Helvetius Curio – Ein neuer Pontifex für Mogontiacum?

  • Auch in dieser Sitzung des Ordo Decurionum gab es wieder viel zu diskutieren, was vor allem den Vorfällen der letzten Zeit aber auch den kommenden Dingen geschuldet war. Nach einer kurzen Pause ging es um den letzten Tagesordnungspunkt: Bewerbungen, Ernennungen und so weiter.


    So stand der duccische Flamen auf und richtete das Wort an die anderen Würdenträger. "Werte Decuriones. Schon vor vielen Monaten nach meiner Ernennung zum Flamen Divi Augusti war es mir ein Anliegen und ein längst überfälliger Schritt, Iullus Helvetius Curio als neuen Pontifex zu ernennen, damit er als mein Nachfolger das Collegium Pontificium des Cultus Deorum Provinciae Germaniae komplettiert. Leider erkrankte Helvetius unglücklicherweise und musste sich auf das Land zurückziehen, um an der frischen Luft außerhalb der Stadt genesen und sich regenerieren konnte. Voller Tatendrang und der gesicherten Fürsprache des Cultus Deorum steht er nun heute vor euch, um auch eure Zustimmung zu erbitten." Er machte eine kurze Pause, bevor er seinem Klienten und Schwiegersohn das Wort erteilte. "Helvetius, du hast das Wort." Die Ansprache war notwendig, aber sollte reine Formsache sein. Zufrieden setzte Phelan sich neben seinen Vetter, nickte diesem zu und deutete Curio, anzufangen.

  • Es war nicht viel Zeit vergangen, bis Curio nach seiner Rückkehr in die Stadt auch schon wieder in voller Bürgertracht in den Sitzungssaal der Curia trat. Wenige Tage hatte er Zeit gehabt, eine entsprechende Rede für den heutigen Tag zu schreiben und diese gleichzeitig zu memorieren. Es war vor allem der Kunstfertigkeit seiner Berater zu verdanken, dass die noch immer stotteranfälligen stimmlos-plosiven Ps nur wenig Raum in seiner Rede eingeräumt worden war, doch zuvor galt es natürlich erstmal die üblichen Formalia abzuarbeiten. Berichte über Berichte, darunter vieles, was für den Helvetier neu, und teilweise überraschend kam, was er aber lediglich mit stoischer Ruhe quittierte und sich bei seinem Abstimmungsverhalten an dem Block der Duccier orientierte, da er beileibe nicht genug Zeit gehabt hatte, sich intensiv mit jedem einzelnen Thema zu beschäftigen, das heute Eingang in die Tagesordnung gefunden hatte.


    Erst als sein Schwiegervater das Wort ergriff, wurde sein Blick aufmerksamer und seine Körperhaltung aktiver Er blickte sich um, ob er bereits irgendwelche Reaktionen ausmachen konnte, erhob sich letztlich jedoch, als der amtierende Duumvir ihm nach der Einladung von Verus das Wort erteilte. Er atmete einmal durch, befeuchtete die Lippen und sprach mit der üblichen getragenen Stimme, die er sich während seiner Abwesenheit mühsam zurückgeholt hatte.


    Werte Väter unserer Stadt!
    Die P..pax deorum ist seit jeher eine der wichtigsten Säulen unserer Gesellschaft. Alle Bürger des Reiches sind dazu angehalten, die guten Beziehungen zwischen der Rep…publik und den Göttern zu pflegen, sei es im privaten Kult an den Hausaltären unser aller Heime oder in den vielen Temp…pelanlagen in unserer Stadt. Die Wohnungen der Götter, egal auf dem Cap…pitolium, ob auf dem Haus unserer Stadtschutzgottheit oder in den kleinen Lararien an den Straßenkreuzungen unserer Stadt. Immer wieder kommt die Familie zusammen, um den Göttern Dank zu sagen oder sie um Hilfe zu ersuchen. Wir alle wissen, dass wir uns auf die Götter verlassen können, ebenso wie die Götter wissen, dass sie in uns loyale Unterstützer haben, die ihnen die Verehrung zukommen lassen, die ihnen zusteht.


    Er machte eine kurze Pause, ob dieses eher allgemeinem Referats über die Grundzüge des römischen Kults, bevor er fortfuhr.


    Hier in Germania haben wir es darüber hinaus mit einer besonderen Herausforderung zu tun, da sich hier zugleich verschiedenste Kulte treffen, seien es die stadtrömischen Kulte, die ganz im Sinne der Religio Romana agieren und ihre Opfer darbringen, seien es die Kulte, die schon lange in unsere Gesellschaft Eingang gefunden haben, wie der Kult der großen Mutter, der auch hier ein Heim gefunden haben, aber eben auch die Kulte der hier wohnenden Kelten und Germanen. Hier treffen verschiedenste Kulturen und bringen es fertig, in friedlicher Miteinander ihren eigenen Kulten nachzukommen, ohne sich gegenseitig in Frage zu stellen, sondern sich vielmehr zu einem Großen und Ganzen verbinden und damit etwas fertigbringen, was uns alle neue und unbekannte Sichtweisen eröffnet. Es ist die eigentliche Errungenschaft der römischen, germanischen und keltischen Kulturen, in einem solchen Sammelbecken zu leben, ohne sich gegenseitig in Frage zu stellen.


    Die vergangenen Worte waren schon seit langem ein grundsätzliches Prinzip des Helvetiers, das durch die Heirat mit Silvana nur noch unterstrichen worden war. Es war keine rein römische und keine rein germanische Hochzeit gewesen, sondern eine Verbindung traditionellen Hochzeitszeremonien, die sich zu einem befriedigenden Ganzen verbunden hatte.


    Der ehrenwerte Flamen Divi Augusti, mein Schwiegervater und ehemalige P…pontifex unserer Stadt hat mir nun die Ehre zuteilwerden lassen, mich für einen freien Sitz im Collegium P…pontificium unserer Stadt vorzuschlagen und es wird mir, solltet ihr mich für würdig erachten, dieses Amt übernehmen zu dürfen, ein Anliegen sein, eben jene Errungenschaften zu fördern. Seit jeher muss es uns darum gehen, das Miteinander der Kulturen zu fördern, anstatt ein Gegeneinander zu fördern, das am Ende nur in unnötigem und grässlichem Blutvergießen enden kann. Stattdessen kann es mir nur darum gehen, Verständnis zu fördern, aber gleichzeitig klar zu formulieren, worin die Eigenarten der Religio Romana liegen und sie als die entscheidende Denkrichtung innerhalb des Römischen Reiches zu vertreten.


    Damit hatte er dann auch einen weiteren Grundsatz vorgestellt. Trotz allem Verständnis und Versuchen, die übrigen Kulte in ihrer Gesamtheit zu integrieren, war - und blieb! - der römische Kult der eigentliche Maßstab, sozusagen die Leitkultur des Lebens hier in der Stadt und der Provinz.


    Werte Väter unserer Stadt, ihr kennt mich als engagiertes Mitglied meiner Kultgemeinschaft, wisst, dass ich mich in bislang zwei städtischen Ämtern bewiesen habe und habt an meinen Amtshandlungen als Aedituus, wie auch in der städtischen Verwaltung sehen können, dass ich der P…pax deorum in meinem Leben eine großen Stellenwert einräume und bitte euch nun darum, mir zu ermöglichen euch, wie auch die Bürger unserer Stadt, in ihren kultischen Pflichten zu begleiten und zu beraten, und mich in das Collegium P…pontificium zu wählen.


    Es war ein unglücklicher Umstand, dass das Amt, das er anstrebte ausgerechnet eines war, an dem er an einem P nicht vorbeikam. Nun, aber das war ja nun leider so. Nach einer kurzen Pause nahm er wieder Platz und blickte sich erneut unter den
    Decurionen um. Er rechnete mit Gegenstimmen, die für ihn so sicher waren wie das Untergehen der Sonne.

  • Witjon war sehr erfreut über Curios Rückkehr. Er mochte den jungen Helvetier, der so strebsam und engagiert war. Und natürlich war er Teil der Sippe. In Curios Familienzweig war er außerdem gegenüber Runa das ausgleichende Pendant, stand für Geduld und Vernunft gegenüber Temperament und Starrsinn. Umso mehr unterstützte Witjon deshalb auch Curios Kandidatur für die Position des Pontifex.


    "Meine Unterstützung hat Helvetius", gab er deshalb auch zu Protokoll, ersparte den Anwesenden nach der Rede des Helvetiers aber lieber eine weitere langatmige Ausführung.

  • Memmius Pomponius Agrippinus


    Es gab noch einige Wortmeldungen von dieser und jener Seite, auch kritische Stimmen. Einige Decuriones standen den Duccii noch immer feindlich gegenüber, die deshalb ihre Zustimmung zur Helvetius' Ernennung nicht geben wollten.


    So oder so verkündete der Duumvir schließlich: "Kommen wir also zur Abstimmung."




    NDM

  • Einer der Anwesenden ergriff das Wort. Nur weil die Duccier den Mann unterstützen und ihn versuchten aufgrund seiner Bindung zu ihrer Familie in die Stellung zu hieven, hieß das noch lang nicht, dass alle Anwesenden abnickten. Im Gegenteil es gab schon einige die der Meinung waren, dass die Duccier zu übermächtig wurden. Und hier und heute sah er einen guten Angriff Punkt.
    Du sprichst davon, dass Religio Romana die entscheidende Denkrichtung sein sollte. Dem stimme ich zu, dennoch kann ich deinen Worten nur mäßig glauben schenken. Es ist doch deine Frau, die jene Denkrichtung der Barbaren vertritt und sie fördert. Auch hat sie schon lange ihren Dienst im Tempel nicht mehr wahrgenommen. Deine Frau ist es, die deine Worte hier wie blanken Hohn klingen lässt, denn so wir mir zugetragen worden, ist sie für viele Teile der Bevölkerung inzwischen zu einer Ansprechpartnerin und Beraterin in dieser barbarischen Religion geworden.“ Er sah den Helvetier bei diesen Worten mit offener Feindseligkeit an. „Es ist deine Frau, die auf dem besten Weg ist die Religio Romana in den Hintergrund treten zu lassen. Du hast sie bisher nicht an ihrem Treiben gehindert.“ Das der Helvetier sich zu Genesung zurückgezogen hatte, wusste er zwar, war ihm aber herzlich egal. Der Mann dort hatte versagt, er hatte seine Frau nicht in ihre Schranken gewiesen. Aus welchen Gründen war nicht von belang, so lange er hier verhindern konnte, dass ein weiterer Günstling der Duccier in ein Amt gelangte. „Sie stellt ihre Abneigung offen zur schau, dass konnten wir unlängst auf dem Forum alle erleben wie sie die barbarischen Götter anbetete.“ Und niemand hatte etwas dagegen unternommen, was in seinen Augen ein Unding war. Wäre das seine Frau gewesen, dann hätte er sie an den Haaren vom Forum geschleift und es ihr eingebläut, wie sie sich zu verhalten hatte. Aber diese Duccia ließ man gewähren. Ihm war sogar zu Ohren gekommen, dass sie sich aktuell bei diesen Barbaren befand.
    „Nun Helvetius dürfen wir davon ausgehen, dass du deine Wahlversprechen hier wahrmachst und deine Frau zur Vernunft bringst? Was gedenkst du zu tun?“




    HM

  • Wie erwartet gab es einige laute Gegenstimmen, darunter insbesondere eine, die ihn - wie ein wenig erwartet - mit den Handlungen seiner Frau konfrontierten. Er war nicht hier gewesen, als Silvana sich so offen zu ihren germanischen Wurzeln bekannt hatte, doch hatten ihm seine Verbündeten vor der Sitzung bereits zu verstehen gegeben, womit er wohl zu rechnen hatte. Die Wortmeldung selber war jedoch dermaßen destruktiv, dass er auf seinem Platz nur den Kopf schütteln konnte und sogar aus einigen Ecken lautstarken Protest von germanisch- und keltischstämmigen Decurionen wahrnahm. Erneut ließ er sich daher das Wort erteilen.


    Meine Frau, ebenso wie einige führende Decurionen, die mit uns hier im Sitzungssaal anwesend sind - was du ja grade mehr als deutlich hören konntes - pflegen die alten germanischen Zeremonien und Kulthandlungen, ebenso wie ich dir, werter Decurio, aus dem Stehgreif eine ganze Liste anwesender Decurionen nennen könnte, die noch die keltischen Zeremonien und Kulthandlungen pflegen. Es ist genau der falsche Weg, hier ein Entweder-oder zu p…postulieren. Bei meiner Tätigkeit im Tempel des Ap…pollo Grannus Mogon hatte ich täglich mit Opfernden mit den verschiedensten kulturellen Hintergründen zu tun und genau deswegen gehört es wie selbstverständlich zur Ausbildung der hier in der Stadt tätigen Beamten des Cultus Deorum dazu, dass sie sich in allen Kulten zumindest so sicher bewegen können, dass sie auch den Kult zum Beispiel des Grannus oder des Leucetius in einem würdigen und angemessenen Rahmen durchführen können. Die Religio Romana war stehts offen für andere Kulte, weil die wichtigen P…persönlichkeiten des Reiches schon immer wussten, dass Kulte eine integrative und keine exklusive Funktion haben sollen.


    So viel zum Miteinander der Kulte. Es ging hier schon lange nicht mehr um ein Gegeneinander der Kulte und wer dieses forderte, tat nichts weniger, als den Frieden der Provinz zu stören. Es war für Curio immer wieder erschreckend, dass es dennoch führende Kopfe zu geben schien, die genau das intendierten.


    Daher ist die Frage, ob ein einzelner Mensch nun die römischen, die germanischen, die keltischen oder Götter aus anderen Kulturkreisen verehrt, absolut irrelevant, sind sie doch alle nur P..personifikationen derselben Gottheiten, die im ganzen Reich verehrt werden. Freilich bewegen wir uns hier bereits tief in theoretischen religiösen und philosophischen Rahmen, aber dennoch sollte auch dir bewusst sein, werter Decurio, dass sich eine Verehrung von Iuppiter und Wodan, von Mars und Tyr, von Victoria und Nemetona oder von Ap…pollo und Grannus eben nicht gegenseitig ausschließen, sondern ist vielmehr guter kultische Praxis in allen Tempeln unserer Stadt.


    Curio betonte jeden einzenen Götternamen und legte besondere Intensität in die letzten Worte dieses Teil, um auch noch dem letzten ignoranten Decurio einzuhämmern, dass sie schlicht und einfach die falschen Fragen stellten.


    Meine Frau, das kann ich euch versichern, stellt die Verbindung von Religio Romana und der germanischen Kultpraxis, die Interpretatio Romana und die geistige Führerschaft des Cultus Deorum nicht in Frage. Womöglich pflegt sie die germanische Kultpraxis besonders intensiv. Aber wenn du ihr daraus einen Vorwurf machen möchtest, kannst du dich genauso gut vor das Heiligtum der Großen Mutter oder vor das Legionslager stellen und die Kultanhänger der Kybele oder des Mithras anklagen – oder dich gleich auf das Forum stellen und die keltischen und germanischen Kulthandlungen anp...prangern, doch weißt du genauso gut wie ich und jeder andere hier im Saal, dass du dafür nicht beklatschst, sondern höchstens als realitätsfremd belächelt wirst.


    Er konnte es ja mal versuchen. Weit kommen würde er damit nicht. Stattdessen sollte der Decurio mal einen Tag im Tempel des Mars Leucetius oder des Apollo Grannus Mogon verbringen, um zu sehen, dass seine Vorwürfe spätestens an der Realität scheitern.


    Nichtdestotrotz gilt die höchste Autorität dem Cultus Deorum und seinen Beamten und wer die anderen Kulte dafür missbraucht, die staatliche Autorität in Frage zu stellen und seinerseits Hass und Zwietracht sät, der muss damit rechnen, dass ihm die staatlichen Autoritäten mit aller Macht entgegentreten. Der Versuch, meine Frau in eine Reihe mit solchen Kreaturen zu stellen, ist allerdings schlicht haltlos und absurd.

  • Der Decurio lächelt nur müde bei dem Versuch des Helvetiers. „Du missdeutest meine Worte. Ich bin keinesfalls gegen ein miteinander. Nur stellt deine Frau eben jene Autorität in Frage. Du warst länger nicht da und hast nichts von den Unruhen in der Stadt mitbekommen. Und deine Frau war eine derjenigen, die diese Unruhen noch befeuerte. Sie stellte sich öffentlich gegen die Autorität Roms und kniete für eine Sklavin öffentlich auf dem Forum.“ Ja das hatte jeder sehen können und er hatte nah genug gestanden um zu sehen, das es die Duccia war die den Impuls zu diesem stummen Protest gegen Rom gesetzt hatte. Erst hatte er es nicht glauben können, doch dann wurde ihm wieder bewusst, dass die Frau des Helvetiers ja zur Hälfte Barbarin war. Damit bestätigte sich seine Meinung mal wieder egal wie sehr sie es versuchten diese Barbaren waren und blieben Barbaren. Seit seine Ahnen in der Schlacht des Varus gefallen waren, traute er eh keinem dieser Barbaren mehr sie waren in seinen Augen durch und durch schlecht und die Frau des Helvetiers versteckte ihre babarische Seite nicht mal nein seit neustem lebte sie sie ja öffentlich aus. Erst neulich hatte er sie gesehen und kaum erkannt in ihrer Aufmachung.
    Und so legte er noch mal ordentlich nach. „Deine Frau ist es, die nicht an einem Zusammenleben der Kulte interessiert ist. Erst neulich hörte ich wie sie sagte, dass nur der Kultus der Barbaren derjenige ist dem man folgen sollte.“ Das stimmte zwar nicht, aber wie sollte der Helvetier ihm das Gegenteil beweisen? Seine Frau war nicht hier, die war weit weg im Barbaricum. „Also was gedenkst du gegen jene zu unternehmen, die die staatliche Autorität in Frage stellen. Oder sind deine Worte hier nur leere Hülsen, mit denen du uns einlullen willst, damit wir dir unsere Stimme geben?“


    HM

  • Was bildete sich dieser Schnösel eigentlich ein! Curio ballte seine Hände zu Fäusten und er wüsste ziemlich genau, hätte hier jemand so über seine Mutter gesprochen, sein Vater wäre gleich aufgesprungen und hätte dem Kerl seine Vitis in die Magengrube geprügelt. Und je lauter der Kerl wurde, desto schwerer fiel es Curio sitzen zu bleiben und ihn gemäß der Regeln des Hauses zu Wort zu erlassen. Dennoch verdunkelte sich seine Mimik mehr und mehr und bei jedem Angriff, jeder Beleidigung seiner Frau. Der Helvetier kochte und sein Geduldsfaden wurde kürzer und kürzer. Sein Nebenmann, ein anderer ehemaliger Aedil aus der Fraktion der der Duccier, wollte ihn noch zurückhalten, hielt ihn am Arm fest und zupfte an seiner Toga, die dadurch an einigen Stellen noch mehr Falten bekam, an anderen aber glattgezogen wurde. Das Raunen, das dabei entstand, zeigte deutlich, dass hier eine Grenze überschritten worden war und je mehr Augenpaare sich auf den Helvetier richteten, desto schwieriger fiel es ihm, seine entspannte Fassade aufrecht zu erhalten. Diesem Dreckssack gehörte das Maul gestopft. Ein für alle Mal!


    Curio schüttelte den Arm seines Nebenmannes ab und erhob sich ruckartig und mit hochrotem Kopf, um dem vorsitzenden Duumvir nachdrücklich anzuzeigen, dass er das Wort wünschte und übersah dabei vollkommen, dass sich ein weiterer Decurio unter den ehemaligen Aedilen erhoben hatte, der aber eine deutlich prominentere Stellung innehatte. Curio öffnete schon den Mund, als er die schneidende Stimme des Vorsitzenden hörte, der das Rederecht vergab. Als Curios Name jedoch nicht fiel, blickte er wutentbrannt zum Podium hinauf, sah dann aber, wer sich ebenfalls erhoben hatte und ließ sich behutsam von seinem Nebenmann wieder auf seinen Platz ziehen.

  • Das lief ja alles wie am Schnürrchen. Phelans Klient und Schwiegersohn hielt seine Rede und das exzellent - besser hätte er selbst es nicht machen können. Wegen einer Sache allerdings, die überhaupt nichts mit dem Inhalt Curios Rede zu tun hatte, blickte der Flamen etwas besorgt zu seinem Vetter. Der Junge hatte immer noch Probleme mit der Aussprache eines Buchstabens, nachdem er damals diesen Vorfall bzw. Unfall hatte. "Verdammte Axt." nuschelte er Witjon mit vorgehaltener Hand zu. Dem Jungen würde das nicht den Strick drehen, aber als Pontifex würde er vor allen Menschen der Stadt bei Staatsopfern beten müssen, bis dahin sollte diese Sache "behoben" sein.


    Letztlich stimmte der Duccier in den Applaus mit ein, den der Helvetier bekam und der Duumvir wollte schon zur Abstimmung aufrufen, als sich einer der berüchtigten Anti-Duccii-Decuriones erhob und das Wort gegen seinen Schützling richtete. "Verdammt." nuschelte er wieder seinem Vetter zu. "Ich wusste, dass uns das auf kurz oder lang gegen den Kopf geschleudert wird." Seine Tochter bereitete ihm elendes Kopfzerbrechen, sie entglitt ihm völlig. Er hatte ihre "Leine" länger gelassen in letzter Zeit und hatte gehofft, dass sich diese rebellische "Phase", die eigentlich nur Jungspunde in jugendlichem Alter hatten, deren Testosteronspiegel rasant gestiegen war, legen würde.


    Zur großen Überraschung schlug sich Curio gut, verdammt gut. Er vernichtete den Opponenten und führte ihn vor, indem er seine destruktiven Worte nach und nach auseinander nahm, sodass viele Decuriones, auch die, die nicht per se zum duccischen Lager gehörten, lautstark zustimmten. Zufrieden nickte Phelan seinem Vetter zu. Gerade wollte der Duumvir wieder zur Abstimmung aufrufen, da ergriff der feindselige Decurio wieder das Wort.


    Im Unterschied zu seinen vorherigen Worten, gingen diese zu weit. Nicht nur Curio kochte vor Wut, sondern auch der Flamen. Im Gegensatz zu Curio hatte er sich allerdings - nach außen hin - im Griff. Die Jahre lange Erfahrung zahlte sich in solchen Momenten eben aus. So er hob er sich und richtete das Wort an den Sohn einer garstigen Sau.


    "Decurio." fing Phelan an und ließ dieses Wort einige Sekunden in Raum stehen, bevor er weitermachte, um allen im Saal noch einmal zu verdeutlichen, dass dieser Mann ein Decurio Mogontiacums, ein Municeps Mogontiacums war, der derartige absurde und für diese Stadt untragbare Ansichten vertrat. "Solange du Menschen anderer Kulturen und Religionen nicht akzeptierst, bist du sehr wohl gegen ein Miteinander. In deiner Arroganz und deinem... was ist es, vermutlich Neid?... verschließt du deine Augen vor der Realität und maßt dir an als Decurio und Municeps Mogontiacums in diesen Hallen derartige Worte zu finden, wo doch viele von uns eben keinen rein römischen Hintergrund bzw. Ursprung haben." Er machte eine kurze Pause, bevor er sich den Anschuldigungen an seine Tochter widmete. "Du hast Recht, Decurio. Meine Tochter besinnt sich seit einiger Zeit wieder mehr auf die Götter ihrer Ahnen. Ist das verwerflich? Nein, denn wir gewähren jedem Menschen in dieser Stadt die Möglichkeit, seinen Glauben auszuleben und zu praktizieren." Was er dann noch anfügte, kam vermutlich für alle etwas überraschend. "Darf eine Bürgerin Mogontiacums nicht ihren Mitbürgerinnen und -bürgern durch Gebete in schweren Zeiten, wie wir sie jüngst erlebt hatten, helfen? Das darf sie. Stellt sie sich damit gegen die Autorität Roms? Nein, das tut sie nicht." er machte eine kurze Pause "Bevor du allerdings Lügen über Duccia Silvana, Tochter eines Decurios Mogonitacums und des Flamen Divi Augusti der Provinciae Germaniae Superioris und Frau von Iullus Helvetius Curio, pflichtbewusster Magistrat, Decurio und in wenigen Momenten so wahr ich hier stehe Pontifex dieser Stadt sein wird, Lügen verbreitest, um deinen jämmerlichen Diffamierungsversuch zu stützen, teile ich dir und allen hier Anwesenden offiziell mit:..." und dann ließ er die Bombe platzen "Meine Tochter wird nicht länger als Aeditua ihren Dienst im Cultus Deorum verrichten, sondern dieses Amt niederlegen." Natürlich war das überhaupt nicht mit Runa abgesprochen, aber ihr Vater hatte das in diesem Moment entschieden und sie würde sie fügen müssen, ohne Diskussion. Es war die einzige Möglichkeit seinen Klienten und Schwiegersohn aus diesem Kreuzverhör zu befreien und diesen Skandal, den seine Tochter ihnen eingebrockt hatte, ein für alle mal zu beenden.


    Stille, es herrschte erst einmal nur Stille, denn damit hatte keiner gerechnet. Auch der feindselige Decurio war stumm, was sollte er darauf noch sagen? Er hatte doch eigentlich das bekommen, was er wollte. Phelan war zwar realtiv ruhig dafür, dass seine Tochter von diesem Hundesohn öffentlich diffamiert wurde, allerdings wollte er es dabei nicht belassen.


    "Nun, als Bürger, Municeps und Decurio dieser Stadt und als Flamen unserer Provinz im Dienste unseres ehrwürdigen Kaisers unterstreiche ich noch einmal mein Unbehagen hinsichtlich dieses Mannes in unseren Reihen hinsichtlich seiner kulturellen und religiösen Einstellung und fordere euch hiermit, werte Decuriones, dazu auf, darüber nachzudenken, ob der Ordo für diesen Mann noch der richtige Ort bzw. das richtige Betätigungsfeld zum Wohle unserer Stadt ist." Er setzte sich wieder neben Witjon und wartete die Reaktion der restlichen Decuriones ab. Im Prinzip war das, wozu indirekt aufgefordert hatte, die Entlassung dieses Mannes aus ihren Reihen.


    Sollte es auf offiziellem Wege nicht klappen... nun ja. Der junge Duccius Verus hätte vor vielen Jahren vermutlich nicht gedacht, dass ihm im fortschreitenden Alter derartig böse Gedanken kommen würden, aber der alte Duccius Verus würde dann eben auf inoffiziellem Wege dafür sorgen, dass dieser Mann nie wieder diese Halle betritt noch irgendwem seiner Liebsten schaden könnte.

  • Es gab immer noch Gemurre, aber wenigsten war schon mal eine Duccia weniger in Amt und würden. Einanfang, wen auch nur ein kleiner. Aber immerhin war nun ein Anfang gemacht. Die unterschwellige Drohung des Ducciers verpuffte. Natürlich würde man diese Mann nicht des Ordos verweisen. Nein man brauchte diesen Man, der sich nicht zu schade war offen den Ducciern die Stirn zu bieten. So nahm dieser Mann nun auch eine selbstbewusste Haltung ein und grinste den Duccier und seinen Schweigersohn selbstgefällig an. Natürlich würde er gegen den Helvetius stimmen, so wir alle anderen auf seiner Seite auch. Auch wenn es nicht reichen würde, aber heute hatten sie angefangen einen Stachel zu setzen und dieser würde von nun an immer tiefer gestochen werden.







    HM

  • Natürlich überließ Curio seinem Patron den Vortritt, schließlich gehörte es zum Prozess des Ordo Decurionum, dass die dienstälteren und ranghöheren Mitglieder den jüngeren beim Rederecht vorgezogen wurden. Es war im Übrigen auch bezeichnenden, dass die Gegner der Duccier eben nicht versuchten, die Entscheidung zu verhindern, indem sie ihre hochrangigen ehemaligen Stadtbeamten zusammenzogen und die Wah durch absurde Dauerreden zu verhindern. Destruktiv waren sie nicht, aber stänkern wollten sie offensichtlich trotzdem und der junge Helvetier hatte alle Mühe, die Angriffe auf seine Frau so im Raum stehen zu lassen. Wenigstens setzte sich Verus nun damit auseinander und er tat es in aller gebotenen Schärfe. Auch wenn Curio immer noch brodelte, wanderte sein Blick nun zurück zu dem Decurio, der selbstgefällig auf seinem Platz saß und die Angriffe über sich ergehen ließ. Es lief alles, sollte man meinen.


    Zum Ende der Rede schnellte Curios Kopf aber zurück zu seinem Schwiegervater. Was hatte derr da grade getan? Er wollte seine Tochter aus dem Cultus Deorum entfernen? War das nicht sogar ein Eingeständnis und zugleich die Untergrabung von Curios Einlassungen? Hinter Curios Stirn arbeitete es. Doch als der Blick des Duumvirs seinen traf, schüttelte er nur den Kopf. Er konnte jetzt nicht das Wort ergreifen, sondern musste die Rede von Verus als letztes Wort in dieser Angelegenheit stehen lassen. Wie allerdings Silvana darauf reagieren würde, Curio hatte keine Ahnung.

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