Die gestrige Sitzung der Ermittlungskommission verlief anders als erhofft, denn sie wurde vorzeitig abgebrochen. Ungeachtet dessen erbrachte sie aber ein nennenswertes Ergebnis. Mit diesem Resultat im Gepäck betrat der Consul das Senatsgebäude, nachdem er die Senatoren zu einer Eilsitzung gebeten hatte.
Er legte Wachstafeln ab, trat vor das Gremium und wartete, bis das Gemurmel verstummte.
"Werte Senatoren!
Wenn mich jemand bei meinen letzten Kandidaturen gefragt hat, ob ich für den Fall des Wahlsieges Gesetzesänderungen plane, habe ich das stets verneint. Gleichzeitig habe ich deutlich gemacht, sollte ich im Rahmen meiner Tätigkeit auf einen Sachverhalt stoßen, der mir weder gerecht noch logisch oder am Ende in keinster Weise zumutbar erscheint, werde ich alle verfügbaren Hebel in Bewegung setzen, um den Missstand zu beseitigen. Dieser Umstand ist während meines Consulats bereits einmal eingetreten, als ich die Notwendigkeit für ein Wagenrennengesetz erkannt habe." Er blickte in die Runde, bevor er anfügte: "Und gestern habe ich einen weiteren Missstand erkannt."
Die wenigsten Senatoren wussten, worauf Menecrates anspielte, da von der ohnehin kleinen senatorischen Abordnung zuletzt nur vereinzelt noch jemand an den Sitzungen der Ermittlungskommission teilgenommen hatte. Manche Ereignisse besaßen zwar flinke Füße, aber in diesem Fall glaubte Menecrates, weitgehend uninformierte Senatoren anzutreffen.
"Im Rahmen der Ermittlungen sind wir ein beträchtliches Stück vorangekommen. Zum Durchbruch hat uns die Zeugin Sergia Fausta verholfen, die der Kommission eindrucksvoll vorgeführt hat, wohin es führt, wenn wir in der Kontrolle unserer Staatsführung nachlässig werden und Frauen gestatten, Ämter zu bekleiden, die der Tradition gemäß Männern vorbehalten sind, und Titel zu tragen, die unsere Ahnen einzig Männern verliehen haben.
Jene Zeugin hat in keinster Weise kooperiert und doch so viel geholfen, wie ich es mir nicht besser hätte vorstellen können." Er hob die rechte Hand, führte Zeigefinger und Daumen zusammen und unterstrich jedes der nachfolgenden Worte wie mit einem Taktstock.
"Wir selbst sind Schuld am Sklavenaufstand. Wir selbst tragen die Verantwortung, wenn sich Frauen der untersten Schichten dazu ermutigt fühlen, sich zu erheben. Jeder einzelne von Varia begangene Mord im Vorfeld des Aufstandes wurde an einem römischen MANN verübt!" Er legte eine wirkungsvolle Pause ein, bevor er - wieder mit imaginärem Taktstock in der Hand - weitersprach.
"Jeder Mann, jedes Kind und jede Frau der Straße erlebt Tag für Tag, wie Römerinnen in Positionen gelangen, die Männern vorbehalten sind. Und sie werden von Staats wegen darin noch unterstützt!" Mahnung klang in seinen Worten mit.
"Varia hat eher als wir selbst erkannt, dass Rom instabil geworden ist und sie hat die Chance ergriffen. Warum sollte ein Sklave uns achten oder respektieren, wenn wir nicht in der Lage sind, unsere Traditionen vor unseren Frauen zu schützen? Wir sind schwach, wir sind angreifbar. Wir selbst haben Frauen erlaubt, die alten Sitten und Gebräuche mit Füßen zu treten." Wieder schob Menecrates eine wirkungsvolle Pause ein, bevor er weitersprach.
"Und noch etwas, werte Senatoren: Dieser Aufstand kann und muss als göttliche Strafe gesehen werden. Bisher war mir nicht klar, an welchem Punkt uns die Götter zürnen. Ich habe während meines Consulats viel Zeit, Energie und Geld aufgebracht, um die Götter milde zu stimmen und um zu sühnen, aber wir erreichen nichts, wenn wir nur den Schaden begrenzen. Wir müssen die Ursachen bekämpfen und die Zeugin Sergia Fausta hat uns mit der Nase darauf gestoßen: Wir lassen unsere Traditionen verkümmern!
Ich bin gewillt, den ersten Schritt in die richtige Richtung zu tun und ich fordere euch auf, tragt die Verantwortung mit für Rom und für die Zukunft unserer Kinder."
Er griff nach den Wachstafeln.
"Ich habe einen Gesetzentwurf ausgearbeitet, den ich euch hiermit vorstelle."
Lex de restitutio
Präambel
Dieses Gesetz soll die alten Sitten und Gebräuche (mois maiores) des römischen Staates wieder herstellen, die bezüglich unserer wertgeschätzten Frauen galten. Zu ihrem Schutz und zur Wertschätzung der Geschichte unseres geliebten Roms sind Rechte und Pflichten gleichermaßen einzusetzen.
§ 1 Aufhebung besonderer Zugangsberechtigungen
(1) Eine römische Frau und eine fremde Frau (Peregrina) können keine öffentlichen Ämter außerhalb des Cultus Deorum bekleiden.
(2) Es werden alle Zugänge zu den equestrischen und zivilen Laufbahnen aufgehoben.
(3) Eine Frau kann weder als Ritter noch als Bürgerin in der Verwaltung, im Militär, im Senat, der Kanzlei oder sonstiger Position einer Administration des römischen Staates dienen.
(4) Nur der Cultus Deorum, die Vestalinnen und gesonderte Tätigkeiten im Zuge des Dienstes an den Göttern sind Frauen weiterhin frei zugänglich, mit Ausnahme von Positionen, die der Tradition nach männlichen Bürgern vorbehalten sind.
§ 2 Verpflichtung zum sittsamen Leben
(1) Eine Frau hat sich den Gepflogenheiten der Traditionen unterzuordnen. Sie darf keinerlei standesfremde Tätigkeit ausführen, die nicht gebührlich ihrer Herkunft als Römerin ist.
(2) Eine Frau kann sich nicht vom Stande über ihren Ehemann erheben, sofern dieser nicht zustimmt.
(3) Eine Frau, mit Ausnahme von Sklavinnen, kann und darf keine Ausbildung an der Waffe erhalten.
(4) Eine Frau ist dem Mann in der Öffentlichkeit untergeordnet, sofern dies ihrer Verpflichtung als Mutter, Ehefrau und Bewohnerin des Reiches nicht zur Schande gereicht.
(5) Eine Frau ist von jeglichem aktiven und passiven Wahlrecht ausgeschlossen.
§ 3 Feststellung
(1) Männer und Frauen sind nicht gleich.
(2) Eine Vermischung ihrer Talente, Fähigkeiten und Positionen ist verboten.
(3) Rom schützt und wertschätzt seine Frauen und achtet auf eine entsprechende Schutzposition.
(4) Es gelten die alten Werte und Sitten der Ahnen, die in Weisheit und Weitsicht auf eine wertgerechte Gemeinschaft achteten.
(5) Alle Gesetze und Positionen, die den Traditionen zuwider laufen, insbesondere der Beschäftigung einer Frau im öffentlichen Dienstverhältnis, außerhalb des Cultus Deorum, sind aufgehoben.
(6) Frauen können weiterhin in handwerklichen und freien Berufen außerhalb der Verwaltung, dem Militär und den ritterlichen und senatorischen Laufbahnen tätig sein.
§ 4 Schutz und Rechte
(1) Eine römische Frau ist gleichermaßen Bürgerin.
(2) Sie wird vom Staat gleichermaßen geschützt und ihr Lebensrecht gilt als verwirklicht.
(3) Eine Fremde (Peregrina) kann nicht den gleichen Schutz genießen wie eine römische Frau.
(4) Eine römische Frau und eine Fremde können Zugang zu Bildung erhalten.
(5) Eine römische Frau ist in ihrer Ehre zu achten.
(6) Ehrenrechte umfassen einen standesgemäßen Umgang, Zurückhaltung und Wertpflege ihrer Anwesenheit.
Der Consul blickte auf und zeigte sich gespannt, wer der Anwesenden bereits vom Zerfall erfasst war und sich die Blöße gab.