Taverne "Zum blinden Esel" gegenüber der neuen Urbanerstation

  • "Nimm doch Platz", sagte Lurco zur Pickelfratze, schnitt die Leiche vom Stuhl los und trat sie zur Seite weg. Mit dem Dolch deutete er auf den gerade frei gewordenen Platz.


    "Ich verdiene 30 Sesterzen die Woche und mache das, was jeder in meiner Situation tun sollte. Die anderen verdienen einen Arschtritt. Trotzdem Dankeschön für Deine aufbauenden Worte. Ich werde sie in Ehren halten. Sieh bitte zu dass unser Freund hier nicht vom Stuhl fehlt", antwortete Lurco Kyriakos gerührt.


    "Zu Dir Krähe. Sag mir wo sich Deine restlichen Kumpanen befinden. Wo ist Euer Hauptquartier. Wo befindet sich der Tavernenbesitzer?", hakte Lurco nach. Er benötigte eine Bestätigung, aber sie würden auch so den genannten Orten und dem alten Kerl einen Besuch abstatten.

  • »Dreißig Sesterzen«, sinnierte Kyriakos. »Nicht schlecht. Das und mehr hätte ich auch verdienen können.«


    Seine Kiefermuskulatur spannte sich kurz an. Gewaltsam beförderte er den Pickelkopf auf den Stuhl, der herzerweichend greinte, sofern man ein Herz besaß. Er schnürte ihn fest. Der junge Mann entdeckte das herumliegende Auge und fing an zu weinen.


    »Ich bin noch nicht schuldfähig, ich bin noch keine vierzehn!«

  • Der Jüngling quiekte. Kyriakos bedauerte einen Moment seine Entstellung. Er war jung genug, als dass er ein brauchbarer Lupo hätte werden können, die Pickel sorgten dafür, dass er lange jung aussah. Ob diese Einschätzung Sinn machte, wusste er nicht, sein Schönheitsempfinden unterschied sich von dem der Römer. Man müsste es ausprobieren, doch dazu würde es nicht kommen.


    »Ich weiß es nicht, ich war nur ein Bote«, wimmerte der Knabe.

  • "Ein Bote bekommt einen Auftrag. Von wem hast Du Deinen Auftrag erhalten? Was solltest Du überbringen? Namen oder Beschreibungen. Du kannst das Ganze hier ziemlich einfach haben und Deinen Hintern retten oder Du folgst Deinem Kollegen hier", sagte Lurco und deutete auf den Burschen am Boden.


    Das der Junge keine Chance hatte, wussten nur Lurco und vermutlich Kyriakos. Das Alter sagte nichts über die Schuldfähigkeit einer Person aus. Es gab junge Mörder und alte Rechtschaffene. Daran bestand kein Zweifel. Alles was diese Krähe hier werden würde, war älter, verschlagener, gerissener, erfahrener und brutaler. Ungeziefer blieb Ungeziefer und am besten vernichtete man die Eier bevor alles schlüpfte und sich ausbreitete.


    Aber zu einem Verhör gehörte auch, dass man dem Verhörten etwas lieferte, was er sich wünschte - Hoffnung. Die Krähen spielten mit dem gleichen Gefühl. Bezahle und überlebe. Lurco gab dem Vogel nur was von seiner eigenen Medizin.

  • »Von einem Mann namens Corvus«, jammerte der Junge. »Ich habe Personen überwachen sollen. Wann war Wachwechsel bei der Stationsbaustelle? Wann waren die wenigsten Urbaner vor Ort? Solche Dinge.«

  • "Das ist doch schon mal was. Wie heißt Du, wie alt bist Du und woher stammst Du? Wo hast Du Dich mit Corvus getroffen? Beschreibe den Mann so genau wie möglich", forderte Lurco.


    Diese kleine Ratte hatte seine Kameraden ans Messer geliefert und berief sich darauf noch nicht schuldfähig zu sein? Schuldiger als er waren nur die messerschwingenden Mörder.

  • »Cassivellaunus aus Mantua. Ich bin 13, Herr«, erklärte der Junge. »Ich habe Corvus bei sich zu Hause besucht, wie die meisten es taten. Er wohnte hier in der Subura.«

  • »Nicht weit von hier, wenn du der Hauptstraße in Richtung Stadtmauer folgst kommt irgendwann ein Trinkwasserbrunnen. Dort biegt man rechts ab und gelangt in eine verwinkelten Nebengasse. Da steht ein größeres Haus mit Hof und mehreren Vorsprüngen. Es ist zwei Etagen hoch und ohne Fassadenschmuck. Die Wände sind nur rau verputzt, sodass es inmitten der anderen Häuser überhaupt nicht auffällt, trotz seiner Größe. Aber an der Größe wirst du es erkennen«, plauderte der picklige Junge hoffnungsvoll.

  • Kyriakos war gespannt. Lurco hatte den Jungen nach seinem Namen gefragt und ihn damit angesprochen. Das konnte eine Finte sein, um Freundlichkeit vorzutäuschen, da er damit bei dem Einohr Erfolg hatte, oder das junge Alter der kleinen Krähe rührte an ihm. Für Kyriakos war nicht vorhersehbar, wie das Ganze ausgehen würde.


    Cassivellaunus bekam es nun mit der Angst zu tun. Die Wahrheit war augenscheinlich nichts, was geeignet war, die Gnade des Urbaners zu erwirken und er wägte panisch ab zwischen einer Notlüge auf die Gefahr hin, es sich endgültig zu verscherzen, und mit einer unangenehmen Wahrheit. »Bitte nicht, Herr«, wimmerte er und senkte den Kopf.

  • "Du bittest um Dein Leben? Kluger Junge. Du möchtest nicht sterben, nicht wahr? Genau gegenüber haben Urbaner gelebt und gearbeitet, die sich genau das Gleiche gewünscht haben. Die meisten von ihnen sind gute Männer. Sie stehen Tag für Tag und auch Nachts mit ihrem Leben für Rom ein. Jedenfalls beginnen die meisten so und irgendwann holt sie das Leben ein.


    Oder jemand wie Du. Du hast ja keinem von ihnen etwas angetan nicht wahr? Du hast nur jemandem erzählt, was Du gesehen hast. Hast die Urbaner beobachtet, ihre Gewohnheiten studiert, ihre Zeiten, ihren Wachwechsel. All die Informationen die ein Mörder benötigt, hast Du geliefert. Was unterscheidet Dich von ihm, außer dass Du nicht selbst zugestochen hast?


    Beantworte mir dass und wir werden sehen, ob Du leben darfst oder sterben musst, wie alle Krähen", antwortete Lurco ehrlich.

  • Cassivellaunus schämte sich offenbar sehr, er senkte den Kopf noch weiter. Das Blut tropfte von seinem fehlenden Ohr und besudelte seinen verschlissenen Hals und seine Tunika.


    »Ich habe keine Arbeit gefunden. Ich war Landwirtschaftssklave, Herr. Das braucht hier in Roma niemand. Corvus hatte mir Geld geboten und ich musste dafür nichts weiter tun, als Leute zu beobachten. Ich wusste nicht, was sie tun würden mit den Informationen. Niemand weiß alles, jeder kennt nur einen Teil des Puzzles. Was hätte es der Krähe genützt, mich ihre Pläne wissen zu lassen?«


    Das Problem daran sah man soeben - kleine Straßenjungs hatten einem Verhör nichts entgegenzusetzen. Nun war es raus, er war ein entlaufener Sklave. Wenn Lurco ihn nicht erledigte, dann erwartete ihn das Kreuz.

  • "Er hatte Dich also an den Eiern. Der Krähe hätte es nichts genützt Dich einzuweihen. Aber Du warst seine Augen und Ohren. Also wird Dir dort auch etwas zu Augen und Ohren gekommen sein. Wir haben drei Möglichkeiten, Schwert, Kreuz oder Du benennst mir eine Möglichkeit um Deinen Hals zu retten.


    Eine Lösung mit der ich leben kann. Der ich glauben kann Cassivellaunus. Und eines sage ich vorweg, ich halte bin nicht in Geberlaune wenn es meine Kameraden betrifft. Aber ich verstehe auch Deine Situation. Du hättest genauso in ein Lupanar landen können, Du hättes sonst wo landen können. Not macht erfinderisch oder übel. Erstes wäre besser gewesen.


    Ich gebe Dir heute etwas, dass Du nie wieder geschenkt bekommst. Eine Chance Cassivellaunus. Versaust Du sie, sei Dir gesagt wir haben Dich einmal gefunden, wir finden Dich jederzeit wieder. Also antworte und überzeuge mich Cassivellaunus", gab Lurco zurück.

  • »Danke«, keuchte der Junge erleichtert. »Die Krähe ist tot«, sagte Cassivellaunus dann mit gesenkter Stimme, als ob dieser Umstand ein großes Geheimnis wäre. Und scheinbar war es so, denn der Mann, der vor ihm verhört worden war, hatte nicht in der Vergangenheitsform von Corvus gesprochen. »Ich weiß, wo seine Leiche liegt. Sie haben ihn liegen lassen. Ich könnte euch zu ihm führen.«

  • "In Ordnung, führe uns zu der Leiche der Krähe. Aber vorher bringt mein Kamerad den Fettsack und den Fleischberg hier rein. Was weißt Du über die beiden? Wenn Deine Aussage den Tatsachen entspricht, werde ich mich gnädig zeigen. Aber um das zu können benötige ich eine Antwort was Du zukünftig tun wirst. Also was?", fragte Lurco.

  • »Ich nehme ihn«, warf Kyriakos ein. Er wollte das gnädige Geschenk von Lurco nicht vergeudet sehen. Er war überrascht davon, dass der Urbaner nicht so hartherzig war, für wie er ihn eingeschätzt hatte.


    Der Junge machte große Augen und freute sich. Er hatte keine Ahnung, welchem Beruf Kyriakos nachging, der momentan seriös gekleidet und nicht geschminkt war. Besser als das Kreuz war es allemal aus Sicht der meisten. Cassivelaunus nickte dankbar.


    Kyriakos machte sich daran, den kleinen Muskelprotz mit der Halbglatze und den dicken Rotschopf mit dem Schnitzmesser hinein zu treiben.

  • "Auf Dein Wort Bruder. Du hast es gehört. Bereite ihm niemals Schande", warnte Lurco den jungen Burschen.


    Als der Fleischberg und der Rotschopf in die Kammer traten, wirbelte Lurco auf der Stelle herum und riss zeitgleich sein Schwert heraus. Der Schlag war so brutal, dass die Waffe regelrecht durch die Luft zischte. Die Klinge fraß sich durch Fleisch, Sehnen, Knorpel und Knochen und grub sich in den Hals des Muskelberges.


    Aus einer Halbdrehung heraus, riss er die Klinge aus dem Hals der Krähe und schlitze ihn von einem Ohr zum anderen auf. Der Rotschopf hatte kaum Zeit zu realisieren was dort geschehen war, da pfählte ihn auch schon die rasiermesserscharfe Klinge des Urbaners. Die Klinge fraß sich durch seinen Brustkorb und seine Lunge.


    Die Augen der Krähe wurden riesigen. Der Mann öffnte den Mund zu einem stummen Schrei, aber nichts als ein Schwall Blut schwappe über seine Lippen. Das Schwert wurde mit einem heftigen Ruck zurückgerissen.


    Lurco blieb einen Moment stehen, atmete tief durch und schaute sich im Raum um. Dann wischte er sein Schwert an der Tunika der Halbglatze sauber.


    "Taste die Besucher draußen auf Waffen ab, danach gehen wir", sagte Lurco und umfasste mit schraubstockartigem Griff das Handgelenk des Jungen.

  • Kyriakos´ Mundwinkel zogen sich auseinander. Ein fast lautloses Lachen drang aus seinem Mund. Es war weder Schadenfreude noch Sadismus, es war eine reine Übersprungshandlung, denn das Schauspiel war heftig und ausgesprochen blutig. Das machte selbst auf Kyriakos Eindruck.


    »Ein gutes Schwert«, urteilte er. Cassivellaunus hingegen sackte bewusstlos zusammen. Kyriakos würde ihn nach Hause tragen, wenn er fertig war. »Beine auseinander«, befahl er und begann den ersten Gast abzutasten. Es dauerte nicht lange, dann war er fertig. »Keine Waffen.«

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