Brauchen wir denn wirklich erst einen Grund, um Bekannte und Freundinnen zu treffen und uns hier einfach nur unseres Lebens zu freuen?" Ich lächelte in die Runde und fühlte mich gerade wirklich nicht unwohl in meiner Rolle als locker lebensfrohe (und vielleicht auch etwas lasterhafte) Venus. "Ich meine.." kein Wunder, dass sich Iuppiter notorisch andere Liebhaberinnen suchte, wenn seine Iuno selbst auf einer solchen Feier sich noch so kritisch, hinterfragend und fast schön nörglerisch zeigte! (Ich konnte mich gerade noch beherrschen, diese Worte zurückzuhalten.) "Ich meine, folgen wir unserer aurelischen Diana. Danken wir ihr dafür, dass sie uns heute zu sich eingeladen hat. Und feiern wir mit ihr." Jawohl! "..meinetwegen auch den neuen Kaiser.", endete ich eher halblaut. Denn natürlich hätte ich einige andere Kandidaten weitaus lieber auf dem Thron gesehen: Flaminius Cilo, den Schwager meines Onkels Kaeso Modestus; oder Decimus Livianus, meinen Patron; oder Vinicius Hungaricus, den Patron meines Mannes; oder auch einen Flavius Gracchus, den Verwandten des Patrons meines Großvaters Stephanus. Aber jetzt war es eben dieser ominöse Aquilius, über den ich kaum etwas wusste, den ich kaum einschätzen konnte, von dem ich also wirklich nicht wusste, was ich von ihm halten sollte....

  • Nach Priscas Ansprache wurde es kurz still im Raum. Anscheinend wollte Keine als Erste ihre Gedanken offen legen und so sah sich Octavia notgedrungen veranlasst, einen Vorschlag zu unterbreiten: "Also ich …" Weiter kam die Flaminia allerdings nicht, da plötzlich eine andere Stimme um die Aufmerksamkeit der Anwesenden buhlte. Oh wenn haben wir denn da. Ist das nicht … ach ja, das ist doch Sergia Fausta, auf deren Hochzeit ich eingeladen war?, Überrascht und zugleich voller Neugier richtete Prisca die Augen auf die Erscheinung der Venus, die sie beinahe nicht wieder erkannt hätte. Kein Wunder in der Aufmachung! Nun hatte Prisca schon Bedenken gehabt, dass das Kostüm der Diana ein wenig zu freizügig sei, da die Tunika nur wenig bis über die Oberschenkel reichte. Aber das Kleid der Venus! Wahrlich, dieses Arrangement aus Perlen und weißer Seide war der absolute ein Hingucker und wurde der Venus mehr als gerecht. Als wäre die Göttin höchstpersönlich den Fluten entstiegen, so stand die Sergia gerade inmitten dem Meer aus Kissen. Prisca war beeindruckt und machte keinen Hehl daraus, dass ihr gefiel was sie sah.


    Anders Octavia, die vielmehr böse Blitze aus ihren Augen auf die Sergia abschoss, die es gewagt hatte sich einfach vorzudrängen. "Oh wen haben wir den da? Soll das etwa Venus sein? Also ich hatte die Göttin der Liebe immer etwas schlanker in Erinnerung", konnte sich die Flaminia eine spitze Bemerkung über die Rundungen der Sergia nicht verkneifen.


    Prisca winkte jedoch nur ab und schenkte der Bemerkung der Flaminia keine Beachtung. Vielmehr fühlte sie ihre Meinung durch Fausta bestätigt und das gefiel ihr. Abgesehen davon fand Prisca nicht, dass die Rundungen der Sergia an den falschen Stellen saßen, vielmehr konnten es sich nicht viele leisten, überhaupt daran zu denken, ein solch gewagtes Kleid zu tragen ohne Venus darüber zu erzürnen, sich mit ihr vergleichen zu wollen.


    "Also ich hatte dich auch etwas schlanker in Erinnerung, Octavia, seit ich dich zuletzt in den Thermen in all deiner Pracht bewundern durfte. Oder täusche ich mich da?" Belustigt sah Prisca in die Runde und viele der anwesenden Frauen stimmten lachend zu, wodurch Ocatvia noch wütender wurde. Das interessierte Prisca jedoch nur wenig: "Egal! Ich danke jedenfalls der Mutter aller Göttinnen, dass du heute sie und nicht Venus als deine Favoritin gewählt hast" Mit diesem dezenten Seitenhieb auf Octavias Figur ergriff Prisca eindeutig Partei und erntete dafür einen noch böseren Blick von ihr, als sie demonstrativ von der Aurelia abrückte: "Pah! Und Du? Warum hast DU wohl ausgerechnet Diana gewählt? Du glaubst wohl es reicht, wenn du nur deine Schenkel entblößt? So wirst du aber wohl kaum jemanden finden, der sich erbarmt dich zu schwängern, allerliebste Aurelia!!" Schoss die beleidigte Octavia einen durchaus schmerzenden Pfeil auf Prisca ab, den sie jedoch souverän durch Nichtbeachtung abzublocken wusste.


    "Ich danke dir, Venus, schönste aller Göttinnen, dass du meiner Meinung bist und mehr noch freue ich mich, dass du heute den Weg in den Olymp gefunden hast!", begrüßte Prisca stattdessen die Sergia mit einem anerkennendem Lächeln und bereitwillig bot sie den Platz an ihrer Seite an: "Magst du dich zu mir setzen? Iuno wollte ohnehin gerade gehen um nachzusehen, wo und mit wem sich ihr Göttergatte gerade herum treibt", stichelte Prisca kichernd zur Flaminia zurück du servierte sie damit endgültig ab, indem sie den Platz an ihrer Seite neu vergab.



    "Ein wundervolles Kleid hast du da an. Mmmmh diese viele Perlen. Herrlich! Wer hat das Kleid entworfen? ", bemerkte Prisca leise, anerkennend und voller Neugier zu Fausta hin und mit lauterer Stimme, zu den Anderen gesprochen: " Nun denn,...lasst uns auf den neuen Kaiser und auf Venus anstoßen, die es verstanden hat die Feste zu feiern, wie sie fallen!" Gleichzeitig griff Prisca nach dem Kelch mit Wein, um diesen mit der Rechten prostend in die Runde hoch zu halten ...


    Wie auf das Stichwort hin begannen die Tänzerinnen und Tänzer erneut ihre Körper, in lasziv anmutenden Bewegungen zu der betörenden Musik zu präsentieren, um die anwesenden Göttinnen zu unterhalten. Gleichzeitig reichten Sklavinnen weitere Rauschmittel dar, die sie auf silbernen Tabletts schmackhaft angerichtet hatten ...

  • Etwas schlanker in Erinnerung?! Ich glaubte ja wohl, ich hörte nicht richtig! Aber noch bevor ich zu einer mindestens genauso giftigen Gegenattacke ansetzen konnte (denn sowas wie Gelassenheit gehörte nämlich nicht zu meinen Stärken), ergriff die Aurelia das Wort.. und stellte sich auf meine Seite. Anschließend konnte ich mir ein zufriedenes Das-hast-du-nun-davon-Lächeln nicht verkneifen. Und ich hätte (wieder) auch noch einen giftigen Kommentar für diese Iuno gehabt, wenn die nicht schon längst (und jetzt sogar gegen die Gastgeberin selbst!) weitergiften würde. So eine Frechheit! Im eigenen Haus beleidigt zu werden, das würde ich mir ja nicht bieten lassen! Und die Patrizierin sah das offensichtlich genauso. Denn schon lud sie mich ein, neben ihr Platz zu nehmen, und erteilte dieser Iuno damit eine kleine Abfuhr. Das kostete ich natürlich aus: "Es war mir eine Ehre, liebe Iuno, deine Bekanntschaft zu machen.", spielte ich ihr vor. "Und wenn du demnächst wirklich wieder mit mir um den goldenen Erisapfel streiten willst, dann lass es mich ruhig wissen. Denn es wäre mir die größte Freude, erneut gegen dich zu gewinnen." Und selbst nach meiner Schwangerschaft war ich mir sicher, dass 99 von 100 Männern mich schöner als diese Octavia (diesen Namen würde ich mir natürlich merken) finden würden. Diese Iuno hier hatte also genauso wenig Chancen gegen mich, wie in der Mythologie die Iuno gegen Venus!


    Ich schenkte dieser Iuno noch ein leicht herausforderndes Lächeln, dann ließ ich sie links liegen und begab mich zur Aurelia. "Danke." Ich nahm neben ihr Platz. "Also.. danke für die Einladung genauso wie für deine freundlichen Worte eben." Beides war ja nicht selbstverständlich; nicht für mich. - Und dann bekam ich auch noch ein Kompliment für mein Kleid von ihr! Spätestens damit begann ich nun, Aurelia Prisca in dem gleichen Licht zu sehen wie Flavia Domitilla (die meinem Sohn ein Schaukelpferd geschenkt hatte).. wie Pontia Paula und Titia Tusca (die mir damals Rom gezeigt hatten).. wie meine liebste Poppaea Sabinilla (mit der ich meine ganze Kindheit und frühe Jugend in Alexandria verbracht hatte): Als eine Freundin. "Das ist leider nur ein Calavius Paulus. Denn bei meinem Lieblingsmodemacher Gargonianus Arminius habe ich leider keinen rechtzeitigen Termin mehr bekommen.", antwortete ich der Aurelia dann. "Aber was ist mit dir?", stellte ich anschließend die Gegenfrage. "Diese liebenswürdige Iuno habe ich ja leicht zu einem Duell um den Erisapfel herausfordern können. Bei deiner Aufmachung als römische Diana.. da würde ich mir das dreimal überlegen." Was nicht hieß, dass ich nicht glaubte, dass ich nicht auch gegen sie diesen Apfel gewinnen könnte. Vielleicht. Es würde halt nur sehr schwer werden..


    Dann erhob die aurelische Diana ihren Weinkelch und sprach, während auch ich mir einen solchen Kelch reichen ließ, einen Trinkspruch aus. Wieder erwähnte sie dabei Venus, sodass auch ich jetzt wohl etwas sagen musste: "Auf den neuen Kaiser.. und auf die großzügige Diana, die uns heute hier in ihr wunder-schönes Dianium geladen hat, um gemeinsam mit uns zu feiern!", beantwortete ich den Trinkspruch der Patrizierin also. Mit dem wunder-schönen Dianium wollte ich dabei natürlich auf das Weltwunder in Ephesos anspielen. Aber ich war keine Rednerin. Ob mein Wortspiel also überhaupt irgendwer bemerkte.. Ich war mir nicht sicher. Lieber nahm ich einen kleinen Schluck aus meinem Weinkelch. "Mmmh!" Ganz ausgezeichnet! (Aber etwas anderes hatte ich in einer patrizischen Villa natürlich auch nicht erwartet.)

  • Zuerst die spitze Bemerkung der Aurelia und nun auch noch der schadenfrohe Zusatz der Sergia. Octavia schnaubte wütend. Gegen Zwei hätte sie nie eine Chance, das wusste sie und deshalb drehte sie den beiden Frauen nun gänzlich den Rücken zu. Zwei Kissen weiter lag zum Glück eine von ihr besten Freundinnen und mit dieser begann Octavia sogleich angeregt zu tuscheln. Über wen, das war wohl unschwer zu erraten. Prisca lachte nur amüsiert über diese Trotzreaktion und kümmerte sich aber nicht weiter um Octavia. Viel lieber wollte sie mit der Sergia ein wenig weiter plaudern, nachdem sie alle auf den Kaiser angestoßen hatten. Die Anspielung auf das berühmte Heiligtum der Diana nahm Prisca im übrigen als Kompliment für die aufwändige Dekoration, mit der sie das tablinum eigens für diese Feier hatte um dekorieren lassen. Die Bemerkung mit dem Duell und ihrer Aufmachung bezog Prisca wiederum auf den Bogen und den Köcher mit Pfeilen, die sie als Accessoires neben sich liegen hatte:


    "Nun, zweifelsohne würde Venus den Pfeilen der Diana nicht viel entgegen setzen können, käme es je zu einem Duell zwischen ihnen", entgegnete Prisca schmunzelnd, im Namen der beiden Göttinnen gesprochen: "Doch niemals würde ich, Diana, gegenüber meiner Schwester, der Göttin der Liebe und der Schönheit, zu solch grausamen Mitteln greifen, gleichwohl ich mich viel lieber von ihrem Charme, ihrer Schönheit und ihrer Sinnlichkeit würde betören lassen." Bezog sie es im übertragenen Sinne dann weiter auf sich und die Sergia um damit anzudeuten, dass sie die Sergia sehr sympathisch fand. Zwar kannten sie sich nur flüchtig, aber das könnte man ja ändern und warum nicht eine neue (gute) Freundin gewinnen? Das Gegenlager ist schließlich auch nicht untätig wie Prisca mit einem kurzen Seitenblick zu Octavia und einigen anderen Damen der Gesellschaft feststellen musste, die sie rein aus gesellschaftlichen Verpflichtungen heraus und weniger aus Freundschaft eingeladen hatte.


    "Das Schießen überlasse ich ohnehin lieber Amor, da seine Pfeile sehr viel angenehmer wirken und abgesehen davon: Worüber sollten wir uns auch zanken, nicht wahr?", sprach Prisca weiter und zwinkerte der Sergia gut gelaunt zu: "Mein Kleid ist übrigens von Carolus Campus. Ich weiß nicht ob du ihn zufällig kennst? Er lebt noch nicht lange in Rom und hat vor ein paar Wochen einen Laden, bei den trajanischen Märkten eröffnet. Seine diesjährige Kollektion steht ganz unter dem Motto der griechischen Mythologie, wobei er hierfür ausschließlich die erlesensten Stoffe aus dem fernen Orient verwendet", plauderte Prisca ganz ungezwungen los, denn über Mode zu reden gefiel der Aurelia sehr. Schließlich diente dies oft dem zwanglosem Einstieg in so manch tiefer gehendes Thema: Zum Beispiel: würde mich ja brennend interessieren, was die Sergia mit Decimus Serapio "verbindet" - oder besser gesagt - ihren Mann mit diesem vescularischen A...kriecher. Die Erinnerung an die Hochzeit und den Auftritt des verhassten Decimus war gleichermaßen unvergessen wie sein Vergehen an ihr, für das Prisca ihm auf ewig Rache geschworen hatte.


    Ob dieses Thema jedoch heute angesprochen werden würde, das stand auf einem anderen Blatt. Sei´s drum. In jedem Fall gab Prisca gerne Auskunft über ihren neuen Haus- und Hofschneider, während sie das wundervolle Kleid der Sergia mit bewundernden Blicken bedachte: "Bei deinem Kleid hat Calavius sich allerdings selbst übertroffen. In diesem Punkt müssen Carolus und Diana sich wohl eindeutig der schönsten aller Göttinnen geschlagen geben", mit einem ergebenen Seufzer lehnte Prisca zurück in die weichen Kissen und bedachte ihr Gegenüber mit einem offenen Lächeln. Eine modische Niederlage zugeben zu müssen, wäre andernorts und gegenüber einer anderen Person ungleich schwerer zu ertragen, als gegenüber der holden Venus, die heute hier aus dem Olymp herab gestiegen war. Was mitunter an dem süßlichen Duft der glimmenden Kräuter liegen mochte, der die Sinne der Aurelia längst soweit vernebelt hatte, dass eigentlich nichts und niemand mehr ihre gute Laune ernsthaft gefährden könnte ...

  • Zweifelsohne würde Venus den Pfeilen der Diana nicht viel entgegensetzen können? Ich stieg in das Schmunzeln der Aurelia ein. Denn ich glaubte, dass die Patrizierin die Göttin der Liebe hier ein bisschen unterschätzte. Oder sagte man etwa nicht langläufig, dass die Macht der Venus so groß sei, dass nur drei Göttinnen ihr überhaupt widerstehen konnten und Venus nicht Untertan waren? Und zwar gehörte neben Minerva und Vesta ausgerechnet Diana zu jenen drei Göttinnen, aber hoffnungslos unterlegen wäre eine Venus ihr deshalb bestimmt nicht. Ich fand ja eher: Wer ihr nicht Untertan war, der hatte die Ehre auf Augenhöhe mit ihr zu sein.... Aber das galt hier natürlich nur für die mythologische Interpretation und weniger für mich. "Das freut mich zu hören, dass du deine Pfeile nicht gegen mich richten würdest.", kommentierte ich dann und bemerkte im selben Atemzug, dass ich das ja eigentlich auch gar nicht gemeint hatte. Denn das mythologische Duell um den Erisapfel war schließlich kein Duell im Sinne irgendeines gewaltsamen Kampfes gewesen. Vielmehr war es darum gegangen, den armen Tropf Paris davon zu überzeugen, dass man selbst die Schönste war. (Aber ich hielt mich zurück und versuchte jetzt nicht, hier irgendwen zu belehren.)


    Dann ging es um die Pfeile des kleinen Amor. "Oh, unterschätze nie die Pfeile des Amor, meine liebe Diana.", antwortete ich ihr da mit einem feinen Lächeln im Gesicht. "Denn ihre Wirkung auf den Geist und Verstand ist nicht selten fatal." Und auch wenn ich nicht an irgendein Eingreifen der Götter in die irdische Welt glaubte: Dass man ein bisschen irrational zu handeln begann, wenn man für jemanden Gefühle entwickelte, das hatte ich am eigenen Leib schon leidlich feststellen müssen. "Aber genau wie du würde auch ich eine Freundin bestimmt nicht angreifen.. oder von meinem Amor ins Visier nehmen lassen.", betonte ich dann aber und wählte dabei ganz bewusst das Wort Freundin. Denn ich persönlich würde eine ungeliebte Verwandte vermutlich sehr viel schneller hintergehen als eine Freundin, die mir wirklich etwas bedeutete. "Und wie du schon sagst: Worüber sollten wir uns auch streiten?" So spontan kam mir da kein Anlass in den Sinn.


    Aurelias Kleid war von Carolus Campus. "Aber natürlich kenne ich den." Das hieß: Ich verband immerhin ein markantes Gesicht mit diesem Namen. (Und ich hoffte, dass ich mich hier nicht irrte.) "Zwar nicht ihn persönlich, aber seine Mode. Immerhin nennt man ihn ja auch den Mode-Caesar, nicht?" Und soeinen Modezaren musste frau natürlich kennen, auch wenn mir andere Modemacher und deren Mode einfach sympathischer waren. Aber über den verschiedenen Geschmack konnte man natürlich streiten. "Danke.", quittierte ich am Ende, dass die Aurelia heute abend das Kleid des Calavius Paulus schöner fand als ihres des Carolus Campus. Dabei hätte ich jetzt natürlich noch ausführen können, dass ein schöneres Kleid allein noch lange nicht die schönere Göttin machte (Diana musste sich also nicht gleich Venus geschlagen geben, nur weil vielleicht Calavius Paulus ein schöneres Werk als Carolus Campus geschaffen hatte), aber ich beließ es erstmal dabei. Denn ich wollte das gegenseitige Komplimentieren jetzt auch nicht überstrapazieren.
    Stattdessen lehnte auch ich mich etwas zurück, betrachtete mich (ganz wie eine Venus) kurz in meinem kleinen Delfin-Handspiegel und wechselte dann einfach mal versuchsweise ein bisschen das Thema: "Aber wo wir gerade von Duellen sprechen.." Ich löste mich von meinem Spiegelbild und sah hinüber zur Aurelia. "Neulich bei den Totenspielen des Cornelius Palma.. Ich habe dich vermisst, als ich mir dieses Wagenrennen zusammen mit meinem Mann ansehen.. durfte." Ansehen musste, traf es wohl eher. Denn dieses ewige im Kreis Gekurve, das fand ich einfach nur sterbenslangweilig. "Wir saßen in der Loge des Ausrichters in direkter Nachbarschaft zu deinem Verwandten Aurelius Lupus.", erklärte ich dann, bevor ich meinen Spiegel wieder ablegte, um danach noch einen Schluck aus meinem Weinkelch zu nehmen.. Vorzüglich!

  • Mit einem Lächeln und einem Nicken pflichtete Prisca den Worten der Venus bei. Amors Pfeile soll man nie unterschätzen! Nun, ich hoffe Venus behält recht, notierte Prisca gedanklich, dass sie dem Gott der Liebe unbedingt ein Opfer darbringen musste: Am besten ein großes Opfer, damit die Wirkung seiner Pfeile umso fataler bei IHM aus fällt. Wobei mit IHM jene Person gemeint war, von deren libido Prisca´s sehnlichster Wunsch abhing und dessen Samen hoffentlich bald schon auf fruchtbaren Boden treffen würde! Denn dieser Boden würde nicht ewig fruchtbar bleiben angesichts der biologischen Uhr, die unablässig weiter tickte (sofern sie überhaupt noch tickte). Letztere Überlegung war für Prisca allerdings ausgeschlossen: Niemals liegt es an mir! Das ist völlig absurd. Durch IHN werde ich endlich schwanger, … es MUSS einfach funktionieren Dieser Wunsch nahm in Prisca so langsam fanatische Züge an und beeinflusste mitunter sprunghaft ihr Gemüt: Von himmelhoch jauchzender Freudenstimmung - über Missmut und schlechter Laune hinweg - bis hin zu depressiven Heulattacken, bekamen die Sklaven in regelmäßigen Abständen das volle Programm zu Gesicht.


    Heute war Prisca allerdings eindeutig in Hochstimmung. Zum einen mochte das an den zahllosen Rauschmitteln liegen, die sie im Laufe des Tage bereits konsumiert hatte. Zum anderen standen die Vorzeichen - für die geplante nahe Zukunft - deutlich besser als noch vor einigen Wochen. Endlich haben wir offiziell einen neuen Kaiser … der hoffentlich die Geschicke im Reich wieder in geordnete Bahnen lenken würde, sodass Manius und ich endlich heiraten können. So gesehen war der Trinkspruch für den neuen Kaiser gar nicht so verkehrt, lächelte Prisca versonnen vor sich hin, während sie den süßen Duft des glimmenden Opiums genussvoll, mit der Hand der Nase zu fächerte.


    Leicht benommen von der Wirkung, sank Prisca mit geschlossenen Augen zurück in die Kissen. Ein wohliger Seufzer kam über ihre Lippen und beinahe hätte sie laut aufgelacht, als vor ihrem geistigen Auge ausgerechnet die kleinwüchsige Gestalt von Carolus erschien. Es lag wohl daran, dass sie gerade von ihm gesprochen hatten, denn eigentlich hätte (in dem berauschten Zustand) ein ganz anderes "Mannsbild" erscheinen müssen. Dann lieber an gar keinen Mann denken … Schnell öffnete Prisca wieder die Augen, um stattdessen lieber das reale Bild der schönen Venus zu genießen.


    Die Göttin der Liebe war auch wirklich bezaubernd anzusehen, wie sie da so lag und (scheinbar ganz verliebt) ihr eigenes Spiegelbild betrachtete. Allerdings nur kurz, ehe sie von Prisca den Grund für ihre Absenz bei den Spielen wissen wollte:Ach herrje, die Totenspiele ...was sag ich jetzt bloß? … Die Wahrheit, dass ich mich an dem Tag wirklich nicht wohl gefühlt habe? Nein, auf keinen Fall. Sonst wird mir am Ende noch irgendeine ernsthafte Krankheit angedichtet, überlegte Prisca schnell, wobei sie mit einem flüchtigen Seitenblick zu Octavia hinüber sah, die bestimmt schon die Ohren gespitzt hatte. Womöglich litt Prisca schon an Verfolgungswahn, doch wollte sie auf Nummer sicher gehen, dass ihre körperliche Verfassung durch nichts und niemand in Frage gestellt würde.


    "Ja es ist wirklich ein Jammer. Aber leider, leider war ich verhindert ...", zuckte Prisca entschuldigend mit den Schultern, ohne dabei rot zu werden. Diese Notlüge tut ja niemandem weh: "Ich weiß nicht, ob du dich an meinen Cousin, Titus Aurelius Ursus, erinnerst? Er hatte an der Seite von Kaiser Palma für die Befreiung Rom´s gekämpft. Kurz vor Ende des Bürgerkrieges wurde er sehr schwer verletzt und zu unser aller Sorge, laboriert er noch immer an seinen Wunden", erklärte Prisca mit leicht gesenkter Stimme, damit es Octavia noch schwerer fiele das Gespräch zu belauschen: "Ich reiste also vor einigen Wochen zu ihm nach Mantua, um die Ärzte über seinen Gesundheitszustand zu befragen und erst nachdem ich Gewissheit hatte, dass die Gelehrten alles in ihrer Macht stehende für meinen Cousin tun, konnte ich nach Rom zurück kehren. Tja, nur leider kam ich einige Tage zu spät, was die Totenspiele angeht", schloss Prisca ihre (hoffentlich) plausible Erklärung ab und sie ging davon aus, dass alle (Nach-)Fragen damit beantwortet wären. So zufriedenstellend - wie Prisca die Genesungsfortschritte ihres Lieblingscousins im übrigen dargestellt hatte - war sein Gesundheitszustand bei weitem nicht. Genau genommen kamen schon viel zu lange keine guten Nachrichten mehr von den Ärzten und die Reise nach Mantua war längst überfällig. Nur hatte Prisca - wenn sie ehrlich zu sich selbst war - bislang nie die Zeit und auch Lust gefunden, die Strapazen auf sich zu nehmen.


    "Die Zeit lässt sich nun mal nicht zurück drehen, so gern ich auch bei den Spielen zugegen gewesen wäre. Aber ich tröste mich damit, dass nicht einmal wir Götter den Fluss der Zeit zu beeinflussen vermögen, nicht wahr?", versuchte Prisca nun das Thema mit einer scherzhaften Bemerkung abzuschließen und das Augenmerk (und das Gehör Octavias) stattdessen lieber auf die nahe Zukunft zu richten: "Indes ich bin guter Hoffnung, dass ich die nächsten Spiele mit erleben werde, die anlässlich meiner Hochzeit stattfinden,"tat Prisca absichtlich geheimnisvoll, indem sie den Kopf nun tuschelnd zu Fausta neigte: "Ich hoffe sehr, dich, deinen Mann und deine Familie zu meine Gästen zählen zu dürfen?" Damit war quasi die Einladung ausgesprochen und Prisca war gespannt, ob und wie viel schon über ihre geplante Hochzeit bekannt (respektive getuschelt) worden war.

  • Aurelius Ursus. Der Name sagte mir so auf Anhieb erstmal nichts. (Aber wenn wunderte es? Mein Onkel Annaeus Varus hatte mich ja erst nach Ende des Bürgerkriegs überhaupt aus Alexandria ziehen lassen. Und wenn der Aurelius seither nicht groß in Erscheinung getreten war, weil er verletzt war, dann konnte ich ihn ja eigentlich auch gar nicht kennen. Denn das Studium des aurelischen Stammbaums.. das überließ ich gerne den Aureliern.) "Oje.", musste ich mich aber trotzdem nicht sehr anstrengen, um ein betroffenes Gesicht zu machen. Denn die Wahrheit war: Ich konnte die Aurelia ja nur allzu gut verstehen.. "Meinem Onkel Kaeso Modestus von den Annaeern ist es genauso ergangen: Um uns alle von diesem.. dieser Bestie zu erlösen, war er sich selbst zum Einsatz seines eigenen Lebens nicht zu schade!", erklärte ich der Patrizierin und erhob damit im selben Atemzug natürlich auch ihren Verwandten auf dieses heroische Podest. "Nur leider musste auch er im entscheidenden Augenblick feststellen, dass er nicht unsterblich ist, und nichtmal ein Halbgott wie Herkules." Ich nickte zu meinen eigenen Worten. Und ich wusste nicht warum, aber dabei kam mir in den Sinn, dass Iuno wahrscheinlich wirklich die letzte Göttin wäre, die auch nur einen kleinen Funken Sympathie für unsere beiden Heroen übrig hätte. (Ja, war nicht sogar Iuno immer eine der größten Widersacherinnen des Herkules gewesen?)


    Die Totenspiele. "Dass du für deinen Verwandten.. deinen Vetter auf die Spiele verzichtet hast" war verdammt schlau gewesen! Warum war mir diese Idee nicht gekommen? (Aber andererseits: Ich liebte es auch, in der Öffentlichkeit so gesehen zu werden.. an der Seite meines Mannes.. und anderer wichtiger Männer.. in einer schicken Loge.. in einer noch viel schickeren Garderobe..) "das kann ich also wirklich sehr gut verstehen und nachvollziehen." Und um von diesem etwas bedrückenden Thema wieder wegzukommen: "Aber als Schwester des Apollo hast du sicherlich nur die besten Ärzte für deinen Vetter engagiert." Ich lächelte aufmunternd. "Trotzdem: Ich wünsche deinem Verwandten eine baldige Genesung." Eigentlich war dieser letzte Satz überflüssig. Denn ich kannte den Aurelius ja nicht. Und zu meinen Worten von den besten Ärzten passte es auch nicht so ganz. Und ob es sich schickte, sowas zu sagen, wusste ich ebenfalls nicht. Aber: Ich hatte dennoch das Bedürfnis danach, diesen Satz loszuwerden. (Vielleicht wollte ich ja, dass auch mir mal wieder jemand etwas Mut machte und sagte, dass Onkel Kaeso bald wieder auf die Beine kam? - Stattdessen musste ich mich zuletzt herumschlagen damit, dass manche sogar komplett vergaßen, wer die cornelischen Legionen einst geführt hatte.. und wer nur helfend - als Tribun, als Helfer Nummer 1 oder gerne auch als größte Stütze; aber eben nicht als Statthalter, Feldherr und/oder Legionslegat - dabei gewesen war. Aber das war wieder ein anderes Thema.)


    Der Satz zum Lauf der Zeit. Ich lächelte etwas nachdenklich. Denn was wussten die Götter schon von der Zeit? Sah sich die echte Venus Tag für Tag im Spiegel altern? Nein. (Vermutlich.) Sie musste sich keine Sorgen darum machen, wann sie vielleicht ihre ersten zarten Fältchen bekam. Sie musste nicht befürchten, dass ihre Haut irgendwann einmal schlaffer wurde. Sie musste sich nicht plagen mit dem Gedanken an ein erstes graues Haar. (Gut, vom Alter der grauen Haare war ich zum Glück noch beruhigend weit entfernt.) Deshalb: Die Götter konnten den Fluss der Zeit vielleicht nicht aufhalten. Aber im Gegensatz zu den Menschen hatten die ewig jungen Unsterblichen ja auch eigentlich keinen Grund dazu, oder?


    Kaum hatte ich ansatzweise ein bisschen über diese Problematik nachgedacht, da drangen die Worte "ich bin guter Hoffnung" an mein Ohr und erregten meine volle Aufmerksamkeit. Denn "ich bin guter Hoffnung" bedeutete ja, anders ausgedrückt, "ich bin schwanger". Überrascht (über solche Offenheit) öffnete sich mein Mund ganz leicht und ich wollte etwas sagen.. ohne zu wissen was. Erst im Nachklang ihrer Worte entspannte sich mein Lächeln wieder mehr. Denn die Aurelia wollte "nur" heiraten - unzwar nicht, weil sie geschwängert worden war und deshalb jetzt heiraten musste; sondern es ging wirklich nur um das Heiraten. Erstmal. "Aurelia, wie fabelhaft!", freute ich mich für sie und fühlte mich ganz kurz erinnert an den Besuch von Flavia Domitilla, die doch glatt die gleich Neuigkeiten im Gepäck gehabt hatte.
    Und hatte ich schon ein Vögelchen darüber singen hören oder nicht? - Ganz egal. Denn wenn mir die Aurelia von ihrer Hochzeit als Neuigkeit berichtete, dann war ihre Hochzeit für mich natürlich per se auch erstmal eine Neuigkeit. "Oh, liebend gerne werden wir kommen!", sagte ich dann auch prompt für meine beiden halben Männer (der eine halb, weil er noch so klein war; der andere halb, weil.. naja) zu. "Es wird uns eine Ehre sein!" Absolut. "Ich hoffe nur, dass deine Hochzeit nicht am selben Tag stattfindet wie die von Flavia Domitilla. Sie heiratet nämlich Tiberius Lepidus *, den Bruder.." Ich stockte. Dann lächelte ich. "..den Senator und Pontifex, der zur Zeit auch als Vigintivir amtiert." Von dessen Schwester konnte ich ja kaum erzählen, ohne dass ich an diesem Germanen thematisch vorbeikommen würde. Also verschwieg ich einfach beide. "Sie hat mich vor einiger Zeit in der Casa Iulia besucht, um meinen Sohn kennenzulernen.." hatte meinem Kleinen sogar ein Schaukelpferd geschenkt (vielleicht aus Freundlichkeit, vielleicht aus Berechnung, vielleicht aber auch einfach nur, weil ich ihr das Klientelverhältnis meines Großvaters so unter die Nase gerieben hatte) "..und mir dabei auch von ihren Hochzeitsplänen berichtet." Ich hoffte sehr, dass ich mich nicht für eine von beiden Zeremonien entscheiden müsste.. denn nach der heutigen Feier hier in der Villa Aurelia würde ich sonst wahrscheinlich einfach kurzfristig erkranken, um keine der beiden Patrizierinnen zurückzustellen. "Aber erzähl, wer ist es würdig und wert, diese göttliche Diana zur Frau nehmen zu dürfen?" Ich war gespannt und lächelte vorfreudig.


    Sim-Off:

    * Ich geh mal davon aus, dass Fausta dieser Fakt mittlerweile bekannt ist.

  • Über Tote und (Tod-)Kranke zu reden, machte Prisca schnell depressiv. Zu viele liebe Verwandte und gute Freunde hatte sie schon leiden und sterben sehen und jedesmal führte ihr das die eigene Vergänglichkeit gar schmerzlich vor Augen. Daran lag es wohl auch, dass sie ihren Cousin bis dato noch nicht besucht hatte. Aus Angst, ihn in einer Verfassung zu sehen die gänzlich anders wäre als die, in der sie ihn in guter Erinnerung hatte: Als den großen und starken Mann, der ein ebenso großes Herz besaß und bei dem sie sich stets wohlbehütet und sicher gefühlt hatte. Wie bei einem großen Bruder Den Prisca leider nie hatte und ausgerechnet er wurde von einem der Schergen, dieser … Dieser Bestie! "Ja, genau … diese Bestie war ein Fluch für ganz Rom und für unsere Familien! Den Göttern sei Dank, dass seinem Treiben ein Ende gesetzt wurde" Beipflichtend und mit einem anteilsvoll mitleidenden Blick vernahm Prisca von der Heldentat des Onkels der Sergia und im selben Atemzug wurde diese ihr noch um ein vielfaches sympathischer.


    "Dein Onkel ist wahrlich ein Held, einem Herkules gleich, der es gewagt hat diesem Widerling ... " In Erinnerung an den glatzköpfigen Vescularier schüttelte es Prisca regelrecht:" … die Stirn zu bieten. Ich trinke daher auf deinen Onkel, auf die Sieger, auf Rom!...", sprachs, verschüttete (zum Leidwesen der Sklaven) einen Teil des Weines "... und auf uns. Mögen die Götter uns allen stets wohl gesonnen sein. Im Dies- wie auch wie im Jenseits. ", ehe Prisca einen ordentlichen Schluck von dem guten Falerner nahm. Trinksprüche und gute Wünsche konnten schließlich nie schaden und deutlicher konnte Prisca die Sympathie für die Sergia, ihren Onkel und den Rest der anhänglichen Verwandtschaft wohl kaum ausdrücken. Guten Freunden wünscht man eben alles Gute. Ob Fausta eine gute Freundin werden würde? Auch in dieser Hinsicht war Prisca (ziemlich) "guter Hoffnung", wobei sie in der Sergia auch so etwas wie eine "Verbündete" sah, in Bezug auf eine ganz bestimmte persona non grata.


    Es handelte sich jedoch keinesfalls um jenen homo novus, an dessen Namen man zwangsläufig denken musste, sobald über die Hochzeit von Flavia Domitilla und Tiberius Lepidus gesprochen wurde. Da konnte Fausta noch so geschickt die verwandtschaftlichen Verhältnisse vertuschen: Bruder bleibt Bruder. Und ein Germane bleibt immer ein Germane (und ein Pathicus bleibt eben ein Pathicus). Prisca musste unweigerlich schmunzeln, als sie an die "Skandalhochzeit" des Jahres dachte. Eine Patrizierin und ein Germane? Wahrlich für manche ein Skandal bzw. eine Schande, wobei Prisca das Ganze eher gelassen sah. Sie hatte längst begriffen, dass der Adel sich nicht ewig den Veränderungen der Zeit verschließen könnte und sie selbst zählte mittlerweile viele Bürgerliche mit Stolz zu ihren guten Freunden. Hauptsache ICH muss NIEMALS einen Bürgerlichen heiraten In eigener Sache blieb Prisca natürlich weiter konservativ.


    "Oh du kennst Domitilla? Das ist ja schön. Sie ist übrigens auch eine gute Freundin von mir", entgegnete Prisca und ihr Lächeln wurde einen Tick schelmischer: "Ich kann dich beruhigen, meine Liebe. Selbstverständlich werden die Hochzeiten in einem angemessenen zeitlichen Abstand zu einander stattfinden." Sollen ruhig erst die beiden heiraten. Und dann abwarten, ob und wie groß das Gerede über den Tiberer und die Flavia sein wird. Denn MEINE Hochzeit und die Spiele sollen in jeden Fall nur für positives Gerede sorgen, dachte Prisca dabei nicht ganz uneigennützig an ihren (zugegeben nicht immer) guten Ruf, um den sie sich (zumindest) bezüglich ihres künftigen Gemahls keine Sorgen machen musste: "Du kennst ihn bestimmt. Es ist Pontifex Flavius Gracchus. Wir werden unsere Verlobung bereits in ein paar Tagen eingetragen lassen", verriet Prisca den Namen ihres Göttergatten mit freudig klingender Stimme. Ob die Sergia damit gerechnet hatte? Prisca beobachtete gespannt die Reaktionen, auch von den umliegenden Damen (insebesondere Octavia´s), da sie den Namen laut genug ausgesprochen hatte.

  • Wie sagte man so schön? Gemeinsamkeiten verbanden? So langsam begann ich zu glauben, dass da etwas dran sein könnte. "Auf deinen Vetter, auf die Sieger, auf Rom!", stimmte ich Priscas Trinksspruch.. also.. dem Trinkspruch der Aurelia zu, während sie einen Teil ihres Weines für die Götter verschüttete. (Ich selbst hielt davon ja eigentlich nichts: Nicht nur, weil wir hier heute ja die Göttinnen waren, sondern auch weil ich der Überzeugung war, dass man ganz Rom fluten könnte, ohne dass auch nur ein einziger Gott sich in das irdische Leben einmischte.) Trotzdem deutete ich immerhin an, auch ein bisschen meines Weines zu verschütten, wobei man meine Vorsicht dabei hoffentlich eher als Sorge um mein weißes Outfit zu deuten wusste.


    Dann ging es also um das Thema Hochzeiten - und dazu hätte ich der Patrizierin hier vieles erzählen können: Ich hätte ihr berichten können, wie ich mich auf meiner Hochzeit mit Tiberia Lucia angefreundet hatte und wie ich sie beschwatzt hatte, mich bei meinem Vergeltungsplan gegen diesen missratenen "Faustus" zu unterstützen. Ich könnte ihr von der Hochzeit meines Patrons Decimus Livianus erzählen können und davon, wie.. ich leider noch immer keine Rückmeldung von ihm hatte, ob und wann dieser Mosaikenleger der Tiberia mit seinem.. Job in der Casa Decima beginnen könnte. Ich könnte ihr von der Eheschließung (eine richtige "Hochzeit" im Sinne einer "Hoch-Zeit" war das ja nicht!) zwischen Tiberia Lucia und diesem Germanen berichten.. und davon, wie ich der Tiberia einen Spiegel geschenkt hatte, in dem sie sich hoffentlich niemals unbeschwert würde ansehen können.. und davon, wie ich den Kontakt zu der Tiberia seither eher mied, auch wenn das meinen Plan gegen diesen missratenen "Faustus" vielleicht etwas gefährdete. (Aber immerhin unternahm ich seither auch nichts gegen diese Germanenbraut.) Und ich könnte der Aurelia berichten, wie sehr ich mich auch schon auf die Hochzeit zwischen der Flavia und dem Tiberius freute.... weil ich so ein gewisses Gefühl im Bauch hatte, dass manche vergangenen Ereignisse mit ein bisschen Glück nur die frohen Vorboten für das eine oder andere zukünftige Ereignis wären: Man stelle sich das Gerede vor, wenn der Tiberius zusammen mit seiner Schwester und dem Duccius heiratete! Oder das Gerede, wenn die Tiberia allein und ohne ihren Germanen auf der Hochzeit ihres Bruders erschien! Oder das Gerede, wenn der Tiberius ganz ohne diese beiden Personen seine Hochzeit beging! (Wie man es drehte und wendete, dass es Gerede geben würde, war bei dieser Konstellation praktisch sicher. Und umso vorfreudiger sah ich diesem Ereignis natürlich entgegen..)


    Aber auch die Einladung der Aurelia zu ihrer Hochzeit erfüllte mich natürich mit einer gewissen Vorfreude: Ich inmitten einer patrizischen Glamourhochzeit zwischen Aurelia Prisca und.. "Der Flavius Gracchus?!" Angehöriger der altadeligen Flavii Romuli. Senator im Rang eines Prätoriers (genau wie mein Onkel Kaeso). Langjähriger Pontifex und seit einiger Zeit sogar Pontifex pro magistro! Ehemaliger Magister der palatinischen Salier.. denen, wie man sich erzählte, ja auch dieser Aquilius angehören sollte. Dazu, wenn mich nicht alles täuschte, Klient des Senators Flavius Felix (genau wie mein Großvater Marcus Stephanus). Und nicht zu vergessen: Jüngst einer der Kandidaten auf den Kaiserthron! "Das.." machte mir die Aurelia nur noch sympathischer! Denn mit der zukünftigen Gattin eines solchen Mannes konnte man ja nur befreundet sein wollen! (Und bevor man sich wunderte: Dass ich so viel über den Flavier wusste, lag natürlich an meiner ledigen Freundin Tusca, die mir ja ständig in den Ohren lag damit, wie toll dieser Senatoren-Single war, wie toll sie Purgitius Macer fand, .., wie großartig jener Senatoren-Single war, wie großartig sie Purgitius Macer fand, .. Die arme Tusca würde enttäuscht sein, wenn ich sie wissen ließ, dass sich wieder mal ein Senator ohne sie von seinem Single-Leben verabschiedete.)
    "Das ist ja großartig!", lächelte ich begeistert. Und erst nach und nach kam mir der Gedanke: War der Flavius nicht schon einmal eine ganze Zeit lang verheiratet gewesen? War der Flavius also nicht überhaupt schon ziemlich.. alt? (Da konnte man für die sympathische Aurelia wirklich nur hoffen, dass er keiner dieser Lustmolche war.. wenngleich ich mir manchmal wünschte, dass mein Mann ein bisschen mehr Lustmolch und dafür ein bisschen weniger Galbinus wäre.) "Ich weiß wirklich nicht, was ich mehr dazu sagen soll, Aurelia.. außer, dass du wahrscheinlich den Neid vieler lediger Frauen auf dich ziehen wirst, sobald du den Praetorius und Pontifex Flavius heiratest." Und Neid, das wusste die Aurelia sicherlich auch, war immerhin nicht weniger als die höchste Form der Anerkennung.. Ich erhob meinen Kelch: "Auf unsere edle Gastgeberin.. und auf die ehrwürdige flavische Familie, die sich bald mehr als glücklich schätzen darf!"

  • "Manius Flavius Gracchus. Ja genau DER …", bestätigte Prisca laut genug den Namen um mit innerer Genugtuung zu beobachten, wie die Neuigkeit auch bei den anderen Anwesenden an kam. So begeistert wie die Sergia klangen bei weitem nicht alle, oder zumindest nicht so überzeugend. Allen voran (wieder mal) die "liebe" Octava: "Oh, DEN Pontifex Flavius heiratet SIE also? Habt ihr das gehört? Dabei ist seine Frau - sie war eine echte Claudia - doch noch gar nicht so lange tot, oder….?", tuschelnd steckte die Faminia ihr Lästermaul mit ein paar anderen Damen zusammen, wobei sie damit bei Prisca leider nicht gewünschte Reaktion provozierte, sondern bestenfalls nur ein müdes Lächeln evozierte.


    "Siehe DA, liebste Venus! Deine Worte bestätigen sich sogleich. Neid! Purer Neid!. ... Und das aus dem Munde einer Flaminia"deren Göttergatte sein Einkommen als Latrinenaufseher verdient, provokant abfällig den nomen gentile betonend, warf Prisca einen gelangweilten Blick in Octavias Richtung, ehe sie sich wieder ganz den "schönen Dingen" (im übertragenen Sinne) widmete. Denn die Sergia war nicht nur ein wahrer Augenschmaus angesichts ihrer venushaften Erscheinung, nein, vielmehr versprach sie augenscheinlich eine "gute Freundin" werden zu können, sofern Prisca sich nicht völlig in ihr täuschte.


    Auf unsre edle Gastgeberin … Der Trinkspruch und das an ihre Person gerichtete Kompliment kam natürlich bei Prisca sehr gut an (zumal es die Flaminia dazu zwang, ebenfalls auf sie anzustoßen) und dementsprechend fühlte sie sich geschmeichelt: "Ich … Ich danke dir sehr für deine Worte und dafür, dass du mich derart unterstützt. Octavia kann manchmal wirklich ein Biest sein und jetzt, da sie weiß wen ich heirate, wird sie mich noch mehr hassen", sprach Prisca mit gesenkter Stimme und einem anerkennenden Nicken zu Fausta und gleichzeitig signalisierte sie ihre eigene Verbundenheit, indem sie der Sergia ganz persönlich, mit einem offenen Lächeln zu prostete: "Deshalb trinke ich nun allein auf DEIN Wohl, werte Sergia!"


    Damit es jedoch nicht nur beim gegenseitigen Zuprosten und dem Austausch von guten Wünschen bliebe, schnitt Prisca sogleich ein Thema an, dass ihr geeignet und interessant genug schien um ein wenig über die Sergia (und ihre "Sicht der Dinge") heraus zu finden: "Ich bin wirklich froh, dass die Geschicke Rom´s wieder in geordnete Bahnen gelenkt worden sind. Sonst wäre an eine unbeschwerte Hochzeit wohl kaum zu denken." Wer heiratete schon gerne vor dem Hintergrund eines neuerlich drohenden Bürgerkrieges, der noch bis vor kurzem - dem Schwert des Damokles gleich - über dem Reich geschwebt hatte. "Nicht auszudenken, was alles hätte passieren können, wenn der Senat kein Konsens bezüglich der ungeregelten Nachfolge Palmas´s gefunden hätte. Bleibt nur zu hoffen, dass der Friede im Reich von nun an von längerer Dauer sein wird" Spielte Prisca auf Palma´s Versäumnis an zu seinen Lebzeiten einen direkten Nachfolger/ Nachkommen zu bestimmen. Eigentlich unverantwortlich, zumal die "Haltbarkeitsdauer von Kaisern" - bezogen auf die (zum Glück recht kurze) Amtszeit des Vesculariers inklusive Palma´s plötzlichem Ablebens - zweimal in Folge gesunken war. Ob der neue Kaiser an diese Entwicklung anknüpfen wird? …


    Aber worauf wollte Prisca eigentlich hinaus? Kurz musste sie selbst überlegen, ob und - vor allem - wie sie es an- und aussprechen sollte, damit es nicht zu indiskret und direkt wirkte: "Andererseits, … wenn ich mir unsere Männer so ansehe, in deren Händen mit das Schicksal Rom´s ruht ...", womit sie natürlich insbesondere den Ehemann der Sergia inkludiert ohne sicher sein zu können, wie nah oder fern die Ansichten des Iuliers sich zu denen, ihres künftigen Gatten bewegten: "Dann bin ich eigentlich recht zuversichtlich, dass uns allen güldene Zeiten bevor stehen. Oder wie siehst du die aktuelle Entwicklung der Dinge?" Eigentlich ...mehr auch nicht. Oder sollten wir uns nicht eher Sorgen machen? Um unserer Männer? Und (oder) um Andere? Um all diejenigen, die durch die Wahl vor den Kopf gestoßen wurden und womöglich bereits konspirative Pläne schmiedeten. Oder aber um jene, die einst als Handlanger des Vesculariers gedient hatten und die man nun erneut in einflussreichen Positionen wieder fand. So wie diesen elenden Pathicus zum Beispiel! … Pah! Mit DEM hat Palma wahrlich den Bock zum Gärtner gemacht, fand Prisca unweigerlich wenig schmeichelnde Gedanken für den verhassten Decimer. Wegen all dieser Überlegungen hielt Prisca es für nötig, sich künftig ein wenig mehr mit Politik zu beschäftigen und - wenn nötig (und möglich) zu versuchen, die Geschicke ein wenig mit zu bestimmen. Das war natürlich Neuland für sie. Und dazu benötigte sie Verbündete und das Wissen über all jene, die ihr und ihrem Mann nicht wohl gesonnen waren.


    Genau darauf wollte Prisca hinaus und das war auch der Grund, weshalb sie die Sergia gerne als Verbündete sähe. So wie im übrigen auch den Duccier, dem sie mitunter bereits "gefällig" gewesen war, indem sie heimlich seine Wahl zum Konsul unterstützt hatte wohl wissentlich, dass homo novi bei Patriziern alles andere als angesehen waren. Man sieht es ja an dem Gerede wegen der Hochzeit der Tiberia. Aber wir Patrizier dürfen uns eben nicht völlig vor der Entwicklung verschließen. Sogar mein Onkel hat einmal gesagt, dass der patrizische Halbmond ein abnehmender Mond ist. Sonst hätte er wohl niemals ernsthaft in Erwägung gezogen, MICH mit einem Plebejer verheiraten zu wollen Zum Glück war Prisca diesem persönlichen Schicksal in letzter Sekunde entgangen, doch die Worte ihres Onkels hallten nachhaltig in ihren Gedanken. Ich bin ja nur gespannt, ob der Duccier zu Domitilla´s Hochzeit eingeladen ist. Wie sähe das denn aus? Erst verheiraten die Tiberer Eine aus ihren Reihen mit einem homo novus und dann schämen sie sich womöglich dafür? Dann wären die Tiberer ja noch dümmer als sie es ohnehin schon sind da sie es überhaupt zugelassen haben, ihre Blutlinie mit der eines Germanen zu kreuzen. Doch das Geschehene war nun mal unumkehrbar und abgesehen davon: In Bezug auf den Duccier als "Mann" kann sich die Tiberia sehr glücklich schätzen, einen so attraktiven Gatten an ihrer Seite zu wissen ... Das waren bloß einige (beinahe neidlose) Gedanken am Rande, die Prisca so durch den Kopf gingen während sie gleichzeitig aufmerksam auf jedes Wort, auf jede Geste und Mimik der Sergia achtete ….

  • Und da giftete sie also wieder, diese Iuno. Dabei konnte ich richtig hören, wie es ihr offensichtlich mächtig gegen den Strich ging, dass Prisca.. pardon, die Aurelia.. hier so schnell die sich bietende Gelegenheit genutzt hatte. Aber wie hieß es so schön? Wer zuerst kommt, malt zuerst! Und wer zuerst die Initiative ergreift, der hat als erstes einen Ring am Finger. Der Heiratsmarkt war eben ein hartes Geschäft und kein Urlaub auf dem Ponyhof - und je eher diese Iuno das begriff, umso eher würde auch sie einen Mann an ihrer Seite haben.. oder ging es bei ihr schon um die Vermählung einer Tochter? Ich war ja manchmal so schlecht im Einschätzen eines Alters....
    Mehr als amüsiert belächeln konnte ich diesen Neid der Dame allerdings nicht. Denn einerseits fand ich es trotz der gelösten Stimmung hier langsam schon ein bisschen peinlich, wie sehr sich diese Frau ausgerechnet mit der aurelischen Gastgeberin anlegte. Und auf der anderen Seite musste ich für einen kleinen Moment innehalten, als ich erfuhr, dass diese Iuno eine flaminische Iuno war. (Der ehemalige Stadtpräfekt und amtierende Statthalter von Asia Flaminius Cilo war immerhin der Schwager meines Onkels Kaeso. Ich konnte nur hoffen, dass da keine nähere Verwandtschaft bestand.) Entsprechend verkniff ich mir also lieber vorerst einen weiteren Kommentar und erhob stattdessen das Wort zu meinem Trinkspruch.


    Während ich anschließend (wieder mal) ein hübsches Schlückchen aus meinem Kelch trank, dankte mir auf einmal die Aurelierin. Dabei hatte ich ja eigentlich nicht viel mehr getan, als das Offensichtliche auszusprechen: Der Flavius war patrizisch, reich, angesehen und mächtig. Egal wer ihn bekam, diejenige zog sich damit den Neid vieler anderer zu. Das lag in der Natur der Sache. Aber: Hätte sich mir eine solche Gelegenheit geboten, dann hätte ich auch nicht erst noch drei Monate damit vertrödelt, irgendein Orakel nach dessen vernebelter Meinung zu befragen. Ich hätte genauso die Neiderinnen Neiderinnen sein lassen und eine solche Chance ohne Rücksicht auf Verluste ergriffen.
    Doch wie dem auch war. Ich hatte nichts dagegen, wenn man mir dankte. Im Gegenteil, ich hatte da sogar noch einen kleinen Satz über den Hass, den ich der Patrizierin hier mit auf den Weg geben konnte: "Der Hass ist ein aktives Missvergnügen, der Neid ein passives; deshalb darf man sich nicht wundern, wenn der Neid so schnell in Hass übergeht." Ich nickte, bevor ich realisierte, dass ich offensichtlich schon sehr erheitert war, solche "Weisheiten" von mir zu geben. (Diesen Satz musste ich wohl in meiner Jugend in Alexandria von irgendeinem hochgebildeten Wichtigtuer aufgeschnappt haben.) "..hab ich gehört.", setzte ich deshalb nach kurzer Pause noch mit entschuldigendem Lächeln nach, während Prisca nun.. während die Aurelia nun auf mich trank. (Ich musste wirklich aufpassen, dass mir bei aller Verbundenheit so ein Ausrutscher auch weiterhin maximal in Gedanken passierte.)


    Anschließend schnitt die Aurelia ein anderes Thema an: Was wäre passiert, wenn der Senat keinen Konsens in der Kaiserfrage gefunden hätte? "Ich glaube, dann hätten wir wirklich einen germanischen Consul perpetuus gehabt, der uns am Ende nicht nur drei Legionen irgendwo in den germanischen Wäldern, sondern weit mehr als das gekostet hätte.", konnte ich einen Einwurf an dieser Stelle einfach nicht zurückhalten. Denn für mich war ganz klar: Von Sitten und Traditionen, von Tugend und Moral, von Anstand und Benehmen hatten irgendwelche halbwilden Barbaren per se keine Ahnung. Schon jetzt hatte dieser germanische Konsul schließlich in einer seiner ersten Amtshandlungen gleich einmal ausgerechnet das Gesetz zu seinen Gunsten ändern lassen, gegen das er kurz vor seinem Amtsantritt noch selbst verstoßen hatte. Und wenig später dann war er sogar für die zeitweise Aussetzung der Wahlen zum Cursus Honorum verantwortlich. Das hatte es seit Herrschaftsbeginn des vergöttlichten Iulianus nicht mehr gegeben! Und genau deshalb fand ich: Je schneller die neuen Konsuln in ihre Würden kamen, umso besser wäre das für Rom.
    Aber die Patrizierin wollte das Thema offensichtlich lieber in eine andere Richtung lenken: "Ich.. denke schon.", antwortete ich auf die Frage nach dem güldenen Zeitalter eher vorsichtig. Denn so wie die Aurelia erst "unsere Männer" so betonte und dann direkt danach dieses "eigentlich" aussprach.. da sagte mir mein Instinkt, dass sie auf irgendetwas anspielte oder hinaus wollte. Die große Preisfrage aber lautete: Worauf? Ging es um meine öffentliche Klage gegen diesen Germanicus? Ging es darum, dass mein Mann mich nicht davon abhalten konnte? Spielte die Patrizierin also darauf an, dass ich meinen Mann offensichtlich ganz gut im Griff hatte? Ein kurzes Lächeln huschte über meine Lippen. "Du möchtest auf irgendetwas hinaus, richtig?", setzte ich nach kurzer Denkpause nach. Dann kam mir eine andere mögliche Erklärung in den Sinn und meine Gesichtszüge wurden sichtlich ernster. "Hat das irgendetwas damit zu tun, dass die Adoptivtochter meines Mannes vor einiger Zeit in den Kreis der Vestalinnen aufgenommen wurde?", sprach ich meine zweite Vermutung möglichst neutral aus, während ich hoffte, dass ich mich irrte und dass es eben nicht um diese verzogene Iulia, nicht um diese dumme Geschwätz des Pöbels über sie, nicht um den Mord an diesem großmaulig tratschenden syrischen Händler ging. Innerlich jetzt eine ganze Spur unentspannter meinte ich mein eigenes Herz pochen zu hören, während ich der aurelischen Diana, dieser göttlichen Jägerin, aufmerksam in die Augen blickte. Was nur wollte sie hier gerade von mir?

  • Man darf sich nicht wundern, wenn der Neid so schnell in Hass übergeht ...oh ja, wie wahr, pflichtete Prisca der geflüsterten Weisheit gedanklich bei. Der Neid und der Hass würde Octavia Flaminia - früher oder später - zum Verhängnis werden und sofern es sich einrichten ließe, würde Prisca liebend gerne ein paar Fäden dabei mitziehen. Natürlich hegte Prisca keinerlei Mordgedanken gegen Octavia, zumindest nicht im Sinne von: ...Eine Giftschlange in ihr Bett schmuggeln oder … ihren Wein vergiften oder … sie von gedungenen Mördern beiseite schaffen- und es wie ein tragischen Unfall aussehen lassen. Nein! Vielmehr schwebte Prisca etwas im Sinne von: Sie durch Verleumdung, übler Nachrede und Diskreditierung quasi von der gesellschaftlichen Landkarte zu tilgen. Ein gut inszenierter Rufmord? Warum nicht. Zugegeben, solch böse Gedankenspiele schwirrten ab und zu durch Prisca´s Kopf und sie waren wohl der Tatsache geschuldet, dass die Aurelia mittlerweile lange genug in Rom lebte um die vielen Intrigen und üblen Machenschaften der römischen Oberschicht zu kennen.


    Diese Schnepfe wird sich noch wundern, verpackte Prisca einen stummen Fluch in einen flüchtigen Seitenblick zu Octavia, denn eigentlich wollte sie gar keine Gedanken an die Flaminia verschwenden. Zumal das Denken, wie auch das Sprechen zunehmend schwerer fiel und schuld daran waren die zahlreich konsumierten Genussmitteln. Woran sonst hätte es liegen sollen, dass einiges von dem was sie sagte und wie sie es meinte (und nebenbei dazu dachte) nicht ganz so verständlich bei der Sergia an kam, beziehungsweise gar zu Missdeutungen führte: Die Adoptivtochter des Iulius ist bei den Vestalinnen aufgenommen worden? Schön! Aber was hätte ich diesbezüglich mit ihr zu bereden? Oder hab ich da am Ende gar etwas verpasst? Verwundert hob Prisca eine Augenbraue. Zum einen wegen der Schlussfolgerung der Sergia und zum anderen wegen der Erkenntnis, dass sie nicht einmal den Namen der Adoptivtochter kannte. Kaum zu glauben, aber wahr.


    "Oh …. Ich hatte gar keine Ahnung, dass unter den Novizinnen jüngst auch die Adoptivtochter deines Mannes gewesen war. So richte ihm doch bitte nachträglich meine herzlichsten Glückwünsche aus für das hohe Ansehen, die seiner Tochter durch die Aufnahme zuteil wird", schickte Prisca ihre besten Wünsche voraus während sie immer noch darüber nachgrübelte warum die Sergia ausgerechnet daran gedacht hatte. Für die Meisten war eine Aufnahme bei den Vestalinnen eine große Ehre. War das im Falle der Tochter etwa anders gelagert? Hmmm … Wenn ich nur wüsste, wer das ist Zu gerne hätte Prisca direkt nachgefragt, doch das ziemte sich nicht. Vielmehr bedurfte es zunächst einer Aufklärung ihrerseits und dazu musste sie wohl deutlicher werden:


    "Worauf ich mit meiner Anspielung, hinsichtlich des Konsens im Senat, sowie meiner Sorge um unsere Männer eigentlich hinaus wollte ...", setzte Prisca wieder an dem Punkt an, wo sie vorhin zu wage geblieben war und wieder fiel es ihr nicht leicht, es einfach gerade heraus zu sagen: "Wie du sicher weißt, hatten viele gentes unter der Herrschaft des Vescularier zu leiden. Verleumdungen und haltlose Anschuldigungen, bis hin zu öffentlichen Proskriptionen unschuldiger Römer." Nun wusste Prisca zwar nicht, inwieweit auch die Iulier und Sergier betroffen gewesen waren, aber das änderte nichts an den allgemein bekannten Tatsachen: "Auch die Flavier und wir Aurelier gehörten zu denjenigen Familien, die Salinator verfolgen ließ und ich wage mir gar nicht vorzustellen was aus uns allen geworden wäre, wenn er und nicht die Gerechtigkeit am Ende gesiegt hätte."Und nun wurde Prisca ganz leise, als sie der Sergia etwas verriet das womöglich längst kein Geheimnis mehr war:""Stell dir vor, ... noch immer plagen mich ab und zu Albträume angesichts der Erinnerung an jenen Tag, als die Prätorianer hier herein gestürmt kamen und ihr Anführer, Faustus Decimus Serapio , mich als Geisel genommen hat." Seufzend badete Prisca ein bisschen in Selbstbemitleidung, wobei sie natürlich mit Berechnung den Namen des verhassten Decimers nannte, wohlwissend an welchem "Togazipfel" sie ihn zuletzt hatte hängen sehen.


    "Umso verwunderter war ich … Nein besser gesagt, nahm ich es mit großer Sorge und Unverständnis auf, dass Palma anscheinend Salinator´s Schergen rehabilitiert hat, als ich den Decimer zufällig auf deiner Hochzeit wieder getroffen habe", führte Prisca die Szene noch einmal vor Augen und deutlicher musste sie wohl kaum werden: "Und deshalb fragte ich dich, ob wir uns nicht besser um unsere Männer und um andere sorgen sollten, zumal das Schicksal Roms in so kurzer Zeit, durch viele Kaiser´s Hände gewandert ist. Womöglich begünstigt dieser Umstand den Einfluss eben jener, die es augenscheinlich prächtig verstehen sich - einem Fähnchen gleich - im Wind zu drehen. Oder leide ich gar an Verfolgungswahn, was diesen Kerl betrifft?" Mit einer hilflos wirkenden Handbewegung und hochgezogenen Augenbrauen suchte Prisca nach einer Antwort, die womöglich die Sergia sehr gut liefern konnte. Schließlich hatte sie die Posse aus nächster Nähe miterleben "dürfen", die der Decimer damals auf ihrer Hochtzeit aufgeführt hatte.

  • Sie.. wusste nicht einmal davon? (Nicht, dass ich das besonders schlimm fand. Ich kannte ja auch tausendundeins Dinge, die mich mehr interessierten als die ganz konkrete Zusammensetzung irgendwelcher kultischen Kollegien.) Das bedeutete dann also, dass es um diese ganze Iulia-Geschichte und den Syrer-Mord nicht ging. Ich lächelte wieder etwas entspannter. "Gerne richte ich ihm das aus.", versprach ich dann und war froh, dass die Aurelia nicht auch Glückwünsche an diese Iulia durch mich übermitteln wollte. Denn der Kontakt, den ich bisher mit diesem verzogenen, vorlauten Gör gehabt hatte, der reichte mir für zwei Leben. Allein wenn ich an die erste Cena zurückdachte, in welcher ich sie kennenlernen musste, kam meine ganze Verärgerung über dieses freche Kind wieder hoch: Eine fragwürdige Gesichte mit Widersprüchen hatte sie damals allen Anwesenden aufgetischt, hatte auf meine erwartbar kritischen Nachfragen dann völlig allergisch reagiert und sich am Ende sogar mit mir Hausherrin (und zeitweise ja später auch Stiefmutter) ganz dreist und respektlos angelegt. Und da hatte ich von ihrem öffentlichen Fehltritt, der auch zu der ganzen Geschichte mit dem Syrer geführt hatte, noch nichtmal angefangen!


    Aber um diese Iulia ging es hier ja nicht. Zum Glück. Und zum Glück auch war dieses Mädchen mindestens für die nächsten knapp 30 Jahre in ihrem Atrium Vestae gefangen. Mit der brauchte ich mich so schnell also nicht mehr auseinanderzusetzen. Stattdessen richtete ich meine Aufmerksamkeit nun auf die Erklärung der Patricia. Worauf wollte sie hinaus? Sie begann zu erzählen.. von der Herrschaft (warum sagte sie nicht einfach Terrorregime?!) des Vesculariers.. von dessen Rufmord an vor allem den Patriziern im Reich.. bis hin zu seinen wahnwitzigen Proskriptionen (darunter auch meiner beiden annaeischen Onkel Kaeso und Decimus Varus). Wie das jetzt aber zu ihrer Andeutung passte, das wollte mir noch nicht ganz klar werden. Dann sprach die Aurelierin davon, wie auch sie selbst zu den Verfolgten gehörte. (Wieder eine Gemeinsamkeit! Diese Frau wurde mir wirklich immer sympathischer.) Als sie mir abschließend allerdings diesen schönen Namen dieses grässlichen "Faustus" auftischte, konnte man meine Überraschung und meine ungespielte Schockiertheit für einen kurzen Moment ganz unmaskiert in meinem Gesicht ablesen.


    Was diesen Kerl betrifft.. "Also was diesen..", begann ich aufgebracht, bevor ich mich gerade nochmal bremsen konnte. "Also was diesen Kerl betrifft, versichere ich dir, meine Liebe, dass du bei dem nicht genug an Verfolgungswahn leiden kannst! Denn nicht nur, dass dieser Typ mir meine Hochzeit fast ruiniert hätte, indem er.. also.." Ich beschloss, dass ich diesen Punkt wohl lieber übergehen sollte. Denn ich wusste ja nicht, was die Aurelia alles wusste und was sie nicht wusste. Und eh ich versehentlich meinen eigenen Mann bloßstellte und damit mich selbst gleich mit, ging ich lieber auf Nummer sicher: ".. mit seinen Glückwünschen zum wirklich unpassendsten aller Zeitpunkte ankam und damit alles gestört und durcheinandergebracht hat.", zog ich irgendeine halbgare Ersatzstory an den Haaren herbei. "Nein, dieses miese kleine Wiesel, das aus mir völlig unerfindlichen Gründen die Freundschaft meines Mannes genießt, schafft es selbst nach einem so eklatanten Fehltritt immer wieder und wieder, sich.." Mir fehlten irgendwie die Worte dafür. "..die Freundschaft meines Mannes wieder zurückzuerschleichen. In Alexandria hätte ich gesagt, "he always worms his way back into my husbands life". Erst neulich waren die beiden wieder zusammen im Theater!" Mittlerweile war es natürlich schon nicht mehr ganz so "neulich", aber wie Marcus sich überhaupt noch mit diesem.. ja, Wiesel traf es eigentlich ganz gut.. treffen konnte, das war mir wirklich ein Rätsel.


    Ich atmete kurz durch, versuchte wieder etwas gelassener zu werden und lehnte mich mit einem schmalen Lächeln im Gesicht etwas zurück. "Aber du kannst wissen, liebste Aurelia, dass ich nicht ohne Grund eine Klientin des amtierenden Stadtpräfekten bin." "Keep your friends close, but your enemies even closer", fiel mir dazu gleich noch ein weiterer griechischer Satz ein. Auch wenn der Satz hier so hundertprozentig vielleicht nicht passte. Denn ich wollte mich ja nicht an dem Consular rächen; ich wollte mich an dessen Sohn rächen. Und dazu lautete Schritt eins: Es musste zu einem Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn kommen! Denn ohne die Unterstützung seines Vaters und dessen anderen Klienten wurde dieser "Faustus" erst so richtig angreifbar und verletzlich.
    Im Nachklang meiner eigenen Worte wurde ich nun allerdings stutzig: Die Aurelia hatte über ihre Verbindung zu diesem.. Kerl gesprochen. Ich hatte über meine Verbindung und die meines Mannes zu diesem.. Typ erzählt. "Was.. verbindet eigentlich deinen..?" Ich stockte und blickte die Patrizierin eindringlich und irgendwie auch etwas ungläubig an. Denn konnte es etwa sein, dass ihr zukünftiger Mann (ein nobler Patrizier aus bestem Haus, ein Senator, Prätorier, ein Pontifex, der pro magistro, einer der Kaiserkandidaten!) dass der genauso seltsam tickte wie mein Mann? Konnte es sein, dass dieser gemeingefährliche Decimus auch dessen Geist irgendwie vergiftet hatte? (Das läge ja dann irgendwie nah, oder?) Konnte es sein, dass die Aurelia davor stand, genau die gleichen Probleme zu haben, mit denen ich in meiner Ehe zu kämpfen hatte? - Ich konnte mir das eigentlich kaum vorstellen. Ich wollte mir das nicht vorstellen! Und trotzdem bekam mein perfektes Bild von gerade den Flaviern (Senator Flavius Felix als Patron meines Großvaters) hier nun gerade einen gewaltigen Sprung. Das konnte doch nicht wahr sein!

  • Hui! Da habe ich anscheinend direkt in ein Bienennest gestochen! Also wenn die Sergia schon wegen Glückwünschen so aufgebracht ist, die zu einem - zugegeben - schlecht gewähltem Zeitpunkt kamen, wie hätte sie dann erst reagiert, wenn ... Ja, wenn sie von der Neigung ihres Mannes: a) schon gewusst hatte, oder: b) spätestens auf ihrer Hochzeit davon erfahren hat? Egal ob a) oder b) … Zumal die Aufgebrachtheit der Sergia, ihr Stocken am Ende der Frage und der ungläubige Blick schon den Verdacht nahe legten, woran sie gerade dachte. Tja … was verbindet den meinen (und den deinen) mit ... oh den Ausdruck muss ich mir merken … mit diesem miesem kleinen Wiesel? War es gar eine Vorliebe, der anscheinend so mancher Mann gerne frönte? Wer weiß schon, wen dieser kranke Decimer noch alles angesteckt hat, überlegte Prisca kurz, ohne auf diese "Vorliebe" auch nur mit einem Wort hinzudeuten. Denn in dieser "Beziehung" war Prisca sehr auf der Hut, was das Ansprechen eben jener "Krankheit" betraf, mit der dieser Pathicus infiziert war. Erstens hatte sie es Gracchus auf Iuppiters Stein geschworen und zweitens, fühlte sie sich als seine Ehefrau noch mehr an diesen Schwur gebunden.


    Sein tadelloser Ruf stand schließlich auf dem Spiel und Prisca würde wirklich alles dafür tun, dass dieser keinen Kratzer ab bekäme: "Du meinst meinen Mann? Nein nein, … es geht darum, was mich mit diesem widerlich Wurm verbindet und weswegen ich mir Sorgen mache. Nicht nur um meine Zukunft sondern mehr noch um die, meines Verlobten", lieferte Prisca prompt eine plausible Erklärung, ohne mit der Wimper zu zucken: "Denn als dieser Decimer sich noch auf der Siegerseite Salinators wähnte, hatte er nur Verachtung und Hass für mich und meine Familie übrig. Und wer weiß, welche Rachegedanken und -pläne er heute noch gegen mich hegt." Das konnte ja gut möglich sein, wenngleich Prisca keinerlei Beweise dafür hatte. Aber wer brauchte schon Beweise? Jedenfalls wollte Prisca keine liefern, welche die Neigung ihres Gatten verraten würden und um auch der Sergia aus dieser misslichen Lage zu helfen, gab Prisca ihr nun die Möglichkeit, sich ebenfalls darauf hinaus zu reden, indem sie im verbundenen Tonfall anfügte: "Deine Reaktion - als ich seinen Namen nannte - zeigt mir, dass er auch dir und den deinigen sehr übel mitgespielt haben muss! Und womöglich buhlt er nur deshalb so um die Freundschaft zu deinem Mann, damit er sich an uns rächen kann, indem er unsere Männer gegeneinander aufhetzt", implizierte Prisca zu guter Letzt eine Verschwörungstheorie in ihrer beider Gehirne, mit der sie im Grunde ihre eigenen Rachepläne rechtfertigen wollte.

  • Was die Aurelia sagte.. es machte Sinn: Sie sorgte sich nur deshalb um ihren Mann, weil dieser Wurm es auf sie abgesehen hatte. Denn dass da auch ein Verlobter und späterer Gatte schnell ins Visier geriet, schien auch mir nur plausibel. (Trotzdem machte sich ein einmal gedachter Gedanke leider nicht rückgängig und ungedacht. Und Ideen, die man einmal gehabt hatte, die kamen manchmal leider verflixt schnell wieder.) Ich hoffte nur, dass ich mich nicht selbst verraten hatte gerade. Denn auch wenn der Zeitpunkt der "Glückwünsche" (gerade als der Tiberius mit der Zeremonie loslegen wollte!) wirklich verdammt mies gewesen war, rechtfertigte er meinen so großes Hass gegen diese Unperson ja trotzdem noch nicht so ganz..


    Umso dankbarer war ich da für diese Steilvorlage der Patrizierin: "Du meinst, dass er sich nur deshalb um die Freundschaft meines Mannes bemüht, um mir zu schaden?" Ich zog meine Augenbrauen nachdenklich zusammen, bevor ich nach einer kurzen Weile zustimmend nickte. "Das macht Sinn. Denn wenn sein Hass auf meinen Onkel Annaeus Modestus für dessen Sieg bei Vicetia nur halb so groß ist, wie mein Hass auf ihn.. auch dafür, dass die Prätorianer eine gehörige Mitschuld an den schweren Verletzungen meines lieben Onkels haben" Das eignete sich vermutlich wesentlich besser als glaubhafte Begründung für meinen Hass. "dann erklärt das.. eigentlich alles. Mein Onkel kuriert sich fernab von Rom. Den kriegt er also gerade nicht zu greifen. Deshalb hat er sich stellvertretend für ihn mich ausgesucht, die er mit allen Mitteln fertigmachen will." Erschrocken nahm ich meine Hand vor den Mund. Denn ich fand es ehrlich erschreckend, wieviel Sinn das gerade alles machte. "Und du meinst, dass er zu unserem Schaden als nächstes unsere Männer gegeneinander aufhetzen wird?" Sein Ziel dabei wäre klar: Wenn man zwei Gegner gegeneinander ausspielte, musste man sich am Ende nur noch mit einem der beiden herumplagen. "Das dürfen wir nicht zulassen!", appellierte ich deshalb an die Aurelia und trank darauf gleich noch einen Schluck Wein, während ich mich fragte: Wie kam sie eigentlich auf diese Theorie mit dem Ausspielen? Hatte sie dafür irgendwelche konkreten Anhaltspunkte? - Und wieso war ich noch nicht auf diesen Trichter gekommen? War ich gerade nur zu angetrunken oder hatte ich am Ende wirklich irgendwo etwas übersehen?

  • Prisca war nicht minder erstaunt darüber, wie viel Sinn hinter all ihren Hirngespinsten stecken mochte, obgleich sie sämtlicher Beweise entbehrten. Ich muss nur aufpassen, dass ich es mit der Verschwörungstheorie zwischen unseren Männern nicht zu sehr übertreibe, mahnte sie sich selbst zur Zurückhaltung angesichts der Tatsache, dass eigentlich (k)eine direkte Verbindung zwischen ihren Männern bestand, (außer) in Gestalt eben jener persona non grata.


    "Nun ….ob er nun dir oder mir, ob uns beiden, oder wem auch immer mit seinen üblen Machenschaften schaden will. Ob nun ER, oder womöglich noch andere von diesen verfluchten Schergen des Vesculariers, die allesamt rehabilitiert worden sind. … Letztendlich habe ich keinerlei Beweise für irgendwelche Umtriebe seinerseits, oder von wem auch immer … , gab Prisca schulterzuckend zu, doch:"Andererseits will ich - ehrlich gesagt - nicht die Hände in den Schoß legen und tatenlos dabei zusehen, wie ehemalige Günstlinge des Vesculariers womöglich die neugewonnene Stabilität des Reiches zu unterwandern versuchen. … Und in diesem Punkt sind wir uns doch einig, werte Sergia, dass dieser elende Mistkerl uns beiden sehr wahrscheinlich ebenso wenig wohl gensonnen ist, wie wir ihm … nicht wahr?",erwartungsvoll blickte Prisca in die Augen der Sergia, darauf hoffend ihre volle Zustimmung zu erhalten.


    "Du hast es eben selbst gesagt: … Das dürfen wir nicht zulassen! … Und deshalb müssen wir wachsam sein und alles dafür tun, dass wir und nicht die anderen die Oberhand behalten werden. Mit verschwörerisch gesenkter Stimme, beugte Prisca sich zu der Sergia hinüber, den Kelch mit dem Wein dabei in freundschaftlicher Manier zuprostend : "Lass uns darauf trinken, Fausta! ...Sofern ich dich so nennen darf ..." Womit das Angebot der Freundschaft ganz offen ausgesprochen war, in der Hoffnung, damit eine (weitere) Mitstreiterin für die "gute Sache" gefunden zu haben.

  • Ob dieses Wiesel uns beiden schaden wollte? Bei dem, was mir die Aurelierin hier erzählt hatte, war ich mir inzwischen mehr als sicher, dass er bestimmt einem halben Dutzend Intrigen gleichzeitig mit größter Freude nachging: Eine gegen mich. Eine gegen die Aurelia. Eine gegen keine-Ahnung-noch-wen. Aber die Vermutung lag nah, dass zum Beispiel auch diese Iunia mit dem Cornelius-Testament mit auf seiner schwarzen Liste stand. Oder auch die Claudia, die mit dem Konsular Flavius verheiratet war. Oder auch die Tiberia, die mit jetzt an der Seite dieses zweifelhaften Ducciers stand. - Und wer wüsste, vielleicht fand sich sogar auch der eine oder andere Name eines Mannes (zum Beispiel der meines Onkels Kaeso) auf der Liste dieses Decimers. (Wobei ich mir da eigentlich wirklich nicht so sicher war, ob dieser Galbinus sich überhaupt traute, sich auch mit einem echten Mann anzulegen.)
    "Absolut!", stimmte ich der Patrizierin anschließend überzeugt zu. Denn ich hatte zwar keine Ahnung, was dieser Kerl eigentlich so über mich dachte. Aber ich wusste, was ich selbst von ihm hielt: Er hatte mir am Tag meiner Hochzeit ganz offen und direkt vor meiner Nase meinen Bräutigam wegnehmen wollen! Und so wie ihm immer wieder neue Ideen (wie die mit dem Theater) kamen, hatte er diesen Plan trotz meiner Hochzeit und des trotz meines Sohnes noch immer nicht aufgegeben. Und da legte ich jetzt also bestimmt nicht die Hände in den Schoß und sah nur zu, wie dieser Wurm bei seinem hundertundersten Versuch dann vielleicht doch irgendwann mal Glück hatte und Marcus mich verließ. Nein, der Typ hatte mich auf meiner Hochzeit herausgefordert - und dann sollte er natürlich auch großzügig "belohnt" werden dafür!


    Wir mussten die Oberhand behalten. Recht hatte sie damit! "Ja, trinken wir darauf.. Prisca." Ich lächelte zufrieden und genoss es, diese Patrizierin der obersten Gesellschaftsschicht bei ihrem Cognomen nennen zu dürfen. Dabei prostete ich ihr freundschaftlich zurück, bevor ich wieder ein Schlückchen des guten Tropfens trank. - "Ich vermute ja, dass er jetzt, wo es wieder einen Kaiser gibt, den seine Prätorianer beschützen können, keine Zeit und Gelegenheit verstreichen lassen wird, sein.. wie nanntest du es vorhin.. Fähnchen nach diesem neuen Wind auf dem Palatin auszurchten.", begann ich dann zu spekulieren. Dabei konnte es sein, dass er sich an den Kaiser ranschmiss. Es konnte sein, dass er die Augusta zu seiner neuen BFF machte. Oder vielleicht versuchte er auch den Caesar zu verführen. Ich traute ihm alles zu. "Wenn wir hier die Oberhand behalten wollen, dann sollten wir vielleicht sehen, dass er nicht der einzige mit guten Kontakten zu Hofe ist." Dabei hatte ich ganz vage sogar schon eine schemenhafte Idee in meinem Kopf: Soweit ich wusste, war der Caesar ja nur der Stiefsohn der Augusta - eine Konstellation, bei der Spannungen eigentlich vorprogrammiert waren. Sollte dieses Wiesel also bei einer dieser beiden Personen einen Fuß in die Tür setzen, wäre unsere Partei eigentlich prädestiniert dafür, auf exakt der anderen Seite in dieses Spiel einzusteigen....

  • Prisca lächelte ebenfalls zufrieden, als sie den Kelch prostend hob und sogleich an ihre Lippen führte. Ihr Blick ruhte derweil unverwandt auf ihrer neugewonnenen Freundin, die ihr wirklich sehr sympathisch erschien und bei der sie wahrlich ein "gutes Bauchgefühl" hatte. Fausta hasst den selben Mann und sie sieht die Dinge ähnlich wie ich. Zudem macht sie nicht den Eindruck, als würde sie mir nur etwas vorspielen, um mir bei der nächsten Gelegenheit in den Rücken zu fallen, ...so wie beispielsweise Octavia, diese blöde Schnepfe. Eine Garantie gab es freilich niemals und für niemanden, aber Prisca vertraute einfach mal darauf, dass sie sich in Fausta nicht irrte.


    Denn gute Freunde und enge Verbündete waren ein nicht zu unterschätzendes Gut, auf das Prisca sehr viel Wert legte. Derart viel, dass sie sogar bereit war ganz neue Wege zu beschreiten, indem sie selbst einen homo novus bei seiner Wahl zum Konsul begünstigte. Wer weiß, wofür das gut war und zur rechten Zeit wird sich zeigen, ob es sich auszahlt, dachte Prisca kurz darüber nach ob es sich lohnen würde, diese Beziehung "anzuzapfen" bezüglich jener persona non grata, wegen der sie und Fausta so aufgebracht waren. Mal sehen … vielleicht gibt es ja noch andere, ...oder gar besser Kontakte …


    "Du meinst, wir sollten uns bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit, mit der neuen Augusta gut stellen?", schlussfolgerte Prisca ganz spontan aus den Worten ihrer neuen Freundin und sie bekundete ihre Begeisterung für diesen Vorschlag ganz diskret darin, indem sie sich verschwörerisch umsehend zu Fausta vor beugte: "Hast du gar schon einen Plan oder einen Vorschlag, wie wir dabei vorgehen sollten? … Womöglich bietet sich eine von den anstehenden Festivitäten dafür an, sie für uns zu gewinnen? ...Und wenn nicht sie, wen sonst? ….Ich kenne durchaus einige Senatoren, aber ich bin mir nicht sicher, ob und wie weit deren Einfluss uns weiter helfen wird und ob es demzufolge Sinn macht, sie überhaupt wegen diesem widerlichen Wurm zu behelligen", dachte Prisca leise - zu Fausta hin gesprochen - über die möglichen Alternativen nach und darüber, welche Fäden sie wohl am besten, als nächstes ziehen sollen ...

  • Ich lächelte zufrieden in mich hinein, als mein Vorschlag offenbar gut ankam. "Nach ihrem ersten Auftritt auf dem Forum Romanum" Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Prisca nicht mindestens von anderen von der reitenden (also wörtlich, auf einem Pferd reitenden) Augusta gehört hatte. "weiß ich nicht, ob diese junge Kaiserin wirklich.. durchsetzungsfähig genug wäre, uns bei unseren Plänen zu unterstützen." Denn es gab ja eigentlich nur zwei Varianten, wie es zu diesem reitenden Auftritt gekommen sein konnte: Entweder die Frau war so eigenwillig, dass sie gegen alle guten Ratschläge ihren eigenen Willen durchgesetzt hatte und auf einem Pferd über das Forum Romanum geritten war.. oder sie war so leicht zu beeinflussen, dass sie jedem alles versprach - selbst einem schlechten Berater, dass sie mit einem Pferd übers Forum Romanum ritt. Und gemessen an ihrem jungen Alter, ihrem sonstigen Auftreten auf dem Forum und der Tatsache, dass sie aus der Provinz nach Rom gekommen war; gemessen daran glaubte ich irgendwie nicht daran, dass sie hier in der Metropole Rom als neue Kaisergattin, auf die alle Augen sich richteten, nun das personifizierte Selbstbewusstsein war. Ich glaubte da leider eher an die zweite Variante.
    "Ich glaube eher, dass wir beim jungen Caesar ansetzen sollten.", erklärte ich deshalb. "Der ist, soweit ich weiß, ein freier Mann", also unverheiratet, jung und jugendlich wild, "der als Caesar sicherlich einigen Einfluss auf seinen Vater haben wird und einem unschuldigen kleinen Flirt mit einer attraktiven Dame deines oder meines Formats bestimmt nicht abgeneigt ist." Mit anderen Worten: Den könnte frau vielleicht ganz gut um den Finger wickeln.. wenn dieses Wiesel nicht schneller wäre und nach meinem Marcus auch den Caesar so elendig für die Frauenwelt vergiftete.


    Aber ob Augusta oder Caesar. Die Frage blieb, wie wir dabei vorgehen sollten. "Und die anstehenden Festlichkeiten sind eine ganz ausgezeichnete Idee!", musste ich ehrlich zugeben. "Der Pontifex Tiberius soll ja, wie ich gehört habe, so ganz traditionell nach Confarreatio Art seine Hochzeit mit der Flavia feiern." Und dafür war bekanntlich die Anwesenheit des Pontifex Maximus nötig. "Mit etwas Glück können wir da also auf die ganze Kaiserfamilie auf einmal treffen." Ich könnte mir den Caesar vornehmen, Prisca die Augusta. Oder umgekehrt. Oder wir nahmen uns beide zusammen den Caesar vor. Oder nacheinander erst den Caesar, dann die Augusta. Oder wir probierten sogar das Meisterstück und versuchten uns am Kaiser direkt, auch wenn die Erfolgschancen da vermutlich am geringsten waren. Denn der Mann hatte einen Sohn, eine junge Patrizierin zur Frau und als Kaiser jetzt auch sonst alle Macht und alles Geld, das er sich nur wünschen konnte. Den zu becircen dürfte daher schon beinahe ein Ding der Unmöglichkeit werden. Mehr als indirekten Einfluss auf den Kaiser zu nehmen, das hielt ich für irrational. Jetzt. Wie es langfristig aussah, wenn aus dem Caesar irgendwann ein neuer Augustus werden würde, war da wieder eine ganz andere Frage....
    Ich trank nochmal ein Schlückchen Wein, während ich überlegte. Aber ein besserer Anlass, einen ersten Kontakt zum Kaiserhaus herzustellen sah ich erstmal nicht. "Oder hast du noch eine Idee?" Vielleicht ja auch über ihren flavischen Verlobten, falls der irgendeine nähere Verbindung zum Kaiserhaus hatte?

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