Curio hatte bis grade eben noch einigen Papierkram für den Ordo decurionum und den Apollo-Kult und wollte grade in der Küche eine Kleinigkeit essen, bevor er sich dann auf den Weg zum Tempel machen würde, als er im Atrium etwas hörte. Stark gedämpft, aber deutlich genug drang ein Schluchzen bis ins Atrium hien, das Curio einhalten ließ. Silvana war grade mit Gwyn und Roderiq auf dem Weg zum Markt, sodass es eigentlich nur Alpina oder Ursicina sein konnten. Mit wenigen Schritten hatte er das öffentliche Atrium sowie das kleine private Atrium von Alpina und Corvinus hinter sich gelassen und klopft nun an die angelehnte Tür zum großen Schlafzimmer.
[Cubiculum] Lucius Helvetius Corvinus et Susina Alpina
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Das Klopfen an der Cubiculumtür vernahm Alpina wie durch einen Nebel. War es Neman? Ging es der kleinen Esquilina schlecht? Die Hebamme rieb mit dem Handrücken die Tränen weg und trocknete sich mit dem Tunikaärmel notdürftig die Nase.
"Ja?", fragte sie vorsichtig. "Bist du das, Neman? Ich komme schon."Sie stand auf und ging zur Tür.
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Es war ganz eindeutig ein Schluchzen gewesen, das Curio gehört hatte. Doch hatte dies in dem Moment aufgehört, als er an der Tür geklopft hatte. Nach einer kurzen Pause hörte er dann Alpinas Stimme und nachdem diese die Tür geöffnet hatte, sah er, obwohl sie sich wahrscheinlich kurz vorher die Tränen vom Gesicht gewischt hatte, dennoch an und in ihren Augen, dass er offenbar ihr Schluchzen gehört hatte.
Nein, nein, ich bins nur. Ich... hab dich gehört und ähm... wollte schauen, ob alles in Ordnung ist.
besorgt blickte er seine Schwägerin an. Irgendwie war es immer ein genau entgegen gesetztes Auf und Ab der Beziehungen von ihr und Corvinus sowie der von Curio und Silvana. Offenbar schwebte immer das eine Paar im siebten Himmel, während das andere mit Problemen zu kämpfen hatte. Im Moment traf es Alpina aber wohl mit voller Kraft, denn sie musste nun schon seit einigen Monaten auf ihren Mann und den Vater ihres Kindes verzichten und auch wenn Curio und seine Frau ihr im Moment noch halfen, wo sie konnten, konnten sie doch nicht den Mann und Vater ersetzen, der nun einmal fehlte. Leider musste man sich hier ja auch nichts vormachen: Es würde nicht unbedingt viel besser, denn sobald Corvinus zurück wäre - denn Curio hatte keinen Zweifel, dass er zurückkehren würde - gab es immer noch den tagtäglichen Dienst und die spontanen Erkundungsaufträge am Limes, die ihn ja auch immer wochenlang von zu Hause wegführen würde. Allerdings hatte Curio bislang nicht wahrgenommen, dass Alpina das mehr zu schaffen machte, als sie es tragen konnte. Bislang hatte sie sich doch stets als starke junge Frau gezeigt, die noch jede Herausforderung hatte überwinden können.
Jetzt kam aber auch noch die zeit- und kraftraubende Betreuung der kleinen Iulia dazu, deren Zustand sich offenbar gar nicht wirklich verbessern wollte. Da fehlte die starke Schulter seines Bruders wahrscheinlich umso mehr und die konnte auch Curio nunmal höchsten schlecht als recht ersetzen. Nichtsdestotrotz gehörte sie einfach zur Familie und war ja viel mehr als eine Schwägerin. Sie war Freundin, Vertraute, Unterstützerin, Ratgeberin - aber wahrscheinlich letztlich auch ein junger Mensch, dem manchmal die Dinge über den Kopf stiegen, ebenso wie bei Curio und Silvana.
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Es war nicht Neman. Curio stand vor ihr. Entgeistert sah Alpina ihren Schwager an. Sie hatte nicht mit ihm gerechnet. Die Frage ob alles in Ordnung sei, wollte sie reflexartig mit ja, klar! beantworten, doch ein Blick in seine Augen sagte ihr, dass sie ihm nichts vormachen konnte. Sie musterte ihn und suchte nach den Gemeinsamkeiten mit Corvinus. Die Augenpartie und die geschwungenen Lippen beispielsweise, aber auch die Haarfarbe verrieten die familiäre Beziehung der beiden Männer. Wenn auch Curio deutlich schmächtiger gebaut war und eher Eleganz in den Bewegungen zeigte wie seine Mutter Timarcha. Corvinus grobschlächtiger Körperbau und bärenhafteTolpatschigkeit hingegen gingen eher auf die väterliche Linie zurück.
Tränen traten erneut in Alpinas Augen als sie diese Vergleiche zog und unweigerlich das Bild ihres Geliebten vor ihrem geistigen Auge auftauchte. Sie schluckte schwer.
"Danke, dass du fragst, Curio. Es ist wohl die Erschöpfung. Die Behandlung der kleinen Esquilina ist kräfteraubend und erschöpfend, dazu die Sorge um die Kleine. Ich muss immer wieder daran denken, dass es auch Ursi sein könnte, die dort so schwer fiebernd mit der Dea Febris um das Weiterleben kämpft..."Alpina stockte, die erste Träne rollte über ihre Wange. Schnell wischte sie sie fort. Doch aus dem anderen Auge tropfte sofort der nächste Salzwassertropfen.
"...und dann ist da noch die Sorge um Corvinus..."Es war raus. Und mit diesem Satz öffneten sich die Schleusentore und Alpina fiel ihrem Schwager schluchzend um den Hals. Sie drückte das Gesicht an seine Schulter und durchnässte in kurzer Zeit die edle Tunika.
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Es war schon komisch, aber Curio hatte das Gefühl, dass er ein Dejávù erleben würde, nur mit verteilten Rollen. Vor gar nicht allzu langer Zeit war es Curio gewesen, der Alpinas Tunika am Schulterteil mit seinen Tränen durchnässt hatte. Nun war es seine Schwägerin, die vor ihm stand und eine Schulter zum Anlehnen und Ausweinen brauchte. Seine Schulter war natürlich deutlich schmächtiger als die kampferprobte, durchtrainierte und muskulöse Schulter seines Bruders. Und ebenso wie Alpina damals für ihn dagewesen war, war er jetzt natürlich auch für sie da, legte ihr eine Hand auf den Rücken und sagte erstmal nicht. Er wusste selbst nur zu gut, dass Worte in solchen Situationen kaum hilfreich waren, sondern es viel eher half, dass man sich einfach mal ausweinen konnte. So gab Curio der Hebamme die Zeit, die sie brauchte und blickte nur dann und wann zur Wiege Ursicinas, die sich aber ganz offensichtlich von den Tränen ihrer Mutter nicht beim wohlverdienten Mittagsschlaf stören ließ.
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Es dauerte einige Zeit, bis Alpinas Tränenstrom versiegte. Sie wälzte im Kopf was sie sagen sollte, denn Curio konnte ja nichts dafür, dass Corvinus nicht da war. Und nun musste er den Kummerkasten spielen. Irgendwann konnte sie sich lösen. Sie schob ihm einen Stuhl hin und setzte sich selbst auf die Kante des großen Bärenbettes. Mit einem Tuch, das sie sonst für Ursi benutzte putzte sie sich die Nase und ließ die Schultern hängen.
"Es tut mir leid, dich mit meinem Kummer zu belästigen, Curio. Vermutlich ist es nur die Erschöpfung. Wenn ich erst richtig geschlafen habe, wird es schon wieder gehen", sagte sie. "Er fehlt mir so. Und noch viel schlimmer ist, dass ich noch nicht mal weiß, ob er noch lebt."Wieder traten Tränen in Alpinas Augen. Sie griff nach dem Lunulaanhänger, den Corvinus ihr geschenkt hatte. Ein Blick zur Hängewiege bestätigte der Raeterin, dass Ursicina noch schlief. An der Wiege hing in einem Säckchen die Bärenkralle, die Corvinus seiner Tochter als Erinnerung an sich dagelassen hatte. Mehr hatte sie nicht von ihm. Curio war der Kleinen mehr zur Vertrauensperson geworden als es der eigene Vater war.
"Sei froh, dass du nicht in die Fußstapfen deines Vaters getreten bist. Es war allemal besser sich seinen Zorn zuzuziehen als die meiste Zeit von Frau und Kind getrennt leben zu müssen. Was für ein grausamer Beruf, in jeder Hinsicht."Sie tupfte wieder einige Tränen fort, die sich erneut im Augenwinkel bildeten. "Diese Unsicherheit, ob ich ihn wiedersehen werde, zermürbt mich. Ob er jemals wieder in diesem großen Bett an meiner Seite liegen wird?"
Ihre Hände krampften sich um das Tuch, der feuchte Blick traf den Schwager. -
Curio ließ Alpina die Zeit, die sie brauchte, um sich wieder einigermaßen zu beruhigen. Er hatte es nicht eilig, schließlich hatte es gewisse Vorteile, wenn man quasi die Nummer 2 hinter dem Aedituus Magister war und zudem die Diensteinteilung im Tempel verantwortete. Was er jetzt an Zeit verlore, konnte er sich daher problemlos heute oder an einem anderen Tag draufschlagen, ohne dass es jemanden störte. Jetzt brauchte Alpina ab jemanden, der ihr zuhörte und Curio half ihr gern, denn er hatte ihr ja auch genug zu verdanken.
Du belästigst mich nicht, Alpina, damit das klar ist. Wenn du jemanden brauchst, kannst du jederzeit zu mir kommen, so wie ich immer zu dir kommen kann.
Gut, das tat er auch nicht immer, vor allem nicht, wenn er das Gefühl hatte, dass er kein Recht zum Jammern hatte, weil er sich den größten Teil seines Lebens selbst ausgesucht hatte und es anderen ja auch deutlich schlechter ging, als ihm.
Und natürlich lebt Lucius noch. Wir müssen einfach nur daran glauben, dann kann ihm nichts passieren. Er ist zäh, bestimmt mit Abstand der Zäheste in meiner Familie und er wird zurückkommen.
Natürlich durften sie nicht daran zweifeln, denn wenn sie anfingen zu zweifeln, wurde die Gefahr nur größer, dass der schlimmste Fall eintreten könnte. Daher sprach Curio hier auch mit dem Brustton der Überzeugung, während er Alpinas freie Hand nahm und sie aufmunternd drückte.
Na ja, wahrscheinlich hätte ich keine Frau, wenn ich den Anweisungen meines Vaters gefolgt wäre. Und glaub mir bitte, sein Zorn war alles andere als angenehm für mich. Aber es geht ja nicht um mich, sondern um Lucius und natürlich auch um dich.
Kurz war die Unsicherheit in Curios Stimmt mehr als deutlich, denn insgeheim wusste er immer noch mit letzter Sicherheit, wie sein Vater mit seinen Karriereplanungen umging und ob er sie guthieß. Der junge Helvetier war schon froh gewesen, dass der alte Primus Pilus der Hochzeit zugestimmt hatte und auch, wenn er das Gefühl hatte, dass sich das Verhältnis zu seinem Vater zumindest entspannt hatte, wusste er doch nicht, inwieweit er das alles hier tatsächlich unterstützte oder eben doch nur tolerierte, weil es letztlich keinen Weg zurück gab.
Wenn du möchtest können wir Mars und Mercurius opfern, damit sie ihn beschützen. Ein Opfer an Mithras traue ich mir allerdings nicht zu.
Ganz abgesehen davon, dass er nicht Mitglied dieses Kults war, war dieser doch auch ein Mysteriumskult und die einzelnen Kulthandlungen nicht öffentlich bekannt. Zwar hatte sein Vater versucht, ihn in den Mithraskult einzuführen, das war aber gescheitert, und so kannte Curio höchstens ein paar Grundzüge, ohne sich ein konkretes Opfer zuzutrauen.
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Zitat
Original von Curio: Und natürlich lebt Lucius noch. Wir müssen einfach nur daran glauben, dann kann ihm nichts passieren. Er ist zäh, bestimmt mit Abstand der Zäheste in meiner Familie und er wird zurückkommen.
Woher nahm er diese Sicherheit? Ja, bisher war er jedes Mal zurückgekommen - mehr oder weniger intakt. Dass Corvinus zäh war stimmte schon auch, aber dieses Mal empfand sie seine Abwesenheit als noch viel schlimmer. Vermutlich weil die Verantwortung des Mutter-seins auf ihr lastete. Sie war nicht mehr allein. Ursicina war da und ihre Tochter sollte auch einen Vater haben.
Alpina ließ den Kopf hängen.
"Wenn du es sagst...", murmelte sie.Dann sprach Curio von seinem Vater und dessen Zorn auf ihn, weil er ausgebrochen war und sich nicht den Vorstellungen des "Alten" gebeugt hatte. Es war mehr als deutlich, dass dieses Thema noch nicht verarbeitet war. Alpina sah auf, suchte die Augen des Schwagers und erwiderte den Druck seiner Hand.
"Du hast dich mit ihm nie darüber ausgesprochen, nicht wahr?"Das Angebot mit dem Opfer an Mars und Mercurius nahm Alpina dann dankend an. Sie konnte ohnehin nichts anderes machen als zu warten und zu beten. Die Götter würden Corvinus begleiten und ihn sicher nach Hause bringen, wenn sie nur ein schönes und großes Opfer für sie zelebrieren würden.
"Das möchte ich. Du musst mir sagen, welche Art Opfer angemessen ist für das Leben meines Mannes. Du kannst dir vorstellen, dass ich meine letzte Tunika dafür geben würde, dass er zu Ursi und mir zurückkehrt."
Sie lauschte wieder und nickte dann zu seiner Aussage bezüglich des Mithraskultes.
"Nein, Mithras wird Corvinus selbst opfern müssen, wenn er hoffentlich zurückkehrt. Wir wollen uns auf Mars und Mercurius beschränken. Danke, Curio!"
Mit aufrichtigem Dank drückte sie die Hand ihres Schwagers. Wie froh sie war, dass er da war und ihre Sorgen verstand. -
So sicher, wie Curio hier wirkte war er keineswegs. Natürlich hatte auch er Angst um seinen Bruder, ebenso wie die latente Angst zu Hause immer vorhanden gewesen war, als Corvinus am Feldzug nach Süden teilgenommen hatte, vorhanden gewesen war. Die Erfahrung war fest in seiner Familie verwurzelt, denn sein Vater stand ja auch bereits an den Fronten im Osten, ohne dass seine Rückkehr wirklich sicher gewesen wäre. Doch hatte Curio das Gefühl, dass er, würde er ernsthaft an der Rückkehr seines Bruders zweifeln, überhaupt erst irgendwelche Kräfte schüren würde, die eben genau dies veranlassen würde. Es war eine recht einfache, ja, fast kindische Logik: Wenn er einfach nur fest und überzeugt genug davon ausginge, dass Corvinus zurückkehren würde, dann würde er das auch tun. Punkt.
Wir dürfen nicht daran zweifeln, Alpina. Er wird einfach zurückkommen.
fasste er dies nochmal in Worte, da seine Schwägerin alles andere als überzeugt wirkte, beugte sich zu ihr hinüber und drückte sie einmal fest mit beiden Armen.
Ihre Frage zu seinem Vater quittierte er derweil mit einem kurzen Schulterzucken.
Du hast meinen Vater kennengelernt. Er ist nicht der Typ für lange klärende Gespräche. Dafür ist er zu sehr Soldat. Es ist ihm wahrscheinlich immer noch zuwider, dass ich seinen Befehlen nicht gefolgt bin, wie es ein guter Sohn in seiner Vorstellung ähnlich einem ihm untergebenen Soldaten hätte tun müssen. Aber wenigstens habe ich seine Unterstützung für meine Ehe und er gibt mir nicht mehr zu verstehen, dass ich ihn komplett enttäuschte hätte. Das ist, in meinen Augen, schon viel wert.
Er hatte nicht erwartet, dass sein Vater plötzlich einen Meinungsschwenk vollziehen würde, dafür kannte er ihn zu gut, und ebensowenig hatte er erwartet, dass der alte Primus Pilus plötzlich irgendwelche emotionalen Vatergefühle für ihn finden würde, die hatte nämlich keiner seiner Geschwister erhalten. Dass sein Vater allerdings seiner Hochzeit so schnell zugestimmt hatte und überhaupt ein relativ unproblematisches Gespräch mit ihm möglich gewesen war, hatte Curio einigermaßen positiv überrascht und mehr wollte er auch gar nicht verlangen.
Zu der Bereitschaft zur Durchführen der Opfer an Mercurius und Mars nickte Curio.
Es reicht, denke ich, wenn wir die Opfer hier am Hausalter durchführen und auf blutige Opfer verzichten. Allerdings müsstest du die beiden Götter natürlich ihren speziellen Aufgaben gemäß adressieren, aber dabei kann ich dir gerne helfen.
Mehr als Hoffen und Opfern konnten sie ohnehin nicht tun. Aber wenigstens hätte ein Opfer den angenehmen Nebeneffekt, dass es beruhigte, wenn man die Götter auf seiner Seite hoffte oder, besser noch, wusste. Ob das Alpina aber wirklich weiterhelfen würde? Curio wusste es nicht.
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Dankbar nickte Alpina als Curio bekräftigte, dass er überzeugt davon war seinen Bruder wiederzusehen. Ja, sie durfte nicht zweifeln. Was blieb ihr auch anderes übrig.
Und als Curio über seinen Vater sprach, rief sie sich den Alten Primus Pilus ins Gedächtnis. Er war ein harter Knochen und sie hatte keinen Zweifel daran, dass es keinem der Kinder leicht gefallen war ihn zu lieben. Vielleicht war es bei Lana, weil sie ein Mädchen und er schon ein wenig altersmilde war, anders, aber die Söhne hatten mit Sicherheit alle die harte Hand des Vaters gespürt. Alpina sah die vielen Narben auf Corvinus Rücken vor sich, die die Vitis in seine Haut geschlagen hatte. Vorsichtig sprach sie das Thema an.
"Ich habe auf Corvinus Rücken die Striemen der Vitis gesehen. Er hat ihn geschlagen bis es blutete, Curio! Hat er dasselbe auch mit dir gemacht?"Auf das Opfer angesprochen, senkte Alpiina demütig das Haupt. "Ich will alles so machen wie du es mir aufträgst. Lehre mich die richtigen Worte und sag mir was ich besorgen und vorbereiten soll. Kränze und Wein sind schnell vorbereitet, aber benötige ich noch etwas anderes? Soll Ursicina dabei sein oder werde ich allein mit dir vor das Lararium treten?"
Die raetische Hebamme setzte große Hoffnung in das Opfer an die Götter und glaubte fest an den besonderen Draht ihres Schwagers zu den Göttern. Ebenso wie seine Frau, ihre Freundin Runa, hatte er diese besondere Gabe mit den Überirdischen zu kommunizieren. Sie selbst konnte nur darauf vertrauen, dass er die richtigen Worte für sie wählen würde.
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Alpinas Frage traf ihn vollkommen unerwartet. Es war eines der Themen über das zu Hause nicht gesprochen worden, von dem aber klar war, dass es geschah. Natürlich wussten alle Geschwister, dass die Älteren unter ihnen geschlagen worden waren, sobald sie ein gewisses Alter erreicht oder eben die Vorausbildung für Legion begonnen hatte. Ebenso natürlich war der Legionston, der wohl noch bis heute auf dem Landgut vorherrschte, von dem Curio wusste, dass seine Mutter sich den teils zu Eigen gemacht hatte. Schließlich war es auch natürlich, dass den Befehlen des Vaters Folge zu leisten war. Curio war der erste gewesen, der offen und nachhaltig dagegen rebelliert hatte. Das Ergebnis war also erwartbar gewesen.
Einmal...
sagte er nach einer langen Pause, in der er Alpina ernst angeschaut und rieb sich wie automatisch über seine linke Schulter.
Ich hab aber noch Glück gehabt. Lucius musste deutlich mehr einstecken.
Das eine Mal war kurz vor seinem Rausschmiss gewesen, als der alte Primus Pilus versucht hatte, den Widerstand seines zweiten Sohnes zu brechen. Doch da hatte der alte Helvetius vergessen, dass sich Dickköpfe in der helvetischen Familie recht verlässlich von Generation zu Generation weitervererbten. Natürlich hatte sich Curio nach ein paar Tagen wir aus dem Haus gestohlen. Der Rest der Geschichte war ja sattsam bekannt.
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Alpina hielt de Luft an als Curio bestätigte, dass der alte Primus Pilus auch ihn so heftig geschlagen hatte. Ihr Blick ging zu der unter der Tunika verborgenen Schulter, zu der die Hand ihres Schwagers ganz unwillkürlich gezuckt war. Sie dachte an die tiefen Narben, welche die Schläge nicht nur auf der Haut sondern auch auf der Seele ihres Geliebten und seines Bruders hinterlassen haben mussten.
Nun war es an ihr Curio erneut in die Arme zu schließen und ihm durch ein festes Drücken deutlich zu machen, dass sie um das wusste, was er und Corvinus durchgemacht hatten.
"Wir werden dafür sorgen, dass sich in diesem Haus so etwas nicht wiederholt", flüsterte sie ergriffen. Dann löste sie sich. Im selben Moment deutete ein leises Quengeln aus der Wiege an, dass Ursi wach geworden war und nach ihrer Mutter verlangte."Ich warte also deine Anweisungen bezüglich des Opfers an Mars und Mercurius ab", sagte Alpina und warf ihrem Schwager einen ebenso dankbaren wie verständnisvollen Blick zu.
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Curio hatte mit Abstand nicht so viele Narben, wie sein großer Bruder. Einerseits hing das natürlich damit zusammen, dass ihm die Teilnahme an einem gewaltsamen Feldzug erspart geblieben war, andererseits hatte Corvinus deutlich öfter unter den Schlägen des Vaters gehabt. Dennoch gab es da die vergleichsweise kleine Narbe ein kleines Stück über dem Schulterblatt, die kaum auffiel. Dennoch hingen Erinnerungen an ihr. Unangenehme Erinnerungen, an die Curio nicht gerne zurückdachte. Daher antwortete er auch nicht auf Alpinas Festellung, dass sich diese hier im Haus nicht wiederholen würden. Der junge Helvetier hatte gelernt, nichts auszuschließen, auch wenn er sich beim besten Willen nicht glauben konnte, dass er sein eigenes Kind so malträtierten könnte, wie sein Vater dies getan hatte. Stattdessen erwiderte er die Umarmung seiner Schwägerin, bis er das Quengeln aus der Wiege hörte.
Ich glaube, da möchte dich jemand sehen.
sagte er mit einem liebevollen Lächeln in Richtung der Wiege, drückte Alpina dann nochmal einmal feste.
Dann lass ich euch beide mal alleine. Für das Opfer besprechen wir uns nochmal. Dann können wir zusammen die beiden Gebete schreiben und die Opfergaben festlegen. Generell kannst du abe mit Runa schauen, was wir von unserem Vorrat entbehren können. Und sie kann dir dann auch gleich sagen, was man für Mercury und Mars opfert. So, und ich muss in den Tempel, dort werde ich sicher schon erwartet.
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Alpina saß in ihrem Cubiculum. Ursicina spielte vor ihren Augen mit einigen Holzstücken, Nüssen und Steinchen, die sie immer wieder in kleine und größere Schachteln räumte und erneut hervorholte. Sie selbst hatte mehrere Blätter nicht allzu teuren Papyrus auf ein handliches Format geschnitten und gefaltet. Nun vernähte sie die Seiten mit einer Mittelnaht, so dass am Ende ein Heftchen entstand, das beschritet werden konnte. Als sie damit fertig war, setzte sie sich an den Schreibtisch und nahm die Feder und das Tintenfass. Mit geübter Hand schrieb sie in möglichst schöner Schrift eitwas ins obere Drittel des Titelblattes. Darunter malte sie, so akurat es ihr gelang, eine Salbeipflanze.
Materia Medica
[Blockierte Grafik: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/8/8a/Flore_des_serres_v13_091a.jpg/84px-Flore_des_serres_v13_091a.jpg]
Für meinen Schüler Kaeso von Susina Alpina
Zufrieden betrachtete sie ihr Werk. Sie konnte es kaum erwarten, Kaeso das Geschenk zu übergeben.
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Es gab da ein oder zwei oder drei Dinge, die Curio mit Alpina zu besprechen hatte. Daher klopfte er an einem Abend vor dem Abendessen an die Tür ihres Schlafzimmers, in der Hoffnung, dass sie ein paar Augenblicke Zeit für ihn erübrigen konnte.
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Mit dem Schwager rechnete Alpina zwar nicht, als es an der Tür ihres Cubiculums klopfte, sondern eher mit Neman oder Kaeso oder einem der anderen Bediensteten, doch wurde das Klopfen mit einem freundlich-aufmunternden "Tritt nur ein!" beantwortet.
Die Hebamme saß auf dem Boden und spielte mit ihrer Tochter. Sie stapelte verschiedene Holzklötze aufeinander und Ursicina hatte großen Spaß daran, die mehr oder weniger kunstvollen Bauten gleich wieder einzureißen. Dabei lachte sie und quietschte vor Vergnügen. Alpina war das Spiel langsam leid und deshalb nicht undankbar um eine Unterbrechen. Vermutlich hoffte sie insgeheim, dass Neman sie erlösen würde.
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Ein Faktum von politischen Amtszeiten war, dass die Tage, sobald sich die Amtszeit langsam ihrem Ende zuneigte, länger und länger wurden, da es noch so viel zu erledigen galt, während die Zeit dafür stetig abnahm. Doch auch wenn Acanthos dafür sorgte, dass immer genug Pausen in die Terminkalender eingebaut wurden, konnte dennoch nicht verhindert werden, dass bereits früh am Tag oder bis spät in die Nacht Termine angesetzt werden mussten, um das Soll der Amtszeit zu erfüllen. Entsprechend übermüdet wirkte Curio auch jetzt, als er in den Raum trat und während die tiefen Augenringe tagsüber von einfachen Kosmetika verdeckt wurden, waren davon jetzt, nachdem er sich wie immer umgezogen und ein bisschen kaltes Wasser ins Gesicht geworfen hatte, nur noch ein paar Körnchen übrig, die sich unschön unter den Augen abzeichneten.
Guten Abend ihr beiden.
sagte er freundlich, umarmte seine Schwägerin, gab seiner Nichte einen Kuss auf die Stirn und setzte sich dann zu den beiden auf den Boden. Die erhoffte Entlastung konnte Curio Alpina sicher nicht bieten, aber vielleicht würde die Ablenkung durch den Onkel zumindest dafür sorgen, dass Ursicina erstmal ein bisschen von ihrer Mutter abließ.
Ich hoffe, bei euch beiden ist alles in Ordnung?
setzte er danach an und mit Blick darauf, dass er die beiden zuletzt nur selten gesehen hatte, war die Frage mehr als nur eine Höflichkeitsfloskel, sondern eine ernstgemeinte Frage dazu, ob Alpina Unterstützung benötigte, egal ob bei einem eigenen Problem oder mit ihrer Tochter, die sich immer mehr zu einem kleinen Wirbelwind entwickelte.
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Überrascht über den unerwarteten und späten Besuch ihres Schwagers, sah Alpina auf.
"Curio, wie schön dich zu sehen!"Tatsächlich hatten sie sich in den letzten Wochen nicht oft persönlich gesehen und gesprochen. Selbst gemeinsame Cenae waren eher die Ausnahme gewesen. Erst der Wahlkampf und nun die neue Aufgabe als Aedil forderten Curio. Und so sah er auch aus. Müde und mitgenommen. Tiefe dunkle Ringe ließen seine Augen unnatürlich groß wirken. Die Reste der Schminke, mit der er die Übermüdung tagsüber kaschierte, waren noch zu sehen, auch wenn er sonst bereits in der Freizeitkleidung erschien.
Er umarmte Alpina und setzte sich zu ihr und Ursi auf den Boden. Seine rhetorische Frage ob bei ihnen alles in Ordung wäre, kommentierte Alpina mit einem Achselzucken. "Sicher ist alles in Ordnung. Ich habe sehr viel Arbeit, Kaeso entlastet mich zusehends und Ursicina..." Sie hielt inne und sah auf das kleine Mädchen, das gerade wütend einen Holzklotz auf den Boden pfefferte. ".... ist mein Augenstern. Wann immer mir mein Beruf Zeit lässt, spiele ich mit ihr oder sehe ihr beim Schlafen zu. Dann sehe ich Corvinus in ihren Gesichtszügen."
Alpina verstummte. Sie wollte nicht sentimental werden. Ihr Blick traf erneut Curio. Er tastete sein Gesicht ab und suchte nach Anzeichen dafür, dass nicht nur die körperliche Müdigkeit die Ursache für die Augenringe war, doch wenn ihn etwas bedrückte, so trug er es zumindest nicht offen vor sich her.
"Du siehst müde und mitgenommen aus, Curio. Deine neue Aufgabe fordert dich... vielleicht mehr als dir gut tut. Was meinst du? Wie lange wirst du das durchhalten ohne an Körper und Seele zu erkranken, Schwager? Auch du hast nicht unbegrenzt Reserven. Schläfst du wenigstens ausreichend? Lässt euch der kleine Decimus nachts ein wenig Ruhe?" -
Mit einem leichten, aber durchaus entspannten Lächeln hörte Curio seiner Schwägerin zu. Er war froh, dass Alpina mit ihrer Arbeit ausgelastet war, denn ihr Worte ließen schon darauf schließen, dass sie dadurch davon abgelenkt war, dass Corvinus immer noch nichts von sich hatte hören lassen. Auch dass sie bereits von sich aus auf Kaeso zu sprechen kann, nickte er, wurde dann aber durch das Knallen des Holzklotzes leicht aufgeschreckt.
Also wirklich, Ursi. Der Klotz hat dir doch nichts getan.
sagte er mit ruhiger Stimme, nahm den Holzklotz hoch betrachtete ihn von allen Seiten und hielt ihn dann wieder seiner Nichte hin. Während er sie dabei betrachtete, konnte er nun zustimmend nicken, denn tatsächlich kam die kleine Ursicina sehr nach ihrem Vater.
Er kommt zurück, Alpina, ganz sicher.
fuhr er dann fort, ohne allerdings weiter darauf einzugehen.
Aber da du schon von Kaeso angefangen hast. Wie macht er sich? Ist er immernoch so schreckhaft und ängstlich? Und geht er dir gut zu Hand?
Curio ging es bei diesem ersten Anliegen natürlich nicht darum Alpina irgendwie auszuhorchen oder Punkte gegen Kaeso zu sammeln, aber da er den jungen aus Rom besonder im Thema Selbsteinschätzung als äußerst selbstkritisch wahrgenommen hatte, der Helvetier selbst aber zuletzt nur denkbar wenig mit ihm zu tun gehabt hatte, erhoffte er sich eine ehrliche Einschätzung Alpinas, wie sich der Junge machte, ob er noch irgendwo anders Unterstützung brauchte oder ob Curio ihn einfach machen lassen sollte, bis er genug Selbstbewusstsein angehäuft hatte, bis er selbst zu Curio käme und um weitere Aufgaben oder sogar Fürsprache für eine erste Anstellung außerhalb der Casa Helvetia bäte.
Die Fragen zu seiner Gesundheit konnte Curio derweil nur mit einem Kopfschütteln quittieren.
Es spielt keine Rolle, Alpina. Oder vielleicht doch, aber dafür gibt es genug Möglichkeiten. Ich kenne zudem keinen Amtsträger, der sein Amt ernstnimmt und während der Amtszeit das blühende Leben ist. Es gehört sozusagen mit in die Berufsanforderungen und ich denke, dass ich nach dem Ende meiner Amtszeit ein paar Tage mit Runa und Decimus zum Landgut fahren werde.
Der Helvetier seufzte und strich sich über die Stirn.
Außerdem weißt du so gut wie ich, dass es keine Alternative dazu gibt. Ich muss das durchziehen, Pontifex und später in einigen Jahren Duumvir werden, um mich damit für den Ritterring zu qualifizieren. Da hoffentlich keiner der Duccier von mir verlangen wird, mir darüberhinaus auch noch den Latus Clavus zu verdienen, geht es dannn nur noch darum, mich im Cultus Deorum zu engagieren, was ich ja ohnehin tue, und, bei Bedarf, ein Amt in der Provinzverwaltung zu übernehmen, aber das ist alles ein Klacks gegenüber dem, was solche Wahlämter mit sich bringen.
erklärte er das eigentlich allseits Bekannte. Mit der Heirat von Silvana hatte er sich freiwillig darauf verplichtet, seine politische wie gesellschaftliche Position stetig zu verbessern. Das stand also außer Frage, ebenso, wie er nicht, wie so manch anderer den bequemen Weg zu wählen und schon nach dem Aedilat den Ritterring zu erzwingen, sondern erstmal das lokale Pontifikat und später das Duumvirat anzustreben, bevor er bei seinem Patron überhaupt erstmal für den Ordo equeser vorsprechen würde.
Zudem verbringe ich die Nächte ja schon seit geraumer Zeit in dem kleinen Cubiculum hinter meinem Arbeitszimmer. Andernfalls würde mich Decimus die ganze Nacht wachhalten.
Natürlich hatte er ein schlechtes Gewissen, dass er Silvana nicht dabei helfen konnte, nach seinem Sohn zu sehen, aber da seine Frau stillte, konnte er ja ohnehin nicht viel tun, als danebenzusetzen und sich ansonsten alle paar Stunden von seinem Sohn wecken zu lassen. Dass er zudem eine typische Politikerformulierung benutzt hatte, fiel ihm erst jetzt auf, denn natürlich verbrachte er die Nächte in dem kleinen Cubiculum, doch bedeutete das ja nicht, dass er dabei auch schlief.
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Die einfühlsame, liebevolle Art mit der Curio versuchte, Alpina zu trösten, war einfach umwerfend. "Er kommt zurück", sagte ihr Schwager im Brustton der Überzeugung und Alpina wollte es ihm glauben. Er, der er den Willen der Götter enträtselte und die Gebete der Menschen zu den Überirdischen und Unterirdischen trug, wer wenn nicht er musste es wissen, konnte die Zuversicht haben. Die raetische Hebamme zwang sich zu einem Lächeln.
"Ja, ganz sicher. So wird es sein." Sprach sie sich Mut zu, auch wenn darin deutlich mehr Unsicherheit mitschwang als in Curios Sätzen, wenngleich sie die selben Worte benützte.Er kam auf Kaeso zu sprechen. Alpina sah die besorgte Miene des Schwagers und konnte es ihm durchaus nachempfinden. Sie aber glaubte daran, dass in dem Jungen Potential stecke, wenn er erst sein Selbstbewusstsein entwickelt haben würde. Noch war er sehr unsicher.
"Kaseo macht sich gut. Er geht mir zu Hand, ist hilfsbereit und wissbegierig. Das Lesen und Schreiben bereitet ihm noch Schwierigkeiten. Runa bringt es ihm bei und ich gebe ihm Gelegenheit, sich zu üben. Einzig seine traurige Vergangenheit bringt ihn immer wieder an unsichtbare Grenzen. Dann traut er sich weniger zu als er kann. Manchmal verzweifelt er förmlich. Er muss schreckliche Dinge erlebt haben und braucht noch viel Fürsorge und Sanftmut. Wenn man ihm aber zeigt, dass er geschätzt wird und ihm keine Gefahr droht, dann wird er sich sicherlich noch entwickeln können. Es steckt Potential in ihm. Aber er wird noch Zeit brauchen um zu sich zu finden, seine Fähigkeiten einzuschätzen und genug Selbstvertrauen zu entwickeln."Schließlich kam Curio auf seine Gesundheit zu sprechen. "Was soll das heißen, es spielt keine Rolle?!" Alpina war sichtlich empört. "Du willst doch diese Welt nicht vorzeitig verlassen und Frau und Kind im Stich lassen, oder? Dann musst du schon ein wenig auf dich Acht geben. Schlaf ist eine wichtig Voraussetzung." Dass er ein eigenes Cubiculum zum Schlafen nutzte, quittierte sie mit einem Nicken. Diese Entscheidung war weise.
"Du siehts aber, mit Verlaub, wenn ich das sagen darf, lieber Schwager, alles andere als erholt aus. Findest du in dem Cubiculum keinen Schlaf? Grübelst du sehr viel nach über die Erwartungen, die Runas Familie hat, haben könnte? Ist es das oder die Bürde des Amtes, das dich so gedankenumwölkt und kraftlos aussehen lässt? Die Entscheidung nach der Amtszeit eine Weile auf eurem Landgut zu verbringen ist sehr gut und ich kann dich nur darin bestärken. Aber gibt es sonst noch etwas vorher, womit ich dir helfen kann oder dich und Runa entlasten kann?"
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