Besprechung mit dem A Memoria

  • Ich nickte und gab meinem Notarius ein Zeichen mitzuschreiben: "Den Director Ludi lade ich zum nächsten möglichen Termin ein." Das war ja keine große Sache, nur ein Brief. "Und ob Carpinatius Ruga den Census erfüllt, werde ich bis dahin natürlich ebenfalls überprüfen lassen.", auch wenn ich mir sicher war, dass wenn nicht er, dann mindestens seine Familie bestimmt nicht arm war. Denn war der Name Carpinatius nicht ziemlich eng mit dem Namen Verres und dessen einträglicher Statthalterschaft in Sizilien verbunden? Was man eben hier und da so hörte.... Einen kleinen Moment sagte ich nichts und ging nur in mich. Wenn das Gespräch mit dem Director Ludi so verlief, wie ich mir das ungefähr erhoffte, und der Primicerius Carpinatius am selben Tag aus seinem eigenen Familienvermögen den ritterlichen Census aufbringen konnte, dann fehlte eigentlich nur noch, dass der Name des Helvetius auf der Bewerberliste für die frei werdende Stelle des Primicerius ab epistulis landete. *


    Sim-Off:

    * Oder kurz gefragt: Darf ich das also anstoßen?


    Mehr konnte ich im Augenblick also nicht tun. (Denn um das nicht-ritterliche Kanzleipersonal kümmerte sich ja der Ab epistulis. Da brachte es nichts, jetzt den Kaiser damit zu behelligen.) Also konnte ich zum nächsten Punkt kommen. Ich ließ mir wieder eine Wachstafel reichen. "Als nächstes würde ich gerne eine Angelegenheit mit dir besprechen.. ein bisschen in eigener Sache." Ich hatte den Punkt extra nicht als allererstes angeschnitten. Ich wollte aber auch nicht bis ganz zum Schluss damit warten. "Unzwar geht es um das Ius trium liberorum, um das ich nach der Geburt meines ältesten Sohnes, und meiner Zwillinge vor kurzem, gerne bitten will.", erzählte ich erstmal nur die erste Hälfte der Wahrheit. Dann machte ich eine kleine Pause, bevor ich die zweite Hälfte nachschob. "Und ich möchte.. bei der Gelegenheit.. gleichzeitig auch noch einige weitere Verleihungen des Dreikinderrechts anregen. Dazu habe ich dir einmal eine kleine Liste vorbereitet." Und die sah so aus:



    Ius trium liberorum


    Veturia Serena, Augusta
    - ehrenhalber


    Sentia Laevina, Augusta
    - erfüllt die formalen Voraussetzungen:
    - hat eine Tochter (Cornelia Prima) in ehefähigem Alter


    Manius Flavius Gracchus, Senator & Pontifex pro magistro
    - erfüllt die formalen Voraussetzungen:
    - hat 3 Kinder (M' Flav. Gracchus, Flav. Flamma, T. Flav. Gracchus)


    Aurelia Prisca, Ehefrau des Manius Flavius Gracchus
    - ehrenhalber


    Marcus Decimus Livianus, Consular & Praefectus Urbi
    - erfüllt die formalen Voraussetzungen:
    - hat 2 Kinder (Dec. Flava, M. Dec. Flavus) über 3 Jahre


    Aelia Vespa, Ehefrau des Marcus Decimus Livianus
    - erfüllt die formalen Voraussetzungen:
    - hat einen Sohn (G. Prudentius Primus) in ehefähigem Alter


    Marcus Iulius Dives, Senator
    et Sergia Fausta, Eques & Procuratrix a memoria
    - erfüllen die formalen Voraussetzungen:
    - haben 3 Kinder (M. Iul. Dives, Iul. Fausta, F. Iul. Dives)


    Duccia Venusia, Eques & Schwägerin des Marcus Decimus Livianus
    - erfüllt die formalen Voraussetzungen:
    - hat u.a. eine Tochter (Decima Sevilla) in ehefähigem Alter



    Jede Menge Leute hatte ich mir da rausgesucht. Insgesamt waren es 9 Namen. Und 8 von diesen 9 wussten nichtmal davon, dass ich sie auf meine Liste geschrieben hatte (und die 9. Person war ich selbst). "Die Namen der beiden Augustae erklären sich bestimmt von selbst.", fing ich dann an und brauchte sicher nicht zu sagen, dass schon der erste Augustus seiner lieben Livia dieses Recht extra verliehen hatte (es war also nicht schon Teil des Augusta-Titels). Das war anders als bei den Vestalinnen, denen man dieses Recht nicht erst nochmal verleihen musste. (Deshalb hatte ich den Namen Decima Messalina auch nicht mit aufgeschrieben.) "Manius Flavius Gracchus habe ich aufgelistet, weil er dein Stellvertreter als Pontifex Maximus ist und er die formalen Voraussetzungen erfüllt. Seine Frau hast du ihm vor einiger Zeit confarreatisch angetraut. Und auch wenn sie nicht die formalen Voraussetzungen erfüllt, wäre es sicher kein so sehr schönes Zeichen, wenn du jetzt nur einem Ehepartner dieses Recht gibst." Außerdem betrachtete ich Prisca als meine Freundin. Überhaupt in allererster Linie deshalb hatte ich sie und ihren Mann hier auch ohne ihr Wissen aufgeschrieben. Gerade zur schönen Saturnalienzeit würde sich die Gute bestimmt darüber freuen!


    Und weiter mit dem nächsten Paar. "Marcus Decimus Livianus habe ich aufgelistet, weil er in seinem Amt als Praefectus Urbi ebenfalls dein Stellvertreter ist und mit seinen 2 leiblichen Kindern über 3 Jahren die formalen Voraussetzungen erfüllt." Denn genau so wurde ja gezählt: In Adoption gegebene Kinder durften mitgezählt werden, selbst adoptierte hingegen nicht. "Und seine Frau Aelia Vespa erfüllt anders als Aurelia Prisca sogar selbst die formalen Voraussetzungen mit ihrem ehefähigen Sohn, sodass du für diese gleichzeitige Verleihung sogar nichtmal eine Ausnahme machen müsstest.", führte ich weiter an.. und hatte natürlich im Hinterkopf: Livianus war mein Patron. Aus dem Grund hatte ich seinen Namen und den Namen seiner Frau ohne ihr Wissen auf meine Liste gesetzt. "Ja, die nächsten sind dann mein Mann und ich." Da lag der Eigennutz sogar noch viel mehr auf der Hand, sodass ich erstmal nichts weiter dazu sagte. "Und zum Schluss habe ich hier noch Duccia Venusia aufgeführt. Denn sie erfüllt die formalen Voraussetzungen, ist eine Schwägerin des Stadtpräfekten und eine der weniger Ritterinnen im Reich. Außerdem ist sie verwitwet." Da konnte sie zur Stärkung ihrer selbst dieses Recht bestimmt gut gebrauchen, dachte ich mir, auch wenn ich sie nicht kannte. Trotzdem waren das Verwitetsein und ihr Ritterring die beiden Gründe, aus denen ich sie mit auf meine Liste geschrieben hatte. Denn ich fand sie als Karrierefrau so auf dem Papier ganz sympathisch (..auch wenn sie eine Duccia war). Und warum sollte ich eine andere Karrierefrau, die alle Voraussetzungen erfüllte, nicht einfach mal unterstützen?


    Außerdem hatte die Zusammensetzung meiner Liste ja noch einen anderen Grund: "Falls du dieser vorgeschlagenen Liste zustimmst, denke ich übrigens, dass eine gemeinsame Bekanntmachung in einem Dokument sinnvoll ist." Sodass mein Name in einer Liste mit zwei Kaiserinnern, und den Gattinnen von Pontifex pro magistro und Praefectus Urbi stand. Und mit noch einer weiteren Karrierefrau an Bord wurde der Kuchen, an dem ich hoffentlich Anteil bekam, nur noch größer..

  • Der Kaiser nickte. Carpinatus Ruga sagte ihm nichts, obwohl er natürlich irgendwann einmal in früher Jugend auch die Reden Ciceros studiert hatte. Aber seine Zeit war ja inzwischen mehr als hundert Jahre vergangen und die großen Namen von damals waren meist erloschen, verarmt oder anderweitig in der Versenkung verschwunden. Bis auf ein paar sehr alte Familien natürlich.


    Weniger klar war ihm der nächste Punkt, mit dem er irgendwie nicht gerechnet hatte. Das Ius Trium Liberorum. So ein ziemlich alter Hut, der heute nicht mehr viel bedeutete. Trotzdem war es natürlich eine Anerkennung für fleißige Aufrechterhaltung des Populus Romanus. Und eine billige obendrein. "Ist es üblich, das Ius trium liberorum an Männer zu verteilen? Nach welchen Prinzipien gingen meine Vorgänger bei diesem Ehrenrecht vor?"

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  • Sim-Off:

    * Auch hier natürlich nochmal eine Entschuldigung für die ungeplante und ungeplant lange Abwesenheit.


    Ich atmete kurz (*oder vielleicht auch etwas länger) durch. "Zunächst: Ja, es ist absolut üblich, das Ius trium liberorum natürlich auch an Männer zu verteilen. So geschehen zum Beispiel im Fall des Valerius Martialis oder auch Plinius Minors.", belegte ich. Die Frage war ja noch recht schnell und einfach zu beantworten gewesen. "Zum Vorgehen bei der Verleihung kann ich dir sagen, dass es hier zunächst einige formale Regeln gibt." Das würde im Folgenden jetzt der etwas längere Part werden:


    "Erstens. Drei Kinder, die alle mindestens 9 Tage alt wurden, berechtigen zum Dreikinderrecht.
    Zweitens. Zwei Kinder, die beide mindestens 3 Jahre alt wurden, berechtigen ebenfalls zum Dreikinderrecht.
    Drittens. Ein Kind, das mindestens ein ehefähiges Alter erreicht hat, berechtigt auch zum Dreikinderrecht.
    Viertens. Als Kinder werden hierbei immer nur die leiblichen gezählt, sodass ein in Adoption gegebenes Kind mitzählt, während ein selbst adoptiertes nicht mitzählt."


    Ich ließ eine kurze Pause. "Diese Regeln gelten so natürlich nur für Freigeborene. Bei Freigelassenen müssen es vier statt nur drei Kinder sein." Aber wer wollte sich schon mit denen herumschlagen? Die waren mir im Großen und Ganzen herzlich egal. "Nach den formalen Regeln nun zu den Ausnahmen." Denn die gab es ja auch zu Haufe:


    "Da hätten wir zum Beispiel den Fall des schon erwähnten Plinius Minor, der vor gar nicht so langer Zeit erst von Traian mit diesen Recht bedacht wurde, obwohl er nicht ein einziges Kind in die Welt gesetzt hat. Allerdings bei einem so herausragenden Mann, der noch dazu am Ende ganze dreimal verheiratet war und es also rätlich versucht hat, eine Familie zu gründen, da hat man natürlich eine Ausnahme gemacht.
    Ein anderes Beispiel ist eigentlich keine Ausnahme. Aber Augustus.. also der erste Augustus, der deine heutige Stelle innehatte.. hat damals auch seiner Frau Livia explizit dieses Recht verliehen, um damit natürlich auch politisch ein Zeichen zu setzen.
    Und nicht zuletzt ist eine Verleihung ehrenhalber natürlich auch immer eine ganz gute Sache, wenn man jemanden dezent auszeichnen möchte. Denn damit verschenkst du kein teures Geld oder kostbares Land, verleihst keine prächtige Hasta Pura oder marmorne Statue, und gestattest auch keine aufwändige Ovation durch halb Rom. Stattdessen vergibt du nur mit einem einfachen Schreiben ein paar Rechte, die dir aus deiner Position vermutlich eher klein vorkommen, die aus einer anderen Perspektive aber vielleicht auch anders wahrgenommen werden."


    Soviel erstmal zu dem Punkt der Ausnahmen. "Die Bedeutung, welche das Dreikinderrecht gerade für Frauen sui iuris hat" Sie wurden damit vor allem von der Geschlechtsvormundschaft befreit. (Ich bräuchte endlich keinen Tutor mehr!) "brauche ich dir sicher nicht weiter auszuführen. Männer auf der anderen Seite, weil du dich speziell nach ihnen erkundigt hast, erhalten neben einigen finanziellen Vorteilen vor allem die Möglichkeit, schneller in den Ämtern aufzusteigen.. einerseits zum Beispiel durch das Erlassen einiger Jahre bei Ämtern mit festem Mindestalter.. andererseits indem man sie bei Amtsvergaben für gewöhnlich anderen Bewerbern vorzieht." Das hörte sich jetzt sicher erstmal wieder etwas formal an. "Stehst du vor der Wahl und musst entscheiden, welcher Senator der nächste Statthalter von Tarraconensis wird, oder musst entscheiden, welchem von zwei Rittern du als nächstes die Sorge um deine Provinz Ägypten überträgst, dann kann das Ius trium liberorum da also gut und gerne auch mal der entscheidende Tropfen sein, der eine festgefahrene Pattsituation ganz leicht auflösen kann." Ich nickte. "Und das nicht willkürlich und ungerecht, sondern ganz so, wie es auch der erste Augustus sicher nicht anders gemacht hat." Ganz legitim (und legal sowieso) sozusagen.

  • Der Kaiser nickte. Er hatte von diesem Recht nie recht Notiz genommen und wusste daher nicht sonderlich Bescheid. "Kannst du die Rechtsfolgen noch etwas konkreter ausführen? Wir müssten das Ganze ja vermutlich durch eine Lex wieder institutionalisieren. Abgesehen davon ist mir nicht ganz klar, was etwa unter finanziellen Vorteilen zu verstehen wäre. Steuerliche Begünstigung wäre ja doch etwas, was auch ein Nachteil für mich wäre." Auszeichnungen waren immer gut, denn sie spornten den Menschen an. Aber man musste auch wissen, welche Folgen sie konkret hatten. Zumal es im Imperium wahrscheinlich tausende Mütter gab, die die Bedingungen für dieses Recht erfüllten.

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  • Institutionalisieren? Kurz guckte ich ungläubig. "Mit Verlaub, mein Kaiser, aber soweit ich weiß, muss hier eigentlich gar nichts weiter institutionalisiert werden.", widersprach ich vorsichtig. "Denn das Ius liberorum bezeichnet "zusammenfassend verschiedenartige Vorrechte und Privilegien, welche seit der Ehegesetzgebung des Augustus den mit Kindern gesegneten Vätern und Müttern, beziehungsweise diesen gleichgestellten Personen gegenüber eingeräumt" werden.", zitierte ich einen Satz aus meinen Notizen. "Oder anders gesagt ist die für Recht erklärte Lex Iulia et Papia eigentlich Grundlage genug für eine Verleihung des Ius trium liberorum." Fand ich zumindest - und hatte natürlich auch prompt ein passendes Beispiel zur Hand: "Anders hätte auch dein Vorgänger Cornelius dieses Recht gar nicht wirksam verleihen können. Und das hat er." Darüber hatte ich mich als Procuratrix a memoria, als Archivleiterin der kaiserlichen Kanzlei, natürlich vorab informiert. "Mit anderen Worten liegt es schon jetzt ganz in deinen Händen, dieses Recht an Männer wie Frauen rechtmäßig zu verleihen." Nochmal ein kurzer Blick auf meine Notizen: Dass er gut daran tat, nicht jede Verleihung über eine große Audienz zu Hofe zu zelebrieren.. das hatte ich ja schon gleich zu Beginn gesagt. (Und so eine schicke Urkunde, wo mein Name mit der gleichen Tinte wie der unter anderem zweier Augustae geschrieben stand, das fand ich in meinem Fall ja auch viel fescher.)


    Nächste Frage. "Zu den finanziellen Vorteilen.. zählt.. vor allem erstmal, weniger finanzielle Nachteile zu haben.", drehte ich den Satz erstmal um. "Denn die Lex Iulia et Papia sagt ja, dass, wenn jemand in einem gewissen Alter nicht in einer anständigen Ehe lebt, dann zum Beispiel nicht dazu in der Lage ist, testamentarisch zu erben." Juristisch nannte man so eine unverheiratete Person dann Caelebs und nannte es eine "Inkapazität", dass diese Person kein testamentarisches Erbe antreten konnte. Aber so wie der Kaiser hier gerade auf mich wirkte, beließ ich diese Fachbegriffe lieber mal auf meiner Wachstafel. "Wer zwar ordentlich verheiratet ist, aber trotzdem kinderlos", man nannte so jemanden Orbus, "der verliert nach der gleichen Lex Iulia et Papia immerhin noch die Hälfte einer ihm zugedachten Erbschaft oder eines ihm zugedachten Legats." Eine Strafe, die deshalb auch Orbitätsstrafe oder eben Strafe für Kinderlosigkeit hieß. "Von diesen Sanktionen ist natürlich nun jeder befreit, dem du das Ius trium liberorum verleihst." Lag ja schließlich auf der Hand, dass zum Beispiel jemand, der das Dreikindrecht besaß, im juristischen Sinne nicht kinderlos sein konnte. - Umgekehrt war natürlich klar, dass man zur Umgehung einer Strafe für Kinderlosigkeit nicht zwingend das Drei-kinderrecht brauchte. Aber eh ich erst erklären musste, dass dieser Vorteil eben eher einer für die Leute war, denen man das Ius trium liberorum ehrenhalber verlieh, verschwieg ich den Gedanken lieber einfach komplett.


    "Aber natürlich sind die finanziellen Vorteile nicht alle nur in der Befreiung von Sanktionen zu finden. Manche Vorteile sind eben auch echte Prämien für den Kinderreichtum.", den man nach diesem Recht entweder ehrenhalber hatte (deshalb hieß es ja Ius trium liberorum) oder eben auch wirklich - so wie ich zum Beispiel: Ich hatte ja wirklich auch drei Kinder zur Welt gebracht (auch wenn nur noch zwei von denen lebten; aber das spielte für die Zählung ja keine Rolle). "Zum Beispiel der freie Eintritt in Theateraufführungen wäre da so eine Sache. Aber auch der ganze Teil mit dem Unterschreiten eines Mindestalters oder der Bevorzugung bei Ämtervergaben, auch wenn das jetzt natürlich keine direkten finanziellen Vorteile sind." Ich nickte in einem Akt der Selbstbestätigung und beendete meine Ausführungen damit erstmal. Der Kaiser sollte ja auch nicht völlig erschlagen werden von dem, was ich alles erzählte.


    Sim-Off:

    Oder anders gesagt: Mehr hab ich neben der über allem schwebenden Befreiung von der Geschlechtsvormundschaft jetzt auch gar nicht so konkret herausgefunden.


    Nach kurzem Überlegen fügte ich noch hinzu: "Vestalinnen besitzen dieses Recht übrigens ipso iure. Das heißt erstens, dass du ihnen dieses Recht nicht verleihen musst, weil sie es als Vestalinnen ja eh schon haben. Und das heißt zweitens natürlich auch, dass die finanziellen Vorteile, die sich aus dem Ius trium liberorum ergeben, am Ende nicht größer sind.. ja, nicht größer sein können als die finanziellen Vorteile einer Vestalin." Ich lächelte etwas eigenwillig. Denn das klang jetzt, wo ich es ausgesprochen hatte, irgendwie nicht mehr ganz so beruhigend, wie es sich in meinem Kopf vorher noch angehört hatte.

  • "'Verschiedenartige Vorrechte und Privilegien' ist natürlich keine Formulierung, die justitiabel ist. Insofern müssten wir dieses traditionelle Recht schon in klare Formulierungen gießen." erklärte Severus. Wenn Palma es anders gehandhabt hatte, war das ja nicht sein Problem. "Könntest du also dazu eine konkrete Vorlage erarbeiten?"

    Sim-Off:

    Wo dir die Fakten fehlen, sei kreativ ;)

  • Justiziabel? Natürlich war dieser eine Satz, diese Zusammenfassung, in der Form nicht richtig "justiziabel". Aber wozu sollte er auch? Es gab die Lex Iulia et Papia. Die war gültiges Recht. Und Teil dieses Gesetzes war faktisch auch das Dreikinderrecht. (Das genau hatte ich mit diesem Satz ja ausdrücken wollen.) Da war es mir gerade vollkommen schleierhaft, wieso der Aquilius etwas schon Geregeltes unbedingt nochmal regeln wollte, damit es am Ende dann doppelt geregelt war. Das wollte mir nicht einleuchten. Kein bisschen. Und deshalb musste ich jetzt auch nochmal nachfragen, was er denn eigentlich wollte. "Eine konkrete Vorlage kann ich gerne erstellen, mein Kaiser. Nur muss ich dann nochmal nachfragen: Willst du eine Vorlage zum Veröffentlichen? Also eine Vorlage, die das in der Lex Iulia et Papia geregelte Dreikinderrecht nochmal regelt?" Mit anderen Worten: Wollte er die Lex Iulia et Papia in dem Bereich vielleicht sogar verändern? "Oder willst du eine Vorlage nur für dich? Also eine Vorlage, die alle wesentlichen Punkte zum Ius trium liberorum nochmal auf einem Dokument zusammenfasst?" Mit anderen Worten: Wollte er, dass ich meine Erklärungen von eben nochmal alle zum Nachlesen für ihn aufschrieb? - Gespannt sah ich ihn an.


    So richtig sinnvoll fand ich dabei natürlich weder das eine noch das andere. Denn logisch war es nicht das Problem dieses Kaisers, wie sein Vorgänger sowas gehandhabt hatte. Sein Problem war am Ende nur, wie er selbst die Dinge regelte. Und welchen Eindruck er damit machte, wenn er das Rad unbedingt noch ein zweites Mal erfinden wollte.

  • Der Kaiser hatte die genauen Bestimmungen der Lex Iulia et Papia nicht im Kopf. Er war kein Jurist. Aber dass die Privilegien so unkonkret formuliert waren, wie die Sergierin sie vorgestellt hatte, konnte er sich nicht vorstellen. "Bei der Verleihung des Rechts würde ich die Privilegien in die Urkunde aufnehmen. Also für eine Publikation, ja." Sie konnte ja an die Bestimmungen der Lex einfach wiedergeben, wenn es so einfach war.

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  • Ich machte große Augen, verkniff mir aber ein spontanes "Alle??", das mir schon ausspruch-fertig auf der Zunge lag. Denn irgendwie schien es keinen Sinn zu machen. Der Kaiser nahm meinen Rat einfach nicht an. Er redete einerseits von "Justiziabilität" und wollte aber andererseits genau in die Richtung stürmen, die dafür mit Abstand am unpraktischsten war. Aber schön. Ich war ja geduldig(er geworden, seit ich die Mutter von zwei kleinen Kindern war). "Alle Privilegien auf eine Urkunde? Oder getrennt eine Ausführung für Männer und eine für Frauen?", ging ich also erstmal ganz praktisch auf seine Wünsche ein und war mir trotzdem sicher: Ob ich es trennte oder nicht, würde am Ende den großen Unterschied auch nicht mehr machen. Unhandlich wurden die Urkunden damit sowieso allesamt. Und das allein war ja noch nichtmal das Schlimmste....


    Ein zögerliches "Oder.." durchbrach meine Pause. "..willst du vielleicht erst nochmal einen Tag darüber nachdenken und vielleicht auch mit meinem Kollegen aus der Rechtsabteilung darüber sprechen? Denn natürlich möchte ich deinen Wünschen gerne folgen, mein Kaiser. Aber mit Verlaub muss ich sagen, dass es bestimmt einen juristischen Grund hat, dass auch in deiner Lex Aquilia de imperio ja nicht jedes einzelne Privileg haargenau aufgeführt steht....", merkte ich in meinem letzten Versuch, ihn von dieser Idee abzubringen, an. "So wie es Divus Augustus und seinen Nachfolgern erlaubt war, heißt es da stattdessen nicht nur einmal oder zweimal, sondern in fast jedem einzelnen Abschnitt." Ein vorsichtiges Lächeln, damit ich durch meine vielen Widerworte nicht heute noch einen Kopf kürzer wurde. "Dazu möchte ich vielleicht auch auf die Möglichkeit von Gesetzesänderungen hinweisen.. und darauf, dass es sicher jede Menge Kapazitäten kostet, wenn nach einer Erweiterung oder Einschränkung der Privilegien aus dem Ius trium liberorum nicht dutzende oder hunderte, sondern tausende Urkunden in veränderter Form neu ausgestellt werden müssten." Allein schon deshalb war das to-tal unpraktisch und strebte seinem Wunsch nach "Justiziabilität" to-tal entgegen. "Vielleicht willst du dir also doch nochmal.. etwas durch den Kopf gehen lassen.. wie dein Vorgänger bei diesem Recht vorgegangen ist." Immerhin hatte er sich vorhin ja sogar noch dafür interessiert (bis er dann fand, dass ihm das so gar nicht gefiel). "Denn dein Vorgänger schrieb auf Urkunden meist einfach am Ende den Satz, Alle mit dem Ius trium liberorum verbundenen Rechte und Privilegien seien der .. ausgezeichneten Person gewährt. Die Variante ist einfach und vor allem ohne Anpassung jederzeit rechtssicher. Auch wenn sich die Bestimmungen der Lex Iulia et Papia vielleicht mal ändern." Lautlos atmete ich durch und war gespannt, ob er sich wenigstens davon jetzt etwas überzeugen ließ.


    Sim-Off:

    Mir ist ja klar, dass die Leute auch so halbwegs wissen sollen, womit sie da eigentlich ausgezeichnet werden/wurden und was das Ius trium liberorum für sie überhaupt bedeutet. Aber: Wäre das nicht trotzdem eher was, das man nicht sim-on auf irgendwelche Urkunden schreibt, die schneller in den Untiefen des Forum verschwinden, als einem das lieb ist? Sondern eher was, das lieber sim-off zum Beispiel gut zugänglich im Tabularium zu finden sein sollte?

  • Sim-Off:

    Das eine schließt das andere ja nicht aus ;)


    "Getrennt am besten." antwortete der Kaiser ganz knapp. Er war diesem Privileg grundsätzlich nicht abgeneigt. Aber wenn, dann wollte er es kalkulierbar verwenden.


    Dann ruderte die Sergierin aber plötzlich wieder zurück. Seltsam. "Ich glaube nicht, dass es sinnvoll wäre, der Hälfte aller Reichsbewohner ein Recht zu verleihen, das ähnlich schwammig definiert ist wie die Lex de Imperio." bemerkte Severus lächelnd. Er war ein Mann der Traditionen, aber Fausta wusste zweifellos so gut wie er selbst, dass die Lex de Imperio ein Feigenblatt für die im Grunde schrankenlose Gewalt des Kaisers war.


    "Du kannst dich diesbezüglich mit dem A Cognitionibus beraten." Immerhin wollte sie das Recht ja, das in den letzten Jahren ziemlich außer Gebrauch gekommen war (sonst hätte sie ja kaum eine so lange Liste an potentiellen Empfängern vorlegen müssen). "Aber es genügt, wenn du mir den Entwurf demnächst vorlegst. Dann können wir ja nochmals über die genaue Form der Publikation nachdenken." Damit war dieses Thema hoffentlich vorerst abgehandelt. Ohne konkreten Entwurf, den die Procuratrix offensichtlich nicht so einfach aus dem Hut zaubern konnte, mussten sie hier ja nicht weiter diskutieren.


    Damit blieb Raum für ein Anliegen des Kaisers: "Ich hätte im übrigen noch eine kleine Aufgabe für dich." Er gab ihr kurz Zeit, das letzte Thema geistig zu verdauen und die Aufmerksamkeit auf das neue zu lenken. "Die Einweihung des Ulpianum steht vor der Tür. Endlich. Ich hatte mir gedacht, ob du nicht vielleicht die Organisation übernehmen könntest. Also die Planung der Feierlichkeit und so weiter."

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  • Tja. Schien wohl so, als wenn selbst der enorme Extra-Aufwand als Argument hier nicht auf fruchtbaren Boden fiel. Dabei war gerade das ja eigentlich ein mehr als eingängiges Kontra. Denn wurden die Privilegien aus dem Ius trium liberorum vermehrt: Alle, denen dieses "Mehr" auf ihrer Urkunde fehlte, würden sich sofort bei der Kanzlei melden, um auch dieses Extra für sich noch einzustreichen. Und wurden die Privilegien aus dem Ius trium liberorum beschnitten, dann war die Kanzlei ebenfalls in größtem Zugzwang, vielen tausenden Menschen das "Weniger" schleunigst rechtskräftig abzuerkennen. - Das konnte man drehen wie man wollte: Solche Tausend-Privilegien-Regelung war aus bürokratischer Sicht der reinste Horror! Da konnte man das Ius trium liberorum dann konsequent eigentlich auch gleich ganz abschaffen, wenn man am Ende eh nur noch tausende von Einzelprivilegien verlieh, aber das Dreikinderrecht als großes Gesamtpaket eben nicht mehr.
    Hochgradigen Unsinn fand ich das also noch immer. Aber schön. Was sollte ich machen? Mehr als ins Gewissen reden konnte ich dem Kaiser nicht. Am Ende traf ER dann die Entscheidung. (Caligulas Berater hatten ihn sicherlich auch davor gewarnt, ein Pferd zum Consul zu machen. Aber mehr als immer wieder auf den Kaiser einreden, war eben nicht möglich. - Auch wenn Aquilius bestimmt nicht mit dem Leben dafür bezahlte, so wie Caligula damals.... kurz bevor er seine Pläne für den Gaul Incitatus Wirklichkeit werden lassen konnte.)


    Ich lächelte also unzufrieden schmal und machte mir eine kurze Notiz. "Natürlich." Vertagten wir den Punkt eben. Vielleicht half ja die Zeit dabei, dass er die Unsinnigkeit seines Wunsches erkannte. Und ich würde mit meinen Vorschlägen am Ende aber sicher auch den meinen Teil dazu tun, dass ihm der Gefallen an seinem Wunsch noch verging! - Aber da sprach der Kaiser dann auch schon das nächste Thema (ein eigenes, das nicht auf meiner Liste stand) an: Die Einweihung vom Ulpianum. "Welchen Umfang soll diese Veranstaltung denn haben?", war natürlich gleich mal meine erste Frage dazu. Denn auch wenn er von einer "kleinen Aufgabe für mich" gesprochen hatte, gab es ja klein.. und es gab KLEIN (oder mit anderen Worten: eher ein bescheidenes groß). Außerdem notierte ich mir auf einer leeren Wachstafel gleich mal:
    - meinen Patron fragen, ob er als Fertigsteller der ewigen Baustelle eine kleine Rede halten wollte
    - "Du wirst sicherlich persönlich die Hauptrede des Festakts halten wollen, nicht?" Eigentlich nur eine rhetorische Frage, glaubte ich.
    - einen Termin finden.. vielleicht ja.. oja, da hatte ich sogar gleich schon eine erste Idee
    - "Gibt es schon eine offizielle oder inoffizielle Liste, wer jetzt alles dort geehrt wird?" Vielleicht konnte man da ja noch ein paar Angehörige mit einbeziehen.
    - das Budget nicht vergessen: "Hast du mit dem Procurator a rationibus schon die Höhe des Budgets besprochen?" Ansonsten musste ich das wohl noch machen. (Und das, wo er sich schon in der Sache mit dem Census bisher immer sehr.. wortkarg gab.)
    - Rahmenprogramm abstecken: Dabei schieden irgendwelche Militärparaden natürlich gleich mal kategorisch aus. Erstens. Zum decimischen Kommandowechsel war sowas gerade erst gewesen. Zweitens. Mir widerstrebte jede Art der Zusammenarbeit gerade mit einem Praetorianer. Und drittens. Gerade dem Praetorianer würde ich auch bestimmt keine Bühne zu seiner Selbstdarstellung überlassen. (Da würde ich noch eher diesen Barbaren Duccius mit triumphalem Pomp aus Germanien herschaffen lassen, als dass es soweit kam.) "Brotspenden?" Die waren ja immer gut. Theater? Diesen ganzen Kultur-Bereich hatte der Consul Flavius erst gemacht. "Und vielleicht ein paar Gladiatorenkämpfe nach der Einweihung? So zur Feier des Tages?" Denn die Wagenrennen hatte ja erst der Cornelius für sich beansprucht. Damit konnte sich der Aquilier jetzt bestimmt nicht von seinem Vorgänger abheben.


    Was könnte man noch bedenken? Ich kratzte mich beiläufig im Nacken.
    "Willst du deine Frau irgendwie gesondert in die Veranstaltung mit einbeziehen? Ich frage, weil ja die Frau des Divus Iulianus damals zur Schirmherrin über das ganze Ulpianum-Projekt erklärt worden war." Jetzt war sie tot. Da wollte vielleicht die Veturia die Möglichkeit nutzen, selbst ein bisschen herauszustechen. "Oder vielleicht dein Sohn?" Ich überlegte. Dann nickte ich. "Gladiatorenspiele vorausgesetzt, müssten die natürlich auch von irgendwem eröffnet werden. Und wenn du die Hauptrede bei der Einweihung des Ulpianums hälst, könnte den Part natürlich auch jemand anders übernehmen." Ich dachte weiter nach. "Ja, eigentlich wäre das vielleicht gar nicht mal so unklug. Denn dein Sohn ist zwar dem Rang nach ein gewesener Ädil. Aber Spiele ausgerichtet hat er ja bisher nicht, soweit ich weiß." Da bot sich hier also eine Chance. "Oder ansonsten könnte ich natürlich auch schauen, ob ich vielleicht einen anderen Ädilizier auftreiben kann, der hier seine Pflicht an Rom noch.. "nachholen" müsste.", bot ich alternativ an und hatte so ein Gefühl, dass ich da zur Not bestimmt einen geeigneten Kandidaten auftreiben könnte....

  • Severus überging die Unzufriedenheit der Procuratrix einfach. Er wusste auch nicht, warum es ihr nicht passte, ihre Rechte Schwarz auf Weiß zu erhalten. Aber nicht sein Problem.


    Das Ulpianum dagegen schon. "Nun, sie soll dem Anlass angemessen sein. Immerhin werden die größten Männer und Frauen Roms geehrt. Mit dabei sind in jedem Fall Octavius Anton und Prudentius Commodus sowie den Senatoren Annaeus Florus und Tiberia Livia. Über Tiberius Durus muss der Senat noch einmal abstimmen." Auch die anderen Fragen mussten natürlich beantwortet werden: "Das Budget darfst du dem Anlass entsprechend ebenfalls mit dem A Rationibus aushandeln. Gladiatorenspiele sind eine gute Idee, immerhin sind die Geehrten ja alle schon tot." Traditionell waren Gladiatorenkämpfe ja Leichenspiele. "Ich denke, dafür können wir schon ein wenig springen lassen."
    Die letzten beiden Fragen ließen ihn dann kurz nachdenken. Das war etwas, was er nicht aus dem Bauch heraus entscheiden konnte. Und er hatte nicht mit diesen Fragen gerechnet. "Ich werde meinen Sohn fragen, ob er nicht die Eröffnung der Spiele übernehmen möchte. Dann kann ich am Ort des Geschehens ein paar Worte verlieren, genau. Und Veturia... nun, da muss ich noch einmal mit ihr sprechen." Blieb noch der letzte Punkt. "Bei der Organisation kannst du dich an den Procurator Familiarum Gladiatoriarum wenden." Der wurde immerhin dafür bezahlt, im Namen des Kaisers Spiele auszurichten.

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  • Ja, vielleicht scheute ich am Ende auch einfach nur den unnötigen Bürokratie-Aufwand im Fall von alles andere als unwahrscheinlichen Änderungen an der Lex Iulia et Papia. Und das nicht nur als Procuratrix der Kanzlei, sondern auch als Privatfrau. Denn ich hatte einfach keine Lust darauf, nach einer eventuellen Erweiterung der Privilegien aus dem Ius trium liberorum diese dann erst großartig hier beantragen zu müssen. Ich wollte auch bei einer Gesetzesänderung ohne Extra-Aufwand für mich gleich alle Privilegien haben, die mir dann zustanden. Oder mit anderen Worten: Ich wollte das Ius trium liberorum (nicht mehr, nicht weniger, nur ganz genau das) verliehen bekommen und nicht nur irgendeine starre und damit völlig unflexible Ansammlung irgendwelcher Privilegien (selbst wenn die heute "zufällig" die gleichen Privilegien waren, die sich auch aus dem Ius trium liberorum ergaben). Dafür hatte ich jetzt gekämpft. Und dafür würde ich wieder kämpfen, wenn es bei der nächsten Besprechung dann in die Verlängerung ging....
    Oder vielleicht half hier ja auch nur die knallharte mathematische Logik: Bezeichne groß A das Ius trium liberorum bestehend aus den Einzelprivilegien klein a_1 bis klein a_n. Dann wollte ich, dass man groß A verlieh. Der Vorschlag des Kaisers aber lief darauf hinaus, dass man nur klein a_1 bis klein a_n verlieh. Denn das genau passierte ja dadurch, dass man ganz starr bei der Verleihung festlegte, welche Privilegien man verlieh (und welche demzufolge nicht). >> Und wozu führte das? >> Wenn der Senat oder der Kaiser groß A um klein a_0 erweiterten, dann hatten alle, denen groß A verliehen worden war, dann sofort auch das Privileg a_0. Bei allen anderen, wo bei der Verleihung ganz explizit aufgeführt stand, dass sie die Privilegien a_1 bis a_n bekamen (und demnach also keine anderen Privilegien) musste dann überall nachgebessert werden und jetzt auch noch gesondert a_0 verliehen werden. Das war umständlich. Das kostete Zeit. Das kostete deshalb auch Geld. Und es war damit einfach eine vollkommen unsinnige Idee. Denn wozu waren die Einzelprivilegien a_1 bis a_n zu einem Gesamtpaket groß A verpackt worden? Bestimmt nicht, damit man nachher trotzdem aufwändig a_1 bis a_n verlieh.


    Zurück zum Ulpianum: Ich machte mir ein paar Notizen. Octavius Anton. War das nicht der Großvater meines Mannes? Annaeus Florus. War das nicht ein Verwandter meines Onkels Kaeso? Und die Tiberier. Da hatte der Senator Tiberius Lepidus ja schon ein bisschen meine Sympathie gewonnen bei seiner öffentlichen Hinrichtung der beiden Duccianus und Vettianus damals. Zum Budget schrieb ich mir auf, dass ich am besten einfach einen Kostenplan erstellte, den der A rationibus entweder direkt absegnen konnte oder mir mit Streichungen zurückschickte. Ein direktes Gespräch (wo schon das mit dem Census kaum vorankam) wollte ich lieber umgehen. Ja. Außerdem ein Häkchen hinter die Gladiatorenspiele. "Dann solltest wir über eine Einbindung deiner Frau und deines Sohnes am besten bei der nächsten Besprechung nochmal reden.", schlug ich vor. "Oder du schickst einen Diener einfach mit einer kurzen Notiz in mein Büro." Das wäre vielleicht sogar noch einfacher.
    Ich wechselte unauffällig die Wachstafel und machte noch schnell eine Ergänzung darauf. "Vielleicht können wir in dem Zusammenhang auch kurz das Thema "Divinisierung des Valerianus" nochmal anschneiden. Hierzu hattest du dir ja ein Dossier von mir gewünscht. Das habe ich nun hier." Ich reichte es dem Kaiser:



    Apotheosis Valeriani


    Pro:


      [*] Anknüpfung an Zeit der Ulpier = Zeit des Wohlstands und Friedens (im Gegensatz zu: Vescularius / Cornelius = Zeit von Unruhen und Bürgerkrieg bzw. von Siegern und Besiegten)


      [*] Divinisierung Valerianus = Symbol der Neutralität (im Gegensatz dazu: Vorgänger haben Divinisierung Valerianus verpasst, weil beide am Ende nur für ihre eigene Partei und ihre eigenen Ziele standen; nicht für GANZ Rom)


      [*] eventuelle Belohnung der Pietas durch den Senat (z.B. durch Nomen Honoris: Pius)
      >> Vorschlagung (einer Belohnung) durch den Pontifex pro magistro sinnvoll


      [*] passende Geste zur Einweihung vom Ulpianum?
      - vielleicht am 27.10. = Geburtstag Valerianus?
      - oder am 28.07. = Tag, an dem Iulianus Kaiser wurde und nach Kriegswirren die Ordnung im Reich wiederherstellte (Parallele zur heutigen Zeit)?


    Contra:


      [*] Konsekration Valerianus muss traditionsgemäß vom Senat beschlossen werden (Rede erforderlich)


      [*] Einrichtung eines neuen Flaminats und Ernennung eines Flamen Valeriani (als Teil der Flamines Divorum)
      >> Aber: ist sicher kein Muss und könnte vielleicht auch durch Erweiterung des Flamen Iuliani zum Flamen Iuliani et Valeriani umgangen werden (Besprechung mit dem Pontifex pro magistro ratsam)


      [*] mehrere Jahre seit Tod Valerianus vergangen
      >> Aber: Apotheose der Iulia Augusta auch erst 13 Jahre nach ihrem Tod nicht durch Tiberius oder Gaius sondern durch Claudius


      [*] gesundheitliche Schwäche Valerianus
      >> Aber: selbst Divus Augustus zu Lebzeiten sehr oft krank; trotzdem wurde er divinisiert


      [*] Valerianus Rückzug aus dem Tagesgeschäft; wenig Präsenz; wenige Taten (?)
      >> Aber: trotzdem kein Stillstand (Neuordnung der Provinzen; Verbannung Patrizier aus Ritterposten; letzter vollständiger Census; und Vieles mehr)
      >> Und: je stärker der Fokus beim Ehrenden, umso geringer die Aufmerksamkeit für den Geehrten....



    "Ich dachte mir, jetzt, wo du das Ulpianum und seine Einweihung ansprichst, wäre die Divinisierung des Valerianus vielleicht thematisch ganz passend dazu.", erklärte ich beiläufig, während der Kaiser Zeit zum Lesen hatte. "Man müsste natürlich vorbereitend den Senat erstmal die Konsekration beschließen lassen. Aber mit dem Beschluss in der Hinterhand wäre das sicher der i-Punkt bei der Eröffnung des Ulpianums, wenn du für den letzten regierenden Ulpier ein Flaminat begründest oder halt das seines Vaters auf ihn ausweitest und ihn damit zum Divus Valerianus erklärst." Ja. Das wars erstmal, was ich dazu noch zu sagen hatte. Meine ersten zwei Terminvorschläge standen ja auch auf der Tafel. Deshalb sagte ich erstmal nichts weiter dazu, sondern überließ dem Kaiser das Wort.

  • Wie gewohnt reichte der Kaiser die Tabula an seinen Privatsekretär weiter. Er ließ sich gern alles vorlesen. Und der Sekretär las dann auch. Während er zuhörte, war Severus zuerst ein wenig verwundert. Er hatte eigentlich angenommen, dass es stärker um das Leben Valerianus' gehen würde, weniger um das politische Für und Wider. Andererseits war das Leben des ermordeten Kaisers vielleicht gar nicht so wichtig. Wichtiger war ja tatsächlich, welche Bedeutung diese Geste für die Menschen heute hatte.


    "Eine gute Idee." bemerkte er schließlich am Ende. "Das Ulpianum ließe sich möglicherweise direkt zu einem Tempel der Ulpii weihen, in dem sowohl Divus Iulianus, als auch Valerianus dann die notwendige kultische Verehrung erhalten könnten. Und der Geburtstag wäre sicherlich ein geeigneter Termin für Valerianus' Apotheose." Er nickte. "Ich werde diesen Gedanken dem Senat zur Diskussion vorlegen." Wieder ein Punkt abgearbeitet. Hoffentlich.

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  • Ich nickte und machte mir die gedankliche Notiz: Valerianus Geburtstag wurde als Termin vom Kaiser präferiert. "Und soll ich den Pontifex pro magistro noch auf den Palatin bitten? Denn ein Gespräch mit ihm könnte vor einer Besprechung der Sache im Senat ja vielleicht ganz sinnvoll sein." Sowohl was das Kultische betraf, als auch das andere. Denn irgendwer musste ihn ja vielleicht auch erstmal auf die Idee bringen, dass nach dem Antrag des Kaisers zur Konsekration Valerianus jemand (der im Staatskult auch von größerer Bedeutung war und eine Autorität darstellte) einen Antrag stellte, den Aquilier mit dem Namen Pius zu ehren. (Dass der Flavius schon in einer anderen Sache eingeladen war, wusste ich natürlich gerade nicht.)


    Ansonsten war der Punkt Divinisierung damit dann erstmal abgeschlossen. Und der Punkt Ulpianum-Eröffnung auch. Da musste ich als nächstes jetzt nur einen Kostenplan erstellen, um damit beim A rationibus Gelder locker zu machen. Dann brauchte ich die Rückmeldung des Kaisers gerade in Bezug auf seinen Sohn. Denn wenn die Spiele nicht vom Sohn ausgerichtet (und eröffnet) wurden, dann konnte ich mir den Gang zum Procurator Familiarum Gladiatoriarum ja sparen und stattdessen gleich nach einem geeigneten Ädilizier suchen, der Rom noch keine Spiele geschenkt hatte.... Und meinen Patron und meinen Onkel, und meinen Mann und den Tiberius (sowie einen Prudentius, wenn ich da irgendeinen fand), die schrieb ich am besten parallel zum Finanzplan schon mal an und erkundigte mich nach deren Vorstellungen. Denn ich konnte ja nur Reden einplanen von Leuten, die auch irgendetwas sagen wollten. Oder vielleicht hatten die auch noch andere Anregungen.. Aber das gehörte jetzt gerade nicht hierher. "Mehr hätte ich für heute dann erstmal nicht auf meiner Agenda.", schloss ich also erstmal ab und wartete, ob der Kaiser sonst vielleicht noch irgendetwas wollte.

  • "Das wäre gut, ja." bestätigte der Kaiser den Einladungsvorschlag. Sonst hatte er heute auch nichts mehr zu sagen. Sie hatten ja auch genügend Punkte durchgesprochen, wie er fand. "Gut, dann werden wir uns mal an die Arbeit machen." schloss er die Besprechung ab. Er würde jetzt, nachdem die Korrespondenz erledigt war, erst einmal eine Schar von Bittstellern empfangen müssen. Und dann hoffentlich Zeit für ein kleines Bad haben.

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  • Ich nickte und stand auf von meinem Platz. "Dann sehen wir uns bei der nächsten Besprechung. Vale, Imperator." Dazu ein spitzes Lächeln. Denn auch wenn ich es beim letzten Besprechungspunkt eben ganz gut maskieren konnte, war ich wegen der Geschichte mit dem Ius trium liberorum immernoch sauer. Nur deshalb nannte ich ihn jetzt nicht "mein Kaiser", wie das sonst immer machte. Sondern jetzt war er für mich hier gerade nur der beratungsresistente Heerführer, der vielleicht kämpfen konnte und Ahnung hatte von Kriegsstrategien, aber nicht von Recht und Gesetz und Ordnung. Der Imperator, der auf dem Rücken seiner Armee seinen Willen durchsetzte und sich später dann wundern würde über die Konsequenzen des Ganzen. (.. "Et tu, Brute?" - Na gut, vielleicht nicht ganz so krass.)


    Und mit einem eleganten Hüftschwung, den ich auch während meiner zweiten Schwangerschaft nicht verlernt hatte, ging ich ab. Dampf ablassen.



  • Die Vorbereitungen zur Einweihung vom Ulpianum waren angelaufen. (Ein Notarius besorgte mir einen Termin beim Procurator Familiarum Gladiatoriarum. Ein paar Briefe an wichtige Persönlichkeiten waren geschrieben und raus. Und ich war guter Dinge, dass da alles zeitgerecht voran ging.) Das Dossier zur Divinisierung des Valerianus hatte ich dem Kaiser schon beim letzten Mal übergeben. Der Pontfex Flavius hatte einen Audienztermin bekommen, wo (unter anderem auch) das besprochen werden konnte. Und wenn der Kaiser nicht selbst dem Pontifex vorschlagen wollte, dass der Pontifex dem Senat (nach erfolgreicher Apotheose Valerianus) vorschlagen sollte, dass der Aquilius den Ehrennamen Pius erhielt .. dann wusste er (hoffentlich), dass er mich nur darauf ansprechen musste. Dann würde ich versuchen, dem Flavius diesen Floh ins Ohr zu setzen, damit der Kaiser zu seinem Ehrennamen kam.


    Hieß also: Zur heutigen Besprechung hatte ich nur ein-zwei-drei andere Themen mitgebracht. "Ich grüße dich, mein Kaiser." Ja, heute startete ich wieder mit meiner üblichen Begrüßung (und setzte nicht da fort, wo ich beim letzten Mal aufgehört hatte). Denn auch wenn ich mich über den Verlauf der letzten Besprechung ein (großes, gewaltiges) bisschen geärgert hatte. Ich hatte den Dampf ja gleich danach in meinem halben Oval Office erstmal wieder abgelassen. Und dann hatte ich einen Plan gefasst, wie ich meinen eigenen Dickkopf gegen den des Kaisers durchsetzte. Diesen Plan musste ich jetzt nur noch umsetzen. (Und weil das besser ging, wenn ich nicht sofort wieder auf die Barrikaden ging, fuhr ich meine Krallen also erstmal ganz brav wieder ein.)
    Trotzdem brannte mir das Thema natürlich so sehr unter den Nägeln, dass es als allererstes auf meiner heutigen Tagesordnung stand: "Du hattest mich bei unserer letzten Besprechung darum gebeten, zwei Urkunden zu entwerfen. Eine Urkunde für Männer, denen das Ius trium liberorum verliehen wird. Eine Urkunde für Frauen, denen das Ius trium liberorum verliehen wird. Dabei sollte auf jeder Urkunde ganz explizit stehen, welche einzelnen Privilegien das verliehene Dreikinderrecht umfasst." und welche vielleicht zukünftigen Privilegien im Umkehrschluss eben generell nicht mit verliehen wurden. (Sodass man in vielleicht 10 Jahren dann zwar immernoch ein "Ius trium liberorum" hatte. Bloß halt eben keins, das dann noch zwangsläufig alle dann aktuellen Privilegien dieses Rechts umfasste.) "Ganz wie du es wolltest, habe ich hier jetzt also zwei handliche Entwürfe" Diese Spitze konnte ich mir einfach nicht verkneifen. "die dir hoffentlich gefallen." Ich lächelte bittersüß, als ich ihm die Entwürfe überreichte:


    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    VERLEIHE ICH
    [NAME DER FRAU]


    MIT WIRKUNG VOM
    [DATUM]


    DAS
    IUS (TRIUM) LIBERORUM


    BESTEHEND AUS:
    I. BEFREIUNG VON DER TUTELA MULIERUM


    II. BEFREIUNG EINER FREIGELASSENEN VON DER TUTELA LEGITIMA DURCH IHREN PATRON


    III. BEFREIUNG VON DER STEUER DER LEX IULIA DE MARITANDIS ORDINIBUS FÜR UNVERHEIRATETE


    IV. BEFREIUNG VON DER INKAPAZITÄT DER UNVERMINDERTEN ANNAHME TESTAMENTARISCHER ERBSCHAFTEN UND LEGATE


    V. BEFREIUNG VON DEN ERBRECHTLICHEN BESCHRÄNKUNGEN DER LEX VOCONIA


    VI. RECHT ZUM FREIEN TESTIEREN


    VII. RECHT AUF FREIEN EINTRITT IN THEATERAUFFÜHRUNGEN


    VIII. RECHT AUF BESSERE SITZPLÄTZE IN THEATERN UND CIRCI ALS RANGGLEICHE PERSONEN OHNE IUS (TRIUM) LIBERORUM


    IX. RECHT EINER PATRONIN GEGENÜBER IHREN FREIGELASSENEN KLIENTEN AUF DIE PORTIO VIRILIS (DEN ERBTEIL EINES SOHNES)


    X. RECHT ALLER EIGENEN TÖCHTER, EINE WAHL ZUR VESTALIN ABZULEHNEN, WENN AUCH DEREN VATER DAS IUS (TRIUM) LIBERORUM BESITZT



    [SIEGEL PER PROCURA AUGUSTI]


    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    VERLEIHE ICH
    [NAME DES MANNES]


    MIT WIRKUNG VOM
    [DATUM]


    DAS
    IUS (TRIUM) LIBERORUM


    BESTEHEND AUS:
    I. BEFREIUNG VON DER STEUER DER LEX IULIA DE MARITANDIS ORDINIBUS FÜR UNVERHEIRATETE


    II. BEFREIUNG VON DER INKAPAZITÄT DER UNVERMINDERTEN ANNAHME TESTAMENTARISCHER ERBSCHAFTEN UND LEGATE


    III. BEFREIUNG EINES FREIGELASSENEN, DER NICHT ALS SCHAUSPIELER ODER TIERKÄMPFER ARBEITET, VON DEN MUNERA, OPERAE UND DONA GEGENÜBER SEINEM PATRON ODER SEINER PATRONIN


    IV. RECHT AUF FREIEN EINTRITT IN THEATERAUFFÜHRUNGEN


    V. RECHT AUF BESSERE SITZPLÄTZE IN THEATERN UND CIRCI ALS RANGGLEICHE PERSONEN OHNE IUS (TRIUM) LIBERORUM


    VI. RECHT EINES SENATORS AUF BESSEREN SITZPLATZ IM SENAT ALS RANGGLEICHE SENATOREN OHNE IUS (TRIUM) LIBERORUM


    VII. RECHT AUF VORZUG GEGENÜBER EINER ÄHNLICH QUALIFIZIERTEN PERSON OHNE IUS (TRIUM) LIBERORUM BEI DER VERGABE VON ÄMTERN


    VIII. RECHT AUF ERLASS SO VIELER JAHRE EINES MINDESTALTERS FÜR EIN AMT, WIE MAN LEIBLICHE KINDER HAT


    IX. RECHT DES AMTIERENDEN CONSULS MIT MEHR KINDERN ALS SEIN KOLLEGE, IM ERSTEN MONAT DES AMTSJAHRES DIE FASCES ZU FÜHREN.


    X. RECHT ALLER EIGENEN TÖCHTER, EINE WAHL ZUR VESTALIN ABZULEHNEN, WENN AUCH DEREN MUTTER DAS IUS (TRIUM) LIBERORUM BESITZT



    [SIEGEL PER PROCURA AUGUSTI]

  • Ein Tag wie jeder andere: Zuerst hatte der Kaiser den Ab Epistulis empfangen, dann den A Libellis. Dann war der A Cognitionibus an der Reihe und zum Schluss die A Memoria. Entsprechend erschöpft war Severus, als die Sergierin mit der langen Liste kam. Natürlich las er nicht selbst. Er las nie selbst.


    Deshalb gab er das lange Papyrus an seinen Privatsekretär weiter, der es langsam vorlas. Der Kaiser konnte zu jedem Punkt Anmerkungen machen: Zuerst die Urkunde zu den Frauen:
    Die ersten drei Punkte nickte er einfach ab.
    Zum IV.: "Ich wusste gar nicht, dass verheiratete Frauen eine Inkapazität beim Erben haben."
    Zum V.: "Lex Voconia? Von der habe ich noch nie gehört."
    Zum VI.: "Ist das nach der aktuellen Rechtslage beschränkt?"
    Die übrigen Punkte wurden wieder abgenickt. Bei der Urkunde für Männer gab es dann aber wieder ein paar Einwände:
    Zu II.: "Oh, das hatten wir bei den Frauen ja auch. Ist das bei Männern auch so?"
    Zu III.: "Ich glaube, das kann man etwas knapper formulieren. Vielleicht 'Befreiung eines Freigelassenen von allen Sachleistungen und Diensten gegenüber seinem Patron.' oder ähnlich."
    Zu VI.: "Kann man das mit dem Senat nicht in Punkt V einbauen?"
    Zu IX.: "Diese ganzen Vorzüge gegenüber Ranggleichen könnte man vielleicht zusammenziehen, damit es nicht so ellenlang wird."
    Am Ende bemerkte er schließlich mit einem Lächeln: "Vielen Dank in jedem Fall für die ausführliche Auflistung. Das macht es mir deutlich einfacher, das Ius Trium Liberorum einzuschätzen."

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  • Bei den Anmerkungen des Kaisers verkniff ich mir ein Seufzen. Stattdessen klärte ich lieber auf: "Dass verheiratete Frauen eine Inkapazität beim Erben hätten, steht dort mit keinem einzigen Wort, mein Kaiser.", stellte ich klar. "Dort steht nur, dass Personen .. Männer, Frauen, Verheiratete oder Unverheiratete .. mit Ius trium liberorum diese Inkapazität nicht haben." Das war das, was dort stand. "Das spielt für alle verheirateten Leute natürlich keine Rolle. Das hast du richtig erkannt. Aber wenn du das Ius trium liberorum an jemand Unverheirateten verleihst, was du jederzeit kannst und darfst, dann spielt das eben doch eine Rolle. Und deshalb gehört es hier mit zu den Privilegien dazu.", erklärte ich. Die Lex Voconia überging ich einfach und machte lieber gleich mit dem nächsten Punkt weiter. "Ja, das Testierrecht ist nach der aktuellen Rechtslage beschränkt, sehr beschränkt sogar. Eine Freigelassene kann nicht ohne die Auctoritas ihres Patrons testieren. Und auch bei einer Freigeborenen gehört das Testieren zu den Rechtsgeschäften, die sie normal ohne die Auctoritas eines Tutors nicht abschließen kann." Vielleicht hätte ich den A cognitionibus heute hier mit dazu bitten sollen..?


    Weiter mit dem zweiten Punkt der Männer. Der erste war ja schon bei den Frauen mit abgedeckt. "Deine Verkürzung verändert aber den Inhalt, mein Kaiser. Das ist dir bewusst, oder?", hakte ich nach. "Denn Schauspieler und Tierkämpfer sind von dieser Befreiung bislang immer ausgenommen gewesen." Wieso, weshalb, warum? Das war nicht meine Aufgabe gewesen, das herauszufinden. Ich hatte nur herausgefunden, dass es so war. Bisher. Nächster Punkt. "Wenn du nicht jemandem, der gar nicht im Senat sitzt, dort einen Sitzplatz geben willst, dann ist es notwendig, dass du an der Stelle genau differenzierst, was für alle gilt und was nur für Senatoren mit Ius trium liberorum." Ganz einfach. "Und das ist bei den Konsuln genau das gleiche. Denn nicht jeder Mann mit Ius trium liberorum darf ja einfach so die Fasces führen. Und auch nicht jeder Senator mit Ius trium liberorum. Da ist eine klare Unterscheidung und Trennung deshalb sehr notwendig.", widersprach ich. Nix von wegen Kürzung.


    Dann lächelte ich. "Aber wenn du willst, dann können wir natürlich statt nur einer Urkunde für Männer und einer für Frauen auch einfach ein paar mehr machen. Also eine für freigelassene Frauen, eine für freigeborene Frauen, eine für freigelassene Männer, eine für freigeborene Nichtsenatoren und eine für freigeborene Senatoren. Dann könnte man überall ein paar Punkte einsparen und die Urkunden würden wieder kürzer.", schlug ich mit zart ironischem Unterton vor. "Oder man macht einfach eine Urkunde für alle. Für Männer, Frauen, Freigelassene, Freigeborene, Senatoren, Nichtsenatoren.", kam ich auf dem Weg dann wieder da hin, wo ich hin wollte. "Und das wäre dann auch kein seitenlanges Buch an Privilegien, sondern es würde überall nur draufstehen, dass hier das Ius trium liberorum .. meinetwegen noch mit dem Zusatz "mit allen sich daraus ergebenden Rechte und Privilegien" .. verliehen wird." Tief durchatmen. Ruhe bewahren. Diesmal würde sich der alte Sturkopf schon von meinen sinnvollen Argumenten überzeugen lassen.


    "Denn du hast ja eben selbst ein sehr schönes Beispiel geliefert. Das mit den Schauspielern und Tierkämpfern." Ich nickte und hoffte, dass er sich erinnerte. "Sagen wir also wir schreiben die Urkunden heute so. Ganz ausführlich mit jedem einzelnen Privileg darauf. Und eben auch der Aussage, dass alle Freigelassenen, ob Schauspieler oder nicht, von den Sachleistungen und Diensten gegenüber ihrem Patron befreit wären." Ich nickte nochmal und hoffte, dass er mir bis hierher folgen konnte. "Eine ganz einfache Frage: Hat ein Freigelassener mit solcher Urkunde dann das Ius liberorum bekommen?" Ich ließ dem Kaiser ein paar Momente (ja, gleich mehrere!). "Oder hast du das gesetzliche Ius liberorum mit so einer Urkunde irgendwie geändert?" Und wieder eine hübsche Pause. Dann die Antwort: "Nein." Ganz einfach. "So eine Urkunde verändert ja nicht die Lex Iulia et Papia. Deshalb verändert sie also auch nicht das Ius liberorum, das sich aus der Lex ergibt." Verständlich? "Wenn du dem Freigelassenen aber ein Recht verleihst, das nicht die vollkommen gleichen Privilegien umfasst wie das Ius liberorum, dann hast du ihm am Ende also auch nicht das Ius liberorum verliehen." So sahs aus. "Egal ob die Worte da nun als kleine Überschrift drüber stehen oder nicht." Okay soweit?
    "Und jetzt sagst du vielleicht, "ich will dem Freigelassenen aber nur das Ius liberorum verleihen; nicht mehr und nicht weniger". Das würde ich dir natürlich auch sofort glauben, mein Kaiser." Ich nickte treu. "Aber auch der Patron eines Schauspielers, der sich mit einer Beschwerde deswegen bei dir meldet, würde dir das dann glauben. Und dann glaubt der Patron dir und sein freigelassener Klient glaubt deiner Urkunde .. und die beiden befinden sich auf einmal mitten in einem Rechtsstreit." Und wer hatte den verursacht? Der Freigelassene, der nichts dafür konnte, dass seine Urkunde so aussah, wie sie aussah? Oder der Patron, der sich betrogen sah, weil sein Freigelassener ohne jede Grundlage eines Gesetzes von den Munera befreit wurde? Oder vielleicht doch .. "jemand" anders?


    Aber es ging ja noch weiter: "Jetzt hast du den Rechtsstreit zwischen dem Patron und seinem freigelassenen Klienten irgendwie gelöst und vom Tisch geschafft. Und du willst natürlich, dass sowas nicht mehr vorkommt.", unterstellte ich ihm. "Also ordnest du an, dass ab sofort andere Urkunden ausgestellt werden. Nämlich welche, die auch genau zu den Privilegien des Ius liberorum passen." Wieder klar soweit? "Dann frage ich aber wieder: Für wen gelten diese neuen Urkunden?" Kurzes Päuschen. "Auch die neuen Urkunden ändern ja kein Gesetz und gelten nur für denjenigen, dem damit das Ius liberorum verliehen wird." Logisch, oder? "Aber was ist dann mit all den vielen Urkunden, die noch mit den alten Privilegien ausgestattet sind? Den Urkunden, die zu dem Rechtsstreit zwischen dem Patron und seinem freigelassenen Klienten geführt haben?" Ich schüttelte den Kopf. "Denn die verlieren ja nicht einfach ihre Gültigkeit. Nein. Da muss dann jede einzelne Urkunde für ungültig oder nicht länger gültig erklärt werden und anschließend eine neue Urkunde ausgestellt werden." Bürokratie der Superlative.


    Ich nahm meine Hände an die Wangen und machte kurz ein erschrockenes Gesicht. "Und dann entschließt sich übermorgen der Senat, die Lex Iulia et Papia zu ändern. Er findet, dass der freie Eintritt in Theateraufführungen viel zu teuer ist und sorgt dafür, dass dieses Privileg nicht länger im Gesetz verankert ist.", malte ich gleich das nächste Szenario an die kaiserlichen Palastwände. "Aber verlieren damit die von dir ausgestellten Urkunden ihre Wirksamkeit und Gültigkeit?" Ich wollte eigentlich wieder eine Pause machen. Aber meine Kopf schüttelte sich schon von ganz alleine. "Nein, tun sie nicht. Das heißt, deine Kanzlei müsste also wieder alle Urkunden mit diesem ausrangierten Privileg erst für nicht länger gültig erklären. Und dann müsste sie in jedem einzelnen dieser Fälle wieder eine neue Urkunde ausstellen." Und das war dann keine Bürokratie der Superlative mehr. Das war schon die nächste Stufe. Bürokratie der Hyperlative. "Das ist eine Bürokratie der Megalative, weil jede einzelne Gesetzesänderung dazu führen kann, dass von heute auf morgen ein riesiger Verwaltungsaufwand auf deine Kanzlei zukommt. Und das heißt für dich vor allem: Personalkosten." Verschwendete (weil vermeidbare) Personalkosten.
    Und deswegen mein Schluss: "Darum will ich dir nochmal eindringlich dazu raten, nicht auf die Urkunden zu schreiben: Ich verleihe das Recht X. Und das Recht X definiere ich dabei durch die Privilegien A, B, C und D." Das höhlte den Begriff des (in diesem Fall) Dreikinderrechts nämlich komplett aus, wenn man es auf jeder Urkunde individuell neu definierte. "Stattdessen rate ich dir eindringlich dazu, einfach nur das Recht X .. in diesem Fall also das Dreikinderrecht zu verleihen. Ohne irgendeine starre Liste von Privilegien, die vielleicht heute zum Ius trium liberorum gehören, vielleicht aber schon morgen nicht mehr." Letztes Wort für den Moment: "Denn nur so gibt es hier auch für jeden jederzeit volle Rechtssicherheit." Anders nicht. Ich war gespannt, ob er das wenigstens heute verstand ..

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