Officium | MFG et ATV - Große Haie, kleine Fische

  • Seit dem frühen Morgen, als Sciurus - Gracchus' Leibsklave, Sekretär, Mädchen für alles und persönlicher Dienstleistungsassistent - seinem Herrn die Agenda des heutigen Tages hatte offenbart, war es dem Flavier ein wenig flau im Magen. Der vormittäglichen Sitzung im Senat war er mit nur halber Aufmerksamkeit gefolgt - ohnehin waren nur Lappalien behandelt worden -, in Gedanken stets zwischen einer überwältigenden Sorge, einer dumpfen Leere und einem tiefen Groll schwankend. Es war nicht die Tatsache, dass Praetorianer das Haus würden betreten - immerhin geschah dies auf seine Einladung hin -, sondern die Causa selbst, welche sein Leben lang ihn hatte mehr enerviert als er dies sich mochte eingestehen. Gleichsam hatte das Auftreten des Tiberiers im Senat ihm bewusst gemacht, dass die Vergangenheit jeden Tag konnte geschehen, dass Stille kein Ende bedeutete, sondern nur klandestines Warten auf den richtigen Augenblick. Er wusste nicht, was er von dem Trecenarius konnte erwarten - laut Sciurus genoss Tiberius Verus vorrangig einen zweifelhaften Ruf -, doch er wusste, dass er selbst nicht reglos verharren, dass er nicht tatenlos zusehen konnte wie Rom von Innen heraus zerfressen wurde. Selbst die Tatsache, dass sein letzter Versuch, solcherlei zu verhindern zu einem ausgewachsenen Bürgerkrieg hatte geführt, mochte ihn nicht davon abhalten, denn letztendlich hatte auch dies nichts an seinen Prinzipien geändert. Mit einem Seufzen erhob der Flavier sich von seiner Position hinter dem Schreibtisch und trat unruhig einige Schritte durch den Raum, als die Ankunft des Tiberiers ihm gemeldet wurde. Er blieb stehen, trat jedoch ein wenig zum Tisch zurück, um nicht den Eindruck eines rastlosen Löwen zu vermitteln, sondern dass er eben erst von seinem Stuhl sich hätte erhoben, um den Gast zu begrüßen. Das senatoriche Ornat hatte er bereits bei seiner Rückkehr in die Villa abgelegt und gegen eine Tunika aus fein gewebtem dunkelblauen Stoff, durchbrochen von goldfarbenen Ornamenten gewechselt, und an Schmuck trug er nur den flavischen Siegelring. Der Raum selbst war ebenfalls nicht überladen, sondern nur dezent mit den Zeichen flavischen Wohlstands geschmückt. Auf dem hölzernen Tisch lagen einige eingerollte Schriftstücke, eine unbeschriebene Wachstafel und ein Stilus aus Kirschbaumholz, zur Seite hin standen bereits zwei gläserne Pokale - einer davon zur Hälfte gefüllt - und zwei Karaffen mit Wein und Wasser.
    "Willkommen, Tiberius Verus"
    , begrüßte Gracchus den Gast, explizit nicht dessen Rang erwähnend, und wies auf einen Stuhl.
    "Bitte, nimm doch Platz."
    Er selbst umrundete den Tisch, um ebenfalls wieder Platz zu nehmen, so dass das Möbelstück zwischen ihnen stand und Gracchus ein Bollwerk an Schutz vorgaukelte - welches er nicht des Praetorianers, sondern der Thematik wegen begrüßte. Gracchus' Erfahrungen mit praetorianischen Soldaten waren nicht immer positiv gewesen, doch letztendlich waren diese Männer ein fundamentaler Bestandteil römischer Ordnung, rein äußerlich durch ihr hartes Training und ihre spannungsgeladenen, gestählten Leiber stets eine Augenweide, und das den Flavier beherrschende Sentiment gegenüber der schwarzen Garde seine Liäson mit Faustus.
    "Sorge dafür, dass uns niemand stört"
    , wies er sodann Sciurus an, welcher hinter dem Besuch eingetreten war, um dem Gast aus den Karaffen auf dem Tisch Wein und Wasser nach dessen Wunsch einzuschenken und eine Platte mit frischem Brot und Käse, kaltem Bratenaufschnitt, Oliven, Trauben und geräuchertem Fisch auf dem Tisch abzustellen. Dem Hausherrn war zwar seit dem Morgen nicht mehr nach Essen zumute, doch Gastfreundschaft war schlussendlich nicht von seinem eigenen Magen abhängig. Nachdem der Sklave den Raum hatte verlassen, wandte er sich wieder Tiberius zu.
    "Es ist mir eine große Freude, dass du meiner Einladung gefolgt bist, glei'hwohl der Anlass kein freudiger ist."

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  • Sein Augenlicht verschwamm in einem diesigen Nebel, der diesen Ort zu umgeben schien. Verus fühlte sich verfolgt, heimgesucht von dieser Macht, die er einst im Tempel gesehen hatte. Der unsichtbare Geist war wieder hier, der an den Wänden kratzte und diesen Nebel vor seine Augen legte. Mit einer Handgeste ließ er seine Wachen zurück, um mit ein wenig Würde und Mut vor den Senator zu treten. Dennoch war Verus angeschlagen. Die letzten Nächte ließen keinen Zweifel daran, dass diese Verfolgung und Heimsuchung der Christen auch an seinem Gemüt zerrte, wie die Ketten der Gefangenen in den Kerkern. Verus hetzte von Pflichttermin zum nächsten, um diese Hassmaschine am Laufen zu halten, die nicht nur die Christen mit Folter und Unterdrückung bestrafte. Es war der Wahnsinn, der stets nach allgemeiner Verunsicherung folgte, wie einer großen Unruhe oder einem Aufstand. Verus als erfahrener Offizier wusste solche Lagen stets für das eigene Geschick zu nutzen. Und die Prätorianer folgten willens den dunklen Lichtern, die Verus und auch andere in die Nacht stellten. Ihre persönliche Macht lag nicht nur in ihrer Hierachie, sondern auch schlicht in ihrer Deutungshoheit über Worte und Personen. Ihr Urteil konnte nicht nur Namen und Lebensleistungen hinwegwischen, sondern auch ganze Familien. Ungerechtigkeit war ein Mittel der Teilung aber ein intellektuelles Dogma war eine echte Waffe gegen die Herzen.


    Angst folgte stets den Worten, die sie alle wie Giftpfeile schossen, um bloß nicht ihre eigene Position zu untergraben. Es war ein System des Selbsterhaltes, dass in dieser Form kein Ende kannte. Verus kannte die Menschen nicht nur in guten Lagen, sondern auch in vielerlei schrecklichen Umständen, die er nicht selten mit beeinflusst hatte. Krieg, Folter und Mord waren ihm nicht unbekannt. Sicherlich war er ein guter Mann seines Fachgebietes und beliebt bei seinen Auftraggebern, wenn auch selbst der Kaiser diesen Mann zu fürchten schien. Der Imperator mied seinen trecenarius letztlich und kommunzierte oft nur über Boten. Verus verwunderte dies nicht, denn ihm selbst haftete ein gewisser Dunst des Todes an; eine Unsauberkeit und etwas war anders, wenn er im Raume war. Verus akzeptierte diesen Fluch, denn er war unausweichlich und sogar nützlich für seine Arbeit. Sollte man ihn doch verfluchen und hassen, solange man das tat, was er verlangte.


    Ein Soldat tat dort Dienst, wo man ihn hinsetzte. Ihm waren die Statores und Speculatores zugefallen. Trotzdessen wuchs in ihm ein Keim des Zweifels, da diese Welt nicht mehr zusammen passen konnte. Etwas verhielt sich unpassend. Etwas fehlte dem trecenarius, damit seine Arbeit letztlich als vorerst abgeschlossen betrachtet werden konnte. Der diesige Dunst vor seinen Augen lichtete sich unmerklich aber beständig, als er schließlich vor den Hausherren trat. Die verborgene Waffe konnte der Flavius nicht sehen aber Verus trug versteckt seinen pugio (Militärdolch). Ein Prätorianer war nie unbewaffnet, wenn er sich unbekannte Einrichtungen wagte. "Salve," grüßte Verus etwas steif und ungelenkt, da er dieses zivile Protokoll nicht mehr ganz verstand und oft dadurch auffiel, dass er sich sehr militärisch verhielt. Mit schnellen Augen durchsuchte er die Umgebung nach Hinweisen über die Person, die ihn gerade begrüßte. Die schnelle Auffassungsgabe half ihm und erblickte ein paar dezente Hinweise auf die Persönlichkeit des Flavius, wenn auch nicht konkretisierbar, während der Flavius den Tisch umrundete, um seinen Platz zu finden. "Gerne," war die deutlich geblaffte Antwort des Tiberius, bevor er sich tatsächlich setzte. Die Bewegung wirkte mechanisch und schließlich saß der Mann, der viele Christen zur Hinrichtung geführt hatte.


    Immerhin stellte der Senator sicher, dass sie vorerst ungestört waren, was Verus mit einem Nicken dankbar wertschätze. Die kalten Augen des trecenarius fixierten nun sein Gegenüber. Auf dem Stuhl selbst konnte man nun im Licht des Raumes deutlich die Narbe im Gesicht des Tiberius erkennen, die sich auf seiner Wange zeigte und auch die trockenen sowie rissigen Lippen. Auch die Augenlider waren umspielt von einem tiefen Schatten, der auf Schlaflosigkeit hinweisen konnte. Ferner verschränkte Verus die Arme vor der Brust, so dass für einen Augenblick die Narben an den Handrücken erkennbar wurden. Schnitte und Verbrennungen hatten ihre Zeichen hinterlassen und sangen ihr eigenes Lied vom Krieg, ohne das Verus dies bedeutsam ansprechen musste. Verus war ganz Soldat und seine Lebensgeschichte stand nicht allein in seinen kalten Augen, sondern auch in seinen Narben geschrieben. Der Krieg schien ihm auch hier zu folgen. Der trecenarius würde noch nichts essen oder trinken, dafür war noch nicht genug Vertrauen gewachsen. Giftmorde waren ihm bekannt und auch nicht fremd. "Wie könnte ich eine solche Einladung ablehnen," kommentierte Verus und rang sich in bitteres Lächeln ab, so dass sich ein wenig der vertrockneten Haut von der Lippe löste und von seinem Mund herabfiel. Verus war nicht hässlich aber seine Arbeit hatte ihm diese dämonische Erscheinung gegeben, die hier deutlich zu Tage trat. Gerade im direkten Augenkontakt. Verus versuchte den Flavius mit seinem vorhandenen Wissen einzuordnen und gleichsam zu bewerten. Denn der trecenarius war gespannt darauf, was der Senator erwartete. Er deutete bereits an, dass dieser Anlass kein freudiger war und damit hatte Verus schon gerechnet. Man lud den trecenariis nie zu einem freundlichen Anlass ein. Und selten kam Verus auch in freundlicher Absicht. Sie waren allein. Der Tiberius versicherte sie dieser Tatsache mit einem Blick herum und starrte dann wieder sein Gegenüber an, der in der edlen Kleidung recht aufgeplustert auf einen einfachen Soldaten wirkte, der nur Leinen und Eisen kannte.

  • Obgleich der Leib des Trecenarius unter seiner Toga allfällig tatsächlich gestählt mochte sein, so haftete seiner Erscheinung doch keineswegs jene heroische Aura an, welche Faustus stets umgeben hatten. Während dessen Narbe ein tempramentvoller Schmiss war, scheinen Tiberius' Narben schlichtweg Spuren von Devastation, schien sein gesamtes Antlitz mehr der Maske eines Larven aus einem Theaterstücke ähnlich. Auf den ersten Blick war dieser Mensch niemand, neben dem man bei einer Cena wollte Platz nehmen, nicht einmal im Theater oder auch nur den öffentlichen Latrinen. Andererseits hatte Gracchus schon viele Veteranen erlebt - stolze und doch gebrochene Männer, welche mit Aristides gedient und sich unter dessen Patronat gestellt hatten und später, manche selbst heute noch nun ihm seine Aufwartung machten. Wer wusste schon, was Tiberius erlebt hatte, was außer den Wunden in seiner Haut noch sich ihm hatte eingebrannt. Allfällig sogar im Bürgerkrieg. Dennoch irritierte der kalte Blick, gepaart mit den Worten bezüglich der Einladung den Flavier einen Augenblick, welchen er zögerte, ehedem er sich gänzlich auf sein Anliegen konzentrierte.
    "Vor dem Senat hast du davon gesprochen, dass weitere Aufstände und Übergriffe verhindert wurden, glei'hsam von einer dräuenden Gefahr durch die Sekte der ... Christianer."
    Zweifelsohne war nicht zu überhören, dass dieses Wort im Munde des Flaviers faulig und bitter schmeckte.
    "Diese Sekte ist schon lange eine unterschwellige Gefahr für Rom. Angeleitet durch einen egoistischen, von Allmachtsphantasien getriebenen, herrschsüchtigen Gott, der keinen neben sich duldet, noch an..erkennt, sind sie in ihrer Borniertheit und Animosität gegen Roms Pantheon - wie auch jedes andere Pantheon der Welt - ein Feind Roms, der nichts anderes zum Ziele hat als die Devastierung allen andersdenkenden. Ihre Schla'hten finden nicht an den Grenzen unseres Reiches statt, sondern mitten in seinem Herzen, gleichwohl sie nicht einmal in einer offenen Schlacht sich stellen, wie die Ehre es würde gebieten. Sie agieren klandestin im Ver..borgenen, unterwandern die Gesellschaft und niemand ist vor ihrem Einfluss gefeit, denn Heimtücke und Niedertracht sind ihre Werkzeuge."
    Gleichwohl Indignation durch Gracchus' Leib floss wie das Blut durch seine Adern, blieb sein Tonfall nüchtern und sachlich, ein wenig eindringlich allfällig nur.
    "Sie versprechen Lügen und bedrohen Römer aller Schichten, zwingen sie ihr Vermögen ihnen zu opfern und ihre Herkunft, ihre Familien, ihren Glauben und Rom aufzu..geben! Nicht nur unsere Frauen sind ihrer Gefahr ausgesetzt - niemand ist vor ihnen gefeit, nicht einmal die besten Männer Roms!"
    Unbewusst griff der Flavier nach dem Stilus und umfasste ihn mit seinen Händen an beiden Seiten, so fest, dass seine Adern auf den Handrücken deutlich hervor traten. Gracchus' vergangener, ganz persönlicher Zorn auf die Christianer tönte noch immer leise in die Gegenwart, ein verhaltener Nachhall, ein sublimes Rauschen in den Ecken seines Gedankengebäudes. Seine Sorge jedoch galt der Gegenwart, sein Ingrimm wandte sich gegen eine Gefahr für die Ordnung der Welt, die pax deorum und das römische Imperium, und ohne dies zu realisieren verfiel er in eine Verve, die jener nahe kam, welche er zu Zeiten der Konspiration hatte verspürt.
    "Die Christianer sind wie ein Glassplitter in der Pfote der Wölfin - sie scheinen auf den ersten Blick nur lästig, ein wenig un..angenehm, doch nicht sonderlich schmerzhaft und augenscheinlich keine Gefahr. Doch der Splitter zieht sich tiefer und tiefer in das Fleisch, zer..mürbt Rom aus dem Inneren heraus und eines Tages wird diese Wunde schwären und alles, an das wir glauben, dahinraffen!"
    Er beugte sich nun ein wenig nach vorn, fixierte den Trecenarius trotz dessen eisigen Blickes, welchem das glühende Feuer tiefen Abscheus in seinen eigenen Augen entgegen stand.
    "Wenn diese Sekte also wieder erstarkt, wenn es derzeit wieder eine konkrete Gefahr für Rom ausgehend von den Christianern gibt - und wenn nur Anzei'hen oder Indizien dafür sprechen -, so muss dieses Thema vor den Senat, dass wir gegen dieses Geschmeiß vorgehen können!"

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  • Teuflisch zufrieden war Verus, nachdem er selbst jedes Wort des Senators, wie Opium, aufgesaugt hatte. Dieser Mann war in der Tat ein guter Verbündeter und zu Gunsten der prätorianischen Sache manipulierbar. Der trecenarius hatte endlich jemanden gefunden, der ähnlich dachte und fühlte. Ein Segen in einer Stadt, die vergessen hatte, was sie groß gemacht hatte. Jede Geste und jeden Ausdruck des Flavius beäugte der Tiberius überaus aufmerksam. Denn dieser Tag konnte sich in der Tat zu einem Sieg ausweiten, wenn der Flavius seine eidvolle Unterstützung zusichern konnte. Doch Verus musste in dieser Sache sensibel arbeiten. Den Hass und die Angst sorgsam nähren, damit die Saat nicht im Keim des Übermutes verging. Hass mussste kultiviert werden, wie eine traumatische Erinnerung. Immer wieder musste er erdacht und durchdacht werden. Der Hass war ein erlernbares Gefühl und erst in seiner langen Anwendung wirklich brauchbar. Schneller Zorn verging aber Hass blieb beständig und zersetzte selbst Familien. Wer diesen Hass kontrollieren konnte, lenken musste, konnte alles erreichen und die Christen endgültig verdammen. Verus liebte seine Hassmaschine, da sie ihm so einfach Zugang zu Lösungen verschaffte. Aus diesem Grund, ließ Verus den Senator ausführlich reden und seine Emotionen wachsen.


    Der Teufel genoss und schwieg; doch zwischenzeitlich gab er immer wieder ein verständnisvolles Nicken ab, eine wiederkehrende Bestätigung, dass beide Männer gleich dachten. Der höllische Meister musste hier nicht umgarnen, wie eine Spinne, sondern fand sein Ziel gleichsam einfach. Der kleine Sprachfehler des Flavius wurde nicht beachtet aber vermerkt. Verus lächelte dezent. Nicht stark aber beständig. Es war ein zynisches Grinsen, eines Wolfes, welcher seiner Beute auflauerte aber sich einen Spaß aus der Jagd machte. Nein, Flavius war nicht seine Beute aber sicherlich das Herz des Mannes, welches mit Hass zu vergiften war. Rom brauchte ein großes Unterfangen, ein echtes Aufgebot und vielleicht sogar einen Akt der Gewalt, um diese Sachlage endgültig zu klären. Oder zumindest einen Versuch der Klärung, da war sich Verus sicher, denn sein Hass war rein und getrieben durch seine eigenen Unfähigkeiten. Verus verdarb nicht an der Welt, sondern an sich selbst. Die Welt tat nur ihr Schmuck- und Beiwerk. Sein Herz, einst voller Ideale, war zerbrochen an der Missgunst, dem Zorn und der Leere menschlicher Wünsche. Jedes Wort des Flavius hätte auch so von Verus getroffen werden können, so dass der trecenarius genüsslich antwortete: "Ich stimme zu, Senator. In allen Aussagen. Aus diesem Grund arbeite ich schon sehr lange gegen diese Sekte und die mit ihr verbundenen Aufständischen."


    Eine Bestätigung, die nicht nur gegen den Flavius gerichtet war. Verus wertschätzte nicht seine Arbeit aber seine Ziele. Ein Rom ohne Aufstände und Christen war ein sicheres und friedliches Rom. Noch dazu konnte er seine eigene Position in diesem neuen Rom definieren, frei von alten Ketten, da diese mit dem Feuer der Reinigung verbrennen würden. Hingegen hoffte der Flavius auf eine Bewahrung, einen Frost, der seinen Glauben und seine Absicht konservieren konnten. Feuer und Eis trafen zusammen, verschworen sich gegen die Gelübde und den Glauben der Christen. Ein gemeinsamer Hass definierte die Grundlage dieses Gesprächs, so dass es wenig Worte brauchte. "Wenn wir nicht konsequent handeln und alle verfügbaren Kräfte mobilisieren, werden wir Rom verlieren," dramatisierte der trecenarius ein wenig. Er wollte den Mann noch ein wenig anstacheln, aufstacheln, bewegen und ermuntern, dass es nur einen Weg gab. "Ich bin bereit dieses Thema mit Unterstützung durch andere Gleichgesinnte vor den Senat zu bringen und ein entsprechendes Gesetz einzubringen, welches das viel zu weiche bestehende Dekret ersetzen muss, damit wir alle nicht mehr um unsere Familien fürchten müssen. Es geht um unsere Kinder und Enkel," war die schließliche Antwort des Mannes, der inzwischen eine gewisse Expertise in der politischen Verfolgung aufwies. "Doch du scheinst mir ein eloquenter Befürworter unserer Sache zu sein, Senator Flavius. Warum erarbeiten wir nicht gemeinsam einen Vorschlag und bringen es gemeinsam vor den Senat? Sicherlich werden uns andere Senatoren unterstützen. Ich kenne bereits einige Gleichgesinnte," war die betonte Ergänzung zur Antwort, die nicht ganz ohne Ertüchtigung herausbrach. Die Gelegenheit war da und günstig, seine eigenen Verfolgungen vollumfänglich legitimieren zu lassen. Ein trecenarius konnte da nicht zurückweichen, wenn sich diese Möglichkeit bot.

  • Es schmerzte Gracchus zu hören, dass Tiberius schon sehr lange gegen die Sekte der Christianer arbeitete. Noch länger lag sein eigener Unmut zurück und Rom seit solch langer Zeit in beständig unterschwelliger Gefahr zu wissen betrübte den Flavier. Er mochte Rom nicht verlieren, nicht noch einmal, und insbesondere nicht an die Christianer, an welche er nicht einen einzigen aufrechten Römer wollte verlieren. Dennoch schüttelte er ein wenig zögerlich den Kopf.
    "Ich bin nicht sicher, ob es tatsä'hlich ein neues Gesetz benötigt, um dieser Seuche Herr zu werden. Das Decretum Christianorum regelt den Umgang bereits umfänglich, doch es fehlt an einer verständigen Auslegung und mehr noch an einer tatkräftigen Ver..folgung der Delikte und Umsetzung des Dekrets. Keine ihrer Praktiken darf das Römische Pantheon direkt beleidigen etwa."
    Er lachte freudlos.
    "Als würde nicht jede ihrer Praktiken Roms Pantheon beleidigen! Ist nicht eine ihrer obersten Maximen keine anderen Götter neben ihrem rachsü'htigen Götzen anzuerkennen? Was ist dies, als eine Beleidigung unserer Götter!? Es ist als würden die Barbaren vom Rande der Welt in den Tavernen der Subura sitzen und lautstark die Rechtmäßigkeit unseren Augustus anzweifeln! Würden wir dies etwa wieder und wieder tolerieren? Jedes ihrer Gebete und Rituale ist ein Affront gegen unsere Götter und den göttlichen Augustus und muss daher ver..folgt und geahndet werden!"
    Er warf den Stilus achtlos vor sich auf den Tisch.
    "Gleichwohl ihre Missionstätigkeit! Wie kann es sein, dass sie sich über die Zeit hinweg halten, gar zu vermehren scheinen? Weder öffentlich, noch im Geheimen ist ihre Persuasion re'htens, so dass auch dies verfolgt und geahndet werden muss! Zudem sprichst du von Aufständischen. Aufständische - gleich welcher Fasson - müssen stets gerichtet werden! Doch es geschieht nicht! Weshalb?"
    Durchdringend war der Blick des Flaviers, ehedem er realisierte, dass er sich zu weit gehen ließ, dass zudem nicht der Trecenarius zu jener Behäbigkeit gehörte, welche Rom bisweilen in ihrem Griffe der Starre hielt. Er lehnte sich etwas zurück und seufzte.
    "Andererseits hast du allfällig recht. Wir sollten die christianischen Praktiken schlichtweg generell verbieten. Die Ausübung ihrer kruden Riten auf römischem Gebiet hat einen negativen Effekt auf die pax deorum. Es ist nicht wie bei anderen Religionsgruppen, welche ledigli'h ihre eigenen Götter bestärken, doch die unseren nicht in ihrer Existenz anzweifeln. Nein, die Christianer provozieren mit jedem Gebet, mit jeder Kulthandlung unsere Götter, erzürnen sie und gefährden somit den harmonischen Ausgleich, welcher die Welt in Balance hält."
    Er nickte nun überzeugt.
    "Ja, allfällig ist es dies, was wir tun sollten. Das Dekret verschärfen, die Ausübung ihrer Riten auf römischem Boden ver..bieten und eine konsequente Verfolgung dieser Straftat fördern."
    Einen Augenblick sog Gracchus die Unterlippe zwischen die Zähne, ehedem er fort fuhr.
    "Doch dies muss gut vorbereitet sein. Sich schlichtweg vor den Senat zu stellen, und ohne offensichtli'he Gefährdung eine Reform dieses Gesetzes einzufordern, wäre kaum von Erfolg gekrönt. Würde etwa ich in der nächsten Sitzung eine solche Änderung beantragen, so würde man mir vorwerfen von den Geistern der Vergangenheit heimgesucht zu werden. Die Ursache der Aufstände ist noch immer nicht publik, die Gefahr, welche von den Christianern ausgeht somit nicht dräuend genug."
    Er fixierte den Tiberius.
    "Wann werden diese Ergebnisse vorliegen? Allfällig könnte bis zu diesem Zeitpunkt auch der Unmut der Götter ein wenig deutli'her zutage treten."
    Die Pontifices waren immerhin die Hüter der pax deorum in Rom, waren Ratgeber in allen kultischen Belangen und hatten einen nicht unerheblichen Spielraum Hinblick auf die Auslegung göttlichen Willens, respektive göttlichen Sentiments, was sie stets dazu nutzten, ihn zum Wohle des Staates auszulegen.

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