[Blockierte Grafik: https://www.bilder-hochladen.net/files/m625-5-f16f.jpg] | Unrasierter Heimkehrer
Roma! Ewige Stadt! Krone der Schöpfung! Sumpf der Laster! Zentrum der Welt! Meine Heimat! Komm an mein Herz!
Nach den Jahren in der Fremde, der haarsträubenden Flucht, der kurzen Erholungspause in Alexandria, lag nun noch eine lange und ungemütliche Seereise hinter mir. Abwechselnd hatte das Mare nostrum das Handelsschiff "Thalassa" mit Flaute, dann wieder mit stürmischem Wetter traktiert, endlos hatten wir im thyrrhenischen Meer gegenan gekreuzt, und ganze zehn Tage lang hatten wir uns bei widrigen Winden im Tuffsteinhafen von Pandateria verkriechen müssen. Da hatte ich mir viele Stunden lang die Langeweile mit der Lektüre der Odyssee vertrieben (wenn ich mich nicht gerade mit meinen neuen Sklaven vergnügte).
Und nun kam ich mir selbst vor wie Odysseus, als Athene den Nebel von seinen Augen nimmt und er erkennt, dass er nach zwanzig Jahren von Krieg und Herumirren endlich heimgekehrt ist in sein geliebtes Ithaka. So euphorisch wie unwirklich war es, die Tore Roms zu durchschreiten.
"Siehe, da freuete sich der edle Dulder Odysseus
Herzlich des Vaterlandes und küsste die fruchtbare Erde,"
deklamierte ich glücklich, zur Verwirrung meiner Sklaven.
"Und nun fleht' er den Nymphen mit aufgehobenen Händen:
Zeus' unsterbliche Töchter, ihr hohen Najaden, ich hoffte
Nimmer, euch wiederzusehen; seid nun in frommem Gebete
mir gegrüßt! Bald bringen wir euch Geschenke wie ehmals."
"Geht es dir gut, Herr?" erkundigte sich Armastan, der Garamant, der gepäckbeladen zu meiner Rechten marschierte.
"Bestens."
Links flankierte mich der Nubier Natakamani, der auf seinen sehnigen Armen in einer Kiste mit Luftlöchern den jungen Geparden trug. Der zweite Gepard war leider auf der Überfahrt immer schwächer geworden und dann gestorben, trotz der hingebungsvollen Pflege durch die ägyptische Tierwärterin. Renenet hieß sie, und huschte leichtfüßig neben dem Nubier einher. Der überlebende kleine Gepard erschien auch ziemlich durcheinander, und seine Krallen hatte schon viele rote Striemen an unseren Armen hinterlassen. Ob ich ihm vielleicht besser die Krallen ziehen lassen sollte, bevor ich ihn Valentina verehrte? ...ob sie mich überhaupt noch sehen wollte? Bestimmt hatte sie längst eine andere gute Partie gemacht, war nun eine geehrte Matrone um deren Knie sich eine ganze Meute blonder Kinder scharrte... - Und Borkan, was wohl aus ihm geworden war? Ob er die Expansionspläne in die Tat umgesetzt hatte, ein reicher Geschäftsmann geworden war, vielleicht sogar das Bürgerrecht errungen hatte?
Und was mein Vater wohl machte? Ob er sich hier weiter durch den politischen Morast schlug, oder wieder nach Hispania gegangen war? Ich erinnerte mich an den glücklichen Tag als er, fast so wie ich jetzt, damals vor vielen Jahren aus parthischer Gefangenschaft zurückgekehrt war, als wir schon fast das Hoffen aufgegeben hatten.
Odysseus war von seiner göttlichen Patrona bei der Ankunft in ein Trugbild gehüllt worden, und erst mal als triefäugiger Greis auf Erkundung gegangen. Zwar rechnete ich nicht mit einer Horde mörderischer Freier, aber noch immer mit einem Verrat aus den eigenen Reihen.
Um nicht gleich erkannt zu werden – Rom vergaß zum Glück schnell - hatte ich meine barbarische Haar- und Barttracht stehen lassen (nur etwas in Form gebracht), trug einen praktischen aber eleganten Reisechiton und ein Himation nach der neuesten alexandrinischen Mode gewebt. So mochte man mich für einen gutbetuchten Reisenden aus irgendeiner unserer griechisch geprägten Provinzen halten.
Während ich durch die Straßen ging, über die Tiberbrücke und am Forum Boarium vorbei, durchs bunte und vertraute Treiben, da machte ich mir bewußt, dass in der Stadt offenbar der normale Alltag herrschte. Sie war nicht von Chaos überrollt worden, auch hatte in meiner Abwesenheit niemand den Kaiser ermordet. Jeder war ersetzbar, in dem gutgeölten Herrschafts- und Militärapparat unseres Reiches. Das war beruhigend. (Zum einen.)
Dumpfe Hitze hing zwischen den Gebäuden, das Unkraut zwischen den Pflastersteinen war vergilbt, und vom Tiber stieg wie jeden Sommer ein Geruch auf, der – Manius hätte wohl gesagt ein Odeur.... ach... Manius.... ob es ihm gut ging? Ob er in der Stadt weilte, oder auf einem Landsitz in den Bergen die frische Luft genoß.... ob er noch manchmal an mich dachte... und verpassten Gelegenheiten hinterhertrauerte... - wo war ich gewesen? Ja, der Tibergestank, scheußlich wie eh und je.
Sobald wir wieder in höhere Gefilde kamen wurde es besser. Meine Schritte beschleunigten sich, es ging am Tempel des vergöttlichten Claudius vorbei den Caelius Mons hinauf, schon fast da, noch die letzte Ecke und dann: unser Heim, die Casa Decima Mercator, die unzählige mal durchschrittene Eingangstüre und das überraschte Gesicht unseres Ianitors...