[Stallungen] Ein Pferd bekommt Besuch

  • Massa sah beim gehen in den Korb. „Oh. Dann sollten wir uns beeilen. Sonst bleibt nichts für Cara übrig.“ Lächelnd sah er zu Ursi. „ In dem Stall steht nicht nur mein Pferd, du wirst sehen. Da stehen eine Menge Pferde.“


    Es ging gerade aus die Via Praetoria entlang bis zur Principia. Rechts an ihr vorbei. Massa spürte die Blicke der Legionäre die ihnen entgegen oder an den sie vorbei kamen. Jedes mal wenn er sie ansah, wendeten sie sofort ihren Blick ab. Das war zu erwarten gewesen. Sie wussten, dass Massa weder Frau noch Kind hatte.
    Der Weg führte weiter am Haus des Praefectus castrorum vorbei. Links davon lagen die Unterkünfte der Legionsreiterei und genau dahinter die Stallungen.


    Massa ging zielstrebig auf das erste Stallgebäude zu. Seine Aufregung legte sich langsam. „ Hier drin steht mein Pferd.“ Er ließ die beiden eintreten und folgte ihnen. „ Die fünfte Box auf der linken Seite.“ In ihr standen drei Pferde. Ein braunes, ein graues und ein dunkelbraunes. Massa schnalzte mit der Zunge. Das dunkelbraune Pferd kam ans Gatter. Seine Ohren spielten, es schnaubte. Massa streichelte ihm über die Blesse und stellte den Korb auf den Boden. „ Darf ich vorstellen. Meine Stute Cara.“ Er legte ihr das Zaumzeug an und führte sie auf den Gang. „ Dann macht euch mal bekannt. Streichel sie ruhig. Sie hat das gern.“ Massa band sie am Gatter fest. Cara‘s Ohren spielten wieder, sie war neugierig. Sie reckte ihren Kopf zu Ursi. „ Ich glaube Cara weiß, dass du ihr was mitgebracht hast.“ Massa nahm den Korb wieder hoch und hielt ihn Ursi und Alpina hin.
    Die beiden waren mit der Stute beschäftigt, das gab ihm die Möglichkeit Alpina genauer in Augenschein zu nehmen. Ihre zwei farblich aufeinander abgestimmten Tuniken passten zu ihrer Augenfarbe. Der Schleier verdeckte zwar ihre roten Haare, aber es war zu erkennen, dass Alpina sie nicht offen trug. Die Muster auf den Tuniken, die Fibeln, der Gürtel, mit für ihn unbekannten Symbolen, alles so fremd, aber es passte zu Alpina, zu ihrer Figur, ihren Bewegungen. Sie sah elegant darin aus. Und Ursi in ihrem blauen Kleidchen stand ihr in nichts nach. Sie hatten sich beide extra schick gemacht für heute. Wieder tauchte er in eine Welt ein, die kaum etwas von dem hatte mit dem er aufgewachsen war. Die er nicht kannte, in die er sich erst einleben musste. Alpina und Ursi waren so etwas wie der erste Kontakt mit dem Neuen. Grün, ja grün sind alle meine ... Du kommst nicht davon los nicht wahr? Sie sieht heute noch bezaubernder aus. Ja ist ja gut. .... Massa beobachtete die beiden und Cara. Sie schienen sich gut zu verstehen. Wenn das so war, dann stand dem, was er weiter vor hatte nichts im Weg. " Ursi , möchtest du dich auf Cara setzen?"

  • Mit scheuem Blick versuchte sich Alpina in der Castra umzusehen. Es war lang her, dass sie durch die Straßen des Kastells gelaufen war. Dennoch erkannte sie einiges wieder. Die Blicke der Legionäre machten sie verlegen. Hatte sie einen Fehler gemacht?


    Sie erreichten die Stallungen. Drinnen war es warm und roch interessant nach Pferd. Mit großen Augen betrachtete Ursi die vielen Pferde. Nun war sie nicht mehr zu halten. Sie streckte ihre kurzen Ärmchen aus um das dunkelbraune Stute Cara zu streicheln. Alpina war ein wenig bang. Pferde hatten riesige Köpfe und große Zähne. Was wenn Cara beschloss, die Finger der Kleinen anknabbern zu wollen?


    "Salve, Cara!", sagte Alpina. "Das hier ist Ursi, sie würde dich gerne streicheln."
    Kurz ließ Cara sich über die Blässe streicheln, dann senkte sie den Kopf und man konnte an den Nasenflügeln sehen, dass sie den Inhalt des Korbes erschnupperte, den Massa den beiden Ferauen hinhielt. Der große Kopf kam dem Korb immer näher. Cara schien sich selbst bedienen zu wollen. Alpina stellte Ursi auf ihre Füße und hob lachend den Korb hinter ihren Rücken. Sie griff hinein und holte zwei kleiner Äpfel hervor. Einen drückte sie Ursi in die Hand und selbst hielt auch sie der Stute die Frucht hin. Mit einem großen Happs schlug Cara die Zähne hinein. Alpina zuckte ein wenig zurück und auch Ursi schien beeindruckt. Dennoch hielt sie Cara tapfer ihren Apfel hin als der erste mit lautstarkem Schmatzen und ordentlich Gesabber zwischen den großen Pferdelippen verschwunden waren. Diesmal nahm Cara den Apfel wesentlich vorsichtiger - nur mit den sanften Lippen. Als wenn sie wusste, dass sie das kleine Mädchen sonst erschrecken würde.


    Begeistert grinste Ursi und sah sich nach dem Tribun um, der nun sogar das Angebot machte, sie könnte auf der Stute sitzen. Mit einem erst zaghaften, dann aber doch deutlichen Kopfnicken zeigte Ursi an, dass sie den Vorschlag gut fand.
    Alpina beschäftigte die Stute inzwischen mit einem weiteren Apfel und etwas trockenem Brot.
    Auf dem Hof ihrer Eltern hatte es ein großes, schweres Arbeitspferd gegeben auf dem sie als Kind auch ab und an sitzen und reiten durfte. Alles hier erinnerte sie daran. Der Duft des Strohs und das warme Fell Caras. Der in der kalten Herbstluft dampfende Atem der vielen Pferde um sie herum und das Schnauben der Tiere - Alpina genoss es. Noch glücklicher machte sie aber, dass Massa keine Berührungsängst mit Kindern zu haben schien. Was für eine glückliche Fügung. Sie musterte Massa und versuchte ihn sich auf dem Rücken des Pferdes vorzustellen. Ein edles Tier mit dekoriertem Zaum und Sattelzeug, er dazu in vollem Ornat wie heute. Unwillkürlich leuchteten Alpinas Augen.
    "Da wo ich herkomme, verehren die Menschen eine einheimische Göttin, die als Herrin der Pferde bezeichnet wird. Ihr römischer Name ist Epona. Mein Großvater errichtete ihr einen Schrein in Bratananium, meinem Heimatdorf. Hast du von ihr gehört?"

  • Vorsichtig nahm Massa Ursi hoch und setzte sie auf den Pferderücken. Cara schien es nicht zu stören. Sie war anderes Gewicht gewohnt. „ Halte dich an der Mähne fest Ursi.“ Massa war erleichtert, dass Cara Uris und Alpina an sich heran ließ. Sie war zwar ein ruhiges und umgängliches Pferd, aber die Chemie musste stimmen, ansonsten war da schwer was zu machen.
    Massa kannte Epona. Durch seinen Dienst auf See hatte er aber wenig mit Pferden zu tun gehabt. Cara war seine erstes eigenes Pferd. Was er jetzt stets und ständig brauchte, wenn er die Castra verließ. „ Die Göttin Epona kenne ich. Bisher hatte ich wenig mit ihr zu tun. Ich war mehr auf dem Meer, als an Land unterwegs. Sicherlich wäre es gut, ihr hier vor den Stallungen einen kleinen Altar zu errichten.“ Für das Wohl von Reiter und Pferd war das eine gute Idee. Massa sah Alpina an, dass sie sich hier bei den Pferden wohl fühlte und ihr der Umgang mit ihnen nicht fremd war. „ Kannst du reiten?“ Für römische Frauen war das nicht selbstverständlich. Massa hatte es bei einigen Völkern im Süden gesehen, dass dort der Umgang mit Pferden auch für Frauen zum Alltag gehörte. Hier im Norden hatte er bisher keine Erfahrungen dahin gehend gemacht. Massa sah wieder zu Ursi. Die Kleine saß immer noch auf Cara. „ Jetzt sitzt du einmal auf Cara, dann kann sie dich auch ein Stück tragen. Vielleicht möchte deine Mama ein Stück mit?“ verschmitzt sah er zu Alpina. Massa hatte vor Cara bis zu seiner Casa zu führen. Eine kleine Gegenleistung für die Äpfel und das Brot.

  • Stolz erfüllte Alpina als sie ihre Tochter hoch zu Ross sah. Ein wenig wie Epona selbst saß die Kleine auf dem nackten Pferderücken.
    Auf Massas Frage ob sie reiten könnte, lief Alpina wieder rot an. "Reiten "können" ist definitiv der falsche Ausdruck. Ich habe einige Male auf dem Rücken des schweren Kaltblutpferdes gesessen, das mein Großvater besaß. Ich durfte auch ein wenig damit im Schritt spazieren gehen. Als Reiten würde ich das aber nicht bezeichnen. Doch ich mag Pferde."
    Er machte den Vorschlag, dass Esquilina ein Stück reiten sollte. Sie nickte wieder begeistert. "Oh ja, gerne!" piepste sie und hielt sich aufmerksam an der Mähne fest.


    "Ich begleite euch gern ein Stück", erwiderte sie Massa. "wenn dir das nicht unangenehm ist, würde ich gerne in Ursis Nähe bleiben." Und in deiner!
    Alpina erschrak bei dem Gedanken, der sich in ihren Kopf geschlichen hatte. Doch es entsprach der Wahrheit. Sie fühlte sich wohl in Massas Gegenwart und wünschte sich diese Zeit auszukosten. Wie schnell waren diese Momente vorüber. Schon morgen konnte er abberufen werden, einen Auftrag fern von Mogontiacum bekommen, an Bord eines Schiffes gehen und über alle Ozeane davonsegeln. Carpe diem!

  • Für ihn wäre es nicht unerwartet gekommen, wenn Alpina ja gesagt hätte. „ Dann darf Ursi ganz alleine auf Cara bis zu meiner Casa reiten.“ Massa drehte sich zu Ursi. „ Halte dich weiter schön fest. Mama wird neben Cara und dir laufen und aufpassen, dass du nicht runter rutscht.“ Los ging der kleine Ritt durch die Castra. Wieder vorbei an dem Domus des Praefectus castrorum, der Principia. Diesmal überquerten sie die Via Praetoria. „ Willst du es nicht irgendwann Mal probieren, auf Cara zu reiten?“ fragte Massa Alpina unvermittelt. Sie waren fast da. Er stellte sich Alpina auf Cara vor. Allen Vorurteilen zum Trotz, bei anderen Völkern saßen auch Frauen auf Pferden. Sie stellte sich sicherlich nicht so ungeschickt an wie er bei seinem ersten Mal. Mit der Zeit ist Massa zu einem passablen Reiter geworden. Mit Cara war das relativ einfach gewesen. Warum sollte Alpina es nicht lernen?
    „ So wir sind da.“ Massa blieb vor der ersten casa links an der Ecke, wo Via Praetoria und via Principalis aufeinander trafen, stehen. Cara band er an einem Ring an der Hauswand fest. „ Nach dem langen Ritt, denke ich, brauchen wir alle eine kleine Stärkung. Darf ich euch zu einer kleinen cena einladen?“ Was für eine Frage. Es wäre schade wenn sie jetzt gleich wieder gehen wollten. „ Danach darf Ursi bis nach Hause reiten. Einverstanden?“ Massa hoffte auf Ursi‘s Unterstützung. Die Kleine war vom Reiten so sehr begeistert, dass musste klappen. Sie durften jetzt einfach nicht gehen. Er wusste ja nicht, wie die Ernte verlief und wann er dann Zeit hatte Ursi wieder auf Cara reiten zu lassen. Jetzt suchst du also schon Gründe, um sie wieder zu sehen... Hast du dir das gut überlegt? ....Kannst du nicht einmal ruhig sein und mich ohne Zweifel lassen. Verdammt sei still.

  • Ursi genoss ihren ersten Ritt sichtlich. Strahlend saß sie auf Cara und es störte sie auch überhaupt nicht, dass die Legionäre neugierige Blicke auf das seltsame Dreiergespann mit Pferd warfen. Alpina hielt vorsichtshalber eine Hand am Rücken derKleinen um sicher zu gehen, dass sie nicht ins rutschen geriet. Als Massa sie fragte, ob sie nicht doch auch mal probieren wollte zu reiten lachte sie.
    "Lust hätte ich schon. Allerdings nicht hier wo mir tausend Augenpaare folgen", antwortete sie wahrheitsgemäß. Der Kleinen machte das nichts aus. Als Dreijährige hatte sie schließlich kein Schamgefühl, Alpina jedoch konnte sich nicht vorstellen vor den vielen neugierigen Legionären auf den Pferderücken zu steigen.


    Als Massa an einer Kreuzung stehen blieb und ankündigte, dass sie da wären, sah sich Alpina zunächst verwundert um. Sie sah keine Stallungen. Die Erklärung folgte sogleich. Er lud sie zur Cena ein. Hatte Alpina nicht insgeheim gehofft, dass er sie fragen würde? Sie war schon froh gewesen ihn überhaupt wiederzusehen, doch das ließ ihr Herz höher schlagen. Hieß es nicht auch, dass er nicht einfach nur höflich war und dem Kind einen Herzenswunsch erfüllte, sondern es hieß auch, dass er gerne Zeit mit ihnen verbrachte. Alpina hoffte, dass sich Ursi benehmen würde und nicht die Tribunscasa auf den Kopf stellte.
    "Oh das ist ein schöner Vorschlag, nicht wahr Ursi? Danke Tribun! Du machst uns beiden eine große Freude! Und mal sehen, wenn es nachher dunkel genug ist, kannst du mich vielleicht überreden, mich auf dein Ross zu setzen."
    Hatte sie das wirklich gesagt? Alpina wunderte sich über sich selbst. Sie war mutig geworden. Irgendetwas an Massa verleitete sie dazu, ihre Vorsicht fallen zu lassen.
    Ursi jedenfalls freute sich wie ein Schneekönig. Sie streichelte noch einmal das glatte Fell Caras, dann ließ sie sich herunterheben und machte sich sogleich daran, zur Eingangstür der Casa zu laufen. Die Neugierde sprach aus ihren Augen.
    "Hier rein?"

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