Nach der überaus kommoden Passage über den Rhenus hatten die patrizischen Gefährten auf dem Weg von Mogontiacum nach Roma auch die überaus beschwerlichen Alpenpässe überwunden. Nicht immer hatte der junge Tiberius dabei in seinem Reisewagen fahren können, da bisweilen die gemieteten Knechte und Transporteure das Gefährt über enge Stellen und unwegsame Wege hatten tragen müssen. Auch für Manius Minor und dem Centurio hatte der Ritt durch jene Landschaft gewisse Konzentration abverlangt, weshalb sie weniger miteinander geplaudert hatten als während der vergnüglichen Bootstour. Mit dem älteren der Tiberii zu parlieren verspürte der junge Flavius indessen ohnehin wenig Neigung, nachdem jener in geradehin perverser Extensität von seinen Schlachtenerlebnissen hatte berichtet, die auch einen ehemaligen Tribun zu schrecken vermochten und so gänzlich von dem differierten, was der patrizische Jüngling im Exercitus erfahren hatte. Seinen Zynismus hinsichtlich von 'Rom und Ehre' wusste er zwar durchaus zu akzeptieren, war er doch in seinen epikureischen Tagen selbst zu similärer Verachtung für jene vermeintlichen Ideale gekommen, welchen er auch nun nicht aus Neigung, sondern lediglich aus Pflicht nachstrebte. Dennoch pflichtete er Verus selbstredend in jener weinseligen Nacht nicht weiter bei, um den Idealismus Merulas nicht zu destruieren, der doch ein weitaus besserer Motivator mochte sein als die Furcht vor dem Zorn der Unsterblichen, sondern kalmierte den sichtlich irritierten Jüngling mit Worten, welche nahelegten, dass eine derartige Desillusionierung eine Art soldatische Krankheit darstellte, der keine sonderliche Beachtung zu schenken war. Der Blick auf Luna mit ihrem Wolf ließ den jungen Flavius dagegen immer wieder an die drastischen Schilderungen ihrer Versklavung zurückdenken und konfirmierte umso mehr seine Admiration für die Gleichmut, mit welcher sie jene himmelschreiende Ungerechtigkeit augenscheinlich akzeptierte und trotz allem jenem Staat, der ihr nichts als Knechtschaft und Schmerz hatte gebracht, zu Hilfe geeilt war.
Nach den steinigen Wegen der Montes Alpes erreichten sie so die Poebene, von wo aus es auf den weitaus besseren Via Aurelia die finale Etappe ihrer Reise antraten. Abwechselnd ritt Gracchus Minor auf seinem Trautwin und nutzte die Offerten des jungen Tiberius, ihm in seinem Reisewagen Gesellschaft zu leisten, um seinen Gliedern von den Strapazen des Reitens Ruhe zu gewähren und zugleich die Gelegenheit zur Konversation zu nutzen. Auch heute saß er folglich Merula gegenüber und fragte, nachdem sie eine Weile über Ciceros Rhetorik hatten disputiert, ein wenig unerwartet:
"Sind dir übrigens auch die Briefe von Ciceros Bruder Quintus an ihn bekannt? Mir fiel kürzlich das Commentariolum Petitionis in die Hände, als ich darüber nachdachte, welche Präparationen für meine geplante Kandidatur zu treffen seien und ich muss sagen, dass es mir noch immer als eine überaus luzide Handreichung zum Wahlkampf erscheint."
Er gewährte dem Tiberius einen Augenschlag Zeit für eine Replik, dann fügte er an:
"Gedenkst du auch, direkt bei der kommenden Wahl zu kandidieren?"