Da tagsüber die Ausbildung stattfand, konnte Scato erst mit Einbruch der Abenddämmerung aufbrechen. Über seine Tunika hatte er heute außer dem bei jedem Schritt klimpernden Cingulum, das er wie die meisten Soldaten in der Öffentlichkeit niemals ablegte, auch die warme Paenula auf dem Leib, denn es war doch recht frisch. Auf seinem Rücken trug er ein Bündel mit Wechselkleidung, sein Handtuch und etwas Proviant. Ob Lurco später nachkommen wollte, wusste Scato nicht, aber er hatte ihm Bescheid gegeben, wo er war. So oder so würde der heutige Abend ohne Alkohol stattfinden, das hatte Scato sich vorgenommen. Wenn er nur an das letzte Besäufnis dachte, wurde ihm schlecht. Inzwischen lag das allerdings schon einige Tage zurück.
Der geplante Badeabend war ein längerer Ausflug, denn um in die Thermae Agrippe zu gelangen, musste Scato etwa römische 4 Meilen zu Fuß zurücklegen (und natürlich wieder die widerliche Subura durchqueren). Nach dem anstrengenden und wie immer sehr lauten Training genoss er den Spaziergang in seinem eigenen Tempo, während die Wintersonne hinter den Hausdächern versank und die Schatten sich streckten. Die Castra besaß eigene Thermen, aber Scato fand, wenn man in eine neue Stadt zog, dann sollte man sich die wichtigsten Sehenswürdigkeiten ansehen, um die neue Heimat in all ihren Facetten kennenzulernen. Quietus hatte genau beschrieben, wie er dahin gelangen würde und hatte ihm auch ein wenig über die Thermen erzählt. Die Bäder von Agrippa waren die erste der großen Thermen der Stadt und auch das erste öffentliche Bad. Zunächst als Dampfbad genutzt, wurden die Becken später mithilfe eines eigens dafür dienenden Aquädukts mit Wasser aufgefüllt.
Schon von außen sahen die Thermae Agrippae sehr schön aus:
Thermae Aggrippae
Für Scato besonders interessant war der künstliche See im Außengelände, genannt stagnum, der ebenfalls jüngeren Datums war. Der rechteckige See war größer als der gesamte Innenbereich der Anlage zusammen. Vielleicht würde er darin eine Runde drehen, auch wenn das Wasser um diese Jahreszeit noch eisig war. Ihm war danach.
Im Unterschied zu manch anderen Thermen, waren diese hier kostenlos für die Gäste. Scato schloss sich der Schlange wartender Männer an, die ins Innere drängten. Frauen hatten um diese Zeit keinen Zutritt. Es ging recht zügig vorwärts, nur in der Umkleide gab es einen kleinen Stau. Eine markante Statue fiel dem wartenden Scato ins Auge. Ah ja, von der hatte ihm Quietus, das wandelnde Lexikon, auch erzählt. Apoxymenos von Lysippus war es, der die Gäste aus einem steinernen Antlitz nie weichender Jugend begrüßte, während er sich in vorbildlicher Manier mit einem strigil Staub und Schweiß vom Körper kratzte. Allerdings tat er es erst wieder, denn Kaiser Tiberios hatte einst die Statue des griechischen Athleten aus lauter Verzückung in seine privaten Gemächer verbringen lassen, sehr zum Ärger der Bevölkerung, doch nun war Apoxymenos wieder da.
Und Scato überlegte, nunmehr in sein Handtuch gehüllt und in Badesandalen, welches der vielen Becken er als erstes aufsuchen sollte. Natürlich gab es eine vorgeschriebene korrekte Reihenfolge, aber an die hielt er sich selten. Eigentlich nie. Sollte er gleich mit dem Außengelände beginnen? Nachdenklich schlenderte er herum und sah sich alles an.