[Ludus] In der Gladiatorenschule


  • Publius Gavius Balbus


    Der Chirurgicus, der sich um die Verletzungen der Gladiatoren kümmerte, grinste zynisch. Vor ihm saß ein blonder Hühne, dessen Hand übel aussah. Sie war rot und dick geschwollen. Die Wundränder einer frischen Naht sahen entzündet aus.
    "Vielleicht solltest du deinen Kampfnamen von Eisenfaust in Eiterfaust umändern?"
    Er entblößte grinsend zwei abgebrochene Schneidezähne, die entweder einer Schlägerei oder einem Sturz zum Opfer gefallen waren.


    Ein Stöhnen entkam der Kehle des germanischen Gladiators als der Chirurgicus die Wundränder zusammenpresste. Eiter quoll hervor. Balbus zog den Wundspalt zwischen den Verknotungen der Naht mit einem Wundhaken auseinander. Dann entkorkte er die kleine Weinamphore auf dem Behandlungstisch mit den Zähnen. Nachdem er sich zunächst einen kräftigen Schluck genehmigt hatte, goss er anschließend eine kleine Menge des Weines in die eitrige Wunde. Der germanische Gladiator knurrte unbehaglich.
    Balbus grummelte. "Eigentlich viel zu schade für dein faulendes Fleisch."
    Dann verschloss er die behandelte Naht mit einem neuen Wundverband. "So, fertig für heute."

  • Gelangweilt beobachtete Balbus das Training der Provocatores gegen den Palus. Immer wieder ließ der Magister sie den Angriff mit dem Gladius proben. Den rechteckigen Schild vor sich haltend, das beschiente Bein nach vorne ausschreitend näherte sich einer der Neulinge im Gladiatorenberuf dem Holzpfahl. Die Provocatores hatten noch wenig Kampferfahrung, sie wurden förmlich gedrillt um eines Tages Retiarius, Murmillo oder Secutor zu werden. Für Balbus, den Chirurgicus, gab es beim Kampf gegen den Palus selten Arbeit.


    Im Schatten der Gladiatorenkaserne stand der Murmillo Taurus. Ein grobschlächtiger Muskelberg mit schütterem dunkelblondem Haar. Er war Primus Palus, also der siegreichste und erfahrenste Kämpfer in dieser Gattung. Balbus verachtete den blasierten Kerl, der sich unglaublich viel auf seine Erfolge in der Arena einbildete. Sicherlich war er ein großartiger Kämpfer, der alle Tricks und Schliche eines langjährigen Gladiators kannte, doch der römische Chirurgicus hatte den Muskelprotz als Jammerlappen kennengelernt, der wegen jeder Kleinigkeit die Balbus Behandlungsräume aufsuchte und sich Salben, Umschläge und Pillen geben ließ.
    Ein wenig Neid war vielleicht auch dabei, das wollte Balbus nicht unterschlagen. Denn Taurus kam an bei den Frauen. Sie schickten ihm Talismane, brachten ihm Leckereien und bezahlten die Wachsklaven dafür eine Nacht mit ihrem Idol in seiner Kammer verbringen zu dürfen. Wenn Balbus mal wieder spät von einem Einsatz außerhalb des Ludus zurückkehrte hörte er ihr Stöhnen und konnte früh morgens die verheirateten Weiber zu ihren gehörnten Männern zurückkehren sehen. Schon einige Male hatte er überlegt, ob er sein Gehalt durch ein wenig Denunziation aufbessern sollte, doch dann hatte er eine Möglichkeit gefunden, die ihm noch besser gefiel. Er fing die schleichenden Frauen ab, wenn sie ihm gefielen und erpresste sie. So kam auch er ab und an in den Genuss eines Schäferstündchens.


    Mit einem Lächeln auf den Lippen verfolgte Balbus nun wie einer der Sklaven Taurus den Helm und die Beinschienen reichte. Gegen wen er wohl heute seinen Trainingskampf absolvieren würde?

  • Die Palla tief ins Gesicht gezogen und den Mantel vor der Brust zusammenhaltend betrat Alpina die Gladiatorenschule. Curio hatte ihr Roderiq zur Seite gestellt. Alleine traute sich die Hebamme seit dem Überfall in der Taberna Medica nicht mehr vor die Tür. Und schon gar nicht in eine Gladiatorenkaserne. Doch was blieb? Sie wollte den Chirurgicus Publius Gavius Balbus bitten Kaeso als seinen Schüler anzunehmen.
    Wie erwartet folgten ihr die neugierigen Blicke der Gladiatoren, die in kleinen Grüppchen zusammenstanden und ihre Ausrüstung polierten oder Trainingseinheiten absolvierten. Finstere Gestalten aus fernen Ländern waren darunter. Männer, deren Haut schwarz wie die Nacht war oder aber farbige Tätowierungen aufwies. Andere wieder konnten vor Muskeln kaum laufen und bewiesen im gegenseitigen Kräftemessen ihre Stärke.


    Es dauerte nicht lang bis die erste anzügliche Bemerkung zu Alpina hinüberschallte. Sie zuckte merklich zusammen. Roderiq trat einen Schritt näher an sie heran und funkelte die Gruppe aus der man die Stimme vernommen hatte böse an.
    Alpina sah sich um. Irgendwo musste Balbus doch sein.


    Da! Im Schatten der Mauer lehnte der hagere Chirurgicus an der Wand und beobachtete das Treiben in der Palaestra. Alpina wies Roderiq den Weg und überquerte den Sandplatz. Den wachen Augen des Wundarztes war der Damenbesuch nicht entgangen. Mit einem schiefen Grinsen löste er sich von der Wand und kam auf die Raeterin zu.
    "Salve, Gavius Balbus", begrüßte sie den Mann.

  • Die erfreuliche Unterbrechung des Alltags kam in Gestalt einer Frau, die von einem Leibwächter begleitet wurde. Erst beim Näherkommen erkannte er die Hebamme Alpina, die ihren Mantel eng um sich gezogen hatte. Balbus ging ihr entgegen. Schon häufig hatte er der Geburtshelferin zur Seite gestanden, wenn die Situation ausweglos war und es nur noch ein Mittel gab - den Schnitt mit dem Skalpel.


    "Salve, Susina Alpina. Womit kann ich dienen? Soll ich einer Gebärenden das Kind aus dem Leib schneiden oder mal wieder eine Stichwunde nähen? In letzter Zeit hast du scheinbar deutlich mehr mit blutenden Männern zu tun als mit schreienden Babies und Wöchnerinnen. Möchtest du nicht gleich als meine Gehilfin anfangen? Blutende Wunden gibt es hier jede Menge, da kannst du noch was lernen."

  • Der Humor des Chirurgicus war wie immer nahe an der Schmerzgrenze. Alpina versuchte sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren.
    "Ich bin auch froh, wenn ich dich nicht bei einer Entbindung brauche, denn meist geht diese dann tödlich für mindestens eine Person aus."


    Die Hebamme lächelte sparsam als er ihr anbot, seine Gehilfin zu werden.
    "Danke für das Angebot, Balbus. Ich werde dir nicht als Gehilfin dienen, aber ich wüsste jemanden, der diese Aufgabe gerne übernehmen möchte - mein Gehilfe Kaeso. Du kennst den Jungen. Er hat schon viel über Heilkräuter und die Herstellung von Tränken, Salben und Umschlägen gelernt. Doch die Tätigkeit einer Hebamme ist nichts für so einen jungen Mann. Und auch die Heilkräuter werden ihm auf Dauer nicht genügen. Er entwickelt sich zum Mann, da wäre eine Umgebung, wie deine hier" Sie sah sich um und zeigte auf die kämpfenden Gladiatoren, " besser geeignet für Kaeso als sich immer nur mit Frauen zu umgeben."


    Nun sah sie dem Chirurgicus direkt in die Augen. "Würdest du Kaeso als Gehilfen annehmen? Ihn ausbilden?"

  • Der Chirurgicus zwinkerte Alpina vertraulich zu.


    "Na, ein junger Mann ist ja wohl kein adäquater Ersatz für eine hübsche junge Frau, oder nicht? Zumindest wenn man nicht auf Männer steht."


    Balbus lachte laut los, als Alpina sichtlich errötete. Dabei entblößte er seine beiden abgebrochenen Schneidezähne.


    "Nun gut, Spaß beiseite. Das klingt ja ganz gut und in jedem Fall muss der Junge aus eurem Mütter-Kinder-Versorgungszentrum raus. Das ist nix für einen Mann. Und auch wenn er das erst noch werden muss, ist er hier wesentlich besser aufgehoben. Ein wenig nachteilig ist, dass er so ein schmächtiges Handtuch ist."


    Er sah sich um und wies auf die muskelbepackten Kolosse, die sich mit Gewichten und gymnastischen Übungen fit hielten.


    "Wir werden sehen, ob er sich hier behaupten kann. Bezahlen kann ich ihm nur wenig, aber er kann hier schlafen, wenn er möchte. Eine kleine ungemütliche Kammer mit feuchtem Mauerwerk kann ich anbieten und von den Rationen der Gladiatoren kann er was abbekommen. Er braucht ja nicht viel, so wie er aussieht. Ich halte mich auch ganz gut damit am Leben. Sind die Konditionen akzeptabel?"


    Balbus verschränkte die Arme vor der Brust und sah die Hebamme abwartend an.

  • Die Konditionen klangen gut. Natürlich würde es für Kaeso zunächst unbequem werden im Ludus der Gladiatoren. Doch er würde immerhin eine Unterkunft und Verpflegung haben. Man würde schon dafür sorgen, dass er nicht verhungern musste. Und sie würde ihm ab und an ein paar Leckereien vorbeibringen, das nahm die Hebamme sich vor. Kaeso hatte ohnehin keine Wahl. Alpina nickte also.
    "Dein Angebot erscheint mir fair. Wichtig ist vor allem, dass er lernt ein guter Wundarzt zu werden. Das kann ihm helfen, sich auf eigene Beine zu stellen. Ich danke dir für dein Entgegenkommen. Dann werde ich Kaeso davon berichten. Wann kann er anfangen?"

  • Die Hebamme verhandelte nicht. Sie schien ihren Gehilfen dringend loswerden zu wollen. Balbus stutzte. Was für ein Bürschlein war dieser Kaeso? Wen holte er sich da in seine Obhut? War er faul oder frech? Oder untauglich zu allem? Er hatte nicht den Anschrein gemacht ein Hornochse zu sein, als Balbus ihn in der Taberna Medica kennengelernt hatte.
    Ein anderer Verdacht beschlich den Chirurgicus. Hatte der junge Mann sich der Kräuterfrau unsittlich genähert? War das der Grund warum sie ihn loswerden wollte?


    "Er kann jederzeit anfangen. Arbeit gibt es hier genug!"


    Balbus lachte vernehmlich und deutete auf einen jungen Gladiator, der gerade auf den Chirurgicus zukam. Eine Platzwunde am Kopf war das sichtbare Zeichen eines intensiven Trainingskampfes.


    "Und du bist hier auch jederzeit gerne gesehen, Alpina! Glaub mir, eine alleinstehende Frau wie du würde hier unter meinen Jungs schon einen Bettwärmer finden." Breit grinsend fügte er hinzu. "Ich würde dir sogar den Platz neben mir anbieten...."

  • Erleichtert stellte Alpina fest, dass sie Kaeso gute Nachrichten überbringen konnte. Sie wusste zwar nicht wie sie ihn finden sollte, denn er hatte ihr nicht hinterlassen wo er zu finden war. Aber schließlich hatte er angekündigt sich noch einmal zu verabschieden.
    Tatsächlich kam sogleich ein "Patient", um sich von dem Chirurgicus verarzten zu lassen. Eine gute Gelegenheit sich zu verabschieden, zumal Balbus mit seinen Anzüglichkeiten fortfuhr. Alpina errötete bis in die Haarwurzeln als er ihr ein eindeutiges Angebot machte.
    "Danke für deine Hilfe, Gavius Balbus. Ich weiß dein Entgegenkommen zu schätzen und werde sicherlich bei Bedarf auch deine chirurgischen Fähigkeiten wieder einzusetzen wissen. Alles andere ist gut so, wie es ist."


    Schmallippig lächelnd reichte sie dem Chirurgicus die Hand. "Besten Dank auch im Namen meines Gehilfen Kaeso. Du wirst ihn sicherlich gut gebrauchen können und seine Fähigkeiten bald schätzen. Vale bene, Balbus."


    Erneut zog sie sich die Palla tief ins Gesicht und entschwand den Blicken der Gladiatoren und des Chirurgicus.

  • Reichlich verkatert zog Gavius Balbus ein blitzendes Skalpell aus seinem Etui. Er begann es gegen das Licht zu halten um zu überprüfen ob es scharf und sauber war.


    Die Saturnalienfeiern im Ludus waren ausschweifend und ermüdend gewesen. Der Lanista hatte mehrere Amphoren Wein und ein üppiges Mahl spendiert. Woher die leichten Mädchen gekommen waren, wusste angeblich keiner so genau. Zumindest waren genug hübsche Frauen da gewesen, dass auch Balbus zum Zuge kam. Dazu hatte er irgendwann aufgehört die Becher zu zahlen, deren Inhalt seine Kehle hinabgeronnen war. Entsprechend müde, von Kopfschmerzen geplagt und unmotiviert begann er das neue Jahr. Janus zeigte ihm heute eher die hässliche, alte Fratze, nicht das Gesicht des hübschen Jünglings.


    Mit einem Seufzer näherte sich der Chirurgicus einem der Gladiatoren, der einen Abszess an der Hand hatte. Rot und dick geschwollen präsentierte sich die Geschwulst. An der Basis zeigte sich ein gelblicher Rand. Eiter! Balbus legte sich ein sauberes Tuch und eine Schüssel mit Wasser und Essig zurecht. Dann grinste er den Gladiator an.
    "Nun, ich fürchte das neue Jahr beginnt nicht gut für dich. Dann wolln mer mal!"

  • Beim Ludus angekommen, hatte mir ein eher schmächtiger Kerl mit einem anzüglichen Grinsen den Weg zum Chirurgicus gewiesen. Als ich ihn nun erblickte hielt ich unwillkürlich inne. War das wirklich das richtige was ich jetzt vorhatte?
    Mein Gefühlsleben war ein einziges Chaos und Publius Gavius Balbus hatte ich mehrmals bei seinem wirken in der Casa Helvetia kennen gelernt. Mehr noch er hatte mir sogar angeboten zu ihm in die Lehre zu kommen, mit der Bemerkung, bei ihm würde ich mehr lernen als Salbe an zu rühren.
    Alpina hielt ihn für einen guten Chirurgicus, …. trotzdem mir gefiel nicht wie er mit den Menschen umging, schon gar nicht mit seinen Patienten. Wenn ich mich nun hier umsah, war die Umgebung gerade dazu da mich durch die Hölle zu schicken.
    Sollte ich nicht lieber zum Tempel zurückkehren und Priester werden? Zaudernd stand ich da und beobachtete das Geschehen.

  • Als sich Schritte näherten sah der Chirurgicus auf. Er hatte einen der Sklaven erwartet, die im Ludus Hilfsdienste erledigten, aber stattdessen stand der Junge vor ihm, den die Kräuterfrau ihm als Gehilfen angeboten hatte. Balbus entblößte seine beiden abgebrochenen Schneidezähne.
    "Salve, Kaeso! Du kommst gerade recht. Nimm dir den Schwamm da und tauch ihn in die Schüssel mit Essigwasser! Cave! Gleich wird es spritzen!"


    Das Grinsen wurde noch ein wenig breiter. Balbus wartete bis Kaeso seinem Befehl gehorcht hatte, dann ließ er die blitzende Klinge in die Eiterbeule fahren. Sofort spritze die stinkende, gelbliche Flüssigkeit hervor.
    "Hmm", untermalte der Chirurgicus halb genießerisch halb angwidert mit tiefstem Sarkasmus sein Tun. "Wie schön!"


    Der so behandelte Gladiator zuckte kurz und ließ ein undefinierbares Brummen aus seiner Kehle entweichen. Dann aber grinste er erleichtert. Balbus drückte die Wunde aus. So lange bis kein frischer Eiter mehr kam, sondern Blut. Er wies Kaeso an, immer wieder den Schwamm auf den geöffneten Abstzess zu drücken. Zuletzt schmierte der Chirurgicus eine stark riechende Salbe auf die Wunde und verband sie mit dem sauberen Tuch.
    "Wir sehen uns morgen, Hilarus!" verabschiedete der hagere Wundarzt den Gladiator und wandte sich dann dem Jungen zu.
    "Na? Angekommen in der Welt der Gladiatoren? Du wirst die Schattenseiten des Ruhmes in der Arena kennenlernen. Möchtest du immer noch bei mir in die Lehre gehen?"

  • Noch immer unschlüssig, erwiderte ich den Gruß und nahm gehorsam wie ein Sklave den Schwamm und tauchte ihn in das Essigwasser. Ich hörte sein Cave, doch etwas war auch neugierig in mir. Es war als ob ich zweigeteilt wäre. Ein Teil von mir wollte weg laufen, der andere Teil wollte sehen, begreifen, lernen.
    Schon spritzte etwas stinkiges, schleimiges auf meine Hand und meine Tunika. Ich wischte, schaute, lernte, würgte und wischte.


    Sein plötzlich an mein Ohr dringendes „Na? Angekommen in der Welt der Gladiatoren?“, riss mich brutal in die Wirklichkeit zurück. Nachdem ich vergebens versuchte den galligen Geschmack in meinem Mund los zu werden, schluckte ich nochmals nickte und antwortete krächzend „ja. Und ja ich möchte bei dir in die Lehre gehen.
    Nach kurzem zögern fragte ich, "wo kann ich schlafen?"
    Was blieb war die Frage, wie oft ich es noch bereuen würde.

  • Mit einem fetten Grinsen sah Balbus wie es den Jungen würgte und er angwidert den Eiter aufwischte. Dennoch zollte er ihm Respekt, denn Kaeso fiel nicht um oder rannte davon sondern zog es durch. Er schien bereit zu sein.
    Balbus nickte anerkennend. "Sic est! So sei es! Ich nehme dich als Lehrling an, Kaeso. Aber bevor ich dir zeige wo du dich hinlegen kannst, muss hier saubergemacht und aufgeräumt werden."


    Der Chirurgicus nahm das schmutzige Skalpell und wusch es in dem Essigwasser aus. Dann tauchte er es in eine kleine Flasche mit einer dunklen Flüssigkeit. "Hochkonzentrierter Essig", murmelte er als er Kaesos fragenden Blick sah. Dann wusch sich Balbus die Hände in der Schüssel mit Essigwasser und ließ auch Kaeso seinem Beispiel folgen.
    "So, nun nimmst du den Schwamm und wischst die Eiterspritzer von dem Stuhl hier und anschließend kippst du das Wasser auf den Boden und scheuerst ihn mit der Bürste da." Sein Finger deutete auf eine große Bürste. "Wenn du fertig bist, zeige ich dir deine Schlafstatt und gebe dir einige einfache Tuniken, die du für die Arbeit hier verwenden kannst. Diese wirst du auswaschen müssen. Es wäre ja schade drum. Die ist doch noch nagelneu, oder?"

  • „Hm“ antwortete ich mit einem nicken, auf seine Frage nach der Tunika. Im Geiste war ich mit meiner zukünftigen Arbeit beschäftigt. Sie würde sein wie ich mir es gedacht hatte, lange Zeit bestimmt, schaue und lerne. Sonst wie bei allen Gehilfen und Lehrlingen, gehorchen, sauber machen, Botengänge tätigen, wenn man Pech hatte Prügelknabe für alles sein was schief lief. Ich hatte zumindest aber die Gelegenheit von einem guten Chirurgicus lernen, denn ich hatte ihn arbeiten gesehen.
    Seinen Anweisungen folgend fing ich an zu Wischen und zu Bürsten. Beim Boden bürsten, stellte ich fast grinsend fest, also auf den Knien werde ich die nächste Zeit verbringen und schrubbte weiter.

  • Mit zufriedener Miene sah Balbus seinem neuen Gehilfen zu. Als der Boden wieder sauber war, nahm Balbus den Lehrling mit und zeigte ihm wo er seine Tunika und den Schwamm auswaschen konnte. Dann begann er den Jungen herumzuführen. Neben dem Behandlungsraum und zwei Kammern in denen verletzte Gladiatoren untergebracht werden konnten, befanden sich in unmittelbarer Nähe die Kammer des Chirurgicus und zwei weitere kleinere Kämmerchen. Eine davon bewohnten zwei Sklaven, die in ihrem Dienst Reinigungs- und Versorgungsaufgaben hatten. Die zweite war frei.
    "Hier kannst du dich häuslich einrichten."


    Balbus wies auf die feucht-muffige Kammer, die in sich in ihrer Größe zwar nicht von Kaesos Cubiculum in der Casa Helvetia unterschied, jedoch durch die Natursteinwände und die muffige Feuchtigkeit weit weniger wohnlich war.
    "Ich bin gleich neben dir untergebracht. Wenn ich rufe, erwarte ich, dass du sogleich erscheinst. Sollten wir schwer verletzte Kämpfer in einer der Kammern dort beherbergen, wirst du nachts mehrfach aufstehen und nach ihrem Zustand gucken müssen. Du siehst, ihre Kammern sind vergittert. Viele der Gladiatoren sind Sklaven oder Verbrecher. Vergiss das nicht! Das hier ist keine Hebammenpraxis oder Taberna Medica! Das hier ist die Endstation eines Mannes bevor er den letzten Kampf seines Lebens kämpft."


    Balbus wartete, bis Kaeso seine Sachen abgelegt hatte, dann winkte er dem Jungen, sich ihm erneut anzuschließen.
    "Komm, ich zeige dir den Rest der Anlage und stelle dich einigen Leuten vor."

  • Der Kerl kann einfach nicht dafür, wie oft werde ich noch spöttische und abwertende Bemerkungen über Alpina und ihre Arbeit hören, dachte ich empört. Deshalb konnte ich mir auch nicht verkneifen vor mich her zu brummeln. „Auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen, ich dachte ich wäre im Altersheim, lauter fragte ich dann, "wie komme ich dann an die Patienten? Ist da eine Wache die mich zu ihnen lässt und wie schütze ich vor ihnen? Also vor den Verbrechern?“ Ich wäre doch das perfekte Opfer für sie. Vielleicht sollte ich auch eine Kampfausbildung machen, zumindest soviel lernen, dass ich mich Notfalls verteidigen konnte.
    Neugierig schaute ich mich um als ich Balbus folgte. Nein hier war wirklich keine Taberna Medica, alleine am Geruch war der Unterschied zu erkennen, geschweige von allem anderen.

  • Balbus hörte Kaesos Gebrummel wohl. Er grinste. Der Chirurgicus hatte Humor und der Kleine gefiel ihm. Und er war sich sicher, dass Kaeso noch erleben würde, dass ein Ludus alles andere als ein Altenheim war.
    "Die Patienten, um die man sich nachts kümmern muss, sind selten in der Verfassung einem gefährlich zu werden. Dennoch ist es besser sie sicher zu verwahren. Auch weil sie teuer sind."


    Der Chirurgicus rieb den Daumen an Zeige- und Mittelfinger. "Weißt du was so ein Gladiator kostet? Je nach Waffengattung und Rang bekommt der Lanista für einen Gladiator pro Kampf zwischen 500 und 1500 Sesterzen. Davon muss er an den Gladiator 20 - 25 % abdrücken. Je nachdem ob es ein Sklave oder ein Freiwilliger ist. Du musst davon ausgehen, dass ein guter Gladiator in seiner Karriere zwischen 20 und 40 Kämpfe absolviert. Da kommt was zusammen. Stirbt er, muss der Editor zwischen 5000 und 15000 Sesterzen an den Lanista zahlen, um den Verlust zu kompensieren. Was ja nicht wirklich möglich ist. Also, nun weißt du, was für Goldschätzchen wir da hinter den Gittern haben. Wenn die türmen, ist der Lanista ein kleines Vermögen los."


    Gavius Balbus wies auf die nächstbeste Zelle. Sie sah verhältnismäßig groß und gut ausgestattet aus. Eine bequeme Kline, Kissen und Decken und ein paar kleine Einrichtungsgegenstände und Luxusgüter waren zu erkennen. Der Gladiator, ein Muskelberg von wohl 30 Sommern, nickte gleichgültig. Er schien es zu kennen, dass man ihn zur Schau stellte.
    "Das hier ist Pinnas, Primus Palus der Secutores. Also der höchstrangige Secutor. Er ist ein Freiwilliger, ein Auctorator. Das bedeutet, dass er sich an den Lanista verkauft hat. Der Lanista darf ihn einsperren, in Ketten legen und in die Arena bringen, ganz wie er will. Sollte er die vertraglich vereinbarte Zeit überleben, winkt ihm eine nette Summe. Alleine die Geschenke und Geldpreise ermöglichem ihm ein komfortables Leben hier."


    Sie kamen an einigen Einzelzellen vorbei, die gut bis mäßig ausgestattet waren. Die meisten gehörten den Primi Pales, den Höchstrangigen der Kampfgattungen. Manche waren Freiwillige, aber es waren auch Sklaven und sogar einer dabei von dem Balbus sagte, dass er einst ein verurteilter Verbrecher gewesen war, den man "ad ludum", zur Ausbildung in der Gladiatorenschule verurteilt hatte. Er war Retiarius und hieß Ferox.
    Es folgten Zellen, in denen zwei oder mehr Gladiatoren untergebracht waren. Die Anfänger, Tirones, teilten sich zu sechst eine etwas größere Zelle.
    Zuletzt zeigte Balbus auf eine Kammer mit einer stabilen Tür und einem großen Schloss. "Das ist die Waffenkammer. Die Gladiatoren dürfen selbstverständlich keine Waffen bei sich haben. Sie bekommen sie nur zu speziellen Kampftrainings oder den Kämpfen ausgeteilt."


    Den Zeigefinger wieder ausstreckend, wies der Chirurgicus auf einen durch einen Vorhang abgetrennten Teil des Gebäudes.
    "Dort drüben ist der Trakt, den der Lanista bewohnt. Komm ich stelle dich ihm vor."

  • Ich staunte nicht schlecht als ich hörte was ein Gladiator so verdiente, aber erst richtig als ich sah wie der Secutor eingerichtet war. „Nicht schlecht“, meinte ich. „Warum wurde ich nicht körperlich so ausgestattet? Da kann man ja richtig neidisch werden.“ Obwohl eigentlich würde ich gar nicht tauschen wollen.
    Alles im allen waren die einige ganz gut eingerichtet, nur fehlte ihnen nach meiner Meinung etwas wichtiges, die Freiheit.
    Jetzt war ich aber gespannt, richtig neugierig darauf, zu sehen was der Lanista für ein Mensch war. Hatte er Interesse an den Kämpfen, an den Gladiatoren?
    Sah er das ganze nur als ein Geschäft oder war er, wie man oft hörte, war er ein Schinder, dem es Freude machte die Gladiatoren zusätzlich zu ihrem harten Training zu quälen? Dann fiel mir etwas ein.
    „Was denkst du ob er mich hier trainieren lässt? So eine Art Krafttraining? Ich kann es wirklich brauchen.“ Schief grinsend zeigte ich auf meine nicht gerade üppig ausgebildete Bizeps.

  • Balbus lachte laut auf. "Du und ein Training mit den Gladiatoren? Du Handtuch? Mach dich nicht lächerlich! Sie werden dir noch früh genug eine Abreibung verpassen, dass dir Hören und Sehen vergeht. Das machen sie mit jedem Neuling, wenn er mal frech wird... "


    Balbus zuckte die Achseln. "Es steht dir frei selbst zu entscheiden wie du deine Freizeit verbringst. Deiner Statur nach kannst du ohnehin nur ein leichter Kämpfer, also ein Traex oder ein Hoplomachus, werden. Lass das mal lieber sein, Kaeso. Die machen Puls aus dir. Zunächst aber musst du schon froh sein wenn du ein Harentarius wirst, ein Gehilfe, der die müden Kämpfer massiert, die Verletzten und die Toten abtransportieren darf. Die werden immer gebraucht."


    Sie waren nun am Vorhang angekommen, der den Trakt des Lanista begrenzte. "Ich weiß, dass so ein junger Mann wie du sich ausprobieren muss und Fehler machen muss. Du wirst noch einiges an Lehrgeld zahlen müssen. Aber vielleicht nur einmal diesen gut gemeinten Rat von einem, der selbst viele Fehler im Leben gemacht hat und nichts ausgelassen hat: gebrauche deinen Kopf nicht deinen Körper, um es im Leben zu was zu bringen!"


    Mit ernster Miene schob der Chirurgicus den Vorhang beiseite. Laut rief er einen Namen. "Bato? Bist du da?"

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!