Feierabend eines Schreiberlings

  • Carbo stolperte durch die Tür, als diese schneller als erwartet aufschwang. Nachdem er sein Gleichgewicht wieder hatte, straffte er seine Kleidung, schloss die Tür und ging im Inneren des Raumes herum, auf der Suche nach einem freien Platz.
    Heute hatte er wieder einen arbeitsreichen Tag in der Curia Mogontiaci hinter sich gehabt. Carbo fand, dass sich seine viele Mühe im Officium bald schon lohnen würde, denn langsam sah ein Ende im Chaos der alten Akten heraus. Eines Tages, wenn er den Posten als Stadtschreiber abgeben würde, würde sein Nachfolger ein wohlgeordnetes Archiv und einen übersichtlichen Arbeitsplatz vorfinden.
    Ganz soweit war Carbo natürlich noch nicht, doch wie gesagt, es wurde.


    Verständlicherweise etwas müde hatte Carbo deshalb die Taberna Silva Nigra aufgesucht, um den tag angenehm ausklingen zu lassen. Die Leute hier waren guter Laune und tranken und lachten. Genau das was der Junge jetzt brauchte. Jeder Tisch jedoch war besetzt, mit Ausnahme eines einzigen drüben bei den Fenstern. Ein Platz war dort noch frei gegenüber von jemandem, den Carbo noch nicht kannte. So ging er also hin und fragte: "Darf ich mich setzen?"


    Sim-Off:

    Wer will. :)

  • Das Tribunat Manius Minors neigte sich seinem Ende zu und schon begann der Jüngling bisweilen darüber nachzusinnen, welche Impressionen jenes fremden Landes er noch zu sammeln hatte, in dem er nun bereits beinahe ein Jahr lebte, obschon er doch fast seine gesamte Zeit innerhalb der sicheren Mauern des Castellums oder zumindest inmitten römisch geprägter Soldaten und Honoratioren gefristet hatte. Germania hatte ihn herzlich empfangen, ja weitaus herziger, als er dies für possibel gehalten hatte, doch vermochte er nicht mit Bestimmtheit zu sagen, ob er jemals wieder jene Provinz würde bereisen, wenn er in Roma den Cursus Honorum weiter durchlief, weshalb es ihm eben geboten schien, all das auszukosten und zu konservieren, was den Charakter dieses rauen Landes prägte. Auf den Ratschlag seines Cornicularius hatte er daher am heutigen Tage es unternommen, eine typische germanische Taberna aufzusuchen, wo lokale Spezialitäten serviert und wahre, gewöhnliche Bewohner dieses Landes anzutreffen waren, sodass final er in der Taberna Silva Nigra gelandet war.


    Obschon der Jüngling, angetan in der Tunica Laticlava und einem soldatischen Pallium edler Machart sich bereits nach Betreten jenes Etablissements als ein Fremdkörper gefühlt hatte, war er in juvenilem Trutz bei seiner Entscheidung verharrt und hatte sich gemeinsam mit seinem getreuen Patrokolos an einem freien Tisch nahe der Fenster positioniert, von wo aus der Schankraum trefflich zu überblicken war. Mit einem Becher Met verharrte er nun dort, als unerwartet ein junger Mann an sie herantrat und den noch freien Stuhl erbat.


    Nicht eben erschien seine Figur jenem wohltradierten Stereotyp eines Germanen zu entsprechen, worauf bereits der Mangel jener härnen Gesichtszier und des langen Haares hindeutete, welcher dem jungen Flavius selbst bei den romanisierten Duccii so partikulär war erschienen. Indessen besaß der augenscheinlich noch recht junge Mann eine Statur, die durchaus der eines Germanen adäquat war, weshalb der Tribun, getrieben vom Vorwitz, einem gewöhnlichen Provinzialen in informeller Atmosphäre zu begegnen, freimütig erwiderte:
    "Durchaus! Mit wem haben wir das Vergnügen?"
    Mit jovialem Gestus wies er auf den freien Stuhl ihm gegenüber, wobei ihn aufs Neue Irritation erfasste, dass in diesem Etablissement, obschon es als Speisegaststätte und Hort gemütlicher Geselligkeit war konzipiert, keine Klinen parat standen.

  • Interessiert musterte Carbo den Fremden und seinen Begleiter. Er trug eine Tunica Laticlava, also eine Tunika mit schmalem Purpurstreif, was den jungen Mann als Mitglied des Ritter- oder Senatorenstandes auszeichnete. Der Pallium überdies ließ einen militärischen Hintergrund erahnen. Zweifellos schien dieser Junge trotzdem gesellschaftlich Welten über Carbo zu stehen. Jetzt wo er es sich überlegte, dachte Carbo daran, dass er so einen (scheinbar) wichtigen und höhen Römer niemals belästigt hätte. Doch die Taverne war voll und er selbst hatte Durst. Also los jetzt mit dem Reiche-ärgern. (:D)


    Als der Fremde wissen wollte, wer er sei sprach er: "Vielen Dank. Salve, mein Name ist Norius Carbo. Ich arbeite als Stadtschreiber in der Curia Mogontiaci." Noch einmal ein kurzer Seitenblick auf die edle Tunika, dann: "Deine Kleidung lässt auf einen wichtigen und hohen Rang deinerseits schließen. Darf ich fragen, wer du bist? Ich komme eigentlich aus Noricum und bin erst seit kurzem hier. Um ehrlich zu sein denke ich, dass du der erste wirklich ranghohe Römer bist, der mir über den Weg läuft." sprach er rundheraus und lächelte dabei freundlich.

  • Patrokolos bedeutete den Custodes Corporis, welche aus der Wachkompanie zum Geleit seines Herrn abgestellt worden waren und sich diskret am Nebentisch platziert hatten (ein Tribun ging selten ohne Bedeckung irgendwohin), nun aber Notiz von dem Fremden genommen hatten, dass keinerlei Gefahr bestünde, während der junge Flavius selbst sich Norius Carbo zuwandte.


    Ein Scriba war nicht eben eine Gesellschaft, die der Jüngling jenseits funktionaler Erfordernisse pflegte, doch da er hierher gekommen war, um das simple Leben in der Provinz zu erforschen, ließ er den Noriker gewähren.
    "Ich bin Manius Flavius Gracchus Minor, Tribun der hiesigen Legion und Sohn des Consulars Manius Flavius Gracchus."
    , präsentierte er also seine Person mit einigem Amusement, einen Gemeinen vor sich zu haben, welcher niemals in seinem Leben wohl einem wahren Aristokraten war begegnet, nun jedoch auch noch sich die Blöße gab, den wohl ranghöchsten Bewohner jener Stadt, für die er tätig war (Duccius Vala war zweifelsohne wieder auf Gerichtsreise), nicht prompt zu erkennen, was Manius Minor in missmutigerer Gestimmtheit womöglich ein wenig beleidigt hätte, da er doch nun schon beinahe ein Jahr in diesem Städtlein weilte.

  • Carbo kannte den Flavier in der Tat überhaupt nicht und.. woher auch? So lange war er auch noch nicht Scriba in Mogontiacum und den Großteil seiner bisherigen Zeit hier in der Stadt hatte er fast erstochen im Fieberwahn unter Susina Alpinas Obhut verbracht. So also ganz unbekümmert antwortete er: "Es ist mir eine Ehre, einen Spross der Familie der Flavier persönlich kennenlernen zu dürfen." Über was man wohl als einfacher Peregrinus mit einem so hohen Römer redete? So sehr Carbo sich auch in den wenigen Sekunden, die auf seinen Satz folgten den Kopf zerbrach, es mochte ihm nichts passendes einfallen.


    Er stellte sich vor, dass dieser Flavier zuhause in Rom unter seinesgleichen sicher über die Tagespolitik diskutieren würde. Über die frischesten Neuigkeiten von befreundeten Offizieren an der Reichsgrenze, oder dem Tagesklatsch über aristrokratische Kollegen. So auf die Art, "Cornelia Minor hat schon wieder eine Affäre mit dem Tiberius-Jungen, stell dir vor!" oder "Wusstest du schon, dass der Iunier von gestern ein Bekannter eines Freundes von mir war, der mir zugesteckt hat, dass betreffender Iunier Steuern hinterzieht? Nicht auszudenken!". Das Problem dabei war nur, dass Carbo mit keinem dieser Themen etwas anzufangen wusste. Diesem Römer wäre es bestimmt am liebsten, wenn er als mickriger Niemand einfach wieder aufstehen und gehen würde, doch das schaffte er nicht. Zu verlockend war diese Gelegenheit, mit einem hohen Römer zu verkehren! So fragte er schließlich: "Ich stelle mir das Leben in der Armee als sehr aufregend vor. Ich selbst wollte mich eigentlich bei der hießigen Ala als Rekrut einschreiben lassen, doch zuvor wurde ich von einem Verrückten genau hier in dieser Taberna angefallen und mit einem Dolch fast erstochen..." seufzte Carbo, als er sich zurückerinnerte.


    "Viele andere an meiner Stelle wären bestimmt gestorben, doch ich habe Glück, dass in mir das Blut alter norischer Häuptlinge fließt. Das gab mir die Kraft und die Zähigkeit ganz knapp zu überleben nach einem scheußlichen Fieber. Während meiner Zeit im Fieber dann, hatte ich eine Vision direkt von den Göttern. Ich bin mir des vollen Inhalts noch nicht im Klaren, weshalb ich vorgehabt hatte das Orakel von Cumae zu befragen. Deshalb habe ich auch vor kurzem den Posten als Stadtschreiber angenommen, um Geld für die Reise nach Italien zu sparen." Carbo fand, dass das eine gute Wahl der Gesprächseinleitung war, wenn er zuerst einmal ein wenig über sich erzählte. Niemand, schon gar nicht Wichtige Leute, liebten es ja, wenn Fremde sie sofort mit Fragen löcherten.

  • Obschon von gänzlich verschiedenem Stande, torquierten den jungen Flavius similäre Fragen wie den Noriker, denn auch er wusste nicht recht, worüber er mit einem derartigen Provinzialen am besten parlierte, da diese doch kaum einen Zugang zu Politik, Philosophie und Kultur genossen und sich zweifelsohne eher mit rustikalen Themen wie der Beschaffenheit der Ernte, familiären Relationen oder gar der Qualität des soeben verkonsumierten Bieres befassten.
    Ein wenig befangen rückte er somit seinen Becher zurecht, ehe fortunablerweise sein Opponent das Wort ergriff und eine Historie erzählte, welche geradehin haarsträubend sich ausnahm und jedem anderen römischen Aristokraten nicht mehr als ein Kopfschütteln entlockt hätte, Gracchus Minor jedoch aufhorchen ließ, da sie doch frappierende Parallelen zu seiner eigenen Biographie aufwies, selbst wenn die Schlüsse, welche der Noriker und er daraus gezogen hatten, durchaus different ausfielen: Während der junge Flavius schlicht seine eigenen Schlüsse aus der Vision gezogen hatte und schlicht eine divine Konfirmation erwartete, versuchte Carbo augenscheinlich die Götter zu einer Äußerung zu nötigen. Das hieß, wenn seine Vision überhaupt in irgendeiner Weise der von Manius Minor glich...
    "Welcher Art war jene Vision?"
    , erkundigte sich der Jüngling somit,
    "Und warum wendest du dich damit just an das Orakel von Cumae?"
    Die Stadt lag Stadien entfernt in Italia und ihr Orakel galt als eine traditionelle, urrömische Partikularität, deren Popularität der junge Flavius nicht als über die Grenzen des italischen Kernlandes hinausreichend erachtet hatte.

  • Dem Gesichtsausdruck seines Gegenübers nach befand sich dieser wohl in der gleichen rhetorischen Zwickmühle wie Carbo anfangs. Wie gut, dass er die Initiative ergriffen hatte! Nicht nur das, der Flavier schien sogar so etwas wie Notiz von ihm zu nehmen. Die Vision beeindruckte ihn scheinbar besonders, wie Carbo darüber hinaus bemerkte. Sicher, die war für fremde Ohren sicher eine witzige Angelegenheit, so eine spannende Gassenhauervision mit möglichst viel Blut. Carbo selbst behagte sie da schon weit weniger. Immerhin betraf sie ihn ja. Doch gut, der Flavier wollte den Inhalt seiner Vision hören, also wiederholte der Junge jene Botschaft der Götter nach Susina Alpina, Duccia Silvana und Fabulo zum vierten Mal in seinem Leben.


    Er sah vor seinem inneren Auge die Curia Iulia und den darin versammelten Senat in Rom. Ein Mann stand in der Mitte und sprach zum auf Überlebensgröße gewachsenen Gaius Iulius Caesar als Vorsitzenden und zu den ehrwürdigen Senatoren. Diese schienen jedoch durch irgendetwas aufgebracht zu sein. Sie hoben wütent die Fäuste, hielten dem Redner ständig blutverschmierte Lorbeerkränze entgegen und riefen wild durcheinander, während der Redner unbeirrt fortfuhr. Dann erhob sich plötzlich einer der Senatoren, zog einen Dolch aus seiner Toga und kam in schnellen Schritten auf den Redner zu. Andere Senatoren folgten seinem Beispiel. Ihre Dolche senkten sich in das Fleisch des Mannes, immer wieder stachen sie auf ihn ein. Solange, bis der Redner blutüberströmt zu Boden sank und Carbo erstmals sein Gesicht sehen konnte. Es war er selbst! Der Senat von Rom hatte Norius Carbo in seiner Toga, dem Zeichen der Würde eines römischen Bürgers, niedergestochen. Caesar blickte mit ernstem Gesicht auf die Leiche, und hob mit der linken Hand eine alte Inschrift mit griechischen Buchstaben hoch. Dann hob er mit der rechten das Militärdiplom eines Legionärs nach dessen Ende der Dienstzeit hoch und schüttelte den Kopf.


    Nach Ende dieser Wiederholung fühlte sich Carbo wieder etwas unbehaglich. Das hatte er an sich die letzten drei Male auch schon bemerkt gehabt. "Das ist jedenfalls das, was ich gesehen habe und es hat mich vorsichtig gemacht, was Eintritt in die Armeen angeht. Ich weiß nicht, was das alles bedeuten soll, vielleicht siehst ja du als echter Römer eine andere Seite in dieser Vision? Das Orakel von Cumae war gleich sofort mein erster Gedanke, weil es zuhause in Noricum bekannter und beliebter ist, als jedes andere Orakel der Welt. Das geht auf eine alte Erzählung zurück, doch denke ich, dass sie hier jetzt nichts zur Sache hat." beendete er seinen Bericht. Während des Erzählens hatte Carbo sich gedacht, dass dieser Flavier eigentlich ganz sympathisch war. Wenn er ihn nach diesem Treffen auch vielleicht sofort wieder vergessen würde, er hatte sich trotz seines Standes trotzdem dazu herabgelassen und Carbo bisher zugehört und das rechnete der Scriba ihm hoch an.

  • Aufmerksam lauschte Manius Minor dem präzisen Wortlaut jener Vision, welche ihm insbesondere für einen Noriker, welcher zweifelsohne niemals Roma, die Curia Iulia oder (wie jeder andere Lebende) Caius Iulius Caesar leibhaftig erblickt hatte, insonderheit partikulär erschien. Sie differierte damit zwar erheblich von seiner eigenen Vision, doch da er seine eigenen Gesichte für bedeutungsvoll hielt, vermochte er jene ebensowenig achtlos beiseitezuwischen und als ridikulösen Traum abzutun, wie es bei dergestalten Worten aus dem Munde eines kleinen Schreiberlings wohl adäquat gewesen wäre. So zog lediglich kritisch seine Augenbraue sich in flavischer Weise nach oben und er bedachte einen Augenschlag, was darauf zu erwidern sei: Augenscheinlich tangierten die Akteure jener Vision in keinster Weise jene Lebenswelt, welche der junge Flavius sich für einen gemeinen Peregrinus imaginierte: Iulius Caesar, womöglich ein Symbol für den Princeps, war ebenso weit von diesem Flecklein Erde entfernt wie der Senat oder selbst die Option, einstmals vor ihm zu sprechen. Mochte das Bürgerrecht auch für jenen Carbo zu erringen, mochte er das Hellenische sich aneignen und selbstredend auch einem Mord zum Opfer fallen, ergaben all jene Stränge doch in keinster Weise Sinn, was die Konfusion des Scriba verständlich ließ erscheinen.


    Folglich kaprizierte der Tribun erstlich sich auf die weniger diffizil zu erwartenden Kontexte jener Vision:
    "Warst du jemals in Rom? Ist dir die Curia Iulia aus eigener Anschauung bekannt?"
    Besonders verwunderte den flavischen Jüngling der Ort jenes Mordes, welcher doch geradehin als eine Hommage an jene Verschwörung darstellte, der Divus Iulius selbst zum Opfer war gefallen, obschon der letzte Dictator perpetuus selbstredend nicht in der Curia Iulia war getötet worden.
    "Und überhaupt, was lässt dich so sicher sein, dass hierbei es sich nicht lediglich um ein Delirium handelt? Einen Traum ohne Bedeutung, womöglich evoziert durch historische Lektüren über Divus Iulius?"

  • Carbo leitete seine Erklärung folgendermaßen ein: "Ich stamme wie schon erwähnt von einer langen Linie von norischen Häuptlingen ab, die sich auch nachdem Rom in unsere Heimat gekommen war, weiterhin hauptsächlich um die heimischen Noriker und nicht um die römischen Kolonialisten, gekümmert haben. Was deine beiden ersten Fragen angeht, so muss ich verneinen und ich hätte von Rom und seinen politischen Gremien bestimmt genauso wenig Ahnung wie jeder andere norische Barbar in der Provinz, wäre ich bei meinen Eltern aufgewachsen. Mein...hm nunja "Glück" war jedoch, dass ich nach dem frühzeitigen Tod meiner Eltern vom, in allen Winkeln Noricums berüchtigten griechischen Händler aus Syrakus, Seneca Patrius, gefunden und aufgezogen wurde. Mein Ziehvater war ein weltgewandter Mann, der auch in mir den Wunsch weckte, hierher nach Mogontiacum zu kommen, um mir meinen Platz unter den Römern als einer der ihren zu erarbeiten. Er brachte mir viel über Rom bei und in seinen Lernunterlagen waren darunter auch Zeichnungen und Pläne der Curia Iulia, wo sich laut meines Ziehvaters der Senat von Rom zu versammeln pflegt." Innerlich hoffte Carbo, dass er nicht zu sehr redete, doch sein Gegenüber hatte nach einer Antwort verlangt und Carbo erschien es bei all seinen Ambitionen als gut und richtig, dass Gracchus Minor auch sämtliche zusammenhängende Details verstehen sollte.
    Während er sprach, hatte er über seinen Gesprächspartner nachgedacht und ihm war eine Idee gekommen. "Schlussendlich, dass es eine Vision und kein Traum war weiß ich einfach. Die Gewissheit die ich dabei empfinde, wenn ich an jene gesehenen Bilder zurückdenke, kann ich nicht erklären. Doch wenn du selbst schon einmal eine Vision gehabt hast, wirst du bestimmt wissen von welchem Gefühl ich spreche." Carbo trank von seinem Getränk. "Flavius Gracchus Minor, ich denke es ist langsam an der Zeit, dass ich dich von meiner niederen Person erlöse und dich wieder deinen Geschäften nachgehen lasse. Doch zuvor habe ich noch eine Frage an dich. Darf ich sie dir stellen?" Noch ehe Carbo diese Zustimmung zu seiner Idee hatte, konnte er es auch schon kaum mehr erwarten. Wer weiß, vielleicht war diese Begegnung ja nicht zufällig passiert, sondern von den Göttern arrangiert?
    So oder so, Carbo würde sein Glück auf jeden Fall jetzt gleich auf die Probe stellen wollen, ob es den Göttern passte, oder nicht.

  • Ein Spross von Barbarenfürsten war es also, welchen der junge Flavius inmitten einer gemeinen Taverne aufgegriffen hatte, der darüber hinaus gar über ein gewisses Maß an Bildung verfügte. Der junge Flavius war sichtlich beeindruckt angesichts eines derartigen Ziehvaters und fühlte sich sogleich an seinen eigenen Mentoren erinnert, obschon der gute Vindex selbstredend ihn nicht mit Karten und Plänen der Monumente der Urbs torquiert hatte und ihn lediglich für relativ kurze Zeit unter seine immediaten Fittiche genommen hatte.


    Die Replik auf seine zweite Frage hingegen erstaunte den Tribun in noch höherem Maße, erschien sie doch als das vollendete Duplikat seiner eigenen Experientien, welche der Noriker wiederum, horribile dictu, geradehin zu antizipieren schien, sofern der Gebrauch des Indikativs in seiner Explikation nicht lediglich einer einem Barbaren durchaus zu verzeihenden grammatischen Fahrlässigkeit geschuldet war. Doch noch ehe er sich diesbezüglich äußern konnte, hatte der emsige Scriba bereits wieder neue Pläne gefasst und war augenscheinlich geneigt, ihn schlichtweg sitzen zu lassen. Ein wenig unartig mochte dies dem jungen Aristokraten zwar erscheinen, da er doch, zumindest soweit er dies intendiert hatte, keineswegs Desinteresse an dem jungen Mann aus Noricum gezeigt hatte, ja in Wahrheit durchaus fasziniert war von jener haarsträubenden Geschichte, welche dieser ihm gänzlich unvermittelt berichtet hatte.


    Doch fortunablerweise besann der umtriebige Jüngling sich ein weiteres Mal und gewährte dem perplexen Tribun zumindest ein retardierendes Moment seines Abschiedes, welcher ebenso unerwartet gekommen war, wie sein Erscheinen.
    "Selbstredend. Für heute drängen mich keine weiteren Geschäfte."
    , erklärte er somit und gewährte damit zugleich die Option für den Scriba, ihre Unterredung fortzusetzen, obschon er im selben Augenblicke sich zu fragen begann, ob eine Unterredung über eine derart gewaltige ständische Distanz hinweg nicht in erster Linie dem Peregrinus inkommod erscheinen mochte, wie dies auch bei den niedersten Klienten der Fall war, welche tagtäglich zur Salutatio seines Vaters in die Villa Flavia Felix gekommen waren und lediglich zu extraordinären Anlässen die Gunst erhalten hatten, dem Pater Familias immediat entgegenzutreten.

  • Ob der Flavier wohl heute Abend aufgelegt war für derlei Belästigungen? Carbo überlegte kurz, wie er seine Frage am besten formulieren sollte. Sollte er vorher eine kleine Rede halten, wegen seiner Gründe? Oder doch nur einen kurzen Aufriss als Einleitung, damit alle im Bilde waren? Oder sollte er die Frage einfach stellen? Was aber, wenn dem Flavier dann Informationen fehlen würden für seine Entscheidung? Oder er ihm die Frage nicht rhetorisch genug gestellt hatte? Oder was wenn....


    "Magst du mich als deinen neuen Klienten aufnehmen?" platzte es ihm da plötzlich heraus. Noch ehe er den Satz beenden konnte, hatte Carbo auch schon erschreckt beide Hände vor den Mund gerissen. Was war nur gerade passiert! Jetzt war seine Frage heraus, plump und nackt und ohne jede weitere schönen Worte, oder Erklärungen. Wie wohl der Flavier auf dies reagieren mochte?

  • Sim-Off:

    Aus jener Direktion also weht der Wind :D


    Aufs Neue vermochte der Peregrinus den Tribun mit einer imprävisiblen Wendung des Gespräches zu disturbieren. Augenscheinlich empfand jener Norius trotz seines irritierenden Auftretens eine gewisse Sympathie zu ihm, selbst wenn dem Jüngling nicht recht ersichtlich war, aus welchem Grunde, da sie doch soeben erst wenige Worte hatten gewechselt und vorherig niemals sich begegnet waren. Indessen mochte es einem ehrgeizigen jungen Mann der Provinz als günstige Gelegenheit erscheinen, einen relativ mächtigen Patron zu gewinnen, wenn er einem solchen inmitten eines unscheinbaren Gasthauses begegnete. Und in der Tat beschämte die Frage den Noriker augenscheinlich, kaum hatte er sie formuliert, was den jungen Flavius wiederum ein wenig amüsierte.


    Der junge Gracchus verfügte bisherig über keinerlei eigene Klienten, ja vielmehr hatte bisherig stets nur sein Pater familias, der ältere Gracchus, als Patron fungiert, dabei jedoch wiederum auch Klienten seines absenten Vetters Felix mit betreut, wie nun auch Manius Minor die Klienten seines Vaters betreute, wenn dieser außerhalb der Stadt sich befand. Dessenungeachtet mochte es für einen römischen Aristokraten kein sonderliches Risiko darstellen, einen jungen Mann aus der Ferne als Klienten zu akzeptieren, denn konträr zur großen Masse der Grex togata Roms würde er kaum allmorgendlich zur Salutatio erscheinen, um Sportulae zu empfangen und ihn womöglich bisweilen mit unbedeutsamen Bitten zu enervieren. Dementgegen generierte ein derartiger Klient jedoch auch kaum Nutzen für seinen Herrn, da er doch weder dessen Ansehen stützte, indem er ihn auf seinen Wegen durch die Stadt geleitete, Botengänge für ihn erledigte oder anderweitige Funktionen im Interesse der Familie wahrnahm.
    "Prinzipiell widerspräche dem nichts."
    , erwiderte er somit und blickte Norius Carbo bedächtig an.
    "Indessen werde ich in Kürze wieder nach Roma zurückkehren, während du doch hier in Amt und Würden bist, sodass weder du mir, noch ich dir eine rechte Hilfe sein könnte. Aus der Ferne wäre es mir kaum möglich, deinem Fortkommen in dieser Stadt in irgendeiner Weise behilflich zu sein, ja verfüge ich noch nicht einmal über Besitzungen in dieser Provinz, von welchen ich dir Sportulae zukommen lassen könnte."
    Die Netzwerke der Flavii waren weitgespannt, doch jenseits des Umstandes, dass Duccius Verus eine flüchtige Bekanntschaft zu seinem Vater hegte, waren Manius Minor während seines Tribunates keine nennenswerten Relationen bekannt geworden, an welche er als Patron eines derartigen Klienten hätte anknüpfen können. Es stellte sich also die Frage, ob nicht ein anderer, lokaler Magnat dem jungen Noriker von größerem Nutzen sein würde.
    "Ich will dir deine Bitte also nicht gänzlich abschlagen, doch würde ich dir raten, die Wahl deines Patrons nicht voreilig zu treffen. Und in deiner Situation mag ein lokaler Patron womöglich von größerem Nutzen sein."
    Er wollte den Jüngling nicht desillusionieren, doch erschien es ihm ebenso unredlich, seine Bitte schlicht zu akzeptieren, obschon es nun, da er ein wenig den Gedanken hatte erwogen, nicht eben unklug erschien, eine Klientel auch in jener distanten Region des Imperiums zu errichten, um etwa exklusiv Informationen und Novitäten aus ihr zu erfahren oder gezielt in Erfahrung bringen zu lassen.

  • Sim-Off:

    Carpe diem :P :D


    Was hatte carbo da nur wieder einmal angestellt! Doch jetzt war die Frage heraus und der einzig mögliche Weg war nur noch streng nach vorne. Doch, oh Götter!
    Anscheinend fand seine spontane Idee, Schrägstrich Bitte, sogar halbes Gehör! Das hatte Carbo nicht erwartet. Eher so etwas wie eine beleidigte, oder genervte Abfuhr des Flaviers. Doch anscheinend hatte er noch nicht vollkommen versagt in dieser Angelegenheit, weshalb sich der Junge beeilte eine Kleinigkeit richtig zu stellen, die Gracchus Minor anscheinend missverstanden hatte.


    "Ich danke dir schon einmal, Flavius Gracchus Minor, dass du meine Bitte nicht völlig abgeschlagen hast. Doch einen Umstand muss ich richtig stellen. Mir nutzt ein lokaler Patron nicht viel, weil ich nicht die Absicht habe in Mogontiacum alt und grau zu werden. Ich bin nur noch hier, weil ich Geld für meine Reise nach Italien verdienen muss. Hätte ich dieses Geld, wäre ich schon lange nicht mehr hier, sondern auf dem Weg nach Cumae. Ich will Römer unter Römern werden, was auch bedeutet, dass mich meine Wege früher oder später nach Rom fügren wird. Ich habe keine Absicht mehr in Mogontiacum zu bleiben, vor allem seit jener unerfreulichen Bekanntschaft mit einem Messer in meiner Brust hier, von der ich dir schon erzählte." Kurz holte er Atem, ehe er schloss: "Also siehst du, Flavius Gracchus Minor, dass ich dir durchaus dienstlich sein kann an jenem Tage, da ich Rom betrete. Ich muss nur noch genug Geld für meine Reise zusammensparen und das Orakel besuchen. Dann jedoch stehe ich dir zu Diensten als treuer Klient mit all meinen Fähigkeiten." Jetzt sollte damit jedes Missverständnis aus den Augen Carbos getilgt sein, soweit er das beurteilen konnte. Dieses Treffen war wirklich Zufall gewesen, doch Carbo wäre schön blöd, wenn er diese Gelegenheit eines mächtigen Patrons aus einer der großen Familien Roms nicht genutzt hätte.

  • Der junge Flavius zauderte noch immer ein wenig. Jener Jüngling schien durchaus ehrgeizig, doch selbst mit flavischer Protektion würde es zweifelsohne Jahre dauern, bis er das Bürgerrecht erringen und nach Roma kommen würde (so dies überhaupt jemals geschah). Selbstredend hätte Manius Minor ihm offerieren können, schlicht an seiner Seite nach Rom zurückzureisen, von wo aus es lediglich ein Katzensprung zum Orakel vom Cumae war (zumindest in Relation zu der Distanz von hier aus). Doch würde jener augenscheinlich eher wankelmütige Noriker in Rom nicht auch nur ein Fremder in einer fremden Stadt sein, dependierend allein von den Sportulae wie der Gnade des flavischen Hauses? Zu viele desperate Existenzen hatte Manius Minor in den Gassen Roms betteln gesehen, ihre zerborstenen Träume von einer Karriere in der Urbs aus ihren Augen gelesen, um leichthin den Optimismus dieses Jünglings zu befeuern. Dessenungeachtet jedoch war überhaupt zu fragen, ob es einem Provinzialen nicht besser zu Gesicht stand, sich in sein Schicksal zu fügen und in der Provinz seinem Tagwerk nachzugehen, als hochtrabenden Plänen nachzujagen, deren fades Scheitern dem jungen Flavius nur allzu vertraut war (wenn auch in die konträre Direktion).
    "Nun, wenn du es wünscht, werde ich gern dein Patron sein. Doch muss dir bewusst sein, dass aus jener Relation in diesem Falle für dich vorerst mehr Pflichten als Vorteile erwachsen werden. Weder verfüge ich hier über sonderlichen Einfluss, noch kann ich dir aus meinen Gütern ökonomische Hilfe zukommen lassen. Du dagegen wärst mir dennoch zu Gehorsam und Gefolgschaft verpflichtet."
    Fortunablerweise verfügten die Germanen ja über eine der Klientel similäre Institution mit jenem Namen, sodass er nicht fürchten musste, dass sein Klient in spe seine Obligation nicht abzuschätzen wusste.
    "So du also dennoch mein Klient in der Ferne sein willst, werde ich dich akzeptieren."

  • Anscheinend war die Sache immer noch nicht völlig vom Tisch und Carbo im Rennen. Der Flavier erwähnte seine Bedenken und was Carbo davon hätte, weshalb er beschloss nähere Umstände zu erfahren, bevor er seine entgültige Entscheidung fällen würde.


    "Gut, dann kommen wir zum Geschäftlichen. Welche Rechte und Pflichten hätte ich konkret als dein Klient und welche Vorteile auf der anderen Seite, bezogen auf meine Position in der Ferne und später in Rom?"


    Man wollte ja gut informiert sein. Nicht, dass Carbo von Glanz und Einfluss geblendet voreilig ein Versprechen einging, das sich interher nachteilig auf ihn auswirken mochte.

  • Die Art und Weise, in welcher Norius Carbo sich hinsichtlich seiner Obliegenheiten informierte, irritierte den jungen Flavius aufs Neue, zumal sie zu beweisen schien, dass die Kenntnis über jene Form der Gefolgschaft in diesen Regionen doch nicht so evident war, wie er dies vermutet hatte.
    "Nun, erstlich handelt es sich bei einem Patronat nicht um ein Geschäft."
    , begann er somit an zentraler Stelle, da jenes Vokabular ihm ohnehin missfiel, schien es doch zu implizieren, als konkurriere Manius Minor in jenem Gespräch mit anderen potentiellen Patronen um Norius Carbo, obschon es doch dieser war, welcher sich bei jenem bewarb.
    "Der Terminus 'Patronus' stammt vielmehr von der Vokabel 'Pater', dem Vater also. Dies vermag bereits alles Wesentliche über diese Relation zu erklären: Der Patron gleicht einem Vater für Klienten, der Klienten einem Kind für seinen Patron. Der eine ist dem anderen zu Gehorsam und Dienstbarkeit verpflichtet, der andere den einen zu protegieren und für ihn zu sorgen. Was dies im Einzelnen bedeutet, ist weder durch Recht normiert, noch bei jedem gleich: So gibt es Klienten, welche alltäglich zur Salutatio dem Patron ihre Aufwartung machen, ihn beständig begleiten und ihm diverse Dienste erweisen, wofür im Gegenzug sie mit kleinen Gaben entlohnt werden. Andere dagegen besitzen selbst wieder Klienten und einflussreiche Positionen, sodass es ihnen nicht möglich ist, alltäglich vor ihrem Patron zu erscheinen. Statt materiellen Gaben erhalten sie die Fürsprache ihres Patronus, etwa wenn sie sich um ein Amt bewerben, womöglich auch einen Kredit, so sie dessen bedürfen oder andere Gefälligkeiten, wie sie auch unter Freunden gebräuchlich sind."
    Der junge Flavius beugte sich ein wenig nach vorn, obschon er ob seiner Fehlsicht dadurch ihn keineswegs schärfer, sondern eher schlechter inspizieren konnte. Doch wie in jener konkreten Situation, so war es auch generell um die Kenntnisse des Tribuns über jenen Peregrinus bestellt, den vor wenigen Minuten er erst kennen gelernt hatte und welcher nun bereits um sein Patronat anhielt.
    "Wie sie nun in deinem konkreten Falle ausfielen, das hinge stark davon ab, in welcher Position du dich jeweilig befindest, welche Ziele du verfolgst und inwiefern ich dir dabei behilflich sein kann. In jedem Falle offeriert meine Familie jedem Klienten ihre Protektion, sei es durch gerichtliche Vertretung oder Fürsprache in geeigneten Fällen. Dafür erwartet sie ihrerseits die Dienste ihrer Klienten. In deinem derzeitigen Stande könnte es etwa von Interesse sein, wenn du mir über die Lage hier in Mogontiacum und der Provinz berichtest, so ich dich darum bitte."

  • Carbo nickte. "Ich danke dir für diese Ausführungen. Als keltischer Noriker und Zögling des Seneca Patrius war mir zwar das römische Klientelwesen vom Hörensagen her bekannt, doch hatte ich bisher noch nie echte Gelegenheit gehabt einen wahrhaften Römer um Auskünfte aus erster Hand zu bitten. Nun habe ich ein klareres Bild vor Augen. Andererseits erschließt sich mir nicht ganz, wieso sich ein freier Mann freiwillig in ein Klientenverhältnis begeben sollte, wenn ich dir so zuhöre, denn es klingt alles ziehmlich nach einer Art "freiwilliger Knechtschaft", oder einer "Haft auf freiem Fuß", wenn man nicht mehr vollkommen sein eigener Herr ist und als Lohn gerade Mal Naturalien erhält. Oder liege ich da falsch?" Das ganze klang doch ein wenig einengender, als Carbo es sich vorgestellt hatte. Für ihn klang es so, als ob er sein ganzes weiteres Leben aufgeben müsse, nur um dann tag täglich hinter seinem Patron durch die Stadt zu laufen wie ein sabbernder Puddel.
    Er hatte sich schon noch wichtigere Dinge für sein Leben ausgemalt, als für immer den Mitläufer zu spielen, sollte er jetzt doch noch auf das Klientenverhältnis eingehen.


    Eigentlich hatte er Vorteile von sich dafür erhofft, dass der mächtige Name der Flavier ihm vielleicht das eine oder andere Mal weiterhelfen konnte. Im Gegenzug war er gerne bereit seine Talente und Fähigkeiten vollkommen in den Dienst der Familie zu stellen. Doch dass er dann auch keine Freizeit mehr hatte, damit hatte er nicht gerechnet.

  • Augenscheinlich hatte der Jüngling dem Tribun nicht bis zuletzt gelauscht, was indessen zu seinem sprunghaften Gemüt zu entsprechen schien. Dennoch wurde der junge Flavius nun mit der Zeit ein wenig unwillig, fühlte er sich doch beinahe genötigt, sich für seine Offerte zu rechtfertigen, welche lediglich die Replik auf eine Bitte dargestellt hatte.
    "Nun, es liegt im Auge des Betrachters."
    , erwiderte er dennoch mit schwindender Geduld, obschon selbstredend Libertini genötigt waren, ihren früheren Herrn als Patron zu akzeptieren und er sich somit einer Generalisierung befleißigte.
    "Für jene, welche ihren Patron beständig begleiten und mit Naturalien entlohnt werden, ist die Alternative nicht selten, als Bettler alleinig der Annona heimzufallen oder gar ehrlose Lohnarbeiten auszuüben."
    Mitnichten waren Rom und Mogontiacum hinsichtlich des Arbeitsmarktes zu vergleichen, ebensowenig bezüglich der Kosten für den Lebensunterhalt, selbst wenn der Tribun ob seiner Neglegenz für alltägliche Belange nicht exakt zu sagen vermochte, wie groß sich jene Differenzen ausnahmen. Jedoch schien es genug, dass eine ganze Grex togata bereit war, seinen Vater oder ihn gegen milde Gaben zu begleiten.
    "Doch wie ich sagte, differiert die klienteläre Relation von Person zu Person. Ein Senator, welcher Klient des Kaisers ist, wird kaum seinen Patron beständig begleiten können, ja womöglich nicht einmal alltäglich zu seiner Salutatio erscheinen. Dasselbe mag für einen Mann gelten, welcher ein anderes Amt auszufüllen hat. Ebenso erhält eine derart respektable Person selbstredend keine Almosen, sondern genießt immaterielle Formen der Protektion, welche er wiederum mit immateriellen Gefälligkeiten vergilt.
    Auch dies mag mancher Knechtschaft nennen, doch präponderiert für die meisten Römer augenscheinlich der Nutzen eines potenten Fürsprechers, respektive eines Mannes, welcher ihnen in der Not zur Seite steht. So dir dies nicht einleuchtet, empfehle ich dir von einer derartigen Bindung Abstand zu nehmen und alleinig deiner Wege zu ziehen."

    Ein römischer Aristokrat war nicht eben der adäquateste Mensch, um die Grundprinzipien der römischen Gesellschaft zu explizieren, war er es doch gewohnt, dass lediglich solche Personen bei ihm vorsprachen, welche bereits darum wussten und entsprechend mit serviler Bescheidenheit sich ihm approximierten. Dass Norius Carbo jedoch nicht lediglich fragte, sondern in Unwissenheit jene heilige Bindung erstlich als Geschäft, dann gar als Haft diffamierte, trug nicht eben zu einer geduldigen Haltung des Tribuns bei.


    Folglich beschied er nun doch, jener Unterredung ein Ende zu setzen und wandte sich an den schweigenden Patrokolos:
    "Patrokolos, ich denke ich habe für heute genug getrunken. Lasst uns nach Haus gehen."
    "Wie du wünscht, Domine."
    erwiderte der Sklave und erhob sich prompt, um den Pedites singulares am benachbarten Tisch, wo selbige noch vergnügt zechten, das Zeichen zum Aufbruch zu geben.

  • Ein wenig überrascht ob des prompten Abschieds und Ende des Gesprächs sah er ihn nur an und brachte ein: "Oh, nun gut. Dann einen schönen Abend noch." hervor.


    Anscheinend hatte er den Römer verärgert. Naja selbst schuld, wenn er ihn nicht mochte. So nippte Carbo an seinem Getränk und dachte sich, dass er durchaus einen interessanten Feierabend gehabt hatte.

  • Der Nutzen leuchtete dem Jüngling augenscheinlich nicht ein, weshalb er seine Anfrage prompt retirierte. Einen Augenschlag reute es den jungen Flavius, dass er sein Patronat nicht offensiver angepriesen hatte, wäre doch ein klientelärer Kontakt in diese Provinz überaus reizvoll gewesen. Doch war es andererseits unter der Würde eines Flavius, sich einem gemeinen Peregrinus anzudienen, selbst wenn in dessen Adern Häuptlingsblut mochte fließen. Und womöglich benötigte Norius Carbo lediglich ein wenig Bedenkzeit um zu erkennen, welchen Nutzen die Protektion eines einflussreichen Senators in spe einem gemeinen Mann zu bieten vermochte, sodass er eines Tages seine Bitte erneuern mochte. Doxh selbst so er dies nicht tat, würde Manius Minor in Rom eine hinreichende Zahl flavischer Klienten vorfinden, um einem singulären Verlust nicht weiter nachzutrauern.


    Folglich präsentierte der Tribun ein reserviertes Lächeln, erwiderte die Salutation:
    "Vale, Norius Carbo!
    , und machte sich samt seiner militärischen Entourage auf den Heimweg.

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