Von der Porta her geleitete der junge Sklave Hyacinthos - ein Knabe wohlgeformter Gestalt, bronzefarbener Haut und haselnussbrauner Augen - den nur wesentlich älteren Maecenas in das Atrium der flavischen Villa. Stumm wies er auf eine Gruppe Klinen, welche neben dem Impluvium aufgestellt waren, um sich dann einem auf einer Säule ruhenden Tablett mit Kannen und Gläsern zuzuwenden, um dem Neuangekommenen verdünnten Wein zu kredenzen während jener auf den Hausherrn wartete.
Atrium | MFG et SFM - Salve Roma! Salve Familia!
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Auf dem Weg in die Villa hinein, kam ich nun doch nicht umhin, meine Blicke noch einmal auf den Sklaven vor mir zu setzen und etwas in mir machte sich sogar daran, diesen Anblick zu genießen. Schöne Menschen – und mochten es auch nur Sklaven sein – machten mir immer eine Freude, wenn sie dem Auge schmeichelten, doch zumeist war es doch so, dass wenn sie den Mund aufmachten eher ein Frosch aus ihnen wurde. Vielleicht schätzte ich solche Schönheiten gerade deshalb lieber schweigend. So wie der junge Sklave es tat, dem ich nun tatsächlich flüchtig ins Gesicht schaute. Braune Augen, ein wenig wie Tigeraugen, stellte ich für mich fest, ehe sich mich nun umschaute und die Gruppe Klinen erblickte, auf die der Junge deutete. Ich schenkte dem Burschen keine Beachtung mehr und trat auf diesen Ruhepool inmitten des Zimmers zu. Dort ließ ich mich auf eine der Klinen sinken und strich einer alten Angewohnheit folgend mit der Handfläche einmal über den Stoff des Bezuges. Seidenweich, leicht bestickt, ein wenig gülden schimmernd. Eine zufriedenstellende Feststellung. Dann blickte ich auf das Impluvium und versuchte meinte zuvor eingeübten Begrüßungsworte wieder in mein Gedächtnis zu bringen.
Telys, mein Schatten, stellte sich derweil neben die Kline, betrachtete die Bemühungen des jungen Sklaven, um diesem dann eilig ein Glas verdünnten Weines abzunehmen, um es dann mir zu überreichen. Ich nahm es nur am Rande wahr, griff nach dem Wein und benetzte damit ein wenig meine Kehle, die nach der Staubtrockenheit der Reise nicht minder staubig war. Mich dürstete sogar regelrecht, doch wäre es überaus unziemlich den Wein einfach hinunterzuspülen wie ein plebejischer Karrenfahrer. “Etwas mehr Wein in das Wasser!“, forderte ich Telys auf und übergab ihm wieder das Glas. Mein Sklave sah dem Jungen tadelnd entgegen und übernahm diese Aufgabe nun selbst. Nach dem langen Weg und all der Bürde war mir nun nach etwas Kräftigem und reines Wasser würde ich später im Bad noch genießen können. Als ich das Glas wieder an mich nahm, schaute ich mich weiter um und kam nicht umhin festzustellen, dass die Flavier sich an diesem Ort auf‘s Trefflichste eingerichtet hatten. Ein Ort zum Wohlfühlen. Was wollte man mehr?
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Die Augen geschlossen, den Kopf in die Linke gestützt und ein sublimes Lächeln auf den Lippen saß der flavische Hausherr entspannt hinter dem hölzernen Schreibtisch seines Arbeitszimmer und betrachtete vergnügt vor seinen inneren Augen die Aufführung des Orestes zu vergangenen Ludi Romani. Gerade war der Augenblick des Apollon gekommen als ein Klopfen an der Türe ihn jäh aus seiner Kurzweil riss.
"Was?"
fragte er barsch zur Türe hin mit der inherenten Frage in der Couleur seiner Stimme wie jemand es nur konnte wagen, die Inszenierung zu unterbrechen, woraufhin die Türe sich sachte öffnete - ein untrügliches Zeichen, dass es nicht Sciurus war, welcher ihn störte, wartete jener doch nie auf ein Zeichen seines Herrn. Ein schmaler Bursche mit roten Haaren schob sich in das Zimmer und hielt seine Augen gesenkt.
"Der junge Herr aus Baiae, Sextus Flavius Maecenas, ist eingetroffen, Herr. Er befindet sich im Atrium."
Der Zorn verschwand ebenso schnell aus Gracchus' Miene wie er darin war erschienen und wich einem Entzücken, das noch eben dem theatrum hatte gegolten, sich jedoch augenblicklich auf die neue Situation ausweitete.
"Maecenas!"
In Gedanken pausierte der Flavier die Aufführung, schob sie beiseite und erhob sich, um dem Zentrum des Hauses entgegen zu streben. Seit dem Eintreffen des Briefes seines Verwandten waren nur wenige Tage vergangen, doch hatte dies ausgereicht, seine Freude bereits zutage zu fördern. Seit Minor und seine Gemahlin sich auf das Land hatten zurückgezogen und Prisca ob ihrer fortschreitenden Gravität ein wenig kürzer trat - und des öfteren zur allabendlichen Cena unpässlich oder ein wenig gereizt war - herrschte oftmals ein Anschein von Leere in der Villa. Gracchus war kein Freund von Trubel und Lebhaftigkeit um sich her, doch zu lange hielt er es auch nur mit sich selbst nicht aus, gleichwohl sehnte er sich nach tiefsinnigen Gesprächen über den Alltag, die römische Politik, das Geschehen in der Stadt oder Neuigkeiten aus der Welt.
"Sextus Flavius Maecenas"
strebte er noch immer, nun jedoch dem Besucher auf den Klinen entgegen und kostete dessen vollen Namen aus, beinahe als müsse er sich vergewissern, dass dies auch der rechte, respektive der junge Mann eben jener war. Bei allen Göttern - ein junger Mann war es wahrhaftig, der auf ihn wartete, unverkennbar Maecenas, doch weitaus reifer als Gracchus dies hätte erwartet. War er nicht eben noch ein zarter Knabe gewesen, seinem Vater Serenus in dessen Kindheit wie aus dem Gesichte geschnitten? Wann hatte er ihn zuletzt gesehen? War es zu Minors Eheschließung gewesen oder allfällig doch schon zu seiner eigenen? Aus dem Knaben indes war ein überaus ansehnlicher, gar attraktiver junger Mann geworden und einen winzigen Augenblick besah Gracchus ihn mit anderen Augen als den eines Verwandten... aber nein, sogleich verwarf er diesen Anschein eines lockenden Gedanken und verbot sich jede weitere, noch so geringe Überlegung in diese Richtung.
"Willkommen in Rom! Welch eine Freude, dich zu sehen! Wie war deine Reise?"
Zwar war der Weg aus Baiae her nicht allzu umständlich - kein Gebirge oder Meer musste überquert werden - da Gracchus jedoch das Reisen an sich nicht mochte litt er stets mit jedermann, der mehr als einen halben Tag einer Reise auf sich nahm. -
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Mein Sklave hatte mir inzwischen meinen Wein überrreicht. Einen Wein, der nicht mehr ganz so arg verdünnt war. Ich genoss ihn und empfand ihn auch als durchaus kräftigend. Danach beschaute ich mir noch ein wenig die Einrichtung, wobei mein Blick einen Moment am Haushaltar festhing. Großes hatte ich mir für meinen Aufenthalt in Rom vorgenommen, von dem ich selbst nicht wusste, wie lange er dauern würde. Lange, wenn es Manius Gracchus zuließ. Über hunderte, nein, tausende von Straßen hatten meine Reisen mich geführt und einige jede hatte mich doch hier hin gebracht. Vielleicht wäre es ein passenden Thema für ein Gedicht, doch mein Herz hatte stets hierher gestrebt und nun, da ich vor Ort war, war Rom, soweit ich es gesehen hatte, doch nicht mehr als eine Stadt, welche die Provinzen nur in der geballten Anzahl der Einwohner übertraf. Gestank, vulgäre Reden, Gewühl, Geschrei. Man hatte es deutlich selbst in der Sänfte wahrnehmen können.
Noch tief in meine Gedanken verstrickt, schaute ich plötzlich auf, als ich meinen Namen hörte. Augenblicklich stand ein Lächeln in meinem Gesicht, als mein Verwandter auf mich zu trat, die Hände nach mir ausstreckte und mich willkommen hieß. Ich erhob mich von der Kline, drückte Telys meinen Becher in die Hand und trat ein wenig auf Manius Gracchus zu, der mir im ersten Anschein ein würdiger Mann im besten Alter schien, um noch immer Welten zu bewegen. “Manius Flavius Gracchus!“, entgegnete ich und drückte fest die Hände zu einem Gruße. Diesen Mann hatte ich seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. In meinen Erinnerungen standen nur flüchtige Bilder, doch gehört hatte ich natürlich umso mehr. Je älter ich wurde, umso deutlich wurde die Strahlkraft, welche dieser Mann in Rom für unsere Familia hatte. “Meine Reise war ein Leichtes,“ erklärte ich rasch. “Wie immer, wenn ein Ziel klar vor Augen liegt!“
Ich lachte leicht, ließ die Hände los und seufzte dann schwer. “Ich hoffe, mein Brief ist rechtzeitig eingetroffen?“, fragte ich. “Doch zunächst muss ich Grüße überbringen von allen Flaviern in Baiae, Sizilien und im Imerpium. Zumindest von jenen, die von meinen Plänen wussten!“ Mein Lächeln war herzlich und ehrlich, auch wenn meine Nervosität noch immer spürbar war. “Ich weiß, dass es eine arge Überraschung sein muss, doch hatte ich das dringende Gefühl, dass diese Stadt mein nächsten Ziel sein musste. Es ist lange her….Großonkel, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben.“ Auf meiner Zunge lag auch ein Kompliment, doch sprach ich es nicht aus. Es wäre besser, damit sparsam zu sein, damit es nicht falsch aufgenommen wurde. Für derartige Dinge war sicherlich auch später noch Zeit.
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Gracchus nickte mit einem sublimen Lächeln auf den Lippen.
"Ein Ziel klar vor Augen ist stets die beste Voraussetzung, um irgendwo anzugelangen"
, bekräftigte er Maecenas' Worte, welche er nicht nur auf den Weg der Reise bezog, gleichwohl eingedenk, dass auch ein klares Ziel nicht konnte verhindern, dass man auf dem Wege dorthin über Widrigkeiten oder gar seine eigenen Füße stolperte, welche einen abkommen ließen, manches mal gar ohne die Möglichkeit je wieder an das ursprüngliche Ziel zu gelangen. Dies indes waren keine Worte für einen jungen Mann, welcher zwar gerade an einem Ziel war angekommen, indes erst am Anfang seines Weges stand.
"Vor drei Tagen ist dein Brief bereits einge..troffen und ließ uns seitdem freudig ausharren."
Er wies auf die Kline, von welcher der junge Flavier eben erst aufgestanden war, und setzte sich selbst auf jene daneben. Unaufgefordert reichte der Sklavenjunge ihm ein Glas verdünnten Wein.
"Ah, die Familie"
, lächelte Gracchus im Gedanken an jene.
"Ich hoffe sehr, alle befinden sich wohl?"
Selbstredend trieben den Vater Gedanken nach seinem Sohn um, doch etwas in seinem Inneren hinderte ihn daran, explizit nach Titus' Befinden sich zu erkundigen - gleichwohl mochte er diesem 'etwas' nicht auf den Grund gehen, fürchtete er doch sich davor, dass es mehr Verdruss, Enttäuschung oder gar ein Funke von Ärger war denn väterliche Besorgnis oder Fürsorge.
"Nun, deine Ankunft ist eine wunderbare Überraschung und du bist mehr als willkommen! Sofern du mich fragst hat die Provinz ohnehin zu viele Männer unserer Familie in ihren Händen, dabei ist es doch die schöne Roma, der unsere Hingabe sollte ange..deihen."
Respektive die flavische Pflichterfüllung, welche er seit zu langer Zeit zu oft alleine aufrecht erhielt.
"Ihr haben wir schlussendlich zu verdanken, was wir sind."
Er nahm einen Schluck Wein.
"Doch beri'hte mir, was waren deine Stationen vor diesem Ziel?" -
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Während ich meinem Großonkel ins Gesicht schaute, als dieser nun erklärte, dass Ziele immer eine gute Voraussetzung für eine Ankunft waren, wurde mir bewusst, dass ich wirklich keine Lüge ausgesprochen hatte. Zwar hatte ich durchaus forsch wirken wollen, doch hatte es schon immer Ziele in meinem Leben gegeben, welche entweder von anderen für mich gesetzt worden waren, oder aber solche, denen ich mich selbst gegenüber verpflichtet fühlte. So manches Mal in meiner frühen Jugend hatte ich mir vorgestellt, wie es wäre ein einfacher Plebejer zu sein, der nichts als eine schlichte Handwerkerkarriere vor sich hatte oder gar ein Peregriner, den wahrscheinlich noch weniger erwartete. Ich war neidisch auf die Kinder, die sich im freien Spiel auf Straßen und Plätzen amüsieren konnten, während über mich gestrenge Hauslehrer wachten. Heute allerdings bin ich dem Schicksal durchaus dankbarer gegenüber als damals, denn schließlich sind meine Ziele solche, die sich ein schlichtes Kind nicht einmal im Traum imaginieren sollte.
Auf die Aussage hin, dass mein Brief bereits vor drei Tagen angekommen war, nickte ich erfreut. Also hatte ich die Zeit durchaus richtig berechnet und meine Abreise wohl gesetzt. Ich setzte mich auf Gracchus Deut hin wieder auf die Kline nieder, wo mit mein Sklave Telys erneut meinen bereits begonnenen Becher mit dem Wein überreichte. “Ja, die Familie!“, sagte ich eilig. “Meines Wissens sind alle wohl auf und bei bester Gesundheit!“ Mehr sagte ich noch nicht, denn Gracchus war mit seinen Worten noch nicht am Ende. Dabei stimmte es in der Tat, dass nicht mehr viele Flavier ihr Heil in der schönen Roma suchten, auch wenn sich die Schönheit dieser Stadt für mich erst noch offenbaren musste. Was ich bisher gesehen und erlebt hatte war eher meines Erschreckens als meiner Liebe würdig. Doch war es die Wahrheit, dass die Flavier ihr verpflichtet waren. Besonders zum Dank, der zu neuerlicher Aufopferung führen musste.
“Wie recht du hast, Großonkel!“, entkam es mir beflissen und ich trank einen kleinen Schluck, ehe ich ausholte, um die Fragen nun ausführlicher zu beantworten.“Ich kann noch einmal versichern, dass es wirklich allen gut geht. In Baiae ist mir niemand aufgefallen, der klagen würde.“ Ich grinste leicht. “Titus tut die Luft am Meer auch weiterhin gut und Großmutter ist noch immer die Alte, sodass sich selbst die Mauern der Villa vor fürchten. Doch wie diese wagt nach wie vor niemand einen Schritt zurück!“ Ich lachte nun ein wenig über den Scherz, wurde dann aber wieder ernst. “Ich war lange Jahre unterwegs, seit Vater die Reiselust gepackt hatte und ich ihn begleiten durfte. Die letzten zwei Jahre habe ich in Apollonia verbracht, während er weiter gezogen ist und nun in Sardinia weilt. Doch hat mir die Zeit dort sehr gut getan und vieles mit sich gebracht, was ich wohl nur zu gut gebrauchen kann.“ Ich schmunzelte sachte, während ich nun begann ein wenig in Erinnerungen zu schwelgen. “Ich war auch bei den Olypmischen Spielen, was ein unglaubliches Erlebnis war. Isarion von Alexandria. Im Stadionlauf. Du hättest es sehen sollen! Kraft und Ausdauer wie ein Rennpferd!“ Ich lachte neuerlich leise und strahlte meinem Großonkel entgegen. “Überhaupt war es eine gute Erfahrung, die Provinzen zu sehen. Doch wie du dir denken kannst gleicht nichts dem italischen Boden. Ägyptus mag eine Reise wert sein, doch ist es dort so staubtrocken, dass man sich sehnlichst Wasser wünscht. Ist man dann auf dem Wasser, ersehnt man sich das Land und hat man es erreicht, stellt man fest, man weilt in Syria und vermisst dort die gute Kultur, welche man dann in Macedonia suchen muss. So zieht eines das andere nach sich und letzten Endes landet man doch wieder in Rom!“ Die ganze Zeit, während ich redete, hatte ich meinem Großonkel entgegen gesehen. “Doch hier werde ich wohl eine ganze Weile bleiben, wie ich es bereits geschrieben hatte. Auch wenn der Weg noch ein langer sein mag, so bin ich doch dazu entschlossen, meine Zukunft auf den Wegen dieser Stadt, hin zu einem angesehenen Mann Roms zu verbringen.“ Ein wenig schwungvoll hatte ich meinen Becher gehoben, doch zu einem Trinkspruch wollte ich es noch nicht bringen. Mein Enthusiasmus war mir bestimmt auch so anzumerken.
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Gracchus lächelte ein wenig freudlos bei der Erwähnung Titus' Befinden, einerseits selbstredend froh, dass der Junge sich wohl befand, doch wie stets enttäuscht, dass die Götter seinen Sohn an die Seeluft banden und von seiner Bestimmung in Rom fern hielten. Noch mehr indes gefror sein Lächeln in Gedanken an Agrippina, welche trotz ihres Alters kein bisschen von ihrem Schrecken verlor, nicht einmal im fernen Baiae. Weitaus fesselnder indes war Maecenas' Reisebericht, denn gleichwohl der ältere Flavier dem Reisen keine Freude konnte abgewinnen und jenseits von zuhause sich stets unwohl und fehl am Platze fühlte, desto mehr konnte er sich für Lektüre oder Berichte anderer über das Fremde begeistern, welche er begierig in seinen Wissens-Schatz inkludierte. Die olympischen Spiele konnten ihr zwar nur wenig locken, Ägyptus dafür um so mehr, war es ihm doch ein Traum gewesen, dies einmal zu vistieren, und seitdem als Senator ihm dies war verwehrt glaubte er stets etwas verpasst zu haben - und sei es nur die Verwirklichung eines weiteren Traumes, wie so viele andere auch. Selbst Maecenas' Beteuerung, dass einzig Rom das Wahre sei, konnten sein Bedauern darüber nicht gänzlich vertreiben, wiewohl er dem selbstredend zur Gänze zustimmte.
"In der Tat, kein Ort ist komparabel mit Rom. Ab und an habe ich in meinem Leben eine Zeit auswärts genossen, in Achaia etwa"
, zu was einerseits die Freiheit der Jugend hatte beigetragen, andererseits nicht unwesentlich auch Gracchus' Vetter und erste große Liebe Caius Aquilius,
"oder auch auf dem ein oder anderen Landsitz unserer Familie, doch Roma, mit all ihren Vor- wie Na'hteilen ist die einzig wahre Königin aller Städte, und nicht zuletzt immerhin das Zentrum der Welt."
Zumindest der Welt, welche von Relevanz war, ob dessen der Flavier überzeugt war, dass er gegenteilig zu seinen Vettern selbst seinen Lebensabend hier und nur hier würde verbringen können.
"Hast du dir bereits Gedanken gemacht wie dieser angesehene Mann Roms letzlich aussehen soll?"
, setzte Gracchus seinem Neffen sogleich das sprichwörtliche Gladius auf die Brust, war er doch nicht nur ein Freund zielgerichteter Konversation, sondern ebenso Ambition.
"Immerhin gibt es abgesehen von den Stufen des Cursus Honorum"
, welche für einen jungen Flavier außer Zweifel standen,
"zuvor, dazwischen und hernach diverse Wege, welche ein viabler junger Mann be..schreiten kann."
Mit einem sublimen Lächeln setzte Gracchus dem Enthusiasmus seines Neffen einen erwartungsvollen Blick entgegen und nippte gelassen an seinem Wein, durchaus ein wenig erleichtert, dass sein Weg zum größten Teile bereits hinter ihm lag, dabei ebenso ein wenig wehmütig ob der Pfade, welche er selbst bisweilen hatte genommen und welche ihn von seinen einst so hehren jugendlichen Zielen hatten abgebracht. -
Nein, gewiss konnte man Rom mit nichts vergleichen. Ich nicke auf die Worte meines Großonkels hin und lächelte, als er die Provinz Achaia erwähnte. An diese banden mich viele gute Erinnerungen und eines Tages würde ich es sicherlich wieder einmal besuchen, doch im Moment sah es so aus, als würde mich Roma voll und ganz gefangen nehmen müssen, wollte ich meine Pläne umsetzen. Böse Zungen jedoch – in gesprochener und in schriftlicher Form – hatten mir jedoch zugeflüstert, dass Roma neben einer wahren Königen auch eine wahre Hure zu sein vermochten, wobei man infolgedessen alle seine Schritte mit Bedacht setzen musste. Diesen Gedanken allerdings wollte ich dem großen Gracchus jedoch nicht mitteilen. Immerhin schien er begeistert von seinem Zentrum der Welt und wer konnte es schon wissen – vielleicht würde ich es ja eines Tages auch sein. Also galt es der großen Stadt eine Hand zu reichen und zu schauen, ob man diese behielt, oder ob sie einem abgerissen wurde.
Doch zunächst stand die Frage im Raum, wie der angesehene Mann Roms aussehen sollte. Ich lachte leise auf. Die Wege abseits des Cursus Honorum galt es immerhin auch zu beschreiten und auch da hatte ich einige Ideen, welche jedoch noch ausgebaut und verfeinert werden konnten. Natürlich hoffte ich dabei auf die Expertise meines Großonkels, der nun ebenfalls an seinem Wein nippte. Irgendwie machte er für mich in diesem Moment den Eindruck eines geschlagenen Mannes, doch konnte dieser Eindruck natürlich auch täuschen. “Nun ja, Großonkel,“ begann ich also. “Neben den Pfaden des Cursus Honorum habe ich natürlich einiges vor.“ Auch ich lächelte nun und nippte an meinem Wein. “Auf jeden Fall werde ich die Ehre und der Ruhm der Götter hoch halten wollen. Ich spiele mit dem Gedanken mich auch im Cultus Deorum zu engagieren. Vielleicht auch in einem Verein oder in einem Collegium. Darüber hinaus hege ich die Absicht, mich bei einigen der hohen Männer der Stadt im Vorfeld schon einmal vorzustellen.“
Natürlich würde ich nicht nur die Hähen Romas erkunden, sondern auch ein wenig in die Niederungen blicken. Nicht nur zur Freude, sondern vor allem auch zur Warnung an mich selbst und zum Gewahrwerden diverser Gefahren, welche aus eben jenen Niederungen hervor kriechen mochten. “Vielleicht weißt du einen weisen Mann, bei dem es mir möglich wäre das Tirocinum Fori zu absovieren? Einige Senatoren, deren Bekanntschaft unabdingbar ist?“ Wieder sprach recht viel Tatendrang aus mir. “Ich denke, man sollte dabei nichts dem Zufall überlassen. Denn immerhin soll der angesehene Mann auch letzten Endes noch so aussehen wie jener, den ich in einem Spiegel erblicken kann.“ Ich grinste leicht. “Nun ja. Nur eben viel älter als im Augenblick.“ Dass ein langer Weg würde, dessen war ich mir bewusst und ich wollte auch nicht, dass mein Onkel mich für einen törichten Menschen hielt, der meinte, dass ihm Ruhm und Ehre einfach so in den Schoß fallen würden.
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Der ältere Flavier nickte wohlgefällig ob der Pläne seines Neffen.
"Viele Männer unserer Familie waren Teil der Salii Palatini, wie etwa dein Großvater und auch ich, bis dass ich meinen Sitz an Minor weiter gab. Dies wäre zweifelsohne auch eine passende Aufgabe für dich."
Gracchus kam nicht umhin, sich Maecenas in der traditionellen Gewandung der salischen Tänzer vorzustellen.
"Wenn du mö'htest werde ich dem Magister ein Empfehlungsschreiben senden, ich meine mich zu entsinnen, dass erst kürzlich der ehrenwerte Volumnius Volusus ausgeschieden und ob dessen ein Sitz vakant ist. Seine Gicht plagt ihn dermaßen, dass er kaum noch die Füße heben mag, geschweige denn zu Ehren des Mars tanzen kann."
Zwar waren die Tänze mehr ein rhythmisches Schreiten, doch die Füße heben musste man dennoch. Auch auf die Frage des Tirocinum Fori musste Gracchus nicht allzu lange überlegen.
"Der Haruspex Aurelius Lupus ist ein guter Freund. In diesem Jahr ist er Praetor, du könntest also zweifel..sohne als Tiro viel von ihm lernen. Eine andere Möglichkeit wäre Claudius Menecrates. Seine politische Vorgehensweise ist bisweilen ein wenig eigenwillig, doch er ist unbestreitbar ein Mann großer Erfahrung, der stets dem Wohle Roms dient. Er ist Praefectus Urbi, damit zwar eher im militärischen Bereich tätig, doch selbstredend auch in der Politik aktiv."
Einen Augenblick erwägte er auch seinen Freund Cornelius Scapula anzuführen, indes hielt der Pontifex mehr und mehr sich aus aller Politik - insbesondere der alltäglichen - heraus.
"Senator Purgitius Macers Bekanntschaft ist zwar nicht unabdingbar, doch er hat großen Einfluss auf den plebeischen Block. Sobald du bereit bist zu kandidieren solltest du zumindest bei ihm vor..stellig werden."
Gracchus versuchte sich dessen zu entsinnen, wie er in Maecenas' Alter hatte ausgesehen und wie er sich selbst zur Gegenwart hatte imaginert. Im Laufe seines Lebens hatte es durchaus Zeiten gegeben, da er sich nicht hatte im Spiegel sehen mögen oder aber nicht erst erkannt. Indes musste er sich eingestehen, dass seit einiger Zeit - recht langer Zeit gar - ihn eine gewisse Zufriedenheit hatte erfasst, nicht zu vergessen das Glück, welches mit seinem nächsten Sohn herannahte.
"Darüberhinaus ist es durchaus klug, vorauszuplanen. Den Zufall jedoch wirst du nicht überlisten können, so dass es stets weise ist, sich ein wenig von ihm treiben zu lassen, statt versu'hen zu wollen gegen seinen Strom zu schwimmen."
Schmunzelnd hob er sein Glas und ließ einen Schluck daraus neben die Kline auf den Boden schwappen.
"Dir gegeben mit Freude, o Fortuna!"
geleitete er das kleine Trankopfer an die Göttin des Zufalls. -
Als mein Großonkel die Salii Palatini erwähnte, nickte ich begeistert, denn eine Mitgliedschaft in diesem erlauchten Kreis war in etwa das, was auch mir vorschwebte. Als ich dann auch noch hörte, dass ein Volumnius ausgestiegen sei, lächelte ich zusätzlich beglückt. “Über ein Empfehlungsschreiben wäre ich sehr dankbar!“, wäre ich sehr dankbar, während ich mir bereits imaginierte, wie ich in den kultischen Gewändern dastand. Mit ein wenig Glück könnte ich schon im Oktober am feierlichen Umzug teilnehmen oder aber im darauf folgenden März, was auch noch früh genug wäre. Viel Zeit um darüber nachzudenken blieb mir jedoch nicht, denn schon erklärte mir mein Großonkel, dass Aurelius Lupus und Claudius Menecrates die Männer wären, bei denen ich als Tiro vorstellig werden konnte. Ich sollte darüber einige Erkundigungen einziehen, auch wenn mir Claudius Menecrates eine gute Wahl schien, wenn er wirklich so eigenwillig war, wie Gracchus dies sagte. Ich nickte wieder. Diese Wahl sollte ich wohl durchdenken, denn immerhin würden meine ersten Schritte in der Roma auch davon abhängen, welchen Lehrmeister ich mir erwählen würde. “Ich denke, ich werde bei beiden vorstellig werden,“ erklärte ich. “Auch wenn mir der Claudier, so wie du ihn beschreibst, schon sehr zusagt.“ Doch letzten Endes war dies auch keine Wahl, die ich alleine treffen würde. Sowohl der Aurelier als auch der Claudier würden mich erst einmal als Tiro akzeptieren müssen.
Auch den Purgitier würde ich aufsuchen und wenn auch nur aus dem Grund, mich mit ihm bekannt zu machen. Die Plebeier mochten der Nobilitas vielleicht nicht gleichgestellt sein, doch machten sie doch den größeren Teil der Bevölkerung aus und Bekanntschaften konnten gewiss nicht schaden. Was mein Großonkel nun über den Zufall sagte, erschien mir ein wenig fatalistisch zu sein, doch sicherlich war es weise, mir diesen Rat zu geben. Nachdem ich nun schon einmal von meinem Wein genippt hatte, schloss ich mich dem kleinen Trankopfer an und ließ ein wenig über den Becherrand, ebenfalls auf den Boden schwappen. “Dir gegeben, o Fortuna!“, sprach auch ich nun. Ich sollte mich wirklich vor dem Zufall hüten und jeden Schritt wohl bedenken. Zwar war ich mir sicher, dass mir die Götter hold waren, denn das waren sie stets, doch würde es auch nicht schaden, in Bälde ein Opfer darzubringen, um mir ihres Segens für meine Zukunft zu versichern. “Der Zufall ist eine Sache, die es wohl einzuplanen gilt“, bestätigte ich dann. “Weshalb wohl wichtig ist, mehrere Pläne zu schmieden, welche sich an diesem orientieren. Und es ist wichtig, den Willen der Götter in die Überlegungen einzubeziehen.“ Ich sah meinem Großonkel wieder entgegen. “Aus diesem Grund möchte ich in Bälde der Fortuna ein Opfer darbringen!“, offenbarte ich somit meine Gedanken. “Vielleicht wäre es auch von Vorteil, noch etwas über Aurelius Lupus und Claudius Menecrates zu erfahren. In Baiae hatte ich eher wenig Möglichkeiten mich im Vorfeld zu erkundigen. Auch war die Zeit dafür viel zu knapp bemessen. Was also kannst du noch über sie sagen?“
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"Nun, an Besitztümern mangelt es Fortuna in Rom gewiss nicht, zu den schönsten zählen die drei Tempel der tres Fortunae hier auf dem Quirinal, am Ende der Alta Semita kurz vor der Porta Collina. Diese wurden zwar erri'htet zur Einlösung von Gelübden nach siegreichen Schlachten, doch die siegbringende Fortuna ist auch stets eine, welche den Zufall lenkt. Darüberhinaus empfehle ich dir auf dem Weg die Vorhänge deiner Sänfte geöffnet zu lassen, unser Viertel gehört zu den schönsten der Stadt, gleichwohl kannst du dabei auch den Tempel der göttlichen Flavier visitieren."
Die kaiserlichen Foren im Zentrum der Stadt mochten zwar beeindruckend sein, ebenso die Theater oder der Circus, doch einem schöngeistigen Besucher würde Gracchus stets die Alta Semita nahelegen, welche zwar durchaus zu manchen Tageszeiten stark frequentiert war, doch zu ihren Seiten so manches Kleinod barg - beginnend mit dem Tempel des Serapis, über jene des Quirinus und der Gens Flavia, die Kapelle der Laren oder des Sylvanus, bis eben zu den Tempeln der Fortuna und zahlloses mehr. Wäre Gracchus je Kaiser geworden - und tatsächlich hatte es eine Zeit gegeben, in welcher die Gelegenheit dazu greifbar gewesen wäre -, so hätte er seinen Triumphzug über diese Straße begangen.
"Über beide Männer gibt es zweifelsohne viel zu sagen"
, griff der Flavier sodann den Wunsch seines Großneffen auf.
"Lupus entstammt entstammt mütterli'herseits einem etruskischen Zweig der Antonier und wurde von seinem Großvater in die disciplina etrusca eingewiesen, aufgrund dessen er in Rom sich um die Aufnahme in den Ordo Haruspicum bewarb - und angenommen wurde. Schlussendlich ist er ebenso ein Enkel des Claudius Aurelius Crassus, welcher Legatus Augusti in mehreren Provinzen, darunter Italia, gewesen ist. Seine politische Karriere begann er als Klient des Tiberius Durus, ... was ihm auch über dessen Tod hinaus nutz..bringend war, fiel es doch ihm zu dessen Lei'henspiele auszurichten. Glei'hwohl hatte er sich in dieser Zeit auch selbst bereits einen Namen gemacht im ... im Bürgerkrieg gegen Ves..cularius."
Gracchus bemerkte wie die Erwähnung und die damit aufkommende Erinnerung an jene Zeit ihm seine Gelassenheit nahmen. Es waren die zahllosen Toten, deren Larven mit einem Male wieder vor seien Augen erschienen, das Kreischen der Strigae über der Stadt, die mit ihrem Wahnsinn die Geister der Lebenden infizierten, der Leichenkarren, der Minor und ihn aus Rom hatte gerettet, die tiefe Furcht, die ungekannte Entbehrung der Flucht, der Verlust seiner Ehre und Hernach seiner Identität, der brutale Mord in der Casa Decimal beim Einmarsch Palmas' Truppen, der Verrat Durus', der zu Lupus' Freundschaft und der Ehe mit Prisca hatte geführt. Sein Herzschlag beschleunigte sich, seine Kehle wurde trocken und sein Griff um das Glas fest, dass die Knöchel seines Handrückens weiß hervortraten. In einem einzigen Zug leerte er den wässrigen Inhalt.
"Einen Schluck Wein"
, wies er den Schanksklaven an, welcher diesem Wunsch sogleich nachkam. Rubinrot schwappte die Flüssigkeit in sein Glas, blutrot. Blut. Rot. Blut. Wie der Tod, der sich auf dem Boden im Atrium der Casa Decima hatte ausgebreitet. Das Glas entglitt Gracchus' Hand und fiel zu Boden, auf welchem der Wein sich ergoss, das Gefäß indes keinen Schaden nahm. Abrupt stand der Flavier auf, ging einige Schritte von den Klinen fort, atmete tief ein. Den Sklaven, welcher in seinem Rücken das Malheur beseitigte, registrierte er nicht. Er konnte die Vergangenheit nicht mehr ändern. Die Vergangenheit. Nicht. Ändern.
"Lupus war mit deiner Großtante Nigrina ver..heiratet"
, fuhr er fort ohne sich umzuwenden und zählte schlichtweg Fakten auf.
"Ihr Sohn wird bei Lupus' Verwandten in die disciplina etrusca eingeführt. Seine jetzige Gemahlin ist noch ein halbes Kind und lebt nicht in der Stadt. Meine Gemahlin Prisca ist seine Cousine."
Stets gab die Familie ihm Halt, selbst in seinen Gedanken. Gracchus drehte sich wieder zum Impluvium und trat zurück auf die Klinen zu, nahm Platz als wäre nichts geschehen und blickte Maecenas ernst an.
"Es gibt in Rom keinen Mann, dem ich mehr Vertrauen schenke als Aurelius Lupus."
Dies setzte zweifelsohne auch die Erwartungen an seinen Großneffen hoch, sollte dieser ein tirocinium bei ihm absolvieren. -
Aufmerksam lauschte ich auch weiterhin den Worten meines Großonkels, der mir nun die Besitztümer der Fortuna aufzählte. Irgendwie klang seine Stimme recht ehrfürchtig und beseelt von der Schönheit der Wege, die mich dorthin führen sollten. Alta Semita. Vielleicht sollte ich auf meinem Wege in der Tat die Vorhänge dieses Mal doch weit geöffnet lassen. Auch wenn mich vieles in der guten, alten Roma abstieß, so wäre dieser Weg wohl etwas, was ich mit offenen Augen in mich aufnehmen konnte. Allein schon aus dem Grund, der Stadt, in welcher ich mich bald heimisch fühlen wollte, eine Chance zu geben auch in meinem Herzen Wurzeln zu schlagen. Auch den Tempel der göttlichen Flavier wollte ich in Augenschein nehmen und bestimmt wäre es nicht verkehrt auch dort ein kleines Opfer zu lassen. Doch zuallererst intressierten mich die beiden Männer, die Gracchus erwähnt hatte und der ich ebenso meine Aufmerksamkeit widmen sollte. Anscheinend gab es über sie Vieles zu erzählen und ich wollte nur allzu gerne zuhören.
Während ich also an meinem Weinkelch nippte, betrachtete ich meinen Großonkel nachdenklich, wie er über Aurelius Lupus berichtete, der ein halber Etusker war und sich wohl auch mit deren seherischen Kunst auskannte. Ich nickte begeistert und hörte, dass er einen sehr bekannten Großvater hatte und es auch verstanden hatte, sich selbst einen Namen zu machen. In dem Bürgerkrieg, von dem mir schon so viel zu Ohren gekommen war. Als dieser wütete, war ich noch ein Knabe gewesen, der im Vertrauen auf die Götter noch seine Bulla um den Hals getragen hatte. Fern von Rom war dieser Krieg fast so etwas wie eine unglaubliche Geschichte gewesen. Eine Gesichte, die Gracchus aber sichtlich mitzunehmen schien. Einen Moment lang wirkte er erstarrt und es erschien, als würde sämtliche Farbe aus seinen Extremitäten weichen wollen. Etwas alarmiert richtete ich mich auf, auch wenn es nur ein sachter Eindruck war, der mich ob meines Großonkels erreichte. Dann sah ich dem Schanksklaven dabei zu, wie er Gracchus Kelch neuerlich füllte. Doch schienen die Erinnerungen in dem Ältern so stark zu wühlen, dass dieser ein paar Schritte gehen musste.
Wohlweislich blieb ich auf meiner Kline sitzen und beschloss dieses Verhalten nicht mit irgendeinem meiner Worte zu untermalen oder gar zu kommentieren. Natürlich in der Hoffnung, dass Gracchus auch von allein den Faden wieder aufnehmen würde. Insgeheim aber nahm ich mir vor, die Geschichte des Bürgerkrieges für mich selbst noch einmal durchzugehen und nach und nach zu erfahren, was diesen großen Mann in seinem Inneren so erschütterte. Doch nicht jetzt. Ich nickte, als Gracchus nun Nigirina erwähnte und Lupus jetztige Gemahlin, die noch jung an Jahren sein sollte und in der Stadt lebte. Auch der Name der Prisca fiel, welche die Frau des ehrenwerten Gracchus selbst war. „So sollte auch ich diesem Mann unbedingt mein Vertrauen schenken!“, erklärte ich, als mein Großonkel endete. Mir war bewusst, dass mit einem Tirocinium bei diesem Mann meine Schultern mit einigen hohen Erwartungen beschwert werden würden, doch war ich der Meinung recht stark zu sein und standhalten zu können. “Ich werde ihm einen Brief zukommen lassen, mit der Bitte um ein persönliches Gespräch und auch den Magister des Salii Palatini werde ich ein Schreiben schicken.“ Entschlossen schaute ich meinem Großonkel entgegen. Dann atmete ich tief durch und bemühte mich um ein Lächeln. Es war besser, das Gespräch nun von der Verganenheit fort zu lenken, da sie meinen Großonkel offenbar mitnahm. “Doch letzten Endes ist es auch deine Unterstützung, die ich mir erhoffe, Onkel,“, sprach ich dann meinen Wunsch aus. “Auch deine Taten und dein Wirken sind in Baiae schon beinahe eine Legende und ich hoffe sehr, dass ich mich deinen Fußabdrücken in der Geschichte der Flavier und auch in der Roms als würdig erweisen werde!“ Meine Worte kamen schon beinahe demütig aus mir hevor, auch wenn mir jedwede Form von Demut ansonsten mehr als nur schwer fiel. Erneut hob ich dann meinen Weinbecher. “Lass‘ uns also den Becher auf die Zukunft erheben, Onkel!“, stellte ich in den Raum und sah Gracchus erwartungsvoll an.
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Ein wenig wanderte Gracchus' linke Braue empor bei der Erwähnung seiner Taten und seines Wirkens, evozierte diese Bemerkung seines Neffen doch sogleich die Frage danach, was genau er damit meinte. Wusste Maecenas von seinen Taten in Hinblick auf den Bürgerkrieg? Hatte Minor allfällig etwas gegenüber der Familie erwähnt? Es wäre nicht das erste Geheimnis, welches die Familie der Flavier vor der Geschichte verborgen hielt, schlussendlich wusste jedes Kind in der Familie etwa die Wahrheit über Domitianus und die Intrige, durch welche er zu Fall und um das öffentliche Ansehen war gebracht worden - ob dessen sein Name im Kreis der Familie mitnichten der damnatio memoriae unterlag, sondern mit großem Stolz ausgesprochen wurde. Auch Minor hatte seinem Vater mitnichten gerzürnt, sondern die Notwendigkeit dessen Tat gesehen, zum Wohle der Familie und zum Wohle Roms. War es möglich, dass er mit der Familie darüber hatte gesprochen? Gracchus ergriff das mit neuem Wein gefüllte Glas, welches der Sklave ihm für Maecenas Trinkspruch anreichte.
"Auf die Zukunft, diejenige Roms, die unserer Familie und insbesondere die deine."
Ohne einen Blick in das Gefäß trank er einen Schluck und spürte dem leicht herben Abgang des Weines nach. Auch dieser indes konnte nicht seine Neugierde hinfortspülen.
"Solange du der Familie Keine Schande bereitest, wirst du dir meiner Unterstützung stets versichert sein können. Doch verrate mir, von welchen Taten und welchem Wirken sprichst du?"
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