Mit seinem zweiten Themenwunsch für die Tagesordnung hatte Senator Iulius Dives es dem Consul einfacher gemacht, konnte dieser sich doch unter einer Anpassung der Lex Flavia de frumentationibus ein sehr konkretes Thema vorstellen. "Wir hören nun noch einmal Senator Iulius Dives, diesmal zur Lex Flavia de frumentationibus", rief er also gelassen den nächsten Tagesordnungspunkt der heutigen Sitzung auf.
Anpassung der Lex Flavia de frumentationibus
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- Diskussion
- Narrator
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Die Rede und Diskussion zu den Ergebnissen seiner Arbeit als Quaestor lag bereits hinter ihm, da wurde im weiteren Verlauf der senatlichen Sitzung früher oder später auch der zweite divitische Themenwunsch auf den Plan gerufen. Während der Consul also den Redebeitrag des Iuliers ankündigte, ging der Quaestorier ein letztes Mal kurz in sich, atmete tief durch und versuchte seine Anspannung und Nervosität, die ihn vor dieser wie vor jeder anderen Rede stets von neuem befiel, etwas abzuschütteln.
"Patres Conscripti!", begann er seine Rede einmal mehr mit den üblichen Worten, nachdem er die Rednerstelle nicht nur erreicht hatte, sondern auch einen Augenblick lang ruhig verweilte auf ihr, um auch vom Kopfe her in Gänze hier anzukommen.
"Es erfreut mich in der Tat und ist mir eine Ehre, am heutigen Tag nun noch einmal mit einer Rede vor euch treten zu dürfen. Und ich verspreche euch gleich zu Beginn, nicht noch einmal wird es hier nun um ein so kleinteiliges Thema gehen - und nicht noch einmal werde ich dabei die Konsistenz zu meinem Schlagwort machen und in nahezu jedem Abschnitt meiner Rede von Konsistenzen und Inkonsistenzen sprechen.", wählte der Iulier einen möglichst neutralen, wennauch mitunter durchaus zu einem kleinen Schmunzeln einladenden Einstieg, der wohl in jedem Falle besser war, denn sich als Marionette seiner Gattin zu zeigen, der er einen Gefallen tat, damit sie ihm - und seinem Klienten - im Gegenzug einen Gefallen erwiderte."Stattdessen möchte ich nur über genau _einen_ Aspekt genau _eines_ Gesetzes reden und dabei genau _eine_ Frage in den Mittelpunkt stellen." Dives holte kurz Luft, da sich die Betonung des Singular an dieser Stelle zwar rhetorisch ganz gut machte, um seine jetzige von der vorherigen Rede noch deutlicher abzugrenzen. Jedoch konnte er in der Praxis selbstredend kaum tatsächlich nur eine einzige Frage stellen. Vielmehr galt es im Folgenden, möglichst alle wichtigen Aspekte in einer einzige Frage zusammenzufassen und zu komprimieren, um sowohl dem thematischen Inhalt, als auch der äußeren rhetorischen Hülle des Ganzen gerecht zu werden. "Wer und warum hat im Sinne der Lex Flavia de frumentationibus einen Anspruch auf unsere besondere staatliche Fürsorge - und wo und wieso geht dieser Anspruch zu weit und sollte daher durch eine gesetzliche Veränderung weiter eingeschränkt werden?" Der Quaestorius ließ diese Frage etwas wirken, während er sich ein paar wenige Schritte bewegte, um nicht nur starr und steif dazustehen in der Curia.
"Der erste Teil dieser Frage nun lässt sich wohl relativ leicht durch einen Blick in das Gesetz selbst beantworten. Denn dort heißt es im ersten Absatz des dritten Paragraphen ganz klar und deutlich, dass jeder Freigeborene mit römischem Bürgerrecht einen solchen Anspruch hat - und das, ganz einfach weil er Römer ist." Dives hob die Unterarme mit nach oben zeigenden Handflächen und sah sich einen kurzen Augenblick lang fragend um, während er jedoch keine Einwände bis hierher erwartete. "Die zwei weiteren Absätze des gleichen Paragraphen nun beschäftigen sich damit, gewisse Einschränkungen vorzunehmen. So werden im dritten Abschnitt alle jene Bürger ausgenommen, die zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens strafrechtlich in Erscheinung treten und damit anschaulich zeigen, dass sie sich nicht an die Regeln des Staates zu halten gewillt sind. Sie im Gegenzug von dieser Art der staatlichen Fürsorge auszuschließen ist eine wohl nur logische Konsequenz." Einmal mehr blickte der iulische Senator durch die Reihen seiner Mitsenatoren.
"Im zweiten Absatz indes werden auch die Angehörigen der Ordines Senatorius, Equester und Decurionum von dem Anspruch auf diese Form der staatlichen Fürsorge ausgenommen, da sie sich aufgrund ihres Standes nicht nur die eigene Lebenshaltung selbst leisten können müssen, sondern überdies im Gegenteil sogar in der Pflicht stehen, sich umgekehrt um unseren Staat und die darin lebenden Bürger zu bemühen - indem sie selbst Brotspenden finanzieren, indem sie öffentliche Spiele finanzieren, indem sie in die Dienste des Staates treten und öffentliche Ämter und Ehrenämter ausfüllen.", führte Dives eine ihm sinnvoll erschienene Begründung für diesen Passus des Gesetzes aus und ließ eine Zäsur folgen. Dabei hob er ganz langsam seinen rechten Zeigefinger. "Doch reichen diese beiden Einschränkungen tatsächlich aus?" Eine künstliche Pause an dieser Stelle sollte die Spannung steigern."Wie sicherlich einige von euch wissen werden, war meine Frau bis vor kurzem als Procuratrix Annonae im Amt. Ich greife in der Folge also auch auf ihre praktischen Erfahrungen mit der Lex Flavia de frumentationibus zurück, wenn ich die Behauptung aufstelle, dass diese beiden Einschränkungen noch nicht ausreichen. Denn neben all denen, die _unter_ diesem Anspruch stehen, und all jenen, die _über_ diesem Anspruch stehen", verdeutlichte der Iulier anschaulich mit seinen Händen, "gibt es auch noch eine Gruppe enormer Größe all derjenigen, die deutlich abgegrenzt _neben_ diesem Anspruch stehen sollte. Ich spreche dabei von all jenen, die bereits anderweitig vom Staat mit Lebensmitteln versorgt werden. Ich spreche von den tausenden aktiven Soldaten des Exercitus Romanus, die über den Dienst in ihrer Einheit von selbiger Einheit - und damit letztlich vom Staat - sogar mit mehr als nur Lebensmitteln versorgt werden." Das eine oder andere mochte ihnen natürlich vom Sold abgezogen werden. Dennoch allerdings waren und blieben sie über ihre Einheit mit Lebensmitteln versorgt. "Nun frage ich, müssen unsere Soldaten hier _doppelt_ nicht nur über ihre Einheit sondern darüber hinaus auch noch die Cura Annonae abgesichert werden, wenn sich gar Heeresoffiziere selbst mit dem Hinweis bei der Cura Annonae melden, dass dieser ihr zweifacher Anspruch unrecht sei?", stellte der Senator offen in den Raum und ließ der Frage einige Augenblicke Zeit, um zu wirken.
"Überdies möchte ich zudem auch den Vestalinnen einen gesonderten Blick widmen, da sie formal vielleicht nicht immer dem Ordo Senatorius oder einem der übrigen beiden Ordines angehören mögen. Betrachtet man sie jedoch in ihrer Rolle als Töchter des Pontifex Maximus, so unterscheiden sie sich in dieser Lesart dennoch kaum von den Kindern der hier anwesenden Senatoren - und sollten daher, so möchte ich empfehlen, ebenso explizit und klar von einem Anspruch auf staatliche Getreidespenden durch die Cura Annonae ausgenommen werden.", war dieser Teilpunkt doch ein wenig kürzer als der vorherige. "Und ja, auch hier verweise ich darauf, dass sogar die Vestalinnen selbst sich wohl an die Cura Annonae wandten, weil sie ihre Stellung als Töchter des erhabenen Augustus durch die Lex Flavia de frumentationibus in seiner jetzigen Form missachtet sahen." Das mochte in dieser Form keine der Vestalinnen so geäußert haben, wie sich auch Fausta ihrem Mann gegenüber nicht in dieser Form geäußert hatte. Jedoch lag es wohl sicherlich auf der Hand, dass die Soldaten und Vestalinnen ihre jeweilige Situation von ihrem jeweiligen Standpunkt aus und damit anders betrachteten, als eine Procuratrix Annonae, welche die Situation im Optimalfall aus der Perspektive der Cura Annonae sah, und auch als Dives, der hier und heute im Senat stand und als Senator vor allem eine Argumentation und Sichtweise vertreten musste, der sich der eine oder andere seiner Mitsenatoren auch anschließen könnte.
"Ich möchte aus diesen beiden ausgeführten Gründen also eine Veränderung und Anpassung der Lex Flavia de frumentationibus zur Diskussion stellen.", kam er schlussendlich von den Ansprüchen an die Lex Flavia zum konkreten Änderungsantrag und stellte selbigen sodann vor.
§ 3 de plebe frumentaria
2) Angehörige der Ordines Decurionum, Equester und Senatorius haben keinen Anspruch auf Getreidespenden.in: Angehörige der Ordines Decurionum, Equester und Senatorius sowie Mitglieder des Exercitus Romanus und Vestalinnen haben keinen Anspruch auf Getreidespenden.
"Danke.", entschied sich Dives hernach für diesen wohl kürzesten aller Schlusssätze, wobei sein Dank selbstredend niemandem nur für dessen bloße Aufmerksamkeit galt, indes jedoch unter anderem der Tatsache, am heutigen Tage gleich zweimal in einer mal mehr und mal weniger eigenen Sache vor seinen Mitsenatoren in der Curia Iulia sprechen zu dürfen.
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"Ich stimme Senator Iulius Dives zu", teilte Macer mit, nachdem er sich zu Wort gemeldet und ihm selbiges auch erteilt worden war, "insbesondere in Bezug auf seine Ausführungen zu den Soldaten des Exercitus Romanus. Im Codex Militaris ist klar dargelegt, dass die Angehörigen des Exercitus Romanus mit Lebensmitteln versorgt werden, so dass eine weitere Fürsorge für sie durch die Cura Annonae nicht notwendig ist", wiederholte er noch einmal die bereits vorgetragene Argumentation und war sich zumindest diesmal sicher, ein Gesetz auch hinreichend korrekt im Kopf zu haben. "Eine entsprechende Einschränkung als Ergänzung der Lex Flavia ist also sinnvoll, auch wenn ich annehmen würde, dass ein aktiver Soldat ohnehin weder Zeit noch Bedarf hat, tatsächlich Ansprüche gegenüber der Cura Annonae anzumelden oder gar durchzusetzen." Tatsächlich aber hatte Macer keine Ahnung, ob es derartiger Fälle schon gegeben hatte und wie diese behandelt wurden.
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Viel Glück bei der Wahl seiner Themen schien Iulius Dives nicht zu haben, zumindest wenn man ein glückliches Händchen daran messen wollte, auf welche Resonanz die Themen unter den Senatoren stießen. So sah sich der Consul gezwungen, auch hier nach einer Weile auf die gesetzlichen Möglichkeiten zu verweisen. "Gibt es zu diesem Thema weitere Beiträge? Erneut ist es meines Erachtens möglich, nach §7, Absatz 4, die kommentarlose Zustimmung des Senates festzustellen."
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Bisweilen stellte Gracchus sich die Frage, ob wirklich alles, was in einem Gesetz konnte geregelt werden, auch in einem Gesetz musste geregelt werden, insbesondere dann wenn es augenscheinlich keine Notwendigkeit dazu gab. Indes erfreute ein Großteil der Senatoren sich stets an Gesetzesänderungen, wiewohl diese Änderung zweifelsohne dazu würde führen, dass in einigen Jahren ein Senator die Gelegenheit würde ergreifen und die Frage in den Raum werfen, ob denn dieses Gesetz nicht zu aufgebläht war und man überflüssige Einschränkungen, welche doch selbstregulierend waren, nicht könne streichen. Dem Flavier selbst war beides gänzlich einerlei und er erfreute sich schlichtweg daran, dass der Senat in dieser Routine aufging - denn letztendlich hatte er auch andere Zeiten erlebt, welche er nicht im geringsten misste. So saß er also schweigend auf seinem Platz und stimmte kommentarlos zu.
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Ob es ein Glück oder Unglück war, wenn ein in den Senat eingebrachter Entwurf zu einer Gesetzesänderung offenkundig zu wenig Diskussionen führte, mochte man aus mehr als nur einer Perspektive betrachten zu können. Denn für die bloßen Zuschauer und Zuhörer auf den Stufen der Curia Iulia war es vermutlich eher langweilig, wenn sich die Senatoren scheinbar einig waren und keine hitzigen Wortgefechte für Spannung und Unterhaltung sorgten. Doch hatte Dives am heutigen Tage auch gar nicht intendiert, ebendies in seinen ersten beiden Reden als Senator zu erreichen. Stattdessen wollte er nur möglichst sachte in sein neues Betätigungsfeld als Senator eintauchen. - Wollte man bei dieser Metapher bleiben, man könnte sagen, dass der Iulier nicht einfach ins mutmaßlich kalte Wasser des senatorischen Tagesgeschäfts springen wollte, ohne nicht wenigstens zuvor mit seinem kleinen Zeh einmal getestet zu haben, wie kalt dieses Wasser denn tatsächlich war.
In diesem Sinne vielleicht nicht vollkommen glücklich, aber doch gewiss auch nicht unglücklich mit seiner Themenwahl lehnte sich Dives im weiteren Sitzungsverlauf also vergleichsweise entspannt zurück. Denn es hatte - fern der Ergebnisse der beiden 'Diskussionen' - den Anschein, als würde er am heutigen Tag nicht ohne einen Erfolg den Heimweg antreten: Der in den Senat berufene Iulier war angekommen im Senat.
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Der Consul schaute noch eine Weile schweigend in die Runde, in der sich aber nichts rührte, so dass es folglich keine Gegenstimmen gab. "Ich stelle erneut die kommentarlose Zustimmung des Senates nach §7, Absatz 4 fest, so dass auch diese Änderung veröffentlicht werden kann."
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