Getreidesammeln | Die Getreideflotte

  • Endlich war es so weit - das Wetter war günstig und die Winterstürme hatten aufgehört! In wenigen Tagen würde die deshalb die Getreideflotte nach Ostia in See stechen, um die Hauptstadt mit dem lange ersehnten Korn zu versorgen, das die Plebs neben den Spielen von ihrem Kaiser erwartete. Wahrscheinlich warteten sie sogar schon ziemlich sehnlich, denn die Segelsaison begann in diesem Jahr ein bisschen später als gewohnt...


    Trotzdem war der Subpräfekt, der dieses Jahr die Organisation zu stemmen hatte, ziemlich gestresst in diesen Tagen. Nachdem die Schiffe nun nach und nach aus den Docks kamen, mussten sie mit dem Korn aus den Magazinen beladen , einige neue Kapitäne angeworben, bestehende heruntergehandelt und letzte Lieferungen aus dem Nilhafen herbeigeschafft werden. Ganz abgesehen davon hatten manche Reeder offensichtlich Probleme, ihre Mannschaften neu anzuwerben, sodass Lucius auch hier hinterher sein musste, dass alles funktionierte. Und vor allem mussten natürlich die Geleitschiffe der Classis Alexandrina bereit gemacht werden - für die eher kleinen Liburnen war eine Reise durch das ganze Mittelmeer kein Pappenstiel!

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  • Die Aigyptiai waren gewaltige Ozeanriesen - selbst für Lucius, der nun schon einige Jahre in Alexandria Dienst tat, waren sie immer wieder beeindruckend. Wenn man etwas weniger von Archimedes verstanden hätte als er, hätte man sich sicherlich gefragt, wie solche Ungetüme überhaupt schwammen. Sie waren fast 35 Doppelschritte lang und fast 10 Doppelschritte breit, hatten hohe Bugwände und darin ein Fassungsvermögen von bis zu 50 Talenten.


    Sehr genau hatte der junge Petronier ausgerechnet, wie viel in jedem Schiff unterzubringen war - es gab natürlich große Varianzen bei der Tonnage, zumal manche Schiffe das Getreide eher in Säcken einlagerten, andere in großen Schüttgutfächern, was natürlich die Raumnutzung sehr unterschiedlich machte. Neben dem Raum war aber auch das Gewicht der Ladung zu beachten, weshalb er beides genau hatte aufnehmen lassen. Ganz nebenbei hatte sich dabei aber auch ein gutes Plus machen lassen, denn die meisten Verwalter in den Nomoi hatten ihre Lieferungen nicht auf die Unze genau berechnet, sodass man bei genauem Nachrechnen immer kleine Überschüsse sammeln konnte, die faktisch nicht in den Listen auftauchten - wenn es zu wenig war, ließ sich ja einfach der Rest nachfordern. Damit hatte der Subpräfekt eine ganze Menge Getreide in die eigene Tasche wirtschaften können, auch wenn das einen größeren Arbeitsaufwand für das Personal bedeutet hatte, das die Ladung löschte. Aber auch dieser Aufwand hatte sich ja rechtfertigen lassen - immerhin hatte Lucius ja auch Fehlbeträge aufgedeckt.


    Seit mehren Monaten fand nun die Beladung der im Winter auf Kiel gelegten Schiffe statt: In langen Reihen schleppten Hafenarbeiter - meist sonnenverbrannte, drahtige Ägypter in knappen Lendenschurzen - Säcke über Planken oder auf Gestelle, die von Kränen hochgezogen wurden. Jeder einzelne Sack wurde von Schreibern notiert, sodass Lucius immer Kontrolle hatte, wie viel schon verladen war und wie viel fehlte. Immer wieder kam er auch persönlich hierher, um mit dem Procurator Neaspoleos Flavius Sabinus den Fortgang der Arbeiten zu kontrollieren.


    Als der Subpräfekt heute erschien, erwartete ihn Sabinus mit gerunzelter Stirn-
    "In Horrea IV ist was geschimmelt."
    "Wie viel?"
    gab Lucius zurück - solche Hiobsbotschaften überraschten ihn nicht, denn er hielt seine Mitarbeiter sowieso für einen naiven Trottel.
    "Irgendetwas ist mit der Belüftung schief gegangen. Die unten liegenden Säcke sind alle feucht geworden - vierzig Sack."
    "Wie viel?"
    wiederholte Lucius - er brauchte Zahlen. Die Säcke hier waren doch immer etwas unterschiedlich. Der Procurator sah zu sienem Schreiber, der auf eine Zahl auf seiner Tabula deutete.
    "42 Talente."
    "Schaff das Zeug beiseite. Wenn wir es waschen und trocknen, lässt es sich vielleicht hier noch verkaufen."
    Der Flavier nickte - der Kerl war wirklich zu beschränkt für seinen Job, wenn er noch nicht selbst daran gedacht hatte. Zwar ließ sich empirisch beweisen, dass geschimmeltes Getreide durch Abwaschen oft nicht geheilt werden konnte - für die armen Schlucker in Rhakotis war es aber immer noch recht. Besser als gar nichts vermutlich... und abgesehen davon war dies wieder eine Gelegenheit, selbst etwas für sich abzuzweigen...

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  • Die Aiolos war einer der richtig großen Kähne, die für die Getreideflotte gechartert worden waren. Lucius vermutete, dass eine solche Größe eines Schiffes sich überhaupt nur lohnte, weil der Kaiser die Einsätze für die Getreideflotte so fürstlich belohnte - die Dinger mussten wahnsinnig langsam sein, so kastenförmig, wie sie aussahen (er hatte da eine kleine Versuchsanordnung in der Lagertherme gemacht, die ihm diese Hypothese bestätigt hatte). Außerdem war die Wartung dieser Giganten wahnsinnig teuer, da man sie kaum zum Kalfatern an Land ziehen konnte...


    Aber egal - der Petronier musste das Ding ja nicht bezahlen oder warten. Er musste nur dafür sorgen, dass es ordnungsgemäß beladen war, keine unangemeldete, zusätzliche Fracht transportierte - der Kaiser hatte immerhin das ganze Schiff gemietet - und die Ladung halbwegs ordentlich gelagert war. Also kletterte er an einer Strickleiter die Schiffswand hinauf an Bord - das Ding war nämlich so hoch, dass man keine Laufplanke anlegen konnte und die Benutzung des Krans, mit dem auch die Getreidesäcke vom Pier in den Schiffsbauch kamen, erschien dem jungen Petronier überflüssig. Immerhin war er ja noch jung und kräftig, da schadete ihm ein bisschen Sport auch nicht - außerdem mussten seine Begleiter ja auch keine Bewaffnung oder ähnliches mit herumschleppen, sondern nur ein paar Tabulae und einen Stylus.


    "Chaire, ehrenwerter Subpraefektos."
    begrüßte ihn der Kapitän mit einem breiten Lächeln.
    "Ave. Halten wir uns nicht auf - ich will deine Ladung sehen!"
    erwiderte der Petronier. Er erinnerte sich, dass der Kapitän der Aiolos bei der Besprechung auf dem Stützpunkt zu den eher Geschwätzigeren gehört hatte - da intervenierte er lieber sofort, bevor er ewig über irgendwelchen Seemannsgarn quatschen musste. Außerdem würde er diese ganzen Trottel ja sowieso bald nie wieder sehen - da war es auch irrational, sich jetzt noch ihr Gesülze anzuhören!
    Der Kapitän wirkte ein bisschen irritiert, fügte sich aber:
    "Wie du wünscht, Subpraefektos."
    So gingen sie die Holztreppe hinab, die über eine Luke auf Deck in den Rumpf hinab führte. Das Schiff hatte mehrere Decks - in den oberen lagerte das Getreide in Säcken, weiter unten gab es auch große Holzkästen, in denen die Körner als Schüttgut verladen waren.
    "Dir ist bekannt, dass wir dir einen Bonus zahlen werden, wenn die gesamte Menge des an dich abgegebenen Getreides in Ostia wieder das Schiff verlässt?"
    fragte der Subpräfekt beiläufig. Er hatte versucht, die Transportverträge mit den Reedern zu ändern, die ja sogar teilweise für ihre Fahrten für die Getreideflotte vom Staat versichert wurden. Leider war an dieser Stellschraube jedoch nichts zu machen gewesen, sodass Lucius vorgeschlagen hatte, den Kapitänen eine kleine Prämie zu zahlen, die einen Anreiz bieten sollte, nicht Teile des Getreides zu unterschlagen oder durch fahrlässige Lagerung verschimmeln zu lassen.
    "Das ist mir bekannt. Eine gute Idee, Subpraefektos."
    Der geldgierige Seemann sah natürlich nur die Aussicht auf Zusatzgewinne - wahrscheinlich wäre er sowieso zu dämlich gewesen, etwas von dem Korn auf eigene Rechnung abzuzweigen.
    "Funktionieren die Pumpen ordentlich? Du weißt, dass das Getreide keine Feuchtigkeit verträgt!"
    fragte Lucius den nächsten Punkt ab. Bei der Größe des Schiffes war es unvermeidlich, dass Feuchtigkeit eindrang und sich am Kiel sammelte. Kleinere Schiffe hatten oft einen eigenen Matrosen, der das Kielwasser bei Bedarf abschöpfte und nach draußen trug - bei dieser Größe war es allerdings eine mechanische Pumpe.
    "Das ist mir bekannt, Subpraefektos. Sie wurde geprüft, als das Schiff generalüberholt wurde."
    "Funktioniert sie mit einer archimedischen Schraube?"
    fragte Lucius weiter - er fand die technischen Hintergründe einer solchen Pumpe natürlich hochinteressant. Von der archimedischen Schraube hatte er unter anderem bei Vitruv gelesen... faszinierend, worauf die Griechen alles gekommen waren!
    Dieser Grieche kam allerdings auf nicht ganz so viel:
    "Äh, ich weiß nicht. Sie läuft schon mit einer Schraube, denke ich..."
    Also wahrscheinlich die archimedische Schraube - aber Lucius fragte lieber nicht genauer nach, um sich vor dem Ärger über so viel Ignoranz zu schützen. Wenn sie unten waren, würde er sie einfach öffnen lassen und die Konstruktion selbst erkunden...

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  • Der Tag war gekommen - die Priester des Dionysos, die kurioserweise auch hierfür zuständig zu waren (Lucius hatte das nicht nachgeprüft, sondern es einfach hingenommen), hatten endlich erklärt, dass die Götter dem Auslaufen der Getreideflotte nach Rom zustimmten. Auch wenn die Schifffahrts-Saison mit dem Navigium Isidis schon vor mehr als zwei Monaten eingeläutet worden war, hatten Frühlingsstürme es unklug erscheinen lassen, die Ozeanriesen mit dem Getreide für Rom in See stechen zu lassen. Und zuletzt hatten die Priester ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht - immer wieder hatte irgendeine Gottheit angeblich Einwände gehabt. Der junge Petronier hätte sich darum zwar nicht gekümmert - aber die Entscheidung, wann die Flotte auslief, fällte immer noch der Praefectus Aegypti und Geminus war war nunmal ein abergläubischer Dummkopf.


    Nur weil die Priester zustimmten, hieß das aber nicht, dass sie einfach ablegen konnten. Wie üblich vor größeren Seereisen mussten dagegen wortreiche Opfer dargebracht werden. Als operativem Kommandeur des Unterfangens oblag es somit wieder einmal dem Petronier, ein öffentliches Opfer zu vollziehen. Lustigerweise fand sein hoffentlich letzter Kultakt bei der Flotte genau an derselben Stelle statt, an der sein erster stattgefunden hatte - am Bug der Aeternitas, dem Flaggschiff.


    "Oh Neptun Poseidon, Herr der Meere, Gebieter über die Fluten. Höre unsere Gebete und achte auf unsere Bitten!"
    leierte der Subpräfekt wie inzwischen gewohnt die Anrede des Meeresgottes herunter. Er hatte in den letzten Jahren mehr Vieh zu Ehren der Götter abgeschlachtet als Menschen - genaugenommen waren es nur sehr wenige Menschen gewesen - und sich inzwischen damit abgefunden. Immerhin war ihm irgendwann klar geworden, dass der Umstand, irgendwo Opferherr zu sein, bedeutete, dass man der Ranghöchste Anwesende war, sodass er es schließlich akzeptiert hatte. Außerdem war ihm klar geworden, dass es den simpleren Gemütern wichtig war, dass man den Segen der Götter holte, sodass sie leichter und eifriger gehorchten, wenn man ein bisschen Frömmigkeit simulierte.


    Für die Getreideflotte war dies in besonders umfangreicher Weise nötig - was schon daran zu erkennen war, dass sich sämtliche Kapitäne und eine große Menschenmenge auf dem Kai versammelt hatte. Zwar benutzten sie wie immer den Altar auf dem Schiff, aber dieses diente heute eher als Bühne als als abgeschlossener Raum. Und natürlich wurden auch die Gebete umständlicher, die der Petronier eingesagt bekam:
    "Du beherrscht die Meere und lenkst die Wellen. Du führst die Schiffe wohlbehalten durch dein Reich in die Häfen und bewahrst uns vor Schiffbruch und Sturm. Dein Reich ist die Lebensader Romas, über deine Fluten führen wir jenes Getreide, das Demeter Ceres hier in Aegyptus reifen lässt, in die Stadt, die dein Bruder Iuppiter Optimus Maximus erkoren hat, über die Erde zu herrschen, wie du die Meere beherrscht. Jahr um Jahr gewährst du uns die Durchfahrt und nährst damit das Volk der Quiriten und Jahr um Jahr danken wir dir durch gerechte Gaben."
    Ein endloses Geschwafel, durch das sich Lucius da kämpfen musste - aber dann kamen sie langsam zum interessanteren Teil des Opfers:
    "Wir bitten dich um deinen Segen für unsere Überfahrt. Leite unsere Schiffe schadlos über deine Fluten, verschone uns vor Unwetter, schlechten Winden-"
    Lucius stockte - "schlechte Winde" war wirklich eine dämliche Formulierung, denn sie hörte sich an, als wäre Neptun auch der Schutzherr gegen Blähungen!
    "und Flaute. Lass keines unserer Schiffe Schiffbruch erleiden, kentern oder verweht werden und führe uns wohlbehalten auf unserer Passage.
    Dafür bieten wir dir gerechte Gaben: Nimm diesen Wein als unsere Gabe und gewähre uns eine sichere Überfahrt über das Meer!"

    Mit beiden Händen ergriff der Subpräfekt die gereichte Weinkanne und goss den roten Rebensaft dann theatralisch über die Reling. Inzwischen achtete er darauf, dass es möglichst billiger Wein war - edle Tropfen einfach ins Meer zu gießen, brachte er nicht übers Herz, auch wenn er das ägyptische Bier für sich entdeckt hatte.
    "Nimm diesen Teil unserer Fracht als unsere Gabe und gewähre uns eine sichere Überfahrt über das Meer!"
    Auch einige Getreidekörner wurden ins Wasser geworfen, wo sie sich sofort verteilten. Die Dinger waren so klein, dass vielleicht wirklich der ein oder andere Fisch sich eines nehmen konnte.
    "Wir weihen dir diesen Widder als makellose Gabe. Nimm sie an und die Schiffe, die wir mit ihm umkreisen."
    Der Subpräfekt goss auch etwas Wein auf den Schafbock, der vor ihm beim Altar stand. Dann folgte der absurdeste Teil dieses Rituals: Die Aeternitas würde einmal um sämtliche Getreideschiffe rudern, während an Bord pfannenweise Weihrauch verbrannt und psychedelische Hornmusik gespielt wurde.
    Immerhin gab das dem Subpräfekten aber nochmals die Möglichkeit, alle Schiffe zumindest visuell zu kontrollieren. Also blieb er an seinem Posten vor dem Altar stehen, von wo aus er auch gut auf beide Seiten blicken konnte. Allerdings stellte sich bald heraus, dass die Toga, die er halb über den Kopf gezogen hatte, bei jeder Kopfbewegung herunterzufallen drohte. Vor einem Jahr hätte er das Mistding wahrscheinlich einfach heruntergezogen - jetzt wusste er aber, dass er sich damit bei seiner Mannschaft unbeliebt machte. Und wenn die ihn verpetzten...


    Also versuchte er, möglichst ohne heftige Bewegungen möglichst viel zu sehen, wobei er sich ein bisschen wie ein Pfau fühlte, der vorsichtig und eitel zugleich seinen geschmückten Kopf hin- und herwendete.

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  • Die Umkreisungsaktion dauerte eine ganze Weile. Dafür ging es danach recht schnell: Lucius hatte darauf bestanden, dem Widder selbst die Gurgel durchzuschneiden, was er mit größter Begeisterung getan hatte - irgendetwas wollte er immerhin auch von diesem sinnlosen Ritual haben! Das Zerlegen hatte er dagegen wieder den Victimarii überlassen, die das ganze dann direkt in der Kombüse der Aeternitas gebraten hatten. Das fertige Fleisch war dann an alle Kapitäne ausgeteilt worden, die es - quasi stellvertretend für die gesamten Mannschaften - gegessen hatten. Lucius hatte das Filetstück bekommen und kräftig mit Garum gewürzt - es hatte nämlich etwas gehammelt!


    Dann aber waren sie endlich in See gestochen. Und wenige Stunden später sahen sie nur noch von Ferne das Blinken des Leuchtturms von Pharos, wo riesige Spiegel das Sonnenlicht einfingen und in alle Himmelsrichtungen lenkten...

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  • Lucius begab sich ans Heck und hinter das Kommandantenzelt der Trireme, um noch einmal einen Blick auf Alexandria zu haben. Die Stadt war wirklich riesig und trotzdem so schön geometrisch geordnet - auch wenn man es an der Skyline vom Meer aus nicht so gut sehen konnte. Immerhin erkannte er das Museion, wo er so viel gelernt hatte. Auch wenn die Griechen dekadent und faul waren - vielleicht nicht ganz so schlimm wie die Ägypter, aber immerhin - hatten sie doch im Bereich der Wissenschaften einiges erreicht und auch er hatte von ihnen neues lernen können. Wenn er an die Vorlesungen zurückdachte, kam ihm sofort der sezierte Affe in Erinnerung - er hatte immer vorgehabt, sich auch einmal so ein Vieh zu kaufen und dann selbst Experimente über die Funktion der Nerven zu machen. Aber er war nicht dazu gekommen - in Rom würde so ein Affe sicher teurer werden... Selbst die Philosophie war streckenweise interessant gewesen - Epikur hatte ihm gezeigt, dass er mit seinen Überlegungen nicht allein war, dass es irrational war von Göttern und Tugenden auszugehen, dass man am Ende nur sich und dem eigenen Nutzen verpflichtet war. Auch wenn man dafür ggf. andere brauchte...
    Diese Lektion hatte er aber vor allem bei der Classis gelernt: Furcht war die eine Möglichkeit, Leute zu manipulieren. Aber wer mächtiger war als man selbst - beispielsweise der Praefectus Aegypti, der ihn bis zuletzt nie hatte leiden können - oder zumindest die Möglichkeit hatte, einem zu entkommen - beispielsweise Ulpius, der sich achtern zu seinen Kameraden gesetzt hatte - dem musste man positive Anreize geben, sich einschleimen oder zumindest klar machen, dass man die gleichen Ziele verfolgte. Bei dem Minidier hatte er das leider zu spät erkannt - er hielt ihn bis heute für den Götterfrevler, der er tatsächlich war, den er aber nie akzeptieren konnte. Es wäre wohl klüger gewesen, damals seine wahren Ansichten etwas besser verborgen zu haben - überhaupt schien es rational, dem anderen nie zu zeigen, was man wirklich dachte!
    Außer natürlich, wenn der andere einem sowieso auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. Die armen Schlucker in der Folterkammer hatten das lernen dürfen. Ohne mit der Wimper zu zucken hatte der Petronier so lange Qualen angeordnet und zugefügt, bis sie alles gestanden hatten, was er wollte. Manchmal hatte er sie auch zum Spaß weitergefoltert - es war einfach ein unbeschreibliches Gefühl, Herr über Leben und Tod zu sein und das Gegenüber dies spüren zu lassen. Wie damals bei Caius im Grunde... - nur dass sich als Offizier ständig Gelegenheiten ergaben, diese Lust zu befriedigen. Und wie Epikur scho sagte: Man sollte der Lust nachgehen und den Schmerz vermeiden. Das war nicht krank oder frevlerisch, sondern einfach rational!


    Mit diesen Gedanken wandte sich der Petronier von der Stadt ab und ging wieder ein wenig achtern, um sich im Schatten des Kommandantenzelts niederzulassen - die Sonne brannte und er hatte nicht vor, einen Sonnenbrand zu bekommen wie damals, als er nach Alexandria gereist war...

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