LUDUS GENUCII
Bei der Villa Suburbana des Quintus Genucius Proculus im Süden der Stadt
https://upload.wikimedia.org/w…px-Pompejigladiatoren.jpgVerlässt man das Zentrum der Stadt in südwestlicher Richtung, so durchquert man über die breite Heerstraße die Canabae, die sich an das Legionskastell anschmiegen. Lässt man die Canabae hinter sich, so säumen zunächst Felder und Weiden den Wegesrand. Nur wenige Gehminuten von der dichten Stadtbebeauung entfernt befindet sich schließlich die Villa Suburbana des Quintus Genucius Proculus. Seit mehreren Generationen sind die Genucii die Eigner des Gebäudekomplexes, der über die Jahre stetig erweitert worden war.
Die Villa Suburbana weist den für diesen Gebäudetyp üblichen Grundriss auf. An ihre Rückseite schließt sich jedoch kein Garten an, sondern ein rechteckiger Sandplatz, der sich über die gesamte Breite der Villa zieht. Dort trainieren die Gladiatoren an Holzpfählen für ihre Auftritte in der Arena. Um den Übungsplatz gruppieren sich alle weiteren Gebäude: Die Unterkünfte der Gladiatoren, die Küche und der Speisesaal, Vorratsspeicher und Lagerräume und natürlich die Waffen- und Ausrüstungskammer. Insgesamt konnte der Ludus es in seinem Umfang natürlich nicht mit jenen Ludi in Rom oder anderen Metropolen des Reiches aufnehmen. Aber für die Verhältnisse im provinziellen Mogontiacum konnte man die Gladiatorenschule des Quintus Genucius Proculus schon als leicht überdurchschnittlich groß bezeichnen.
Den Übungsplatz säumte auf seiten der Villa eine Zuschauertribüne mitsamt einer Loge für den Lanista und besondere Gäste. Die Loge war von den Zuschauerrängen getrennt und leicht erhöht, so dass man sie bequem vom Obergeschoss des Hauses aus betreten konnte. Das Zuschauen beim Training war eine beliebte Freizeitbeschäftigung und so konnte man über eine separate Treppe die Zuschauerränge betreten, ohne die Villa selbst durchqueren zu müssen. So war es üblich, dass bei gutem Wetter mehrere Dutzend Leute aus der Stadt kamen und sich die Gladiatoren beim Training beschauten.
Genucius Proculus' Großvater hatte den Ludus aufgebaut und mit einer Handvoll Gladiatoren begonnen. Er war nicht eben erfolglos gewesen und hatte mit den Jahren Bekanntheit über Mogontiacum hinaus erlangt. Dessen Sohn Lucius Genucius Restitutus allerdings, Proculus' Vater, hatte nicht das wirtschaftliche Geschick geerbt und war weit weniger erfolgreich gewesen. Sein Gespür für den Umgang mit den robusten Kämpfern war schwach ausgeprägt gewesen und er hatte auch selten die Chancen erkannt, die sich hinter manchem Risiko verbargen. Zaudernd und zögerlich hatte er den Ludus langsam in den Ruin gewirtschaftet. Der junge Quintus Genucius Proculus hatte tatenlos zusehen müssen und war an der Sturheit und Inkompetenz seines Vaters bisweilen verzweifelt.
Eines schönen Tages war Lucius Genucius Restitutus dann völlig überraschend die Treppe in der Villa herabgestürzt und hatte sich das Genick gebrochen. Die Sklavenschaft tuschelte natürlich über das plötzliche Ableben des Hausherrn. Man konnte vermuten, dass der Hausherr die Treppe herabgestoßen worden war. Andererseits war die Treppe seit Jahren abgetreten und rutschig gewesen. Es war nicht zu klären, ob es sich vielleicht doch bloß um ein Unglück gehandelt hatte. Quintus Genucius Proculus jedenfalls war nun Erbe eines herabgewirtschafteten Ludus. Zusammen mit seiner Gattin Cluentia Quadratilla schreitet er nun zur Tat, um die Gladiatorenschule wieder zu altem Ruhm zu führen.
Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/…le:Pompejigladiatoren.jpg