Ich hoffe, ich darf mich hier dazu schreiben?
Sie brauchte dringend einen neuen Lucius. Oder zumindest etwas ähnliches. Der momentane Zustand war nicht tragbar. Aglaia hatte also von dem wenigen, was sie noch hatte, das beste ausgesucht. Glücklicherweise hatte sie vor ihrem tiefen Fall das tiefrote Kleid mit den goldenen Stickereien angehabt, so dass sie es auch heute tragen konnte. Nichts fiel mehr in den Blick als rot! An Schuhwerk hatte sie nur die Wahl zwischen hohen Kothurnen (völlig inakzeptabel!) und dünnen Halbschuhen (ebenfalls inakzeptabel, aber etwas weniger). So trug Aglaia letztere und hoffte, dass niemand allzu sehr darauf starren würde. Aber Männer hatten im Allgemeinen ohnehin eher weniger Ahnung von Mode.
Die Haare selbst hochzustecken war ebenfalls weitaus unerquicklicher als allgemein angenommen, jedoch hatten vielleicht lose Strähnen ebenfalls einen eigenen Charme. Zumindest gab es einer Frau ein etwas wilderes Aussehen, und auch das mochte manche Männer reizen.
Einen wirklichen Plan hatte Aglaia nicht, als sie an diesem Morgen losgezogen war. Rom war nicht mehr, wie es vor fünfzehn Jahren gewesen war, und sie hatte nicht mehr die Rückendeckung von Agnodice, die sie damals in die Welt der Hetären eingeführt und den entsprechenden Männern vorgestellt hatte. Und sie hatte zwar die letzten Tage damit verbracht, Namen und Taten auswendig zu lernen, nur kam man dadurch nicht unbedingt an besagte Namen heran. Und vor dem Senat herumzulungern war so durchschaubar und vulgär.
Noch grübelte sie, wie sie wieder an frühere Erfolge anknüpfen könnte, als sie zufällig Hufgetrappel in einer nahen Rennbahn hörte. Ohne lang zu überlegen, sah sie sich die Sache etwas näher an. Zum einen waren Wagenrennen ja durchaus sehr unterhaltsam und kurzweilig, und zum anderen erfreute sich dieser Sport durchaus auch in höheren Gesellschaftsschichten großer Beliebtheit.
Bis Aglaia allerdings ihren Weg soweit gefunden hatte, um einen Blick auf die Rennbahn werfen zu können, war anscheinend der Ziellauf schon beendet. Doch ebenfalls offenbarte ihr der Anblick, dass es sich nur um ein Training gehandelt hatte, denn außer ihr waren nur einige Männer anwesend, die miteinander ins Gespräch vertieft schienen. Aglaia schätzte sie mit einem Blick kurz ab. Sie passten in ihr Beuteschema (wohlhabend und älter), also platzierte sie sich so, dass sie zwangsläufig dem einen oder anderen davon mit ihrem roten Kleid ins Auge fallen musste. Gekonnt lehnte sie gegen eine Mauer, so dass das Licht ihre Silhouette schön betonte und ihre Vorzüge gut herausarbeitete und lächelte immer wieder einmal beiläufig in Richtung der Männer. Vielleicht sprang ja einer darauf an?