[Cubiculum] Die erste Nacht

  • Seneca war fertig. Es gab kaum andere Worte um das zu beschreiben. Die Strapazen der Reise, dazu noch die Hochzeit, die vielen neuen Gesichter und seltsamen Rituale, das alles schlauchte den neuen Praefectus Alae und im Prinzip sehnte er sich nur nach einem frisch gemachten Bett in welchem er selig und zufrieden schlafen könnte.
    Er hatte Seiana heute explizit gebeten, oder eher sachte impliziert, dass er sich freuen würde wenn sie heute Nacht das Cubiculum teilen würden wobei er bei diesem Vorschlag keinerlei Hintergedanken hatte sondern nach der Zeit auf der Straße, bei welcher die Frauen stets getrennt schliefen, einfach nur ihre Nähe spüren wollte.
    Während er sich also umzog, und sich bereit für den dringend nötigen Schlaf machte, nutzte er die Zeit um ein wenig mit Seiana zu plaudern.
    "Es war nett heute Abend. Also, ungewöhnlich, aber die meisten Leute dort schienen sehr nett zu sein." sagte er während er sich auf der Bettkante sitzend durch die Haare fuhr, "Dieser eine Helvetier, der mit der schwangeren Frau, er hat Avianus die Nase gebrochen weißt du?" merkte er noch an während er schnaufte und mit dem Kopf schüttelte.. Die Chance ihn einfach so wiederzusehen war recht gering gewesen weshalb er erstaunt war und nicht wirklich wütend sein konnte über das in seinen Augen verfehlte Verhalten welches dieser Kerl damals an den Tag gelegt hatte..
    "Dennoch.. Freunde werden er und ich wohl nicht mehr." schob er noch nach und stand wieder auf um seine Tunika zusammenzufalten und sie auf eine Ablage zu legen bevor er Seiana kurz über den Rücken streichelte, "Ich hoffe doch dass dich der heutige Abend nicht allzu sehr geschlaucht hat." fragte er sie weil er ja auch wusste dass Seiana derlei Veranstaltungen in der jüngeren Vergangenheit eher gemieden hatte. Was da wirklich im argen lag wusste er zu diesem Zeitpunkt noch nicht und nach dem kurzen Stutzen auf der Hochzeit hatte er auch nicht mehr weiter daran gedacht.

  • Seiana fühlte sich unglaublich müde – in etwa so, wie Seneca wirkte, wenn sie ihn ansah. Das kam davon, wenn man nach wochenlanger Reise direkt nach der Ankunft auf eine Hochzeit ging, und der Zwischenstopp in den Thermen war wohl auch keine allzu gute Idee gewesen. Aber zu dem Zeitpunkt hatte sie auch noch geglaubt, dass an diesem Tag nicht viel mehr anstand als sich in der Castra genug einzurichten, um die erste Nacht bequem schlafen zu können. Und dann war da noch diese Sache mit dem Helvetius, die Seiana am liebsten sofort wieder vergessen wollte, es aber beim besten Willen nicht konnte, so sehr sie sich auch anstrengte es zu verdrängen.
    Als Seneca sie mehr oder weniger gebeten hatte bei ihm zu bleiben, hatte Seiana für einen Moment gezögert. Die ganzen Leute, die Gespräche, das Aufrechterhalten einer freundlichen Fassade... was noch schwerer geworden war nach dem sie Helvetius wieder gesehen hatte. Und das alles zu einem Zeitpunkt, zu dem sie sowieso schon erschöpft war. Sie wollte nicht unbedingt allein sein, aber sie sehnte sich nach Ruhe, und das hatte sie nun mal am ehesten, wenn sie allein war. Andererseits war es in all den vergangenen Jahren doch immer Seneca gewesen, der ihr ein Gefühl der Ruhe, der Geborgenheit hatte vermitteln können, durch schlichte Anwesenheit, einfach durch die Art wie er war... und sie hatte sich eigentlich auch deshalb darauf gefreut endlich anzukommen, weil sie dann wieder Zeit mit ihm allein haben würde.
    Also war sie ihm gefolgt, und machte sich jetzt ebenso wie er fertig um zu schlafen. „Ja“, stimmte sie ihm zu, als er über den Abend zu sprechen begann. „Ungewöhnlich, aber nett, so kann man das gut zusammenfassen.“ Sie bemühte sich um ein Lächeln – das ihr bei seinen nächsten Worten auf den Lippen gefror. Etwas ruckartig wandte sie sich ab und ging zu einer Schüssel mit Wasser, die bereit gestellt worden war, um sich das Gesicht zu waschen. „Hat er das?“ fragte sie, gespielt beiläufig, und dachte zu spät daran, dass gespielte Empörung wohl besser gewesen wäre angesichts einer gebrochenen Nase. Sie räusperte sich. Wenigstens eine Nachfrage wäre jetzt an der Reihe, danach wie genau das passiert war... aber der Helvetius hatte recht deutlich zu verstehen gegeben, dass zumindest er sie zu kennen glaubte, etwas, was Seiana standhaft geleugnet hatte. Sie wollte das nicht erklären müssen. Sie wollte einfach gar nicht darüber reden. „Es ging“, sagte sie daher einfach nur auf Senecas letzte Frage hin, zuckte flüchtig zusammen, als sie seine Berührung spürte – und bemühte sich dann rasch um ein Lächeln, das sie ihm zuwarf, bevor sie sich das Gesicht abtrocknete. „Natürlich bin ich müde... aber kein Wunder nach so einem Abend. Du siehst auch nicht mehr taufrisch aus“, verlegte sie sich aufs Necken, um abzulenken.

  • Irgendwie mochte der Iunier das als so langweilig abgestempelte Eheleben. Diese beiläufigen Gespräche mit seiner Frau, generell, seine Frau in der Nähe zu haben, ein Privileg welches er lange nicht genießen konnte war wohl gerade deshalb keineswegs selbstverständlich für ihn.
    Während er sich also wieder zurück auf die Bettkante setzte und er Seiana zuhörte bemerkte er schon eine etwas unstimmige Spannung bei ihr. Es war gar nicht mal die Art wie sie ihm antwortete, sondern mehr das Zucken bei seiner Berührung, eine Marotte welche er hinter ihnen wägte..
    "Ist alles in Ordnung?" fragte Seneca mit einem leicht besorgten Blick, während er seine Hände links und rechts neben sich abstützte, schließlich hatte das Zusammenzucken ja bereits ein wenig Aussagekraft besessen..
    "Hab ich irgendwas angestellt?" hakte er noch einmal nach. Letztlich war er sich relativ sicher dass er sich nichts hatte zuschulden kommen lassen aber man konnte ja nie wissen..
    Er hatte kurz die Vermutung dass es etwas mit dem Helvetius zutun haben könnte, doch er konnte die Punkte nicht verbinden und deshalb nicht die richtigen Schlüsse ziehen, darüber hinaus war es natürlich auch verlockend einfach die Müdigkeit als den Schuldigen heranzuziehen.
    Er kannte Seiana natürlich und wusste dass sie ihm sowieso nicht sofort sagen würde was los war, aber fragen kostete ja nichts, und er wollte sie zumindest wissen lassen dass seine Sinne etwas im argen aufgeschnappt hatten.

  • Seiana presste leicht die Lippen aufeinander, als Seneca nachfragte, sogar noch ein zweites Mal. Dann zwang sie sich zu einem Lächeln. Bemühte sich, sich nichts mehr anmerken zu lassen davon, dass sie aufgewühlt war, dass sie... erschüttert war. Sie hatte nicht vor, ihm etwas zu erzählen, jetzt genauso wenig wie vorhin. Sie gestand sich ja nicht mal selbst ein, wie sehr, wie hätte sie da mit ihm darüber reden sollen? „Nein, gar nicht. Wie kommst du auf so eine Idee?“, fragte sie, stand auf und ging zu ihm hinüber, um ihm sacht durch das Haar zu fahren. Wie er darauf kam, er könnte etwas angestellt haben, war ihr tatsächlich schleierhaft. „Keine Sorge. Ich bin nur... müde. Der Tag war anstrengend, mit allem, was heute nach der Ankunft noch passiert ist.“ Sie küsste Seneca, erst auf die Wange, dann auf den Mund, war aber mit dem Herzen nicht ganz dabei. „Lass uns schlafen.“ Mit diesen Worten legte sie sich hin... aber obwohl sie tatsächlich auch müde war, dauerte es lange, bis sie schließlich einschlief. Sie bemühte sich, nicht an damals zu denken, an die Zeit zum Ende des Bürgerkriegs, sie wollte keine Erinnerungen hoch kommen lassen. Aber natürlich rumorten sie trotzdem in ihr – vielleicht sogar deshalb noch mehr, weil sie sie so vehement zu unterdrücken versuchte. Und als es ihr endlich gelang einzuschlafen, kamen die Albträume. Sie kamen sich langsam, vergifteten behutsam, schleichend ihr schlafendes Bewusstsein, ohne das etwas zu merken gewesen wäre... aber sie wurden stetig heftiger, bis Seiana sich im Schlaf stöhnend hin und her warf.

  • So wirklich schlafen konnte Seneca nicht was jedoch keineswegs an Seiana lag sondern an der neuen und etwas ungewohnten Umgebung, in welcher sich der Iunier noch einfinden musste. Tausende Dinge gingen ihm durch den Kopf, die Versorgung der Männer, ihre Übungen, ihre Disziplin sowie die Beschaffung von Material und Pferden.. Als Tribunus hatte er noch ein wesentliches kleineres Spektrum an Aufgaben zu bewältigen gehabt, doch nun hatte er das letzte Wort in allen Bereichen in einer der größten Auxilliareinheiten des Reiches. Absolut keinen Druck an dieser Stelle also.
    Was angenehm war, und was er immer noch nicht so recht glauben konnte, war der Umstand dass Seiana einfach neben ihm schlief als wenn es schon immer so gewesen wäre. Seneca starrte sie jetzt nicht unbedingt die ganze Zeit an, aber er achtete schon auf ihre Reaktionen, und während er anfangs noch annahm dass seine Frau einfach nur einen sehr lebhaften aber nicht unbedingt schlechten Traum hatte, ging es nur noch bergab. Ihre Bewegungen, ihre Atmung und ihre Ruhelosigkeit, irgendwas ging in ihr vor, und Seneca war ein wenig verwundert...
    Aufwecken wollte er sie nicht, aber ignorieren wollte er die offensichtlich negativen Erlebnisse seiner Liebsten ebenfalls nicht, sodass er sich einfach dazu entschloss ihr ein wenig durch das Haar zu fahren, sachte, ganz langsam, und dabei lediglich leise flüsterte..
    "Es ist alles gut Seiana, es ist nur ein Traum.", ob sie das überhaupt wahrnehmen konnte und ob es wirklich helfen würde wusste er natürlich nicht, aber was es auch war, er konnte die Punkte noch immer nicht verbinden und tappte gänzlich im dunkeln.

  • Mit einem Ruck wachte Seiana plötzlich auf. Sie konnte nicht sagen, woran es gelegen hatte, ob der Albtraum sie letztlich geweckt hatte, oder ob es doch etwas anderes gewesen war, Senecas Stimme, seine Berührungen. Sie realisierte im ersten Moment noch nicht einmal, dass er wach war, als sie mit klopfendem Herzen da lag, an die Decke starrte und sich in der Realität zurecht zu finden suchte. Erst nach ein, zwei Augenblicken bemerkte sie, dass Seneca nicht ruhig neben ihr schlief, sondern ihr zugewandt war. Sie vielleicht auch angesprochen hatte, sie wusste es nicht. Sie bemühte sich um ein erzwungenes Lächeln, obwohl sie nicht wusste, wie gut er das würde sehen können. „Tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe“, murmelte sie, während sie immer noch recht steif da lag und die letzten Nachwirkungen des Traums zu vertreiben versuchte.

  • "Es ist nicht so dass ich gut geschlafen hätte." entgegnete Seneca seiner Frau und fuhr sich kurz durch die Haare, "Was war denn los? Seit dieser Feier bist du irgendwie so still. Ist alles in Ordnung?" fragte er nun doch mal ins blaue, sicher, sie könnte einfach müde sein aber vielleicht lag dort mehr hinter, denn die Feier war äußerst ungewöhnlich für Römer, und eventuell hatte sie ja einen kleinen Kulturschock erlebt, Seneca selbst war sich nicht ganz sicher ob er nicht ebenfalls ein wenig unter dem Eindruck Germaniens stand, welches so ganz anders war als Italia oder Tarraco.

  • Seiana schloss flüchtig die Augen, als sie Senecas Worte hörte. Natürlich hatte er etwas gemerkt. Und beinahe genauso natürlich ließ er das nicht auf sich beruhen. Hatte er das jemals, wenn er gemerkt hatte etwas war nicht in Ordnung? Sie konnte sich nicht daran erinnern, und sie war sich nicht so sicher, was sie davon halten sollte. Ein Teil von ihr war gerührt, dass er sich Gedanken machte, fühlte sich geborgen, weil er sich kümmerte um sie. Das änderte nur nichts daran, dass sie über manche Dinge nicht reden wollte. Aber: vor den Kopf stoßen wollte sie ihn auch nicht. Sie tat das oft genug mit ihrer manchmal schroffen Art, der kühlen Ruhe, die sie umgab, der Distanziertheit, sie nach wie vor hin und wieder an den Tag legte. Er hatte jemanden verdient, der ihm vertraute, und sie bemühte sich wirklich, jemand zu sein, der ihn verdiente. Und dann war da noch dieser verräterische Teil in ihr, der sich nach der Geborgenheit sehnte, die Seneca ihr geben wollte. Sie hatte so etwas jahrelang nicht gehabt, und so hatte sie sich eingetrichtert, dass es so etwas für sie nicht gab – und war irgendwie allein mit allem fertig geworden. Die Sehnsucht nach jemandem, der sie unterstützte, machte nur verwundbar, und sie hatte sich alle Mühe gegeben, um nicht mehr verwundbar zu sein. Trotzdem konnte sie nicht leugnen, dass sie die Sehnsucht danach nie wirklich hatte ausmerzen können... sie hatte sie nur sehr effektiv verdrängt. Aber jetzt, wo Seneca und sie verheiratet waren, kam die Sehnsucht wieder. Und obwohl es ihr unendlich schwer fiel, mit alten Gewohnheiten zu brechen, die Sicherheit aufzugeben, die das bedeutete, flüsterte sie jetzt trotzdem auf seine Frage hin: „Nein.“ Einen Moment schwieg sie, starrte an die Decke, dann fügte sie an: „Ich hab gelogen. Ich kenne den Decurio.“ Unwillkürlich lief ein Schauer durch sie. „Er war... er war der, der mich abgeholt hatte... als Rom eingenommen war.“ Was eine eher freundliche Umschreibung dafür war, dass er sie gefangen genommen hatte – und komplett außen vor ließ, wie er mit ihr umgesprungen war.

  • Ein kurzes Stechen traf seinen Magen als Seiana gestand dass sie gelogen hatte, und Seneca verstand nicht ganz warum sie ihm nichts erzählt hatte, schließlich hatte er selbst nicht gerade die besten Erfahrungen mit dem Mann gemacht, sodass er es verstanden wenn sie sich bereits auf der Feierlichkeit dezent aber bestimmt von ihm distanziert hätte. Aber so lag ein äußerst verunsicherter Seneca im Bett neben ihr, und seine Gedanken rasten und fragten sich was er ihr wohl angetan hatte.. Hatte er sich etwa an ihr vergriffen? Wenn dem so wäre, würde er noch heute Nacht zur II. reiten und den Kerl eigenhändig im Rhenus versenken.
    "Seiana, hätte ich das gewusst..." begann er seinen Satz und brach ihn direkt wieder ab, um das zu fragen was ihn eigentlich interessierte, "Was hat er dir angetan?" fragte er schließlich ins halbdunkle hinein während er ebenfalls an die Decke starrte.

  • „... hätte das auch nichts geändert“, vollendete sie den Satz leise für ihn. Was hätte er schon tun wollen, sollen, können? Er hätte sich nur ebenso zurückhalten müssen wie sie. Und sie hätte nur noch schlechter die Möglichkeit gehabt gegenüber dem Decurio so zu tun, als würde sie ihn nicht kennen – was ihr nach wie vor als die beste Variante erschien, mit dieser Situation umzugehen. Und so wie Seneca jetzt reagierte... er lag neben ihr, rührte sich kaum, sagte nur wenig. Sie konnte es ihm nicht verübeln, aber dennoch drängte sich ihr der Gedanke auf, dass es vielleicht besser gewesen wäre, ihm auch jetzt nichts davon zu erzählen. Aber dafür war es nun zu spät... und so sah sie sich gleich darauf mit einer Frage konfrontiert, die zu erwarten gewesen war, die sie aber trotzdem nicht beantworten wollte. „Er hat mich zur Castra Praetoria gebracht“, antwortete sie leise, und rührte sich dabei ebenso wenig wie er, lag nur da, auf dem Rücken, und starrte nach oben, wo irgendwo in der Dunkelheit die Decke war. Sie wusste, dass das nicht reichte. Sie hatte sich dazu entschlossen, ihm wenigstens jetzt die Wahrheit zu sagen, da konnte sie ihn kaum damit abspeisen, dass sie über alles weitere nicht reden wollte. „Er hat mich kaum angerührt, es war mehr... was er gesagt hat. Wie er es gesagt hat. Die Drohungen.“ Sie hatte so wahnsinnig Angst gehabt, sie konnte sich noch viel zu lebhaft daran erinnern. Seiana presste Lippen und Lider für einen Moment fest aufeinander, bevor sie weiter sprach. „Er hat nichts davon getan. Und er hat auch seine Männer zurückgehalten.“ Am Ende hatte er sie 'nur' barfuß quer durch Rom zur Castra geschleppt, so dass ihre Fußsohlen blutig gelaufen waren, als sie schließlich den Carcer erreicht hatten. Die Angst hatte sich dennoch nicht so leicht abschütteln lassen, und es half auch nicht gerade, dass sie den damaligen Centurio noch einmal gesehen hatte – im Hof der Castra Praetoria, wo er mehr als nur etwas merkwürdig auf sie gewirkt hatte. „Als ich inhaftiert war, bin ich ihm noch mal begegnet. Zuerst dachte ich auch da, er würde handgreiflich werden, aber... am Ende hat er nur sehr verwirrt gewirkt.“ Genauer gesagt hatte sie ziemlich stark den Eindruck gewonnen, dass er nicht ganz bei Sinnen gewesen war in jenem Moment – so oder so hatte er ihr auch bei dieser zweiten Begegnung Angst eingejagt. „So zu tun, als würde ich ihn nicht kennen, war die einzige Reaktion, die mir einfiel.“

  • Einen Moment lang schwieg er, nicht weil er das gesagte erstmal verarbeiten musste, sondern weil er schlicht und einfach nicht wusste was er sagen sollte. Er verstand seine Frau nur zu gut, die Strapazen der Gefangenschaft waren ihr damals nur allzu leicht anzusehen, und Seneca hatte sich damals furchtbare Sorgen um sie gemacht. Andererseits war der Iunier froh dass der Soldat sie nicht angerührt hatte, er wusste dass es einigen Frauen schlechter ergangen war, und war ein wenig erleichtert dass Seiana dass nicht auch erleben musste.


    Er drehte sich um und wandte sich zu ihr, einen Ellenbogen aufgestützt, mit der anderen Hand über ihre Schulter streichelnd, "Es tut mir leid dass du das heute nochmal durchleben musstest. Hätte ich es gewusst, ich hätte sicherlich nicht solange dort gestanden." versicherte er ihr und fuhr direkt fort "Du bist hier aber sicher Seiana, ich bin Kommandeur, ich denke die Formalitäten sind geklärt, er sollte dir keine Sorgen bereiten." sagte er ihr strich ihr über die Haare, "Es ist nicht schlimm dass du es mir nicht gesagt hast, aber nun gehören wir zusammen, wir sind eine Familie, du kannst mir wirklich alles erzählen." sprach er und setzte sich auf, "Wenn ich irgendwas für dich tun kann, sag es nur, ansonsten haben wir ja bald unser eigenes kleines Reich, dann bist du die Soldaten erstmal wieder los."

  • Die Stille, die sich zunächst ausbreitete, schien in Seianas Ohren zu dröhnen. Sie wünschte sich, er würde etwas sagen, irgendetwas, damit sie wusste woran sie war... aber lange warten musste sie nicht, und mehr noch: er wandte sich ihr zu. Berührte sie. Als sie seine Hand an ihrer Schulter, in ihren Haaren spürte, dauerte es noch einen Augenblick, aber dann wich die Anspannung aus ihrem Körper. Seiana drehte sich ebenfalls leicht zu ihm und griff nach seiner Hand, ließ ihre Finger durch seine gleiten. „Wenn es nicht so unerwartet gewesen wäre, wäre es auch nicht so schlimm gewesen. Aber überraschen kann es mich ja jetzt nicht mehr, dass er auch in Mogontiacum ist.“ Sie setzte sich nun ebenfalls auf und bewegte sich dabei so, dass sie sich an ihn lehnen konnte. „Danke“, flüsterte sie. Sie wusste nicht mal selbst so genau, wofür sie sich bedankte... hauptsächlich wohl dafür, dass er einfach da war. „Es ist schon in Ordnung hier. Lassen wir uns lieber Zeit mit der Suche, um etwas Vernünftiges zu finden.“ Ansonsten gab es nicht viel, was er oder sie hätten tun können. Seiana hoffte nur, dass die Albträume sich nicht wieder einnisteten, so wie sie es früher des Öfteren getan hatten. Sie konnte gar nicht ausdrücken wie froh sie war, dass sie mittlerweile wieder besser schlafen konnte als früher, wo sie über Jahre hinweg damit teils große Probleme gehabt hatte. Aber das war nichts, wogegen Seneca etwas tun konnte.

  • "Er hat dich verängstigt und meinem Vetter die Nase gebrochen. Wahrscheinlich könnte er sich auch einen besseren Praefectus Alae als mich vorstellen," befand Seneca, denn immerhin waren die Legio und die Ala ja recht eng verbunden, insbesondere die Reiterei der Legio, und er war ja immerhin Decurio.
    "Einer meiner Decuriones meinte dass es einige interessante Immobilien in der Umgebung gibt, aber wir haben ja Zeit, fürs erste haben wir ein warmes Bett und ein dichtes Dach über den Kopf." fuhr er fort und untertrieb natürlich maßlos. Ein Praetorium bot schon eine ganze Menge Luxus fernab der Heimat, und dennoch konnte sich Seneca in diesen Mauern nie wirklich zuhause fühlen, es fehlte er persönliche Bezug, "Allerdings..." sagte er grinsend während er über Seianas Arme fuhr, "Wäre es hier wesentlich kälter ohne meine schöne Frau." komplettierte er charmant seinen Satz und hoffte dass Seiana bald wieder besser schlafen könnte. "Morgen stehen erst einmal einige offizielle Temine an, aber danach, wenn du magst, können wir uns einmal die Umgebung anschauen. Vielleicht wirst du ja zur Liebhaberin der rauen germanischen Seele." er selbst würde wohl immer mehr den Hang zur eher feinen hispanischen Kultur haben, und Seiana wohl auch, aber man musste ja auch mal über den Tellerrand schauen.

  • Das Gästezimmer war großzügig angelegt. Es befand sich im ersten Stock des Gebäudes und das großzügige Fenster gestattete einen Blick über einen großen Teil des Castellums. Der Bursche des Praefecten hatte ihm geholfen sich aus der Rüstung zu befreien und für frisches Wasser zum Waschen gesorgt. Nachdem Bala ihm klargemacht hatte daß es besser wäre ihn ohne Schockstarre zu Diensten zu sein beruhigte sich der Knabe ein wenig.

    So stand Bala denn frisch gewaschen und rasiert in einer geliehenen Tunica am Fenster und schaute dem Treiben vor sich zu. Eben sah er Furius heranstampfen, ganz offensichtlich ein wenig erregt. Ein Grinsen verzerrte seine Züge, der Praetorianer hatte seine liebe Not mit dem Mangel an Respekt zu kämpfen den man ihm hier in der Provinz entgegenbrachte.

    Kurze Zeit später klopfte es an der Türe des Cubicullums. Bala trat an den Tisch, füllte zwei Pokale mit Vinum und rief dann Intrare,...

  • Furius war endzeitlich gereizt. Diese verlotterte Provinz, die Barbaren und vor allem der Mangel an Respekt vor der Garde. Als ob man ein einfacher Miles wäre. Vor allem diese Beutegermanen hier bei der Ala. Ohja,...das würde alles noch ein Nachspiel haben. In einem Drecksloch hatten sie die Begleitung des Caesar untergebracht. Die Gäule quasi in Griffweite. Alles stank und es wimmelte von Fliegen. Furius starrte den armen Kerl an der Porta in Grund und Boden als er, Widerworte erwartend, meldete, Zum Caesar!

    Doch man ließ ihn sofort eintreten. Ein Sklave geleitete ihn zur Türe des Cubicullums Caesars und verdünnisierte sich flugs danach.

    Furius klopfte an und trat nach der Aufforderung ein.

    Stramm salutierte er vor Caesar und nahm dann den Pokal entgegen. Es war nicht ungewöhnlich, wenn sie alleine waren bestand eine gewisse Vertrautheit.

    Die Männer sind untergebracht, mein Caesar,...in einem Locus fide will ich meinen.

    Mürrisch nahm er einen Schluck und zog die Augenbrauen hoch. Nun denn noch war nicht alles verloren. Der Trank war gut.

  • Bala blickte in die rötliche Oberfläche des Vinums. Ein guter Schluck. Der Praefect der Ala hatte einen guten Geschmack. Er wartete bis Furius deeskaliert war und sah wieder aus dem Fenster.

    Ich denke wir werden einstweilen hier bleiben Furius. Das Jahr ist zu weit fortgeschritten um den Weg nach Cappadocia anzugehen. Er nahm einen kleinen Schluck und betrachtete eine Schar Reiter ,...wohl eine neue Patrouille auf dem Weg zur Porta Praetoria. Ja, diese Ala war ein wichtiger Beitrag Romas zur Sicherheit dieser Grenze,...dieser Provinz will man meinen.

    Was eure Unterbringung angeht, so kannst du beruhigt sein, Furius...wir werden in das Castellum der Legion umziehen,...hier ist es in der Tat zu eng,...zu laut,...zu...er verscheuchte eine Fliege und Furius wußte wohl was er meinte.

    Die Legio XXII, deren Adler in seiner Obhut weilte,...

  • Varro hatte es tatsächlich bis vor die Türe des Cubicullums Caesars geschafft. In seinen Händen hielt er die Urne mit den sterblichen Überresten von Aemilius Bassus. Die Praetorianer hatten ihm die Waffen gelassen, jedoch machte ihr Deurio, der grimmige Cousain des Praefecten unmissverständlich klar, daß er auch nur bei der kleinsten auffälligen Bewegung über ihn kommen würde wie der Wolf über das Schaf. Varro akzeptierte das. Der Terentier machte seine Arbeit als Leibwächter gut. Sicher war es des Caesars Wunsch gewesen in bewaffnet vorzulassen. Ein Vertrauensbeweis. Das stank dem Terentier sicher gewaltig. Dieser Leibwächter hatten den Hang zu Eifersucht und Neid, hassten jeden, der näher an ihren Klienten kam als sie selbst.

    Varro wollte ihm schon versichern, daß seine Absichten weniger persönlich waren als er Terentier mit Blick auf ihn gegen die Tür klopfte.

    Nach der Aufforderung schwang die Türe auf und Caesar stand vor dem Schreibtisch und winkte ihn erfreut herein.

    So sah es zumindest aus, oder so würde es der grimmige Terentier sicher deuten.

    Ohne diesen eines weiteren Blickes zu würdigen trat Varro ein und bemerkte, daß hinter ihm die Türe geschlossen wurde. Langsam ging er auf den Caesar zu und hielt den Grund seines Kommens vorsichtig und bereit zur Übergabe in Händen.

    Salve, mein Caesar! Hier bringe ich die Urne des Aemilius Bassus.

  • Bala blickte, nachdem er seinen Besucher erblickte, ein wenig betroffen drein. Er nahm Varro die Urne ab blickte sie mit gemischten Gefühlen an und stellte sie kurz darauf ab.

    Nun, ich danke dir Germanicus Varro,...wieder einmal. Er nötigte sich ein schiefes Grinsen ab. Es war noch immer gewöhnungsbedürftig zu sehen was von einem Menschen blieb. Er hatte Bassus zu wenig gekannt um um ihn zu trauern, doch er hatte ihn gemocht. Es tat ihm leid, daß er starb, es tat ihm leid, daß er ihm nicht helfen konnte, wo er doch so nah bei ihm war. Es waren diese Momente in denen er sich fragte ob er sich als Caesar, gar als Imperator eignete. Doch war er seit mehr als 10 Jahren ein Krieger, er hatte viel gesehen, viel getan, ...weil man es von ihm erwartete.

    So wie Bassus, so wie Varro,...so wie sie alle im Exercitus.

    Er wandte sich ab und sah aus dem Fenster.

    Ich werde heute Abend zu Aemilius Nepos gehen und ich wünsche, daß du mich begleitest.

    Es sollte eine nicht zu große Begegnung werden, daher würde er lediglich Furius und Varro mitnehmen.

    Auch wenn der gute Furius deswegen Baumharz pissen würde.

  • Der Morgen begann vielversprechend. Eiskalt und klar. Die Welt war in Raureif gehüllt und harrte der Dinge die dort kommen würden. Und es würden einige Dinge passieren. Bala hatte seine Caesarenrüstung angelegt. Eben legten die von Terentius gestellten Burschen letzte Hand an. Ihm war klar, daß es sich nur um eine Prunkrüstung ohne nennenswerten Schutz handelte. Zudem war sie ungleich schwerer als die Kampfrüstung der Praetorianer. Spatha und Puggio vervollständigten seine martialisches Ansehen, der purpurne Mantel mit Hermelinbesatz rundete mit dem goldglänzenden Helm den pompösen Auftritt ab. Die Burschen traten zurück, einer reichte ihm den Helm.

    Kurz darauf hallten genagelte griechische Stiefel durch die Gänge. Es galt einen Legionsadler zu übergeben.

    In Balas Gefolge reihten sich nach und nach die Wachen seiner Leibgarde ein.

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