Mit versteinerter Miene, reglos, taub für den Geifer des blutrünstigen Pöbels hatte sich Malleus über die wogenden Köpfe hinweg das Spektakel angesehen. Obgleich noch keine drei Stunden verstrichen waren, seit er das Stadttor passiert hatte, begann er bereits, seinen Abstecher in's Municipium zu bereuen. Wäre nicht noch das eine oder andere zu regeln gewesen – er hätte stehenden Fußes kehrt gemacht. Nach insgesamt elf Monaten Aufenthalt im freien Teil Germaniens und allein schon sechsundzwanzig Tagen Heimreise durch dünn besiedeltes Stammesgebiet war er den städtischen Trubel nicht mehr gewohnt, und ob er sich noch einmal daran gewöhnen wollte, erschien ihm nach dem eben Gesehenen mehr als fraglich.
Nicht die Folter selbst war es, was ihm bei der unwürdigen Darbietung sauer aufstieß, Folter an sich war lediglich ein Instrument, ein Werkzeug, ein probates Mittel, um Unheil zu vermeiden. Auch er selbst hatte gefoltert, viele Male. Mochten die Götter wissen, wie viele verstockte Idioten ihm im Laufe von fünfundzwanzig Jahren Grenzdienst durch die Hände gegangen waren, Eravisker, Jazygen, Daker und anderes Geschmeiß. Er hatte auf Befehl gefoltert oder nach eigenem Ermessen. Gestandene Männer, junge Männer, alte Männer, vereinzelt auch Frauen. Eines aber hatte er nie getan – er nicht, und auch keiner seiner Kameraden: Priester, Heiler oder Seher misshandelt. Was hier soeben geschehen war, konnte ihn daher nur abstoßen.
Um die männlichen Gefangenen, seien es nun Krieger oder Bauern, war es nicht schade. Zumal es sich nur um dreckige Chatti handelte, für die Malleus ohnehin nichts als Verachtung übrig hatte. Möglich, dass es um die Frau ebenso wenig schade war, aber darum ging es nicht. Sie war eine Völve. Eine Chattin zwar, aber dennoch eine Völve. An den Grenzen – und auch der Rhenus floss noch immer durch Grenzland – gab es ein paar ungeschriebene Gesetzte, deren Missachtung man tunlichst vermeiden sollte. Es sei denn, man wollte riskieren, dass sich Stämme vereinigten, die sich unter anderen Umständen spinnefeind waren. Man brannte ihre Wälder nicht nieder, man schändete nicht ihre Gräber und man vergriff sich nicht an Goden und Völven. Die Männer der Auxilia, zum Großteil selbst Söhne der Stämme, wussten das. Nur die Romani vergaßen es ab und an. Es war ein Fehler gewesen, die Völve öffentlich zu martern, vielleicht sogar ein Riesenfehler, das würde sich noch weisen. In jedem Fall aber hatte Rom damit weniger seine Macht demonstriert als vielmehr seine Ignoranz.
Kopfschüttelnd schwang Malleus den Sack mit den Einkäufen auf die Schulter und bahnte sich brummend seinen Weg durch die dicht gedrängten Schaulustigen. Weg von der Mitte des Forums, hinüber zu den aufgereihten Reitern seiner einstigen Waffengattung in Richtung Südtor. Fast hätte er aus einem zutiefst verinnerlichten Reflex heraus vor den Equites salutiert, stapfte dann aber wortlos an ihnen vorüber. Nach ein paar Schritten hielt er fluchend inne, drehte sich noch einmal um und warf einem der Reiter einen abschätzigen Blick zu. „Gelungene Vorstellung, Kamerad. Ich hoffe, ihr wisst, was ihr tut.“