Res Gestae des Praetor Urbanus Herius Claudius Menecrates

  • Ein weiterer scheidender Magistrat, der sich auf die heutige Rednerliste hatte setzen lassen, war Herius Claudius Menecrates. Als bald ehemaliger Praetor hatte er einen recht hohen Rang und bekam daher einen günstigen Redetermin. "Wir hören nun den Tatenbericht des Kollegen Claudius Menecrates für seine Amtszeit als Praetor Urbanus."

  • Er erhob sich, als er aufgerufen wurde. Das Gerüst der relevanten Punkte im Kopf, würde er frei formulieren und teils spontan erweitern oder kürzen. Er räusperte sich, weil all die Jahre der Übung die Aufregung zwar minimierte, aber nicht eliminierte.


    "Patres Conscripti, ich stehe heute vor euch, um über mein Wirken innerhalb der Amtszeit als Praetor Urbanus zu berichten.
    Anders als bei meiner letzten Res Gestae gibt es - abgesehen von ein, zwei Besonderheiten - nichts Herausragendes zu berichten. Weder gab es Anlass für mich, das Rechtssystem auf den Kopf zu stellen, weil es sich in der Anwendung als impraktikabel erwiesen hatte noch gab es eine übermäßige Anzahl von Klagen, um es überhaupt auf Schlüssigkeit und Vollständigkeit überprüfen zu können. Das Arbeitsaufkommen während meiner Amtszeit würde ich als durchschnittlich bezeichnen. Was ich als nicht durchschnittlich bezeichnen möchte, ist der Anteil an Beweggründen klagender Bürger, der auf Neid, Missgunst und ähnliche niedere Motive zurückzuführen ist. Dieses Ausmaß war mir bisher nicht bekannt und ich nehme es als Andenken aus meiner Praetorentätigkeit in mein Privatleben mit."

    Sollte dies der gesellschaftliche Trend sein, wollte Menecrates diese Erkenntnis mit den Senatoren teilen.


    "Meine Tätigkeit begann mit dem Einlesen in Akten, der Sichtung laufender Fälle und der Kontrolle der Chronik. Letztere befand sich nicht auf dem Laufenden. Jetzt - nach dem Ende meiner Amtszeit - ist das der Fall.
    Meinen Amtsalltag füllten in der Folge die unterschiedlichsten Klageerhebungen und auch einzelne Adoptionsanträge. Nicht allen Anträgen konnte ich stattgeben bzw. wurden einzelne Anträge auch zurückgezogen, weil nicht genug bedacht wurde, welche rechtlichen Folgen eine Adoption nach sich zieht. Auch nicht alle Klageersuchen fanden aus Sicht des Klagenden einen positiven Ausgang. In diesen Fällen fehlte entweder das Vorliegen einer Straftat, denn nicht alles, was sich unrecht anfühlt, stellt tatsächlich eine Straftat dar. Oder aber den zunächst Beschuldigten traf keine Schuld, weil er -als Beispiel - von einem dritten Involvierten gestoßen wurde, der aber während meiner Amtszeit nicht gefasst wurde.

    Eine aus meiner Sicht durchaus bemerkenswerte Klage richtete sich gegen einen amtierenden Magistrat, wofür sogar die Aufhebung seiner Immunität erwirkt wurde. Ich möchte den Namen nicht nennen, weil ich viel von amtlicher Schweigepflicht halte. Ich stehe nicht vor euch, um Personen zu diffamieren, sondern um über meine Tätigkeit zu berichten.
    Dennoch, diese Klage gehört zweifelsfrei zu den eingangs erwähnten Besonderheiten. Hier trifft der von mir - ebenfalls eingangs - erwähnte Sachverhalt zu, dass niedere Beweggründe Bürger zu Klagen treiben, denn einen Schaden konnte der Klagende bei sich selbst nicht verzeichnen. Ich habe diese Klage abgelehnt, weil ich das öffentliche Interesses an der Verfolgung dieses Vergehens als zu gering einschätze. Außerdem fiel sie nicht in meinen Amtsbereich, weswegen ich sie weiter verwiesen habe."


    Den Punkt Klageerhebungen hatte er damit abgeschlossen. Es folgten die Prozesse.



    "Die zweite Besonderheit meiner Amtszeit ereignete sich bei einer Verhandlung. Bis auf jene Verhandlungssache konnte ich sämtliche Fälle mit einem positiven Ergebnis aus Aktensicht abschließen. Die Ausnahme bildete ein Prozess, bei dem mir gleich zu Beginn Befangenheit unterstellt wurde. Dass an meiner neutralen Haltung und Entscheidungsfindung gezweifelt wurde, selbst wenn meine Familie durch Verlobung und Heirat mit der gegnerischen Seite verbunden ist, hat mich durchaus getroffen. Im Interesse einer auch im Nachhinein nicht angreifbaren Urteilsfindung habe ich trotzdem in diesem Fall um meine Ablösung als Iudex Prior gebeten. Der Kaiser hat meinem Antrag stattgegeben.
    Auch in diesem Fall sehe ich charakterlich niedere Motive seitens römischer Bürger. Das Wort Befangenheit ging einher mit haltlosen Beschuldigungen. Dergleichen Äußerungen gegenüber einer im öffentlichen Leben stehenden Person stellen sogar eine Straftat dar. Ich frage mich, wo entwickelt sich unser Reich hin? Wann haben wir die römischen Tugenden verloren?"


    Er schaute in die Runde, erwartete aber keine Antwort. Stattdessen räumte er ein: "Mir ist klar, dass diese Fragestellung nicht in einen Tätigkeitsbericht gehört. Deswegen erwähne in nun den nächsten und letzten Punkt meines Berichtes: Wie es mein Amt verlangt, habe ich am Ehrentag des Herkules an der Ara Maxima ein Staatsopfer erbracht. Weil der Ehrentag zeitnah auf die Unruhen folgte, nahmen ausgesprochen viele Bürger teil, was mich sehr gefreut hat. Herkules bereitete diese Tatsache wohl ebenfalls Freude und er nahm das Opfer an. Rom hat Sühne und Dankbarkeit gezeigt und darf nun auf ein weiteres Jahr der Unterstützung des siegreichen Gottes hoffen."


    Er ließ den Satz wirken, dann schloss er an: "Ich danke für eure Aufmerksamkeit."

  • Auch Menecrates' Tatenbericht wurde vom Kaiser persönlich mitangehört. Besonders horchte er natürlich bei dem Fall gegen einen Magistraten auf. Er erinnerte sich, dass der Claudier ihm über irgendeine Unregelmäßigkeit von Flavius Scato berichtet hatte. Die Details waren ihm aber entfallen.


    Jetzt, wo er mitten im Senat saß, kam es ihm aber doch wichtig vor, in dieser Sache nicht allzu wolkig zu bleiben. Zumal Menecrates den Fall ja schon angesprochen hatte: "Claudius, vielen Dank für deinen Bericht. Ich möchte aber noch einmal auf die Klage gegen den amtierenden Magistrat zurückkommen. Ich denke, der Senat hat das Recht, die genaueren Umstände dieses Falles zu erfahren und ebenso, um wen es sich handelt." Er blickte zu Scato. "Nicht, dass der Eindruck entsteht, hier würde etwas aus irgendwelchen Gründen verheimlicht werden." Eine Schweigepflicht in diesem Sinne bestand für Klagen ja sowieso nicht. Und wer wollte, konnte sicherlich herausfinden, wer da warum verklagt worden war.

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    CENSOR - CURSUS HONORUM

    PONTIFEX MAXIMUS - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Menecrates nickte, denn auf Nachfrage würde er natürlich Einzelheiten preisgeben, auch wenn er dies lieber Scato selbst überlassen hätte.
    "Ich erläutere gern den Fall. Und keine Sorge, verheimlicht werden sollte hier nichts, denn dann hätte ich gänzlich schweigen müssen. Ich gehe vielmehr stark davon aus, dass der Betroffene in der eigenen Berichterstattung die Klage erwähnen wird."
    Menecrates blickte vom Kaiser zu Scato und wandte sich anschließend an die breite Zuhörerschaft.

    "Die von mir angesprochene Klage richtete sich gegen den Aedilis Curulis Caius Flavius Scato. Ihm wurde vorgeworfen, an das Volk verteilte Spenden anlässlich seiner erfolgreichen Wahl über einen gesetzwidrig langen Zeitraum zur Verfügung gestellt zu haben. Genau genommen bis nach seiner Vereidigung und in das erste Drittel seiner Amtszeit hinein.
    Zeitlich gesehen ist das Vergehen erheblich."
    Er machte eine Pause, weil er annahm, dass der eine oder andere nachrechnen und möglicherweise den folgenden Ausführungen dann nur abgelenkt folgen würde.


    "Aus meiner Sicht, und darauf ruht meine Entscheidung, ist es das aber weder inhaltlich - wir sprechen hier von einer wohltätigen Handlung - noch von den Umständen her. Flavius Scato erläuterte mir glaubwürdig, dass er die Waren schlicht vergessen hatte und diese nicht mit Vorsatz über die Frist hinaus anbot.
    Der Kläger, der mir keinen eigenen erlittenen Schaden benennen, geschweige nachweisen konnte, berief sich auf den § 112 Rechtsbeugung. Den Tatbestand habe ich nicht erfüllt gesehen, weil dazu ein Magistrat des Cursus Honorum innerhalb seines Amtes und aus einem Vorsatz heraus zugunsten oder zum Schaden einer Partei hätte handeln müssen. Flavius Scate stellte die Spenden jedoch noch als Privatmann zur Verfügung. Ich erachte auch das öffentliche Interesse an einer Untersuchung in diesem Fall für zu gering, um diesbezüglich eine Klage anzunehmen.
    Was ich allerdings gesehen habe, ist eine Rechtsverletzung der Lex Mercatus, weswegen ich die Angelegenheit nicht geschlossen, sondern in die Hände der Aedile abgegeben habe."


    Er blieb vorerst stehen, falls weitere Nachfragen kamen.

  • Der Consul schaute in die Runde. "Gibt es abschließende Anmerkungen? Vielleicht jemanden, der den Kollegen für eine Auszeichnung vorschlagen möchte? Ansonsten ist dieser Tagesordnungspunkt nun beendet." Man musste schließlich weiterkommen in der Tagesordnung.

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