"Weiter... Oder fehlt dir der richtige Ansporn?" Am ehesten ließ sich die Tonlage wohl als düsteres Murren bezeichnen. In leichter Schräglage lag Livineia auf ihrer Liege im Garten und ließ sich von einem Sklaven Luft zufächern. Dies im Übrigen schon eine ziemlich lange Weile. Glücklicherweise war die Patrizierin nicht in der Lage sich darüber Gedanken machen zu müssen, dass diese stetige Haltung der Arme irgendwann zu schmerzen begann. So war das eben - sie war als privilegierte Frau geboren worden und dieser Sklave eben als... Sklave. Er hatte keinen anderen Sinn als zu dienen, er konnte nichts anderes. Jeder musste mit der Rolle zurechtkommen, die für ihn ausersehen wurde. Er musste mit der geringen Bürde leben, kleinere Dienste verrichten zu müssen. Und sie, ja, sie musste mit der Bürde leben, die es bedeutete, adlig zu sein. Eine große Verantwortung, ganz besonders als Mitglied der Gens Claudia. Sie waren keine unbedeutenden plebejischen Emporkömmlinge die nun für eine kurze Weile das politische Parkett betraten, nur um nach wenigen Jahren oder Jahrzehnten wieder zu verschwinden. Die Gens Claudia war von wahrer Größe und ohne Zweifel würde man noch in tausenden Jahren voll Hochachtung von ihnen sprechen. Wohl weniger von ihren, Livineias großen Taten. Frauen waren nicht dazu ausersehen, große Taten zu vollbringen. Sie musste sich damit bescheiden, nicht durch Skandale aufzufallen und den Ruhm der Familie im Hintergrund zu mehren, indem sie beispielsweise ihrem Bruder half. Dem einzigen Bruder, der ihr noch verblieben war.
"Titus, mir ist warm. Ich bekomme Kopfschmerzen, wenn mir warm ist. Du willst nicht, dass ich Kopfschmerzen bekomme." Die Wahrheit war, dass sie längst Kopfschmerzen hatte. Viele Dinge über welche sie nachdachte bereiteten ihr Kopfschmerzen. Die Hitze bereitete ihr Kopfschmerzen - es war eine unangenehme, schwül-warme Luft. Es war kein wunder, dass es ihr heute so schlecht ging. Und dieser dämliche Sklave brachte es nicht einmal fertig, ihr Wohlbefinden ein wenig zu besser.
Titus - der Sklave - besaß eine dunkelbraune, fast schwarze Haut. Er kam irgendwo aus dem Süden, woher wusste sie allerdings nicht. Es war ihr auch egal. Eigentlich hieß er auch nicht Titus. Als sie ihn damals erworben hatte, hatte er ihr seinen Namen genannt. Es war recht lang gewesen. Sie hatte sich nicht mit so einem komplizierten Namen belasten wollen, doch selbst wenn sie sich nur eine Kurzform hätte merken müssen: Sie hatte keine Lust. Ein kurzer Blick auf seine starken Arme und sie hatte ihn einfach Titus genannt. Es war doch nicht ihre Sorge, wie er früher einmal geheißen haben mochte, oder? Für ihn war es auch gänzlich uninteressant. Er würde die Sklaverei kaum mehr verlassen und solange er wusste, dass er mit 'Titus' gemeint war, wenn sie ihn anrief, war der Sinn und Zweck des Namens doch auch erfüllt.
Unwohl räkelte sie sich ein wenig und ließ ein leidendes Seufzen vernehmen. Sie nahm das feuchte, weiße Tuch von ihren Augen, drehte es ein wenig und blinzelte leicht in die Sonne. Es waren ein paar wenige Wolken am Himmel, aber hoffen ließ das nicht. Den Kopf wieder nach hinten sinken lassend legte sie das Tuch nun wieder auf die obere Partie des Gesichts und genoss die kühle, lindernde Wirkung einen Moment lang, ehe der Effekt nicht mehr weiter auffiel.
"Du hast es wirklich gut, weißt du? Du musst nicht denken und hast nicht einmal schwere, körperliche Tätigkeiten zu verrichten. Viele Sklaven würden möglicherweise töten, um mit dir tauschen zu können." Sie plauderte ein wenig mit dem Sklaven, vermutlich ein Nubier. Eine Antwort erwartete sie nicht unbedingt, sie hörte sich lieber selbst ein wenig reden als komplizierte Konversation zu betreiben. "Du musst nichts tun als hier zu stehen und zu wedeln - das solltest du langsam außerdem ein bisschen besser machen, wenn du nicht willst, dass ich unzufrieden werde. Ach Titus, diese Kopfschmerzen, diese Hitze... Da wo du herkommst, war es sicherlich noch heißer, oder?"