Aufbahrung der Calventia Fusa

  • https://upload.wikimedia.org/w…Meleager_Louvre_Ma539.jpg Kurz nach ihrem Tod hatten die helfenden Hände in der zweiten und dritten Reihe dafür Sorge getragen, dass Calventia Fusa gereinigt und präsentabel hergerichtet wurde. Dabei galt es immer die gewisse Dezenz und Diskretion einzuhalten, sollte eines der engeren Familienmitglieder wünschen schon vorher seiner Trauer Ausdruck zu verleihen.
    Noch vor Tagesanbruch am folgenden Tag war die Verstorbene nach römischem Ritus hergerichtet und in der großen Halle aufgebahrt worden. Man hatte eigens, was für die Duccii untypisch war, Klageweiber herbestellt die hörbar den rituellen Klagegesang anstimmten und (tatsächlich in Schichten organisiert) die Halle bis zur Pompa Funebris mit den bezeichnenden Klängen des Todes füllten. Aus Ermangelung an Zypressenzweigen hatte man einen Zweig der hiesigen Tanne genommen. Die Fenster waren mit locker gewobener schwarzer Wolle verhängt, so dass die um die Tote aufgestellten Ölfackeln den Raum mit unstetem aber warmem Licht erfüllten. Der Wind, der stetig durch die Halle zog, tat sein übriges um die tanzenden Flammen Geister erzeugen zu lassen.
    Baumharz und Kräuter, aber auch teurer Weihrauch wurde verbrannt um der Halle das passende Odeur zu geben und den kondolierenden all das zu bieten, was bei der Aufbahrung einer nicht unbedeutenden Provinzrömerin zu erwarten war.

  • Bevor Vala noch am selben Abend, Klitschnass vom eisigen Tau und Nebel auf dem Rhenus und dem schnellen Ritt nach Mogontiacum, vollkommen zerstört am Totenbett auftauchte, hatte er sich doch noch die Zeit genommen in die Regia einzukehren, Frau und Tochter zu grüßen und dann mit der Gattin frischgemacht zur Villa zu eilen.


    In Begleitung mehrerer Equites seiner Leibwache (immernoch sichtlich überrascht, den Legatus früher als in einem Monat wieder zu sehen) tauchte das Statthalterpaar dann auch bei der Villa auf und ließ sich anmelden, um wenig später am Totenbett zu stehen, auf welchem die Calventia in sehr römischer Manier gebettet lag. Vala entging nicht, wie surreal dies in Anbetracht der mit SEHR germanischem Schnitzwerk versehen Holz der großen Halle aussah, aber dies war wohl einfach das, was geschah wenn zwei Kulturen sich miteinander vermengten.


    Die Stille, immer wieder unterbrochen vom Wehen und Klagen der bestellten Weiber, nutzte Vala für ein kurzes Gebet und die Bitte, der Verstorbenen das zuteil werden zu lassen was einer der ihren gehörte.

  • Während sich schon einige Kondulanten mit der Zeit in der Halle eingefunden hatten, saß der duccische Pontifex noch immer auf seinem Zimmer - ja, seinem, denn jetzt war es wieder seines, seines allein.. - und starrte auf eine Stelle am Boden nahe des Holzfußes, der mit den anderen zusammen das an der Wand angelehnte Regal stützte. Seit Fusas Tod hatte er das Zimmer nicht verlassen, zumindest nicht so, dass die anderen Bewohner des Hauses es hinbekommen hatten, er war nämlich öfter in der Nacht in den Wildgarten gegangen. Phelan saß auf seinem - ... - Bett und trug die schwarze Trauertracht, welche seinen Körper eine lange Zeit zieren würde, wie es eben die Tradition verlangte. Einen Todesfall in der Familie hatte es schon lange nicht mehr gegeben, sehr lange sogar. Dass es dieses Mal ein Todesfall in seiner Familie innerhalb des großverzweigten Stammbaums der Wolfrikskyn sein würde, hätte er nicht erwartet. Wieso auch? Aufgrund der Schwangerschaft seiner verstorbenen Frau hatte man doch eher an eine Erweiterung des Familienzweiges durch seinen Sohn gedacht, doch die Götter hatten etwas anderes für die Familie des Geronson geplant.


    Die Götter.. Dieses Thema umkämpfte die Gedankenwelten in seinem Kopf. Auf der einen Seite setzte er sich intensiv mit der Frage, nein, Frage ist das falsche Wort.. er setzte sich eher mit seinem Zorn und seiner Enttäuschung auseinander, mehr als mit der Frage, wieso sie ihm das antaten. Auf der anderen Seite verdrängte er dieses Thema, um eben dieser Frage auszuweichen. Dieser Zustand war so Kopf-zermürbend, dass er seit Tagen nichts anderes tun konnte, als eben genau auf diese Stelle zu starren, wenn er nicht gerade in den Wildgarten flüchtete.


    Nun aber, hatte er sich wieder halbwegs hergerichtet. Doch was man sah, war kein Decimus Duccius Verus in Trauertracht, der um seine verstorbene Frau trauerte, sondern man sah einen alten, emotionslosen Decimus Duccius Verus, der sich zu der Aufbahrung seiner Frau schleppte, dessen blonde Haare plötzlich ausgeblichen zu sein schienen und quasi für seinen Zustand stanten, einen Zustand der Antriebslosigkeit, Ermüdung und verlorenen Lebenskraft. Natürlich hatten seine Haare über die Jahre ihren blond-strahlenden Glanz verloren, doch war ihm das nie aufgefallen, da die letzten Jahre eben sehr schöne Jahre waren. Mit seiner Tochter kam er nach Mogonitacum zurück, fand wieder zu seiner Familie, ergriff wieder sein vollwertiges Amt als Pontifex und führte seine Tochter zum Cultus Deorum als Aeditua, gewann einen strebsamen Klienten, der letztlich seine Tochter ehelichte - gut, dieser Umstand hatte ihm schon ein paar bemerkbare erbleichte Strähnen verschafft - und bekam endlich seinen lang ersehnten Erben, an den er schon die Hoffnung aufgegeben hatte. Sein Erbe.. Segen und Fluch zu gleich.


    Phelan stand auf. Sein Äußeres, so wie gerade beschrieben, sein Blick, seine Mimik, emotionslos, nichtssagend, reglos. Er war ein anderer Mensch geworden, sowohl sein Wesen als auch seine Erscheinung betreffend.
    Langsam schritt er zur Tür und hielt noch einige Momente den Türgriff fest, bevor er sie öffnete und auf den Gang schritt. Die Fassung würde er tragen können, aber das war auch schon alles.


    Als der duccische Pontifex die Treppe herunterschritt und in den verdunkelten Raum trat, inmitten dessen seine Frau zwischen tänzelnden Flammen aufgebahrt woden war, ruhten schon einige Blicke von denen auf ihm, die ihn bemerkt hatten. Nach und nach nahm er ohne große Worte zu wechseln die Kondolenzen entgegen und hoffte, dass dieser Gang zu seiner aufgebahrten Frau ewig dauern würde, vergebens..


    Nun stand er vor ihr. Seine Regung, unverändert. Er starrte einfach nur, bis er bemerkte, dass sein Vetter mit seiner Frau bereits neben ihm stand. Sein leerer Blick traf Vala, unfähig zu realisieren, dass dieser anscheinend alle Zelte abgebrochen hatte, um hier bei ihm zu sein. Mit der Zeit begriff er und nickte anerkennend, mehr war gerade nicht möglich.

  • Auch wenn es wohl üblich gewesen wäre, dass sie sich ihre Haare zerzaust und das Gesicht zerkratzt hätte kam Runa entgegen jeder römisch Tradition in germanischer Kleidung. Die war natürlich in dunklen Farben gehalten. Ihre Haare hatte sie mit einem Tuch bedeckt. Runa betrat zusammen mit Curio den Raum. Sie hielt seine Hand. Er gab ihr den nötigen Halt wie so oft in den letzten Tagen. Runa nahm kaum jemanden wahr. Nur ihren Vater, der vor ihrer toten aufgebahrten Mutter stand. Sie ging langsam auf ihn zu. Legte ihm die Hand auf die Schulter und drückte diese kurz.
    Dann trat sie zu ihrer Mutter nahm ihre Hand und flüsterte leise.


    „Möge deine Fylgia dich sanft geleiten auf deine letzten Reise.
    Möge Thor Dir in seiner Stärke Kraft geben für diesen Gang.
    Möge Frigga dich sanft umfangen und behüten.
    Es ist an der Zeit heimzukehren zu den Göttern.
    Bald wirst du willkommen geheißen, du wirst schon erwartet.“


    Sie hauchte ihre Mutter noch einen Kuss auf die Stirn, bevor sie wieder einige Schritte zurück trat um dort wieder Curios Hand zu nhemen.

  • Es war eine seltsame Rolle, die Curio hier einzunehmen hatte. Doch hatte er eine klare Vorstellung davon, wie er diese Rolle wahrzunehmen hatte. In der Theorie war er als Schwiegersohn der Verstorbenen hier, als Mann ihrer Tochter und damit irgendwie als Teil ihrer Familie. In der Praxis aber fühlte er sich nich so, als wäre er Teil der duccischen Familie, sondern ganz besonders jetzt und hier als Anhängsel seiner Frau. Besonders Marsus, aber natürlich auch Verus, gaben sich zwar Mühe, ihn in die Familie zu integrieren, aber dennoch fremdelte Curio. Es war dieser Standesunterschied, der schon vor seiner Hochzeit DAS Thema gewesen war und einfach nicht auffhören wollte, ein Problem zu sein. Der junge Helvetier blieb sich seiner Herkunft bewusst, machte sich jeden Tag wieder klar, dass sie wahrscheinlich Glück gehabt hatten, höchstwahrscheinlich ein Glück, dass von göttlicher Seite begünstigt worden war, aber eben doch Glück, denn es hätte auch alles ganz anders laufen können. Allerdings war das etwas, dass er seiner Frau nicht auf die Nase binden wollte. Es würde nur zu Streit führen, und wenn sie während ihrer Schwangerschaft - und den damit ohnehin verbunden regelmäßigen Stimmungsschwankungen - etwas nicht gebrauchen konnten, dann einen ausgewachsenen Streit. Er musste es mit sich selber ausmachen, das war nun mal leider so, wenn er Silvana schonen und ihr nicht noch mehr Last aufbürden wollte. Schließlich trug sie schon einen kleinen Helvetier mit sich rum.


    Aufgrund dieses Rollenverständnisses blieb Curio während der gesamten Zeremonie ein Statist. In seine schwarze Trauertoga gekleidet hielt er die Hand seiner Frau, wenn sie Halt brauchte, ließ sie los, wenn sie eine zeremonielle Pflicht ausüben musste oder sie sich, wie jetzt grade, nochmal persönlich von ihrer Mutter verabschieden wollte. Ansonsten hielt er den Blick demütig gesenkt, ließ geschehen, was es zu erledigen gab, wahrte die ihm bekannten - sprich: römischen Formeln - hielt sich aber ansonsten dezent im Hintergrund.

  • Witjon hatte bereits im Zeitpunkt der Aufbahrung der Toten seine Gebete deren Heil gesprochen. Problematisch war in der Folgezeit, dass Phelan sich offenbar nicht imstande sah, die Kondolierenden zu empfangen. Witjon hatte deshalb einige Zeit an Stelle seines Vetters in der Halle verbracht. Das konnte er jedoch nicht ewig tun, denn er hatte Arbeit zu erledigen, weshalb die Bewohner der Villa irgendwann dazu übergegangen waren sich abzuwechseln. In dem Moment, in dem Alrik mit seiner Frau eintraf, war jedoch niemand da, weil der stete Strom der Trauergäste etwas abgeflaut war.


    Lautlos trat Witjon betrat Witjon deshalb die Halle, nachdem ihm die überraschende Ankunft des Statthalters gemeldet worden war. Auch Runa und Curio waren da. Witjon begrüßte den Helvetier mit Handschlag und wechselte einige leise Worte mit ihm, bevor er sich Alrik zuwandte, nachdem dieser seine Gebete beendet hatte. "Heilsa Vetter. Ich hatte gedacht du seist auf Reise gen Süden. Du musst zu diesem traurigen Anlass auf Sleipnir hergeprescht sein." Dabei bedachte er Phelan mit einem vielsagenden Blick. Der arme Kerl sah immer noch aus wie ein Gespenst. Witjon war in Sorge darüber, denn er konnte ja nicht ewig Phelans Sohn wie seinen eigenen aufziehen, solange der eigentliche Vater doch am Leben war.

  • Selbstverständlich erschien auch Alpina um Fusa die letzte Ehre zu erweisen. In Begleitung der Amme, die den Sohn von Decimus Duccius Verus und Fusa auf dem Arm hielt, betrat sie den Ort der Trauerfeier. In dunkle Trauerkleiung gehüllt, das Haar auf ungewohnte Weise offen, schritt sie der Reihe nach die bereits Anwesenden ab und grüßte jeden mit stillem Handschlag und Kopfnicken. Zuletzt kondulierte sie leise dem trauernden Duccier.
    "Wir haben es nicht in der Hand ob Iuno Lucina die Fackel hebt oder senkt. Doch sieh hier ist der Kreis geschlossen. Während eine Fackel gelöscht wurde, erhielt eine neue Fackel ein helles Licht. Sieh in deinem Sohn die Züge deiner Gattin und liebe ihn ebenso, wie du sie geliebt hast. So hätte Fusa es gewollt, glaub mir!"


    Mit ernster Miene sah sie den Trauernden an. Sie hoffte, dass er sich seiner Verantwortung bewußt wurde und das neue Leben endlich mit der Dankbarkeit begrüßte, die ihm gebührte.

  • Nach und nach nahm der duccische Pontifex die Beileidsbekundungen der sich zaghaft annähernden Kondulanten entgegen, während er vor seiner aufgebahrten, verstorbenen Frau stand. Neben ihm tauchte nun auch Witjon auf, dessen vielsagenden Blick er mit einem leichten Nicken erwiderte. Das Gespräch zwischen seinen Vettern bekam er nur mit halben Ohr mit, auch wenn die beiden direkt neben ihm standen. Auch wenn Phelan es vor einigen Augenblicken nicht wirklich gezeigt hatte, wie dankbar er Vala für seine Anteilnahme und vor allem rasche und spontane Rückkehr war, war er es und zwar zutiefst. Sein Vetter würde ihm das schon nicht übel nehmen.


    Irgendwann kondulierte ihm auch die Hebamme Alpina, die seine Frau sozusagen auf dem Sterbebett in den Tod begleitet hatte. Ihre tröstenden Worte nahm er mit einem Handschlag und einem leichten Nicken mit schiefem Lächeln entgegen, wobei diese in ihm eher Unbehagen gegenüber den Göttern auslöste, obwohl Alpina vermutlich das Gegenteil bezwecken wollte. Dann bemerkte Phelan auch die Ziehmutter, die seinen Sohn, der immer noch keinen Namen hatte, auf dem Arm hielt. Kurz hob er seine Hand, als wolle er dem Säugling über den Kopf streicheln, da ließ er seinen Arm auch schon wieder senken - es ging einfach nicht, noch nicht.

  • "Ich durfte feststellen, dass der Rhenus heuer gar schnell fließt.", antwortete Vala orakelhaft flüsternd auf die Mutmaßung seines Vetters, "..ich war bei Lopodunum, konnte nicht bleiben." Dem Blick Witjons folgend erblickte er nun auch den Witwer, der ein wahres Trauerbild abgab. Natürlich gab es des öfteren Witwer, dank antiker Medizin und keineswegs so modernen hygienischen Zuständen wie es später verklärt wurde, weit öfter sogar als Männer sich im Kriege gegenseitig massakrierten. Dies hier war beileibe nicht die erste Aufbahrung einer Frau die im Kindbett gestorben war, dessen Witwer Vala kondolierte.. aber sie war definitiv einer der seltenen Momente, in denen der Mann vollkommen überfahren und neben sich stehend wirkte. Etwas irritiert war Vala ja schon, hatten die beiden doch nicht wirklich den Eindruck gemacht ein hingebungsvolles Liebespaar im wortwörtlichen Sinne gewesen zu sein. Aber offensichtlich hatte sich seine Wahrnehmung in dieser Sache geirrt... oder er hatte einfach nicht genau hingesehen.
    Das Ergebnis war einerlei: sie war tot, er offensichtlich ins Mark erschüttert.



    Die Worte, die Vala sich zurechtgelegt hatte, wischte er innerlich bei diesem Anblick hinfort und entschied sich einfach für eine stille Geste: er griff seinen Vetter brüderlich in den Nacken und nickte ihm mit schmalem Lächeln zu. Manchmal musste man auch einfach nicht gesprochene Worte die Rede lassen...

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