Selenus war der Chef einer Kreuzweg-Bruderschaft. Diese halblegale Organisation lebte davon, den reichen Herren einer Umgebung gegen Bezahlung Schutz auf ihren Wegen zu bieten. Händler und andere Reisende wurden ebenso gnadenlos darauf aufmerksam gemacht, dass ihr Weg durch Rom nicht ungefährlich war, wie die Rivalen der anderen Stadtteile aus dem eigenen Viertel vertrieben wurden.
Das offizielle Ziel jedoch war die Instandhaltung der Heiligtümer der Lares Compitales und deren "Verpflegung", so dass sie eigentlich den Schutz gewährten, den Selenus mit seinen Leuten dann lediglich ausübten. Aus diesem Grund arbeiteten seine Männer auch eng und gerne mit der Germanitas Quadrivii zusammen. Ob Selenus dort jemals Mitglied werden würde, wusste er noch nicht, doch er spielte schon lange mit dem Gedanken.
Die Basis der Bruderschaft war in einem völlig unauffälligen Haus untergebracht. In den hinteren Räumen, mit Notfall-Ausgängen in verschiedene Richtungen, sollte es jemals notwendig sein, lag sein Büro, es wurde gespielt und Getrunken. Den grössten Respekt hatten die Männer vor den Cohortes Urbanae. Sie konnten im Zweifel richtig gefährlich werden. Die Prätorianer hingegen schreckten diese Männer nicht. Viel zu loyal gegenüber dem Kaiser und dem Senat war die Bruderschaft, dass sich die Schwarzröcke für sie interessieren würden.
Dennoch wurde immer und überall auf absolute Geheimhaltung geachtet. Nur wenige Menschen wussten, wer das Oberhaupt der Bruderschaft war oder wie man mit ihr in Kontakt treten konnte. Das war auch gut so und trotzdem hatte die Bruderschaft Kontakte, die zwischendurch für einen schönen Nebenverdienst sorgen konnten. Senatoren und andere Bürger des Esquilin wandten sich manchmal vertrauensvoll an die Bruderschaft, wenn sie Hilfe in einer delikaten Sache benötigten, die auf keinen Fall auf sie zurückfallen durfte.
Selenus selbst war ein Freigelassener. Doch ausser ihm und der Familie seines alten Herrn, wusste niemand wessen Familie er sich zugehörig fühlte und das würde auch auf ewig so bleiben. Er war ein ehemaliger Kämpfer, der es tatsächlich geschafft hatte ohne grössere Verstümmelungen seine Kämpfe zu absolvieren und seine Freiheit zu erkämpfen. Nicht weil er sich zurückgehalten hatte, ganz im Gegenteil, aber seine Kampfkunst konnte sich vermutlich mit fast jedem Einwohner des Imperiums messen, ohne dass er hätte Angst haben müssen, obwohl er nun schon ein älterer Mann war.
Heute jedoch sass er im Officium, schlürfte seinen verdünnten Wein und genoss das Gelächter seiner Männer und der Kunden in den Räumen über und vor ihm.