Gärten des Sallust | Schimmernde Winde

  • Es war ein lauer Sommerabend wie er angenehmer kaum konnte sein, der Himmel bedeckt von einem seichten Wolkenflaum, welcher allzu große Hitze an diesem Tage von der Stadt hatte abgehalten, dazu ein leichter Windhauch aus westlicher Richtung, eine angenehme Brise vom fernen Meer heranwehend. Nach einer frühen, leichten Cena, welche Gracchus hatte alleine eingenommen - seine Gemahlin fühlte sich unpässlich ob der voranschreitenden Gravidität, sein Großneffe war noch in der Stadt unterwegs - stand ihm der Sinn nach der Schönheit des Sommers, welche im Rom sommerlicher, trockener Hitze nur wenig zu finden war. Eine Ausnahme hierzu stellten die öffentlichen Gärten dar, welche nur dann nicht mehr wurden bewässert wenn Rom kurz vor dem Notstand war. Die Gärten des Sallust zwischen der Aurelianischen und Servianischen Mauer gehörten Gracchus dabei zu den Liebsten, nicht nur aufgrund der Tatsache, dass seine Sänfte sich nicht durch Roms Zentrum musste schlängeln, um hierher zu gelangen, sondern auf dem Quirinal konnte bleiben, sondern auch da die Gärten derart weitläufig waren, dass es unzählige Schönheit und Anmut zu sehen gab. Manchen Tages bevorzugte der Flavier eines der kleinen Laubwäldchen, an anderen das Nymphäum, einen der Obelisken oder eine Statue, einen der beiden kleinen Tempel der Venus, den Ruhepavillon des Lucullus mit seinen Wasserspielen, die Labyrinthgärten oder die von Wasserkaskaden durchzogenen Terrassen. An diesem frühen Abend hatte Gracchus nach einem Spaziergang an der Aqua Sallustiana entlang eine steinerne Bank auserkoren, deren Blickfeld zwischen den Bäumen hindurch auf die Kollonaden des Cryptoporticus ging und deren Seiten gesäumt waren von prächtigen Oleanderbüschen. Genussvoll sog er den Blütenduft in die Nase und fragte sich, ob wohl Lucullus bisweilen in diesen Gärten nicht nur Speisen, sondern auch die Natur hatte verköstigt.


    Sim-Off:

    Offen für ein gemächliches Spiel in jedwede Richtung.

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  • Wieder einmal hatte Carbo einen ereignisreichen Arbeitstag gehabt. Es war beim Cursus Publicus hoch hergegangen heute, was ja an sich schon genug Arbeit bedeutete, jedoch im Falle Carbos, war auch noch seine leichte Grünohrigkeit hinzugekommen, wo er ja noch nicht allzu lange Stationarius war. Es war nicht immer alles völlig klar gewesen, ein oder zwei mal hatte er sich auch Hilfe holen müssen, um den einen oder anderen Sachverhalt zu klären, doch jetzt am Ende des Tages konnte er mit Stolz auf sein Tagewerk zurückblicken. Immerhin hatte er es wieder einen Tag mehr geschafft, kein völliges Chaos anzurichten, eine gute Nachricht für die Stadt.


    Mit leicht brummendem Schädel und schmerzendem Rücken vom vielen Sitzen, nahm Carbo sein Abendmahl in der Taverna Apicia ein, ehe er auch kurz nochmal hoch aufs Zimmer ging, um sich frisch zu machen. Heute würde er nicht den restlichen Abend in der Taverne, oder in der Bibliothek am Trajansforum verbringen, jede Faser seines Körpers schrie nach Bewegung nach der stundenlangen Fesselung am Schreibtisch. So verließ er die Taverne wieder und machte sich auf den Weg. Im Stadtkern kannte er sich inzwischen ziehmlich gut aus, doch da es öde war, immer nur diesselben Straßen und Gassen abzuklappern, beschloss er spontan heute einmal etwas weiter von seiner Bleibe wegwandern zu wollen. Hinaus in die Peripherie der Stadt und dort entdecken, was sich jetzt noch im Verborgenen halten mochte!
    Carbos Entdeckerlust wurde belohnt, beim Quirinal entdeckte er eine wunderschöne Gartenanlage. Staunend wandelte er auf den Wegen und betrachtete die Wunder dieses außergewöhnlichen Menschheitswerks. Die Statuen und Wasserspiele und sonstige Blumen, Bäume und Pflanzen ergaben ein derart harmonisches ganzes, wie es Carbo zuvor noch nie wo gesehen hatte. Immer noch voller Ehrfurcht ließ er sich auf einer steinernen Bank nieder, um seine Umgebung besser auf sich wirken lassen zu können. Doch Carbo war nicht lange alleine, da ein schon etwas älterer Römer bald des Weges kam. Da Carbo von je her schon immer ein sehr höfliches Wesen in sich trug, grüßte er den anderen ganz automatisch, sogar noch ehe er Zeit dazu hatte, näher nachzuschauen, wer denn der Passant sein mochte: „Salve“.


    Carbos Geste verriet jedem Städter gleich seine ländliche Herkunft, denn das war hier gar nicht üblich. Wo man dafür in der großen Stadt jedoch Erstaunen, oder gar leichtes Misstrauen erntete, so war es am Lande hingegen vollkommen normal auch fremde Passanten zu grüßen. Eigentlich hatte er dieses Verhalten vorübergehend ablegen wollen, nachdem er nach dem zweiten, oder dritten Mal nur schiefe Blicke, anstatt eines Gegengrußes geerntet hatte, doch er konnte nun mal einfach nicht aus seiner Haut und so hatte er es jetzt schon wieder getan, ehe Carbo auch nur im entferntesten Zeit gehabt hatte, die Senatorenstiefel mit lunula seines Gegenübers zu bemerken.

  • Sim-Off:

    Ich habe dies versäumt explizit zu erwähnen, doch an diesem Abend ist Gracchus als Privatmann unterwegs, respektive ohne toga praetexta. Einen Hinweis auf seine Herkunft geben somit nur die feinen Stoffe seiner Kleidung und die Senatorenstiefel mit lunula.


    Als Gracchus an den Oleanderbüschen vorbei trat wurde er sich des jungen Mannes gewahr, welcher auf der von ihm auserkorenen Bank saß. Innerhalb eines Herzschlages trieben diverse Gedanken durch seinen Geist: ein Bedauern darüber, dass die Bank bereits belegt war, sowie die Überlegung sich ein neues Ziel zu suchen. Andererseits verspürte er ein leichtes Zwicken in seiner Hüfte - woraus ein Seitengedanke entsprang, dass er allfällig wieder regelmäßige Ertüchtigung in der Therme sollte absolvieren -, ob dessen er die Entfernung zur nächsten Rastgelegenheit abschätzte, welche ihm sodann zu weit erschien. Noch ehedem er dazu konnte übergehen den Sitzenden zu mustern, um eine Entscheidung zu treffen, ob eine kurze Pause an seiner Seite akzeptabel war - zwar hatte der Flavier wenig zu befürchten, achtete doch stets irgendwo im Hintergrund sein Vilicus auf ihn, doch gab es in Roms Öffentlichkeit bisweilen Gestalten, welchen er Iieber nicht mochte zu nahe kommen - war bereits der Augenblick einer Wahl vorrüber, da der junge Mann ihn freundlich grüßte. Gracchus war durchaus gewohnt, dass man ihn grüßte, hatte er doch in seiner Position als Pontifex und Consular oberflächlich stets mit vielen Menschen zu tun, gleichwohl er aus dem selben Grund nicht jeden der ihn grüßte konnte memorieren, geschweige denn zuordnen. Da der Gruß zwischen gänzlich Fremden in Rom indes sonstig unüblich war nahm der Flavier dies zum Anlass anzunehmen, dass es dem Mann wenig würde ausmachen die Bank - zumindest für einige Augenblicke - zu teilen.
    "Salve"
    , grüßte er zurück und wies auf die Bank.
    "Darf ich?"
    Aus schlichter Gewohnheit - da es weder privat, noch in der Öffentlichkeit kaum je geschah, dass jemand ihm eine solche Bitte würde verweigern - nahm Gracchus Platz noch ohne eine Antwort abzuwarten und ein Seufzen der Zufriedenheit echappierte seiner Kehle. Er zog sich einen Zweig des Oleander vor die Nase, um an den Blüten zu riechen und wandte sich sodann beseelt von einer leisen Euphorie über die Schönheit der Natur seinem Sitznachbarn zu. Auch in dessen zwar ein wenig müde wirkenden, dennoch gefälligem Antlitz war die Natur nicht geizig gewesen mit ihren Gaben - tatsächlich glaubte Gracchus gar eine eigentümliche Vertrautheit darin zu erkennen.
    "Ist es nicht wahrhaft deplorabel, dass die Welt Roms Sommer stets nur in stinkenden Kloaken, dem brackigen Wasser des ausge..dörrten Tibers und stickiger Luft in den engen Gassen der Täler bemisst? Was suchen all die Menschen nur jeden Sommer auf ein Neues auf dem Lande, was an diese Schönheit"
    er umfasste eben diese Schönheit mit einer ausladenden Geste durch den Garten,
    "je könnte heranrei'hen?"

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  • [Blockierte Grafik: https://abload.de/img/hymeasaaurs.jpg|Hymeas


    Der Sommer war wieder eingekehrt, doch gereichte dieser Maximilla nicht wirklich zur Freude. Nach den Wirren der infamen Unruhen, welche vom Sklavengesindel angeführt wurden, war es der alten Dame nur logisch erschienen, an der Küste nach der ihr wohlverdienten Ruhe zu suchen. Doch auch Kampanien schien nicht weit genug entfernt, um das Schicksal sie nicht ereilen zu lassen. Auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte, so war der Verlust von Verus, ihrem Neffen, doch ein arger gewesen und mit einem Schlage war es einsam geworden in der Villa, welche sie seit einigen Tagen wieder bewohnte. Zurückgezogen und grollend gegenüber den Göttern. Doch nun, nach einer Weile war es wohl an der Zeit den Verdruss beiseite zu schieben, um dem Vergnügen neuerlichen Platz zu machen. Wäre die Hitze nicht so drückend und Rom nur eine Stadt, in welcher es sich auch zu dieser Jahreszeit wohl leben ließe. Doch das war es nicht. Selbst die Thermen – zu jeder anderen Zeit ein wahrer Hochgenuss – wollten nicht recht die Stimmung heben, weshalb ihr eine gute Bekannte vorgeschlagen hatte, die bessere Stimmung doch in den Gärten des Sallust zu suchen, welche Schönheit und Abwechslung versprachen. In Ermangelung eines besseren Zeitvertreibs war Maximilla auch darauf eingegangen und hatte eine Weile gelangweilt aus der Sänfte geschaut, bis die ein oder andere Laube sie jedoch verlockt hatte, selbst die Füße auf das Gras zu setzen und einige Schritte zu gehen.


    So ging es nun – gefolgt von der nunmehr leeren Sänfte – an den Kollonaden des Cryptoporticus entlang, zur Freude der treuen Gärtner wohl ein weiteres Mal halbwegs über den Rasen, wobei die zunehmend alternde Dame ganz versunken in die liebliche Stimme ihres Sklaven war, der dazu befohlen worden war, ihr einige Verse aus dem Tithonos der Sappho zu rezitieren. Die schwermütigen Zeilen kamen dem jungen Macedonen geradezu lieblich über die Lippen, auch wenn deren Inhalt schon an Maximillas Gemüt zerrte:
    “Eilt ihr, zu der veilchenduftbusigen Musen schönen Gaben,
    Kinder, und der sangesliebenden, helltönenden Leier!
    Mir aber hat nunmehr die einst zarte Haut das Alter ergriffen,
    weiß aber wurden die Haare, die einst schwarzen;
    Schwer ist mir das Herz geworden, die Knie tragen mich nicht mehr,
    die einst doch flink genug waren, zu tanzen gleich einem Reh.
    Darüber stöhne ich oft; doch was könnte ich tun?…


    Auch Maximilla selbst trug eins schwarzes Haar. Doch nun, weit in die Jahre gekommen, war sie es gewöhnt dieses mit guten Perücken zu verdecken und sich in schöne Stoffe zu hüllen, die ein Normalsterblicher wohl als ‚schrill‘ bezeichnet hätte. Ein schwerer Duft von Lavendel umspülte ihr leicht dickliche Gestalt und es blieb ihr wieder einmal nichts mehr als mit dem lyrischen Ichs des Poems um die Wette zu seufzen. “Ist meiner Herrin nicht wohl?“, wollte Hymeas verzagt wissen. Immerhin stand zu befürchten dass mit der Laune der Herrin auch ihre Gunst ihm gegenüber für diesen Tag sank. “Ich fürchte Hymeas, nein...“ Schwer kamen Maximilla ihre Worte über die Lippen, doch in einiger Entfernung sah sie nun eine Bank, die offenbar aber schon besetzt schien. Doch ging wohl auch kein Weg an dieser vorbei, zumal noch eine weitere Bank am Wegesrand zu erwarten war. “Nur weiter, Hymeas!“, forderte sie dann, woraufhin der Sklave wieder ansetzte. “… frei von Alter kann man als Mensch nicht werden.
    Soll doch auch einst, den Tithonos tragend, mit rosigen Armen
    Eos, von der Liebe verwirrt, zu der Erde Ränder gegangen sein, ...

    Langsam flanierend kam man der Bank näher, auf der zwei Männer saßen. Maximilla nickte ihnen in einem Gruße zu und sprach ein vernehmliches “Salvete!“ in deren Richtung. Dann blieb sie stehen, denn in zumindest einem von ihnen schien sich ein bekannteres Gesicht zu verbergen. Vielleicht war es aber auch nur ein weiterer Trug, denn manchmal, so schien es ihr, suchten bereits jetzt die Gespenster sie heim.

  • Sim-Off:

    Manius Flavius Gracchus
    Oh, Sry, ich dachte Senatoren würden die immer so als normale Bekleidung tragen. Ich hab es jedenfalls angepasst!


    Nachdem der Gruß dem Schlunde des Norikers entsprungen und es ohnehin schon zu spät zur Umkehr war, hatte Carbo die Zeit und Muse sich den Fremden im Bruchteil einer Sekunde näher zu besehen. Er schien auf jeden Fall zu den wohlhabenderen Kreisen Roms zu gehören, der Art seiner feinen Kleidung nach. Das es sich bei seinem Gegenüber sogar um einen sehr einflussreichen Senator handeln könnte, darauf kam er nicht, da Carbo keinerlei Ahnung davon hatte, dass es für Senatoren auch noch andere Erkennungszeichen gab, außer ihre Purpurstreifen auf ihrer Toga.
    Da diese jedoch bei dem Herrn fehlten, nahm er also einfach an, dass es ein bloßer reicher Römer sein musste, der sich da zu ihm setzen wollte und so nickte er ohne Scheu und wies einladend auf den Platz neben sich.
    "Einen angenehmen Abend wünsche ich", gab er dann nochmal als persönlichere Begrüßung von sich. Er stellte sich darauf ein, dass er wohl jetzt ein kleines Gespräch mit dem Fremden haben würde, doch als der dann seinen Mund aufsperrte, fühlte sich Carbo für kurze Zeit so, als hätte er auf einen Schlag alle Lateinkenntnisse verloren, derer er habhaft war. Er verstand nämlich nur einen Bruchteil dessen, was Gracchus gesagt hatte. Deporabel? Irgendwer bemaß etwas mit Roms stinkenden Kloaken? Keine Ahnung von was da die Rede war. Doch den zweiten Satz hatte er verstanden. Wieso die Menschen im Sommer aufs Land fuhren, anstatt hier zu sein. Carbo legte die Stirn kraus, als er nachdachte. "Hm, ich weiß das leider auch nicht so genau. Ich selbst bin erst seit kurzer Zeit hier in Rom, denn eigentlich lebe ich in Mogontiacum. Aber es stimmt, diese Gärten hier sind wirklich eine Augenweide. Vielleicht tun sie das, weil sie viele sind und auch die Gärten begrenzt sind? Mehr oder weniger aus Rücksicht? Denn würden ständig Massen von Menschen hier durchtrampeln, ich bin sicher die Gärten wären schnell nicht mehr so ruhig und lieblich und viel wäre verschmutzt und niedergetreten. Jedoch ist das nu eine Vermutung und ich weiß auch nicht, welche nennenswerten Reiseziele es in Italia sonst noch gibt, außer Roma und Cumae." Dabei musste er wieder an das Orakel dort denken und seinem jahrelangen Plan es einmal aufzusuchen. Er musste das endlich in die Tat umsetzen!


    Doch ehe er in Gedanken abschweifen, oder gar das Gespräch mit dem Mann fortsetzen konnten, gab es eine kleine Unterbrechung für sie. Die wohl eigentümlichste und auffälligste frau, die Carbo je zu Gesicht bekommen hatte, hatte ihnen einen Gruß zugesandt (was also jetzt?! War es üblich oder nicht Passanten in Rom zu grüßen?! Carbo verstand es einfach nicht!), was ihn dazu bewog aufzublicken und die.. "Dame" zu begutachten.

  • Mogontiacum - augenblicklich empfand der Flavier Mitleid mit seinem Gesprächspartner, schien ihm doch die Germanische Provinz - gleichwohl er sie noch niemals mit eigenen Augen hatte erblickt - als eine der schlimmsten, in welcher man konnte wohnhaft sein. Andererseits erweckte diese Eröffnung eine gewisse Neugierde in ihm, denn da er selbst ungern reiste blieb die Fremde ihm verborgen, übte indes gleichzeitig den Reiz des Unbekannten auf ihn aus, dem somit nur durch die Erzählungen anderer beizukommen war. Ehedem er indes näher darauf konnte eingehen äußerte Carbo seine Vermutung, welche Gracchus' linke Braue deutlich in die Höhe trieb und einen Herzschlag lang ihm die Sprache verschlug.
    "Dies ist ... ein wahrhaft bemerkenswerter Gedanke"
    , musste er zugeben.
    "Aus... Rücksicht..."
    Weil die Römer Rom liebten verließen sie es. Brilliant.
    "Andererseits macht uns dies selbst zu rücksi'htlosen Einwohnern der Stadt, welche schamlos an der Jovialität anderer sich gütlich tun"
    , gab er die Konsequenz zu bedenken, ohne dabei Carbo als Einwohner Mogontiacums und somit augenscheinlichem Besucher der Stadt auszunehmen. In diesem Augenblicke wurde Gracchus der Frau sich gewahr, welche vor der Bank stehen geblieben war und sie nun grüßte.
    "Salve"
    , grüßte der Flavier schon aus reinem Höflichkeits-Reflex zurück und suchte im gleichen Moment sich zu entsinnen, woher er sie kannte. Denn zweifelsohne hatte er diese wenig unauffällige Person schon einmal getroffen. Die Frage nach dem "wann" und "wo" indes trat in den Hintergrund in Anbetracht der bedeutsamen Überlegung, welche ihrem Erscheinen vorangegangen war. Gracchus war keine Person, die mit Fremden - nicht einmal mit weitläufigen Bekannten - in banale Gespräche verfiel, doch wenn sein Geist die Spur einer tiefsinnigen Erörterung hatte aufgenommen, vergaß er bisweilen Raum und Stand, nur um einer Erkenntnis hernachzujagen.
    "Verzeih"
    , wandte er sich darob an die Tiberia.
    "Wir sind gerade einer womöglich gar philosophisch relevanten Causa gewahr geworden, und ob der schlichten Tatsa'he wegen, dass du heute hier bist, vermagst du uns allfällig zu helfen. Sofern diese Frage dir nicht zu nahe tritt - weshalb weilst du in diesen sommerlichen Tagen hier in Rom und nicht wie viele andere außerhalb der Stadt?"

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  • Augenscheinlich hatte Carbo etwas richtiges gesagt, denn der fremde wohlhabende Römer zeigte sich sehr beeindruckt von seiner Äußerung. Das machte ihn schon etwas stolz.
    Doch währte es nicht lange, denn kaum kamen wieder Wörter aus dem Munde des anderen heraus, so verfehlten sie Carbos Sprachzentrum, also der Ort wo der Sinn gehörter Worte ausgewertet wurde. Was zum Hades war Jovialität und was hatte sie mit der Rücksichtslosigkeit der Römer zu tun?!
    Doch Carbo war Fortuna hold. Ihm blieb es erspart darauf eine Antwort geben zu müssen (von der er selbst jetzt noch nicht den leisesten Schimmer hatte, wie sie wohl aussehen könnte), da nun auch der Mann die exzentrische Frau entdeckt und angesprochen hatte.
    So also saß Carbo stumm auf seinem Platz und blickte interessiert auf die Dame in Erwartung ihrer Antwort.

  • Hymeas war verstummt, nachdem seine Herrin die Männer auf der Bank in Augenschein genommen und angesprochen hatte. Maximilla selbst, noch nachdenkend darüber, ob sie nun weiter flanieren oder inne halten sollte war gar über sie sich selbst erstaunt, dass sie sich dazu veranlasst gefühlt hatte, den Gruß überhaupt über die Lippen kommen zu lassen. Nun, da sie meinte einen der Männer schon einmal gesehen zu haben, war die Erklärung, dass die sommerliche Hitze und die Sehnsucht nach einem Kontakt, welche die inneren Lemuren vertrieb, nicht mehr ganz so drückend wahr. Sie nickte auf das gesprochene ‚Verzeih‘ hin und sah sich sogleich meiner wohl formulierten Frage konfrontiert. Eine Forumlierung, die auf Bildung schließen ließ, gepaart mit dem Gebaren eines hohen Ranges. Noch einmal setzte sie ihre Blicke auf das ihr bekannt erscheinende Gesicht, doch noch immer wollte ihre Erinnerung nichts preisgeben. Statt weiter darüber nachzusinnen, widmete sie sich zunächst einmal der Frage, nicht jedoch ohne auch den anderen Mann noch einmal anzuschauen. Offenbar hatte man sich in Philosophie ergangen – so zumindest ihr Schluss.


    “Es lag nicht in meinem Sinne euch zu unterbrechen!“, begann sie aber zuerst. Vielleicht zunächst mit hocherlauchten Tonfall, der ihr an anderen Tagen und vor dem Verlust, der Hitze, der Einsamkeit und der Melancholie zu Eigen gewesen war. Doch unter der Antwort schwand sogleich wieder dieses Gebaren, das in anderer Verfassung einen jeden Bediensteten im Hause in Angst und Schrecken versetzte. [color]“Nun,“[/color] begann sie dann, wieder deutlich betrübter und sie ließ ein Seufzen folgen. “Ich beliebte bereits zu reisen, doch habe ich dieser Tage das Gefühl in dieser Stadt meiner Vergangenheit etwas näher zu sein.“
    Mit einem leichten Handwedeln bedeutete sie den Trägersklaven ihre Sänfte für einen Moment abzusetzen. Auch wenn sie nicht darinnen saß, so war es doch wohl ein gutes Zeichen der Absicht, noch einen Moment verharren zu wollen. Wieder sah sie Fragenden an und neigte dabei leicht das Haupt. “Doch sag‘, mir ist so, als ob wir uns schon einmal gesehen haben. Du scheinst mir sehr bekannt.“ Ihr Blick glitt wieder zu dem anderen. “Du hingegen nicht,“ ließ sie in ihrer stets direkten Art folgen, die keineswegs einen Affront bedeuten sollte, aber nichtsdestotrotz das Inventar in ihrem alltäglichen Umgang war.

  • "Ah"
    , nickte der Flavier verständig.
    "Die eigene Historie! Dies ist fürwahr ein stabiles, wenn nicht gar bis..weilen forcierendes Band. Mich dünkt - aus eigenem Erleben zugegeben -, es wird um so stärker, je mehr man sucht ihm zu entrinnen."
    Sodann erhob er sich.
    "Verzeih, wie unbotmäßig unser Verhalten doch ist! Ich hoffe es sind die betörenden Reize dieses Gartens oder die Folgen der bleiernen Hitze des Tages, welche den Anstand uns vergessen lassen. Ich bin Manius Flavius Gracchus, Senator und Pontifex Roms, und ob dessen durchaus nicht selten in öffentli'he Belange involviert oder zugegen."
    Dass Menschen ihn kannten, ohne dass er sie kannte, irritierte Gracchus bisweilen, doch über die Jahre als Person des öffentlichen Lebens hinweg hatte er sich damit abgefunden, respektive abfinden müssen. Dies einzig war ein Vorteil in der Fremde - die Anonymität der Person. Er wandte sich Carbo zu.
    "Und der junge Philosoph hier ... Zugegebenermaßen, auch unser Gespräch begann mit dem Versäumnis unserer Vorstellung."
    In diesem Augenblick war jenes Versäumnis Gracchus indes nicht weiter dramatisch erschienen, erhob sich ein tiefgründiger Austausch im Zweifelsfalle doch über jeden Stand und jede Herkunft, war einzig von der geistigen Beweglichkeit des Gegenübers abhängig.

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  • Carbos Augen weiteten sich mit jedem weiteren Wort, das sein Konversationspartner von sich gab. Manius Flavius Gracchus also. Pontifex des römischen Pantheons (war das nicht etwas noch höheres als sein Bekannter Iulius Caesoninus?) und zudem auch noch Senator und Eingeschriebener Vater des altehrwürdigen, mächtigen Senats von Rom. Und mit so einem strahlenden Stern des imperialen Firmaments war er, der mickrige kleine Poststationsangestellte ohne jeden Bürgerrechts gerade im Gespräch! Welch Scherz sich hier die Götter wohl mit ihm erlaubt hatten ihn einer so derart bedeutenden Persönlichkeit gegenüberzustellen! Gewiss würde der andere sofort gehen, sollte er erst Carbos Personalien zu Ohren bekommen. Doch genau die wurden jetzt von ihm erwartet.


    Carbo öffnete und schloss mehrmals seinen Mund, ehe er es schaffte folgende Worte herauszubringen: „N.., Norius Carbo. Mein Name ist Norius Carbo. Gewesener Magister Vici in Mogontiacum und jetziger Stationarius auf Zeit beim kaiserlichen Cursus Publicus hier in Rom. Ich will noch hinzufügen, dass es mir eine große Ehre ist mit dir sprechen zu dürfen, o Senator!“ beeilte er sich noch hinzuzufügen um nicht unhöflich zu wirken. Wie klein er sich gerade vorkam! Das war hier nun der dritte hohe Römer mit dem er Bekanntschaft geschlossen hatte, nach seinem finanziellen Gönner Marsus und diesem adeligen Tribun jener einen Nacht, dem er einmal seine Klientelschaft angeboten hatte. Wie war jedoch nur dessen Name?! Carbo kam einfach nicht darauf. Vermutlich auch sowas wie „Flavius“?

  • "Oh, nun es ist mir ebenfalls eine große Ehre mit dir sprechen zu dürfen, Norius Carbo. Was wäre schlussendli'h Rom ohne Männer wie dich? Ein Haufen nutzloser Senatoren möchte ich vermuten."
    Es war nicht, dass der Flavier dies nur aus Höflichkeit sagte, es gehörte tatsächlich zu seinem Verständnis der Welt, respektive der Ständeordnung, dass ein jeder seinen festen Platz im Gefüge hatte, der nicht weniger wichtig oder unwichtig als der eines anderen war - und solange in diesem jemand ein reger Geist wohnte, war er nicht minder abgeneigt, mit diesem zu sprechen. Darüber hinaus wurde auch für den Cursus Publicus nich jeder dahergelaufene Charakter eingestellt, immerhin wurden im Zweifelsfalle staatsrelevante Nachrichten transportiert. Da er noch immer stand, setzte Gracchus sich wieder, hatte sein Verstand - der zugegeben durch die Senatsferien und die Absenz vieler seiner sonstigen Gesprächspartner aus Rom ein wenig ausgedörrt war - bereits ein neues Sujet seiner Neugier entdeckt.
    "Ich bin nicht gänzlich vertraut mit den politischen Strukturen in den nördlichen Provinzen - was genau sind die Aufgaben eines Magister Vici?"

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  • Wäre Carbo Christ gewesen, dann wären jetzt für ihn alle Kreuze des Himmels zu Boden gestürzt, denn er konnte kaum fassen, was der hochwürdige Senator da gerade von sich gegeben hatte. Er hatte seine Standesgenossen als „nutzlos“ bezeichnet! Ein frevelnder Ausspruch, den er sich als kleiner Wurm und Nichts (aus den Augen eines Römers mit Bürgerrecht) nie und nimmer auch nur zu denken gewagt hätte. Doch vermutlich war das ja der übliche Umgangston der Eliten, so genau wusste er das ja auch nicht. Oder er hatte es mit einem besonders mutigen Mann zu tun so etwas öffentlich zu verlautbaren, alles in allem -trotzdem, dass die Äußerung Carbo erschreckt hatte- fand er es dennoch irgendwie beeindruckend. „Ich bin mir sicher, dass die Senatoren Roms keineswegs nutzlos sind. Bestimmt sind sie die Stütze der Gesellschaft, auf denen all unsere Verwaltung und Politik lastet als Spitze der Gesellschaft.“, bemerkte der Junge, während er den Flavier beim hinsetzen zusah, in der Meinung, er müsse etwas positives über den Senat sagen. Auch war er immer noch etwas verunsichert wegen der Situation mit einem waschechten Senator zu sprechen. Ein Angehöriger dieses Standes stand für Carbo einfach so ungeheuer hoch über ihn in der Nahrungskette, dass er sich das kaum vorzustellen vermochte. Irgendwie war es schon anders als damals mit diesem Edelsohn in der Taberna Silva Nigra vor so vielen Monaten. Vielleicht aber auch, weil der noch sehr jung gewesen war, während der Mann neben Carbo bestimmt schon so einiges geleistet hatte für Rom.


    Doch als wäre dieser Abend der Mirakel nicht schon perfekt, so fand sich Carbo tatsächlich in der Position des Aufklärers gegenüber dem ehrenwerten Mitglied der Gesellschaft wieder, als dieser nach den näheren Befangenheiten des Amtes des Magister Vicis sich erkundigte. Ein echt verrückter Tag. Doch diese Gelegenheit konnte er auch gleich nutzen, um dem Flavier von seiner früheren Begegnung mit einem anderen Patrizier zu erzählen (für Carbo war das ja bislang immer noch immer jeweils ein höchst denkbares Ereignis, wo es praktisch keine Patrizier im Norden gab und jede solcher Begegnungen zum Spektakel für ihn geriet).
    Gerne doch, o Senator. Jeder Vicus Mogontiacums wählt seine Vertreter, die sogenannten Magistri Vici. Sie sind dafür verantwortlich, im Namen ihres Vicus regelmäßig den Lares vicani zu opfern, außerdem haben sie den Aediles zur Hand zu gehen und zudem die Interessen ihres Vicus zu vertreten und für die Nöte und Anliegen der Vicani da zu sein. Falls du willst, erläutere ich dir das Amt des Magister Vici anhand meiner eigenen Amtszeit zur lebensnahen Übersicht dieses Einstiegsamts des mogontiacischen Cursus Honorum.


    Carbo machte eine Pause und räusperte sich. In Rücksicht auf seinen hohen Zuhörer wollte er sich darum bemühen das folgende langsam und verständlich zu erzählen, damit der Senator sich an seiner Mähr ergötzen könne und nicht davon erschlagen wäre.


    Alles fing damit an, dass ich von Noricum nach Mogontiacum kam und Stadtschreiber in der Kommunalverwaltung wurde. Über diese Tätigkeit kam ich schon ein paar Mal mit dem Amt des Magister Vici in Berührung. Auch traf ich eines Abends dabei einen anderen Patrizier, es war sehr beeindruckend für mich. Wir sprachen davon, dass ich gerne sein Patron werden wollte, in der Hoffnung, daraus irgendeinen Vorteil ziehen zu können, doch wurde daraus nichts. Seinen Namen weiß ich leider nicht mehr so genau, doch es war ein fülliger junger Mann von guten zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren mit braunem Haar und braunen Augen, der dort in Germania Superior seinen Dienst als Tribun abgeleistet hatte. Das war bestimmt schon vor ca. zwei Jahren. Meine einzige andere Begegnung mit einem anderen Patrizier bisher, doch ich schweife ab, verzeih mir! Jedenfalls nach einem Jahr Dienst erhielt ich die Bürgerrechte der Stadt und kandidierte, mit einem wohlhabenden und wohlgesinnten Spender im Rücken, bei der nächsten Wahl als Magister Vici und wurde tatsächlich gewählt. Dann begann meine Amtszeit. Soll ich sie dir nur grob, oder im Detail darlegen, o Senator?
    Langsam aber sicher gewöhnte sich Carbo an seinen blaublütigen Gesprächspartner und er fand allmählich wieder zu der entspannteren Gesprächshaltung zurück, die er gehabt hatte, als der Flavier noch ein Fremder für ihn gewesen war.

  • "Aber nicht doch"
    , winkte der Flavier lachend ab.
    "Die Senatoren sind nicht nutzlos. Aber sie wären es, hätten wir kein Rom und kein Reich, für welches es sich lohnte, Sorge zu tragen. Und eben dieses Rom und dieses Rei'h existierte nicht ohne Männer wie dich und deine Kollegen im Cursus Publicus und ähnlichem."
    Gespannt lauschte er den Ausführungen des jungen Mannes über den Magister Vicus, der letztlich ein Kommunalpolitiker war und schlichtweg im hohen Norden seinen eigenen Namen trug. Dennoch war es nicht weniger interessant, von dessen Aufgaben zu hören. Der mogontiacische Cursus Honorum belustigte Gracchus dabei ein wenig, konnte er sich doch kaum vorstellen dass es dort in der Provinz eine Laufbahn in solch ehrenvollen Ämtern gab wie in Rom. Zweifelsohne gab es durchaus ehrenvolle Ämter, doch diese - wenn auch nur namentlich - mit jenen in Rom gleichzustellen, dies schien ihm doch ein wenig ridikulös. Dennoch ebbte seine Neugierde nicht ab. Der junge Tribun, den Narbo beschrieb, erinnerte ihn durchaus an seinen Sohn Minor, doch war dessen Reise erst zwei Jahre her?
    "Oh, mein Sohn war vor einigen Jahren Tribunus Laticlavius einer der ger..manischen Legionen. Ich bin jedoch nicht sicher, ob dies in Mogontiacum gewesen ist. Indes, der Zufall wäre womöglich auch zu groß."
    Die Städte der nördlichen Provinzen waren es Gracchus nie wert gewesen, sich besonders mit ihnen zu befassen, ebenso wenig welche Legion in welcher Stadt war stationiert. Im Falle politischer oder militärischer Eskalation mochte er sich damit auseinandersetzen, andernfalls jedoch nicht.
    "Nun, im Detail in Hinblick auf die einzelnen Handlungen braucht deine Schilderung nicht zu sein, doch grob scheint mir etwas zu ... grob. Was waren deine Aufgaben und Pflichten während dieser Amtszeit?"
    ermutigte der Flavier den jungen Mann von eben dieser weiter zu berichten.

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  • Carbo wurde hellhörig, als der Senator erwähnte sein eigener Sohn wäre ungefähr zu jener Zeit in Germania als Tribun gewesen. Sollte es etwa sein, dass... doch nein, der Zufall wäre zu groß gewesen. Dennoch hatte Gracchus‘ Erwähnung in Verbindung seines Namens und der gerade besprochenen Sache initiiert, dass sich etwas längst vergessen geglaubtes begann in seinem Gedächtnis hochzuarbeiten, jedoch um diese Information bewusst begreifen zu können steckte es noch zu tief in seinem Inneren. Doch es hatte Carbo auf etwas gebracht. „Der erwähnte Tribun pflegte sich stets mit besonders gewählten Worten in gehobener Sprache auszudrücken. Bestimmt war er Patrizier. Darf ich fragen, wie dein Sohn heißt?


    Als dann Gracchus wirklich von seiner vergangenen Amtszeit hören wollte, machte ihn das schon sehr stolz, dass ein richtiger echter Senator Interesse an seinem Leben zeigte. So setzte er sich in noch aufrechterer Position hin, als er sowieso schon gesessen hatte und begann zu erzählen: „Ich war Magister Vici für den Vicus Apollinensis der Stadt Mogontiacum. Als solcher hatte ich stets ein offenes Ohr für die Bürger meines Vicus zu haben und ihnen bei ihren Problemen zu helfen. Daneben wollten natürlich auch die lares vicani die ihnen gebührende Aufmerksamkeit durch tägliche Trankopfer. Das waren die allgemeinen Pflichten meines Amtes. Daneben gab es dann noch meine eigenen Projekte, die ich zum Wohle der Götter, Geister und Menschen der Stadt umgesetzt habe. Für die Menschen ließ ich das städtische Theater reparieren und wieder öffnen und es ein Jahr lang durchgehend von einer eigens angeheuerten Schauspieltruppe aus Vindonissa bespielen. König Ödipus, Kyklops, Medea, Lysistrata, einfach alles was das Herz begehrte ließ ich auf die Bühne bringen.
    Carbo machte eine kurze Pause. Für einen Moment schwelgte er wieder in dem fröhlichen Theaterreigen, den er da einst im Norden veranstaltet hatte. Ach, was war das herrlich gewesen! Doch hier in Rom gab es sowieso jeden Tag gleich in mehreren Theaterbauten die diversesten Aufführungen, weshalb der Senator wohl nicht viel besonderes in diesem Teil von Carbos Bericht bemerken mochte. Schade eigentlich. Doch vielleicht wusste man das nur zu schätzen, wenn man aus dem Norden kam und aus eigener Erfahrung wusste, wie das so war, wenn Spektakel die Ausnahme (und damit etwas besonderes), denn die Regel waren.


    Doch Carbo fuhr fort: „Für die Götter und Geister hatte ich ebenfalls ein Geschenk. Während meiner Amtszeit war es mir mein besonderes Hauptanliegen gewesen alle Straßenschreine an den großen Wegkreuzungen zu reinigen und wenn nötig zu renovieren. Insgesamt wurden zehn Schreine gereinigt und -falls nötig- repariert, während sechs weitere Schreine durch Neubauten komplett ersetzt und eingeweiht wurden. Außerdem ließ ich auch eine ganz neue Aedicula aus meinen eigenen Mitteln errichten.
    Wieder unterbrach er kurz. Sollte er auch von dem letzten großen Vorfall seiner Amtszeit berichten? Falls ja könnte das zum unangenehmen Beginn der ganzen Affäre führen, doch wenn er es andererseits bedachte, der Senator wusste ja nichts von den ungeheuren Lügen, die Carbo überhaupt erst in den Schlamassel gebracht hatten. Wenn er es nur allgemein genug formulierte würde schon nichts schlimmes passieren und zu seinem größeren Ansehen vor dem Senator beitragen, weshalb er es also riskieren wollte.
    Das war es eigentlich im Grunde. Ach, ich vergaß doch noch eine Kleinigkeit. Als Magister Vici ist es auch in meiner Pflicht gelegen das Fest der Compitalien zu organisieren. Außerdem ist noch etwas ungeheures gegen Ende meiner Amtszeit passiert. Es hatte nämlich ein Komplott Rom feindlich gesinnter Germanen in Mogontiacum stattgefunden, bei dem ich tatkräftig dazu beigetragen habe, es aufzudecken und anschließend zu zerschlagen. Dies hatte mir zudem das nötige Kleingeld eingebracht, um meine Reise nach Süden anzutreten, die ich auch direkt nach meinem Amtsende antrat. Ja, und hier bin ich nun.“ meinte er abschließend ein wenig lahm. Ob er seine Sache gut vorgetragen hatte?

  • Ein schmales Lächeln legte sich um Gracchus' Lippen auf die Frage nach dem Namen seines Sohnes hin, war er diesbezüglich doch nicht sonderlich kreativ, respektive schlichtweg traditionell gewesen.
    "Gewiss, es ist ohnehin nicht schwer zu erraten, heißt er doch ebenfalls Manius Flavius Gracchus mit dem Zusatz Minor."
    Bezüglich der gewählten Sprache mochte Gracchus sich kein Urteil bilden, befand er doch weder seine eigene, noch die seines Sohnes als außergewöhnlich. Ohnehin folgte er nun den Ausführungen Carbos über die Aufgaben des Magister Vici. Zweifelsohne musste er sich eingestehen, dass dieses Amt letzlich den römischen nicht gar so fern war und in seiner lokalen Bedeutsamkeit diesen augenscheinlich auch in nichts nachstand.
    "Dies klingt nach Aufgaben von großer Relevanz. Insbesondere die Förderung der Kultur ist ein Anliegen, welches auch mir ein Herzensbedürfnis ist. Den Menschen die Ästhetik des Wortes näherzubringen ist meines Era'htens mehr dem Wohle Roms dienlich als jedes Spektakel in der Arena."
    Dass die Menschen dies bisweilen anders sahen war in den Augen des Flaviers nur ein Zeichen dessen, dass sie noch nicht aufmerksam genug zuhörten.
    "Du hattest augenscheinlich nicht nur eine sehr bewegte, sondern auch eine durch Erfolg gekrönte Amtszeit, wenn ich mir dieses Urteil aus der Distanz betrachtet erlauben darf. Was hat dich be..wogen, dies alles aufzugeben?"

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  • Der Klang des Wortes „Minor“ war jenes fehlende Stück, das das Bild vervollständigte und plötzliche Klarheit über die schon längst vergessen geglaubte Erinnerung verschaffte. „Oh, Minor! Genau, Flavius Gracchus Minor, das war der Name des Offiziers!“ Beim Bewusstwerden dieser Erkenntnis weiteten sich Carbos Augen und er schnappte nach Luft. „So will es also doch wahr sein, dass ich vor Jahren einst deinem Sohn höchstselbst begegnet sein soll?“ Überwältigt von so einer Fügung der Götter kratzte er sich als aller erstes einmal am Hinterkopf. „Doch jetzt, wo ich den Namen wieder weiß, fällt mir auch der Rest jener Begegnung wieder ein. Damals war ich Stadtschreiber in der Kommunalverwaltung und wollte meinen Feierabend auf ein paar Krüge Wein in der Taverne begehen, als ich auf den tribunus laticlavius Manius Flavius Gracchus Minor traf. Ich weiß noch, dass wir über meine ehemaligen Pläne gesprochen hatten in die Armee einzutreten und ich... erzählte ihm auch von dem Anschlag auf mich, was letztendlich einer Einschreibung zum Militärdienst zuwidergekommen war. Oh, Götter ist das alles schon lang her, bestimmt hat dein Sohn mich längst vergessen. Aber ich weiß auch noch, dass ich ihm auch von meiner echten Heimat in Noricum erzählt habe... und am Ende, hm.. hab ich ihn gefragt, ob ich nicht sein Klient werden dürfte, doch es kam nicht dazu, wieso weiß ich jedoch nicht mehr.“ Da gab es über eine Million Menschen in dieser riesigen Stadt Roma, dem Haupt der Welt und Carbo trag ausgerechnet jenen einen Senator, der der Vater des einzigen Patriziers war, den Carbo jemals in Mogontiacum kennengelernt hatte! Was es nicht alles gab auf der Welt.


    Mit Freuden hörte der Junge anschließend die wohlwollenden flavischen Worte zu seinem Werk als Amtsträger. Anscheinend interessierten sie sich beide für Kunst und Kultur. In einer Welt in der Norius Carbo Römer gewesen wäre und zudem bestenfalls ranggleich (oder wenigstens annähernd), er war sich sicher, er und Gracchus wären gute Freunde geworden.


    Als dann dieser es so auffasste, dass Carbo all sein Eigen und seine Zukunft in Mogontiacum zugunsten eines Lebens in Rom aufgegeben hatte, lächelte er und antwortete: „Ganz im Gegenteil, o Senator, ich bin hier in Rom gerade damit ich meine begonnene Karriere in Mogontiacum fortsetzen kann.“ Er unterbrach kurz und rutschte etwas auf der Bank hin und her, um es sich wieder bequemer auf seinem Sitzplatz zu machen, ehe er fortfuhr: „Zu einem weile ich in Italia, um bald das Orakel von Cumae aufzusuchen und dies verbinde ich gleich mit einem längeren Aufenthalt hier in Roma, um mir einige Geldreserven anzulegen für die Zeit meiner Rückkehr in den Norden, um in Mogontiacum als Aedil zu kandidieren. Als ich damals deinen Sohn getroffen hatte war das erst kurz nach meiner Genesung gewesen. Ich wollte nur noch weg aus dieser Stadt in der ich fast mein Leben verwirkt hätte und ich wollte wirklich nach meinem Besuch beim Orakel in Rom verweilen. Doch die verstrichene Zeit seit damals und meine beiden zusätzlichen Lebensjahre haben mich weiser gemacht. Selbst wenn ich mir einmal meinen großen großen Traum erfülle und ein vollwertiger römischer Bürger wäre, so wäre ich in Rom trotzdem stets ein Niemand. Ein Namenloser, der nicht auffällt und für den sich niemand interessiert. Alle Aufstiegschancen wären mir unmöglich in dieser Stadt neben den wahren Römern und den großen Familien. In Mogontiacum oben an der Reichsgrenze jedoch kann ich etwas bewegen. Ich kann in der Ämterhierarchie weiter aufsteigen, nachdem ich ja schon einen Fuß in der Tür habe und so will ich mich nach meiner Rückkehr vollends in Germania Superior niederlassen und mich mit all meinen Fähigkeiten und Talenten dafür einsetzen diesen Flecken Lands zu einem noch besseren und lebenswerteren Stück Heimat für die Einwohner zu machen, als er es jetzt schon ist.

  • Belustigt lachte der Flavier auf über die Späße, welche das Schicksal sich ab und an erlaubte.
    "Fürwahr, Fortuna zeigt bisweilen eigentümli'he Launen."
    Nicht umsonst war das Schicksal eine Frau.
    "Deplorablerweise befindet mein Sohn sich derzeit nicht in Rom, sondern auf einem unserer Güter in der Provinz. Ich werde ihm jedoch in meinen nächsten Brief von unserem Zusammentreffen berichten. Die Zeit in Germania war für ihn nicht nur eine edukative, sondern ebenso von Erfolg gekrönt, darob wird er sich zweifelsohne gerne daran erinnern."
    Gleichwohl Gracchus durchaus seine Schwierigkeiten damit hatte mit der dunklen Provinz im Norden etwas Positives zu verbinden, so hatte Minor dort seinen ersten politischen Erfolg bei einer Verhandlung mit irgendeinem barbarischen Germanenstamm erzielt, worauf auch der Vater sehr stolz war.
    "Ah, das Orakel von Cumae"
    , kommentierte er sodann verständig während sein Blick ein wenig in die Ferne schweifte über die Spitzen der weit entfernten Gebäude am Rande des Parkes hinweg.
    "Ein weiser Ratgeber, doch nicht immer einfach zu interpre..tieren. So manchen hat es mit mehr Fragen zurückgelassen als er zuvor sich hätte imaginieren können."
    Ein schmales Lächeln kräuselte seine Lippen und sein Blick kehrte zurück zu seinem Gesprächspartner.
    "Indes, bisweilen können auch Fragen zuträgli'her sein als Antworten, und letzlich gibt das Orakel stets das, was der einzelne bedarf."
    Da die Menschen oftmals solche Fragen stellten, deren Antwort ohnehin in ihrem Inneren lag, konnten auch nur sie selbst sie geben, dass das Orakel letztlich nur das Steinchen war, welches eine Lawine ins Rollen brachte. Doch dies war nichts, was Gracchus dem jungen Mann mit auf den Weg wollte geben, gehörten Orakel doch zu den Mysterien der Kulte, wiewohl es zudem auch immer Ausnahmen gab, da eine Antwort im Äußeren zu suchen war.
    "Womöglich wird es deine Pläne noch einmal neu definieren. Bis dahin indes scheinen sie mir wohldurchdacht. Es ist wahr, Rom - dies ist das Zentrum, das Herz der Welt. Doch auch wir selbst wären nur mit einem Herzen nicht vollum..fänglich, erst all die anderen Teile unseres Leibes komplettieren uns, erfüllen eine wertvolle, bisweilen gar notwendige Funktion. Rom wäre allfällig ein kleines Dorf ohne die Provinzen, und es ist gut zu wissen, dass dort in der Ferne viable und tüchtige Männer wie du ihren Pfli'hten nachkommen, um Rom zu dem zu machen, was es ist - kein Dorf, keine Stadt, sondern ein Weltreich."
    Dem Flavier lag nichts an Schmeicheleien, die Überlegungen und Ambitionen Carbos schienen ihm schlichtweg schlüssig, darob gab es ebensowenig Grund für ihn dies zu verhehlen.

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  • "Es wäre mir eine Ehre und ich danke dir dafür, o Flavius Gracchus", antwortete Carbo beflissen auf die Antwort des illustren Römers hin seinem Sohn von ihrer Vegegnung berichten zu wollen. Es kam nicht alle Tage vor, dass man als Peregrinus Gegenstand eines Briefaustauschs zwischen zwei Patriziern war, Carbo empfand das als Lob für sich, das hieß wohl, dass er nicht ganz so unwichtig in der Gesellschaft war. Wäre ja wirklich ein großer Zufall, sollte sich der betreffende junge Spross der Flavier doch noch an Carbo erinnern können, doch er hegte da wie schon auch laut geäußert eher wenig Hoffnungen. Doch einmal sehen was der flavische Briefaustausch bewirken mochte.


    Genauso wie Carbo das erwartet hatte kannte Senator Flavius Gracchus das Orakel von Cumae, so wie jeder andere Römer auch. Vielleicht mochte das von Cumae dem Orakel von Delphi wirklich den Rang ablaufen was die Berühmtheit anging, oder sollte sich Carbo hier täuschen? Dass auf jeden Fall beide verwirrende Antworten zu geben pflegen wusste er ja schon. Man mochte nur an den letzten lydischen König Krösus denken, der die Pythia aufgesucht hatte vor seinem Kriegszug gegen den persischen Großkönig und einen Spruch erhielt der da lautete: "Wenn Krösus den Halys überschreitet, wird er ein großes Reich zerstören." In der Annahme damit sei Persien gemeint zog der König frohen Mutes in den Krieg, doch das delphische Orakel hatte von seinem eigenen Land gesprochen...
    Der Antwort des Senators nach verhielt es sich mit dem Orakel von Cumae wohl ähnlich, gut zu wissen jedenfalls, denn Carbos Ausgangslage war ja auch nicht gerade einfach. Er wollte es im Hinterkopf behalten.


    Also dann referierte Flavius gracchus über die Bestandteile des Imperiums, dass erst die Provinzen Rom vervollständigten, also im Grunde Carbo, wo ja er seinen Teil zu leisten gedachte in Form seiner geplanten Lokalkarriere. So neigte er ergriffen den Kopf und murmelte: "Ich denke wie du und stimme dir zu, o Senator."

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