Morrigan, die Wüstenblume

  • Es war wohl der allgemeinen Erschöpfung geschuldet, das Morrigan die eintretenden Soldaten nicht hörte. Erst als sie unsanft nach oben gerissen wurde, wurde ihr wieder bewusst wo sie sich befand. Sie zitterte ob der furchtbaren Angst die in ihr wohnte. Ihre Augen die unruhig umher wanderten, die flatternden Lieder und die bebenden Lippen waren offensichtliche Zeugnisse dieser Angst.
    Wieder waren es Ketten, die sich in ihre Gelenke fraßen. Wieder hing sie in eben jener Position, in der die Arme unnatürlich verdreht unter die Decke gezogen wurden. Schon jetzt verursachte diese Position enorme Schmerzen, da die Narben noch frisch und die Muskeln und Sehnen welchen die Peitsche durchtrennt hatten nicht so zusammengewachsen waren, wie sie es ursprünglich mal waren.
    Sie hörte die Worte und wollte am liebsten schreien. Sie hatte doch niemanden auch nur ein Wort gesagt. Und vor allem hatte sie Magrus nichts gesagt. Wie kamen die nur auf so etwas? Was konnte Magrus ihnen denn gesagt haben? Hatte sie den auch gefoltert? Hatte er in seiner liebenswerten aber mitunter naiven Art irgendetwas gesagt, was sie als Verrat auffassen konnten? Sie wusste es nicht. Ja sie wollte am liebsten schreien, weinen, beteuern, dass sie unschuldig ist – wiedereinmal. Doch sie sagte und tat nichts.
    Nein sie flehte auch nicht. Sie hatte inzwischen verstanden, dass es egal war was sie sagte, das es egal war ob sie unschuldig war oder nicht, das weder Flehen noch Schreien oder Tränen helfen würden. Sie nahmen an, dass sie sie verraten hatte, dass sie nicht funktioniert hatte. Also musste sie jetzt büßen. Sie würde es ertragen müssen. Paradoxerweise wurde sie mit jenem Wort des Mannes ruhiger. Ihre Augen eben noch unruhig ruhten jetzt auf ihm. Sie gingen nicht mehr umher. Sie ruhten auf ihm und in seinen Augen. Seine Stimme seine Ausführungen gaben ihr in einer Zeit der Unsicherheit auf einer merkwürdige Art Sicherheit. Er sagt ihr was sie war, er sagte ihr was sie zu tun hatte.
    Nur kurz viel ihr Blick auf das glühende Eisen. Sie wusste was folgen würde und sie schrie nicht, sie flehte nicht. Sie würde es ertragen, denn sie hatte verstanden und so wieder holte sie die Worte. „Ich gehöre Rom.“ Auch als sich das Eisen näherte regte sich in der Sklavin nichts, sie wehrte sich nicht, sie zappelte nicht. Nur ein Wort fiel über ihre Lippen, bevor das Eisen sich in ihre Haut fraß. „Ertragen.“
    Natürlich schrie sie ihren Schmerz heraus, so lange bis ihr die Luft wegblieb und sie dem Schmerz Zeit gab sich zu verteilen sich mit den schmerzenden Narben, den Schmerzen in Muskeln und Gelenken zu verbinden. Der Schmerz ging so zu dem ihren über, er wurde ein Teil von ihr.
    Als sie wieder zu Luft kam schaute sie den Trecenarius an und sagte. „Danke Dominus.“ War es nun die Reizüberflutung, oder die wochenlange Gehirnwäsche und Folter, dass sie diese Worte sprach. Wer konnte das schon sagen....

  • Diese Sache wurde unangenehm. Wirklich unangenehm für den Trecenarius, denn seine eigenen Gefühle spielten auf. Er hatte nicht mehr die notwendige Distanz zu dieser Aufgabe. War es möglich, dass sie sich geirrt hatten? War eine Quelle und eine Bekanntgabe fehlerbehaftet gewesen? Morrigan wirkte nicht so widerständig. Sie wirkte gebrochen und zerfallen. Diese Methodik war erfolgreich gewesen aber doch blieb ein Beigeschmack für Verus, der in dieser Sekunde Mitgefühl mit der Gefangenen hatte. Wie sie nun dort hing, gezeichnet für ihr Leben und abhängig vom Gebot der Prätorianer, war mitleidig. Und er hatte ihr dies angetan. Er hatte ihr all dies angetan. Wie so vielen vor und nach ihr. Einst in Dakien hatte er Dörfer niedergebrannt, hunderte Menschen vertrieben und in Germanien hatte er Menschen gekreuzigt und seine einzige Liebe in diesem Leben auspeitschen müssen. Er hatte sie versklavt, wie so viele. Rom war nicht gnädig. Und Verus konnte es auch nicht sein. Nicht mehr und doch war der Wunsch nach einer Gnade; einer echten Gnade da. Seine Zunge schmeckte salzig; er schmeckte den Geruch des Schlachtfeldes und er wollte sich verstecken vor seiner eigenen Gewalt. Die Kälte dieses Ortes erschreckte ihn und ebenso fürchtete er sich vor sich selbst, wie perfide er diese Frau bearbeitet und vorbereitet hatte, damit sie nun ausgeliefert war. Wie ein eingesperrter Vogel begann sie zu singen, wenn der Besitzer an den Käfig klopfte. "Du gehörst Rom," wiederholte Verus und blickte sie mitleidig an. Seine Augen wollten weinen aber die Tränen waren längst geflohen, vertrocknet im Angesicht seiner eigenen beharrlichen Monstrosität. Der Trecenarius zerbrach in dieser Sekunde ebenso. Nicht gleichsam, wie Morrigan aber ein Teil von ihm, wollte brennen. Zerstört werden. Es kümmerte ihn wieder, was er geworden war. Es fiel nicht mehr leicht. Es war ihm nie leicht gefallen. Leichtigkeit war eine Lüge. Leben unter diesen Umständen war schwegängig, wie in Ketten geschlagen. "Ja, ertragen," wiederholte Verus und sagte es auch zu sich selbst. Beide verband diese Eigenschaft, dass man die angebotene Welt ertragen musste. Verus war gebrochen durch seinen Dienst und Morrigan war gebrochen durch Verus. Es war eine seltsame Beziehung zwischen beiden. Leben war ein leerer Traum. Beide füllten diesen Traum mit Beharrlichkeit. Es musste weitergehen. Ihr Dank traf ihn. Ihr Dank stieß nicht auf Unverständnis, sondern auf klares Verständnis. Verus verstand, was Morrigan widerfahren war. Verus senkte sein Haupt in Demut, um eine göttliche Macht um Vergebung zu bitten, die niemals antworten würde. Doch es gab kein Zurück. Niemals konnte man in diesem Geschäft umkehren und ebenso wenig konnte man den Schaden richten, der angerichtet war. Verus war ebenso Gefangener seiner Aufgabe. Morrigan war nur ein Fall. Eine Sache, mit der er umgehen musste. Dennoch konnte er sich für diesen Moment nicht auf diese Sachlichkeit reduzieren. Der Mensch lebte. "Löst ihre Ketten, senkt sie ab," befahl Verus und seine Handlanger taten dies. Bevor sie wieder einen Stand fand, näherte sich Verus mit vorsichtigen Schritten. Er breitete seine Arme aus, um sie umarmen. Eine Geste, die er spontan tat und ohne Reue vollführte. Er wollte Morrigan für einen Moment Menschlichkeit zeigen, die er ihr entzogen hatte. Es war Wahnsinn aber Wahnsinn war alles, was beiden geblieben war; in einer Welt, die beide nicht wirklich wollte. Die Umarmung schloss sich um die Gefangene. "Wir lieben dich," rettete er seine Aufgabe und vermied eine blößliche Schwäche vor seinen Männern, indem er diese Handlung als planvoll darstellte. Worte vermittelten Kontrolle. Wer sprechen konnte, war nicht sprachlos und gleichsam hilflos. Es waren schnell zusammengesuchte Worte und auch die einzigen, die noch Bedeutung haben konnte, wiel er das Wort Liebe noch verstand, da er es durch Luna im Verständnis erlernt hatte. Widersprüchliche Dunkelheit umgab beide Seelen schützend, als die starken Arme Morrigan hielten und eine seltsame Bindung sich zeigte. Was ging hier vor sich? Die Prätorianer.

  • Ihr unter den Schmerzen erzitternder Körper wurde abgesenkt, aber in ihrem Blick konnte man nichts davon erkennen. Ihr Blick war immer noch auf den Mann vor ihr gerichtet. Sie suchte Sicherheit und Halt und seine Worte gaben ihr genau das. Sie gaben ihr jene Sicherheit, die sie brauchte. Seit Woche lebte sie in Angst, vor den Männern hier, aber auch davor, das Menecrates sie seines Hauses verweisen würde. Sie hatte Angst einen Weinkrug fallen zu lassen, sie hatte Angst etwas falsch zu machen, jeder Fehltritt konnte bedeuten, dass sie gehen musste. Und nun war es eben jener Mann, der ihre Folterung hier in dieser Zelle damals befohlen hatte. Eben jener war es, der ihr ihre Unsicherheit nahm. Er gab ihr Halt, in einer Welt in der es für sie aussichtslos schien Halt zu finden. Er gab ihr eine Aufgabe, einen Sinn er gab ihr die Luft zu atmen, die sie gerade so dingend benötigte.
    Ihr Füße hatten den Boden noch nicht berührt, da schlossen sich die starke Arme fest um sie und gaben ihr nicht nur halt in Worten sondern auch in Taten. Es war wie ein Mantel des Schutzes der sich um sie legte, sie wärmte und sie vor allem zu schützen vermochte.
    „Ich gehöre Rom.“ hauchte sie und als die Arme sie losließen, sank sie auf ihre Knie zu Füßen des Trecenarius und beugte sich soweit nach vorn, dass ihre Stirn den Boden berührte. Eine Geste der absoluten Unterwerfung. „Ich diene Rom.“ leise, aber in einem sicheren Ton kamen jene Worte über ihre Lippen.

  • Ein Herr konnte nur so viel ertragen, wie viel Macht ihm gegeben war. Und Verus ertrug nicht mehr. Dieses arme Geschöpf war nun gebunden, an seine Mächte und doch war dieser Zauber böse. Nicht nur bösartig in seiner Substanz, sondern auch fröstelnd gegenüber dem Urheber. Diese Arbeit erforderte einen großen Tribut. Selbst die Götter schienen sich von Verus abgewendet zu haben, der allein mit seinen dunklen Mächten in den Schatten der Stadt herrschte. Endlich verstand Verus die alte Warnung. Endlich sah er ein, was er geworden war und doch konnte er nicht entkommen. "Morrigan," vergab er ihr wieder einen Namen. "Du wirst dich selbst nur noch als Serva bezeichnen. Du wirst nie wieder deinen Namen nennen. Du bist eine Sklavin Roms. Du brauchst keinen Namen, keine Person, du findest Liebe und Sicherheit in uns; in Rom. Dein Name hat dir nichts als einen Fluch gebracht," erklärte der Trecenarius und setzte sie in ein neues Gebot der Pflicht. "Andere schenken dir einen Namen aber du wirst selbst keinen Namen mehr tragen," forderte die wieder erkaltete Stimme des Schattenmagiers. Es tat ihm leid aber er konnte nicht entkommen. Die Schatten boten ihm keine Erlösung, sondern nur ein Versteck vor der Schuld. "Wir lieben dich," sagte er und richtete sie wieder auf. "Rom liebt dich," erhob er seine Stimme und legte den Arm erneut um sie, um sie fast väterlich aus dem Raum zu führen. "Wir haben wieder eine Aufgabe für dich," floskelte Verus und blickte dann im Gehen zu seinen Handlangern. "Sie braucht eine gleichwertige und neue Tunika," befahl er und führte seine neue sehr loyale Anhängerin aus dem Kerker hinaus. Sie sollte wieder an ihren Einsatzort gebracht werden. Die böse Magie dieses Geschäftes verwirklichte sich.

  • Er gab ihr ihren Namen um ihn ihr doch gleich wieder zu nehmen. Ohne jegliche Regung nahm die Serva das hin. Sie nickte und wie automatisch öffneten sich ihre Lippen um seien Worte zu wiederholen. „Serva. Ich diene Rom.“ Sie wurde wieder aufgerichtet und fast schon fürsorglich legte sich der starke Arme um sie. Ihr Blick suchte den seinen um sich darin festzusaugen. Jedes Wort nahm sie auf und ob sie nun wollte oder nicht, sie konnte sich nicht dagegen wehren. Ihr Geiste hatte sich vollkommen zurückgezogen und gab sich nun diesem Gefühl der Sicherheit hin. Vielleicht tat ihr Geist dies einfach nur aus Selbstschutz, weil sie tief in ihrem Inneren wusste, dass sie nicht aufbegehren konnte ohne zu leiden. Und ja sie würden sie wohl leiden lassen. Körperlich mit Folter und seelisch in dem sie ihre Freunde und jene die ihr was bedeuteten bedrohten oder gar töteten. Rom liebt dich, eigentlich müsste das gerade wie blanker Hohn in ihren Ohren klingen, aber es bewirkte das Gegenteil. Paradoxerweise lächelte sie. „Ich liebe Rom. Ich liebe euch. Ich bin eine Serva.“ gerade in den letzten Worten war wohl so etwas wie Stolz herauszuhören. Und dann brachte man sie zu ihrer Aufgabe...

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